Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Anhebung der Altersgrenze. Stichtagsregelung. Vertrauensschutzregelung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die vorgezogene Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit durch § 41 Abs. 1 SGB VI i.d.F. des WFG vom 25.09.1996 ist verfassungsgemäß.
2. Auch die Vertrauensschutzregelungen des § 237 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.d.F. des RuStFöG vom 23.07.1996 (jetzt: § 237 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB VI) und des § 237 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 i.d.F. des RRG 1999 sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
SGB VI § 41 Abs. 1, 1a, § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 237 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3, 4 S. 1 Nrn. 1, 3, § 187a; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 28.08.2003) |
SG Oldenburg (Urteil vom 15.10.2002) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. August 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die dem Kläger bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung des ungeminderten Zugangsfaktors 1,0 zu berechnen ist oder wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente ein Zugangsfaktor von 0,883 zu Grunde zu legen ist.
Der im März 1940 geborene Kläger stellte am 26. Januar 2000 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. In einem Schreiben seines letzten Arbeitgebers vom 27. Januar 2000, das der Kläger mit seinem Rentenantrag vorlegte, heißt es, ihm sei bereits vor dem 14. Februar 1996 mitgeteilt worden, dass auch er zu den von einer Personalreduzierungsmaßnahme betroffenen Mitarbeitern gehören könne; Voraussetzung sei die vorherige Aufhebung des Kündigungsschutzes nach dem Manteltarifvertrag; die Aufhebung sei am 16. April 1996 beantragt und am 25. April 1996 genehmigt worden, daraufhin sei am 13. Mai 1996 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1996 ausgesprochen worden.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2000 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Wirkung ab 1. April 2000 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI); dabei verminderte sie wegen der um 39 Kalendermonate vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,117 (39 Kalendermonate × 0,003) auf 0,883. An Stelle von 49,7634 lagen der Rente deswegen nur 43,9411 persönliche Entgeltpunkte (EP) zu Grunde. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er Vertrauensschutz geltend machte, weil ihm schon weit vor dem 14. Februar 1996 mitgeteilt worden sei, dass ihm unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1996 gekündigt werde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2000 zurück; die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 237 Abs 2 (jetzt Absatz 4) SGB VI seien nicht erfüllt.
Die Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 15. Oktober 2002 abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. In seinem Urteil vom 28. August 2003 hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, die Beklagte habe die Kürzung der Altersrente entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 237 Abs 3 SGB VI zutreffend durchgeführt. Der Kläger gehöre nicht zu den Gruppen von Versicherten, die nach der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs 4 SGB VI von der vorgezogenen Anhebung der Altersgrenze nach der Grundregelung des § 237 Abs 3 SGB VI ausgenommen seien; er sei an dem in § 237 Abs 4 SGB VI genannten Stichtag, dem 14. Februar 1996, nicht bereits arbeitslos gewesen und es habe vor diesem Tag auch noch keine beide Seiten bindende individuelle oder kollektive Vereinbarung über eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vorgelegen. Nach der Mitteilung seines Arbeitsgebers vom 27. Januar 2000 sei dem Kläger vor dem Stichtag lediglich mitgeteilt worden, dass er zu den von der Kündigung Betroffenen gehören könne; die Kündigung selbst sei jedoch erst danach, nämlich am 13. Mai 1996 ausgesprochen worden. Die Regelung über die stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 Jahren für die Rente wegen Arbeitslosigkeit und über den bei ihrer vorzeitigen Inanspruchnahme eintretenden Rentenabschlag durch die Gesetze vom 23. Juli 1996 (BGBl I, 1078) und vom 25. September 1996 (BGBl I, 1461) sei auch nicht verfassungswidrig.