Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rehabilitation und Teilhabe. Zuständigkeitsklärung. keine notwendige Beiladung des Leistungsberechtigten bei einem Erstattungsstreit zwischen Rehabilitationsträgern. Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. örtliche Zuständigkeit. Wechsel von ambulant betreutem Wohnen in stationäre Einrichtung
Orientierungssatz
1. Die Position des Leistungsberechtigten wird im Rahmen des § 14 SGB 9 durch einen Erstattungsstreit der Rehabilitationsträger untereinander nicht berührt. Eine Beiladung des Leistungsberechtigten gem § 75 Abs 2 Alt 1 SGG ist daher nicht erforderlich.
2. § 98 Abs 5 S 2 SGB 12 ist so zu verstehen, dass bei einem Leistungsfall des betreuten Wohnens, der vor dem 1.1.2005 begonnen hat, die zur Zeit des Leistungsbeginns geltenden Regelungen des BSHG über die örtliche Zuständigkeit weitergelten (vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 7/10 R = BSGE 109, 56 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1).
Normenkette
SGG § 75 Abs. 2 Alt. 1; SGB 9 § 14 Abs. 4 S. 1; SGB 12 § 53 Abs. 1; SGB 12 § 54 Abs. 1 S. 1; SGB 9 § 55 Abs. 2 Nr. 6; SGB 12 § 98 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 5 Sätze 1-2; BSHG § 97 Abs. 2 S. 1; SGB 1 § 30 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2012 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Januar 2011 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 64 945,52 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit ist die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 64 945,52 Euro (Eingliederungshilfe und Leistungen für den Lebensunterhalt, die der Kläger in der Zeit vom 29.6.2007 bis 28.2.2009 für M H ≪M.H.≫ erbracht hat).
Der Beklagte hatte nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) für den 1981 geborenen M.H., der von 1994 bis 31.7.2006 im St. Vinzenzstift A (Hessen) stationär untergebracht war und danach vom 1.8.2006 bis 28.6.2007, getragen vom St. Vinzenzstift, betreut wohnte, die entsprechenden Sozialhilfeleistungen erbracht, weil dieser vor Aufnahme in die Einrichtung im Jahre 1994, als er bei seiner Mutter in M (Rheinland-Pfalz) lebte, dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Seit dem 29.6.2007 ist M.H. in den Heilerziehungs- und Pflegeheimen Sch (Rheinland-Pfalz) wiederum stationär untergebracht.
Den beim Beklagten eingereichten Antrag (vom 9.1.2007) auf Leistungen wegen dieser Unterbringung leitete der Beklagte am 16.1.2007 mit der Begründung an den Kläger weiter, er sei für den Leistungsfall nicht mehr zuständig, nachdem M.H. zwischenzeitlich (ab 1.8.2006 wegen des Betreuten-Wohnens) einen gewöhnlichen Aufenthalt in Hessen begründet habe, der die Zuständigkeit des Klägers nach sich ziehe. Dieser bewilligte M.H. Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten bzw Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) unter Beteiligung des Hilfeempfängers in Höhe von 12 Euro monatlich an den Kosten (bestandskräftige Bescheide vom 26.6.2007 und 18.7.2007). Gegenüber dem Beklagten machte er erfolglos einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) geltend (Schreiben vom 3.7.2007).
Die auf Kostenerstattung in Höhe von 64 945,52 Euro gerichtete Klage blieb beim Sozialgericht (SG) Kassel ohne Erfolg (Urteil vom 26.1.2011), weil der Kläger selbst für die Leistungsgewährung nach § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII zuständig gewesen sei. Während des Ambulant-betreuten-Wohnens habe M.H. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in A gehabt; § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII, wonach bei einem Wechsel von einer Einrichtung in eine andere Einrichtung auf den gewöhnlichen Aufenthalt vor dem Eintritt in die erste Einrichtung abzustellen sei, sei auf den Übergang von einer ambulant-betreuten Wohnform in eine stationäre Einrichtung nicht entsprechend anwendbar. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG den Beklagten zur Zahlung verurteilt (Urteil vom 25.1.2012), weil dieser für die stationäre Maßnahme und damit auch für die Leistungen zum Lebensunterhalt (§ 97 Abs 4 SGB XII) zuständig sei. Das Ambulant-betreute-Wohnen habe die vor der Aufnahme in das St. Vinzenzstift im Jahre 1994 in Gang gesetzte "Kette" von stationären Maßnahmen nicht unterbrochen. Vielmehr ergebe sich die Zuständigkeit des Beklagten in entsprechender Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 5 Satz 1 SGB XII (Kette zwischen Einrichtungen und Ambulant-betreutem-Wohnen) aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltes von M.H. vor der ersten stationären Aufnahme in das St. Vinzenzstift im Jahre 1994. Deshalb habe er gemäß § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX als eigentlich zuständiger Leistungs- und Rehabilitationsträger dem Kläger die gesamten Sozialhilfekosten (unter Einschluss der Leistungen für den Lebensunterhalt) zu erstatten. Selbst wenn man bezüglich der Leistungen für den Lebensunterhalt § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX nicht anwenden würde, ergäbe sich insoweit ein Erstattungsanspruch aus § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).