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verfassungswidrigkeit der seiner Rentenberechnung zu Grunde gelegten Regelungen des § 237 Abs 3 und 4 SGB VI. Diese Bestimmungen seien nicht mit Art 2, 3 und 14 Grundgesetz (GG) vereinbar; auch werde das verfassungsrechtliche Vertrauensschutzgebot verletzt; insbesondere sei auch der gewählte Stichtag für die Ausnahmen von der Anhebung der Altersgrenze willkürlich, weil der Gesetzgeber von der Schutzwürdigkeit der von der Altersgrenzenanhebung durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) nicht betroffenen rentennahen Jahrgänge ausgegangen sei und es für eine Differenzierung innerhalb dieser Jahrgänge keine sachliche Begründung gebe. Der Zeitpunkt, zu dem jemand seine Kündigung erhalten habe, dürfe nicht ausschlaggebend dafür sein, ob er bei gleicher oder sogar längerer Beitragsleistung eine ungeschmälerte Rentenleistung in Anspruch nehmen könne oder sich mit einer geringeren Lohnersatzleistung nach dem Arbeitsförderungsrecht begnügen oder gar privates Vermögen einsetzen müsse. Ohne sachlichen Grund werde ferner bei der vorgezogenen Anhebung der Altersgrenzen die Gruppe der arbeitslosen Versicherten gegenüber der Gruppe der Frauen benachteiligt, indem bei gleichem Renteneintrittsalter bei Arbeitslosen ein höherer versicherungsmathematischer Abschlag statuiert sei als bei Frauen, obwohl nach der Gesetzesintention der Abschlag den längeren Rentenlaufzeiten auf Grund gestiegener Lebenserwartung Rechnung tragen solle.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. August 2003 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 22. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2000 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. April 2000 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ohne Abschläge wegen der Anhebung der Altersgrenze zu gewähren,
hilfsweise,
den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, der Kläger habe seines Wissens von seinem Arbeitgeber aus Anlass der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 90.000 DM erhalten. Die Beklagte hat angegeben, eine Beitragsnachzahlung nach § 187a SGB VI betrage für den Kläger – bezogen auf den heutigen Zeitpunkt – 37.833,54 € und – bezogen auf den Rentenbeginn – 35.465,65 €.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Die Vorinstanzen haben den angefochtenen Bescheid der Beklagten zu Recht bestätigt.
Streitgegenstand ist ausschließlich, ob der Monatsbetrag der dem Kläger zuerkannten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors 1,0 zu ermitteln ist. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (stRspr, vgl BSG Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 113/00 R – veröffentlicht in JURIS, mwN). Wie dies auch in seinem Klageantrag zum Ausdruck kommt, wendet sich der Kläger nicht allgemein gegen die Festsetzung der Rentenhöhe auch im Hinblick auf andere gesetzliche Regelungen, vielmehr geht es ihm nur um die Festsetzung einer höheren Rente im Blick auf den begehrten Zugangsfaktor 1,0. Wegen der vom Kläger vorgenommenen Bestimmung des Streitgegenstands unterliegt der angefochtene Rentenbescheid der Beklagten daher nur insoweit der Nachprüfung im vorliegenden Rechtsstreit.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines höheren Zugangsfaktors.
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des SGB VI in der zum Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. April 2000 geltenden Fassung (§ 300 Abs 1 SGB VI; vgl Senatsurteil vom 24. Februar 1999 – B 5 RJ 28/98 R – SozR 3-2600 § 300 Nr 14).
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß § 64 Nr 1 SGB VI, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit dem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Zugangsfaktor ist also ein Berechnungselement der persönlichen EP; durch ihn werden nach § 63 Abs 5 SGB VI Vor- und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer vermieden. Nach § 77 Abs 1 und 2 SGB VI in der hier maßgebenden, bis 31. Dezember 2000 gültigen Fassung richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn und bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente zu berücksichtigen sind (§ 77 Abs 1 Satz 1 SGB VI). EP, die noch nicht Grundlage einer Rente wegen Alters waren, werden bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats nach Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, in vollem Umfang berücksichtigt (Zugangsfaktor 1,0 – § 77 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB VI). Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI). So liegt der Fall beim Kläger; dieser hat eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 237 SGB VI in der ab 1. Januar 2000 gültigen Fassung des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl I, 2998).