Mit seiner Revision macht der Beklagte eine Verletzung des § 98 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB XII geltend. Es sei kein Raum für eine entsprechende Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII. Durch die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts während des Ambulant-betreuten-Wohnens unmittelbar vor der stationären Aufnahme am 29.6.2007 in die Sch Heime sei die "Einrichtungskette" zwischen der ersten stationären Aufnahme und der zweiten unterbrochen worden, sodass § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII Anwendung finde und der Kläger wegen des gewöhnlichen Aufenthaltes des M.H. in A vor Beginn der zweiten stationären Maßnahme zuständig geworden sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Der Kläger hat keinen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten, weil er selbst der für die M.H. im streitbefangenen Zeitraum erbrachten Leistungen zuständige Leistungsträger ist.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor; eine Beiladung des M.H. gemäß § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) war nicht erforderlich. Danach sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei dem zuvörderst in Betracht kommenden Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX handelt es sich jedoch nicht um einen von der Rechtsposition des Leistungsempfängers abgeleiteten, sondern um einen eigenständigen Anspruch, der nur die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Kläger und Beklagtem betrifft; durch die Weiterleitung des Antrags nach § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX wird gegenüber dem Leistungsberechtigten eine eigene gesetzliche Verpflichtung des sog "zweitangegangenen" Leistungs- und Rehabilitationsträgers im Außenverhältnis begründet, und die Leistungsbewilligung bildet für den Leistungsberechtigten den Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Leistung (BSGE 98, 267 ff RdNr 19 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4; BSGE 98, 277 ff RdNr 12 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4). Die Position des Leistungsberechtigten wird im Rahmen des § 14 SGB IX durch den Erstattungsstreit der Rehabilitationsträger untereinander nicht berührt; insbesondere greift die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nicht. Bei einem wegen der Leistungen für den Lebensunterhalt ggf nach § 105 SGB X in Betracht kommenden Erstattungsanspruch (dazu später) ist eine Entscheidung des Senats zumindest deshalb ohne Beiladung des M.H. möglich, weil die Klageabweisung diesem zu keinerlei Nachteil gereichen kann (vgl zu dieser Überlegung nur BSG SozR 4-1300 § 104 Nr 5 RdNr 24 mwN). Ob eine Beiladung im Hinblick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X überhaupt erforderlich gewesen wäre (vgl dazu BSG aaO), bedarf deshalb keiner Entscheidung.
Als Rechtsgrundlage für den vom Kläger mittels einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen den Beklagten kommt zunächst § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX in Betracht. Danach erstattet ein Rehabilitationsträger dem anderen dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften, wenn nach der Bewilligung der Leistungen durch einen Rehabilitationsträger nach Maßgabe von Abs 1 Satz 2 bis 4 festgestellt wird, dass der andere Rehabilitationsträger zuständig ist. Zuständig ist in diesem Sinne ein Träger, der ohne die Regelung des § 14 SGB IX zuständig wäre und von dem der Versicherte die gewährte Leistung hätte beanspruchen können (vgl: BSGE 98, 277 RdNr 10 ff mwN = SozR 4-2500 § 40 Nr 4; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 12 RdNr 9 mwN). Dies gilt aber nicht in der offenbar hier vorliegenden Konstellation der Heranziehung anderer (juristischer) Personen durch den zuständig bleibenden Sozialhilfeträger nach § 99 SGB XII durch Landesrecht (§ 4 Landesgesetz zur Ausführung des SGB XII vom 22.12.2004 - AGSGB XII Rh-Pf - Gesetz- und Verordnungsblatt ≪GVBl≫ 571). Hier richtet sich der Erstattungsanspruch gegen die herangezogene juristische Person; die Beteiligtenfähigkeit des Beklagten ergibt sich insoweit wegen des in Rheinland-Pfalz geltenden Behördenprinzips aus § 70 Nr 3 SGG.