a) Unter den hier unstreitig erfüllten Voraussetzungen des § 237 Abs 1 SGB VI haben Versicherte, die – wie der Kläger – vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, ab Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Nach § 237 Abs 3 SGB VI wird jedoch die Altersgrenze von 60 Jahren für diese Rente für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente ist möglich (Satz 2); die Anhebung der Altersgrenze und die vorzeitige Inanspruchnahme bestimmen sich nach Anlage 19 (Satz 3). Daraus ergibt sich für den im März 1940 geborenen Kläger eine Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit um 39 Monate. Er kann diese Altersrente entweder im Alter von 63 Jahren und 3 Monaten in Anspruch nehmen oder muss bei vorzeitiger Inanspruchnahme Abschläge in Gestalt des verminderten Zugangsfaktors in Kauf nehmen.
b) Wie das LSG im Ergebnis zu Recht festgestellt hat, greift die Ausnahmeregelung des § 237 Abs 4 SGB VI nicht zu Gunsten des Klägers ein. Nach dieser Vorschrift wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit für bestimmte Versicherte nur in dem dort festgelegten Umfang angehoben. Begünstigt sind: (1) Versicherte, die bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und (a) am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder (b) deren Arbeitsverhältnis auf Grund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und die daran anschließend arbeitslos geworden sind oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, ferner (2) Versicherte, die bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und auf Grund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-V), die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind, und schließlich (3) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig waren, nicht mitzählen.
Der Kläger weist zwar das jeweils erforderliche Geburtsdatum auf, die weiteren Voraussetzungen eines der angeführten Sondertatbestände erfüllt er aber nicht. Das LSG hat zwar Ausführungen nur dahin gemacht, dass der Kläger nicht iS des § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB VI am 14. Februar 1996 arbeitslos war und dass sein Arbeitsverhältnis auch nicht iS des § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB VI auf Grund einer Kündigung oder auf Grund einer Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 ausgesprochen bzw getroffen worden ist, beendet worden ist. Indes besteht auch kein Anhalt dafür, dass einer der anderen Ausnahmetatbestände erfüllt sein könnte. Insbesondere ergibt sich aus den vom LSG beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, dass der Kläger keine 45 Jahre (= 540 Kalendermonate) mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit iS des § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 3 SGB VI hat; vielmehr hat er ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten (vgl Bl 13) nur 501 berücksichtigungsfähige Monate mit solchen Beiträgen.
Auf Grund seiner nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat nach § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden tatsächlichen Feststellungen hat das LSG zu Recht auch die Voraussetzungen des § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB VI verneint; denn vor dem darin genannten Stichtag war eine Kündigung des Klägers noch nicht ausgesprochen und es war zuvor auch noch nicht – wie vom Gesetz alternativ gefordert (vgl dazu das Senatsurteil vom heutigen Tag in dem Rechtsstreit zu dem Az: B 5 RJ 62/02 R – zur Veröffentlichung bestimmt) – die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers bindend vereinbart.
Entgegen der Ansicht des Klägers verstoßen die Regelungen des § 237 Abs 3 und 4 SGB VI nicht gegen das GG. Der Senat hat daher keine Veranlassung, den Rechtsstreit gemäß Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorzulegen.