Ob vorliegend § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX auch für die Leistungen zum Lebensunterhalt an M.H. nach dem Dritten bzw Vierten Kapitel des SGB XII wegen § 97 Abs 4 SGB XII (sachliche Zuständigkeit für alle Leistungen des SGB XII bei Zuständigkeit für stationäre Leistungen) einschlägig ist oder ob insoweit statt § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX § 105 SGB X zur Anwendung kommt, weil es sich bei diesen Leistungen nicht um Teilhabeleistungen handelt, kann dahinstehen. Der Kläger ist nämlich ohnedies nicht erst aufgrund der innerhalb von zwei Wochen (§ 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX) nach Antragseingang beim Beklagten erfolgten Weiterleitung des Antrags auf Kostenübernahme für die Unterbringung in den Heimen Sch (als Leistung der Eingliederungshilfe nach § 19 Abs 3, §§ 53 und 54 Abs 1 SGB XII iVm § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX) gegenüber dem Leistungsempfänger im Außenverhältnis zuständiger Leistungs- und Rehabilitationsträger (§ 6 Abs 1 Nr 7 SGB IX iVm § 5 Nr 4 SGB IX) geworden, sondern er ist für alle erbrachten Leistungen der originär örtlich und sachlich zuständige Leistungs- bzw Rehabilitationsträger (§ 97 Abs 1 und Abs 2 Satz 1, Abs 3 Nr 1 und Abs 4, § 98 SGB XII iVm § 2 Abs 3, § 3 Hessisches Ausführungsgesetz zum SGB XII vom 20.12.2004 - GVBl 488). Der Beklagte ist deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erstattungspflichtig (passiv legitimiert); ebenso wenig kommt - unabhängig von einer Heranziehung nach § 99 Abs 2 SGB XII iVm § 4 AGSGB XII Rh-Pf - die Erstattungspflicht des überörtlichen Sozialhilfeträgers (§ 1 Abs 2 AGSGB XII Rh-Pf) als des sachlich zuständigen Leistungsträgers (§ 97 Abs 2 SGB XII iVm § 2 AGSGB XII Rh-Pf) bzw der entsprechenden Behörde in Betracht.
Es kann für die Entscheidung offen bleiben, ob M.H. bis zur Aufnahme in die Einrichtungen Sch, also bis einschließlich 28.6.2007, tatsächlich Leistungen des Ambulant-betreuten-Wohnens erhalten hat (zu der Voraussetzung des Erhaltens von Leistungen siehe OVG Münster, Urteil vom 19.2.2013 - 12 A 1906/12); der Gebrauch dieses Rechtsbegriffs durch das LSG kann jedenfalls die notwendigen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) nicht ersetzen (vgl dazu: BSGE 109, 56 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1). Hat M.H. bis einschließlich 28.6.2007 nicht ambulant-betreut gewohnt, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Klägers - und daraus folgend auch die sachliche - bereits aus § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII, wonach für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe zuständig ist, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt hatten. Nach § 30 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Gemessen an diesen Kriterien ist nach den vom LSG festgestellten Umständen, die in der Zeit vom 1.8.2006 bis 28.6.2007 jedenfalls einen Aufenthalt des M.H. in einer stationären Einrichtung ausschließen (vgl zur Problematik des gewöhnlichen Aufenthalts bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung § 109 SGB XII), von einem gewöhnlichen Aufenthalt in A, im Zuständigkeitsbereich des Klägers, auszugehen. M.H. hatte sich dort unter Umständen aufgehalten, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilen wollte. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass er nur weniger als ein Jahr in der Wohngruppe gelebt habe und bereits im Jahr 2007 die Wiederaufnahme in eine stationäre Einrichtung, in der ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht begründet werden kann (§ 109 SGB XII), in die Wege geleitet worden sei; denn er hielt sich nach den Feststellungen des LSG im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs außerhalb dieser stationären Einrichtung in A auf, was für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ausreichend ist (vgl nur BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 5 C 25/11 - juris RdNr 23 mwN).
Aber auch dann, wenn M.H. vom 1.8.2006 bis 28.6.2007 ambulant-betreut gewohnt haben sollte, wäre der Kläger örtlich und sachlich zuständiger Leistungs- bzw Rehabilitationsträger für die in den Heimen Sch gewährten Leistungen. Es könnten dann zwar Gründe dafür sprechen, die M.H. seit 1994 gewährten Leistungen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten - gleichgültig ob stationär, teilstationär oder ambulant - insgesamt als einheitliches Leistungsgeschehen des Betreuten-Wohnens zu werten (vgl zum Wechsel von einer ambulant-betreuten Wohnform zur anderen bereits: BSGE 109, 56 ff RdNr 17 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1), und die örtliche - damit vorliegend auch die sachliche - Zuständigkeit des Klägers bei einem mehrfachen Wechsel zwischen stationärer und ambulanter Betreuung in entsprechender Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII (hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670 - erhalten hat) zu beurteilen. Nur bei einem einheitlichen Leistungsgeschehen in diesem Sinne wäre eine Analogie zu § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII überhaupt denkbar. Wäre dies der Fall, müsste allerdings § 98 Abs 5 Satz 2 SGB XII beachtet werden (dazu später); bei dessen Anwendung würde ebenso wenig eine Zuständigkeit des Beklagten begründet wie über § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII ohne entsprechende Heranziehung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII.