a) Wie der Senat in seinem heutigen Urteil in dem Rechtsstreit zu dem Az: B 5 RJ 44/02 R (zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt hat, gehen die hier anwendbaren Regelungen über die Anhebung der Altersgrenze bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit auf die Änderungen des SGB VI durch das Gesetz zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand (RuStFöG) vom 23. Juli 1996 und das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 zurück und stellen sich als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsrechts aus Art 14 GG dar, mit denen der Gesetzgeber auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1 GG verstoßen hat, insbesondere auch nicht im Vergleich mit der Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente für Frauen. Der Fall des von der Anhebung der Altersgrenze bei der Rente wegen Arbeitslosigkeit durch das RRG 1992 ebenfalls nicht betroffenen Klägers bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Bei Prüfung der Zumutbarkeit der Regelungen ist im Fall des Klägers zu berücksichtigen, dass er am Stichtag 14. Februar 1996 in einem noch ungekündigten Arbeitsverhältnis stand und ferner, dass er auf Grund der ihm tatsächlich gewährten Abfindung bei Verlust seines Arbeitsplatzes die realistische – ihm in der Anlage zu dem verwendeten Rentenantragsformular bekannt gegebene – Möglichkeit hatte, die mit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente verbundene Rentenminderung durch Beitragszahlungen nach § 187a SGB VI ganz oder teilweise auszugleichen. Wie die Einlassungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erkennen lassen, lag die Abfindung, die der Kläger von seinem Arbeitgeber erhalten hat, noch über dem Betrag, der zum heutigen Zeitpunkt vom Kläger für den Ausgleich der Rentenminderung aufgebracht werden müsste. Diese Möglichkeit besteht im Übrigen auch heute noch; denn nach § 187a Abs 1 Satz 1 SGB VI können derartige Ausgleichszahlungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erfolgen.
b) Dass der Kläger hier anders als in dem Fall, der dem Senatsurteil in dem Rechtsstreit zu dem Az: B 5 RJ 44/02 R zu Grunde liegt, seine Kündigung bereits am 13. Mai 1996 und damit vor der Änderung der Rechtslage durch das ab 1. August 1996 in Kraft getretene (Art 10) RuStFöG erhalten hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wie der Senat in dem genannten Urteil dargelegt hat, ist nicht nur die Beschränkung der Regelung des § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB VI auf Versicherte, die am 14. Februar 1996 bereits arbeitslos waren oder deren Arbeitsverhältnis nach dem 13. Februar 1996 auf Grund einer vor dem 14. Februar 1996 erfolgten Kündigung oder Vereinbarung geendet hat, durch sachliche Gründe gerechtfertigt, sondern auch der Stichtag selbst. Der Stichtag bezeichnet den Zeitpunkt, ab dem das Vertrauen in den Fortbestand der durch das RRG 1992 geschaffenen Rechtslage nicht mehr gerechtfertigt war und daher im Hinblick auf diese Rechtslage noch weiterhin getroffene Dispositionen – hier: die Hinnahme der Kündigung zum 31. Dezember 1996 und Beantragung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt – nicht mehr als schützenswert erscheinen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müssen mit einem Stichtag verbundene unvermeidliche Härten hingenommen werden, wenn der Stichtag sachlich gerechtfertigt ist (BVerfG Beschluss vom 6. Dezember 1988 – 1 BvL 5/85 ua – BVerfGE 79, 212, 219 mwN). Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der Stichtag dem Tag entspricht, an dem die Bundesregierung die Eckpunkte für den Entwurf des RuStFöG festgelegt hat, der volle Umfang der Altersgrenzenanhebung für den Kläger aber nicht bereits durch dieses Gesetz, sondern erst durch das WFG bestimmt worden ist (Anhebung um weitere drei Monate – vgl Art 1 Nr 1 Buchst c iVm Anlage 19 WFG). Denn weitere Einschnitte bei den Altersrenten waren bereits im April 1996 von der Regierung angekündigt worden (s zB Süddeutsche Zeitung vom 27. April 1996, S 10 sowie Frankfurter Rundschau vom 27. April 1996, S 14). Zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers (13. Mai 1996) war der Kabinettsbeschluss vom 7. Mai 1996 über den Entwurf des WFG bereits veröffentlicht (vgl zB dpa-Zusammenfassung – bdt 0484 – vom 7. Mai 1996); der Entwurf des WFG war ebenfalls schon in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (vgl BT-Drucks 13/4610 vom 10. Mai 1996).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1167795 |
GuS 2004, 63 |