Gemäß § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII ist für die stationäre Leistung, wenn die Leistungsberechtigten beim Einsetzen der Sozialhilfe aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten waren oder nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall eingetreten war, der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Daneben bestimmt § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII, dass für Leistungen an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulant-betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Für eine entsprechende Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII auch auf den Wechsel zwischen ambulant- und stationär-betreuten Wohnformen könnte sprechen, dass der sozialhilferechtlich relevante Bedarf des Betreuten-Wohnens, der durch Leistungen der Sozialhilfe zu decken ist, als Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (vgl § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX) im Kern unverändert bleibt und lediglich der äußere Rahmen, in dem die Hilfe geleistet wird (ambulant oder stationär), Veränderungen unterworfen ist. Der Schutz des Sozialhilfeträgers am Ort ambulant-betreuter Wohnmöglichkeiten entfiele dann bei unveränderter Bedarfslage (Betreutes-Wohnen) nicht (so auch: Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 98 RdNr 96a, Stand Juni 2012, Josef/Wenzel, NDV 2007, 85, 90 f, und Hammel, ZFSH/SGB 2008, 67, 74; aA Gerlach, ZfF 2008, 5, 9, Söhngen in juris PraxisKommentar ≪jurisPK≫ SGB XII, § 98 SGB XII RdNr 53, und Schoch in Lehr- und Praxiskommentar ≪LPK≫ SGB XII, 9. Aufl 2012, § 98 SGB XII RdNr 60). § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII könnte indes aus teleologischen Gründen allenfalls bei einem einheitlichen Leistungsgeschehen des Betreuten-Wohnens entsprechend herangezogen werden; denn seine generelle Anwendung bei einem Wechsel zwischen Einrichtungen und Ambulant-betreuten-Wohnformen lässt sich keinesfalls mit Wortlaut und Systematik des § 98 Abs 5 SGB XII vereinbaren, der anders als Abs 4 gerade nicht auf die gesamten Absätze 1 und 2 verweist.
Die entsprechende Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII würde unter diesen Voraussetzungen zu einer fortbestehenden Zuständigkeit des Beklagten führen, weil an dem gewöhnlichen Aufenthalt des M.H. vor der erstmaligen Aufnahme in eine Einrichtung im Jahr 1994 (in M, Rheinland-Pfalz) anzuknüpfen wäre. Insoweit hat das LSG jedoch nicht beachtet, dass § 98 Abs 5 Satz 2 SGB XII für das Ambulant-betreute-Wohnen eine Sonderregelung zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit trifft, wonach vor Inkrafttreten des SGB XII zum 1.1.2005 begründete Zuständigkeiten von der Regelung des § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII unberührt bleiben. Dieser normative Befehl ist so zu verstehen, dass bei einem Leistungsfall des Betreuten-Wohnens, der vor dem 1.1.2005 begonnen hat, die zur Zeit des Leistungsbeginns geltenden Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die örtliche Zuständigkeit weitergelten (vgl BSGE 109, 56 ff RdNr 18 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1). Geregelt ist zwar unmittelbar nur das Ambulant-betreute-Wohnen; wollte man § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII über seinen Wortlaut hinaus auf Fälle des Ambulant-betreuten-Wohnens nach § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII und auf einen Wechsel zwischen ambulanter und stationärer Betreuung anwenden, wäre zwangsläufig auch die Sonderregelung des § 98 Abs 5 Satz 2 SGB XII für sog Altfälle zu berücksichtigen, die durch die entsprechende Anwendung des § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII nicht unterlaufen werden darf. Da die Analogie zu § 98 Abs 2 Satz 2 SGB XII beim Wechsel zwischen ambulanter und stationärer Betreuung - gleichgültig in welcher Reihenfolge - nur mit dem Argument eines einheitlichen, ununterbrochenen sozialhilferechtlichen Bedarfsfalls des Betreuten-Wohnens überhaupt bejaht werden könnte, würde sich vorliegend die Zuständigkeit weiterhin nach den Vorschriften des BSHG richten; denn nach den Feststellungen des LSG handelte es sich jedenfalls für die Zeit von 1994 bis 28.6.2007 um ein solch einheitliches Leistungsgeschehen. Nach § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG wäre dann für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme (hier 29.6.2007) hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt hatte; dies war - wie oben ausgeführt - A (Hessen). Auf die stationäre Unterbringung vor dem Ambulant-betreuten-Wohnen käme es für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit mangels einer Kette zwischen stationären Einrichtungen nach § 97 Abs 2 BSHG nicht an; eine § 98 Abs 5 SGB XII vergleichbare Regelung, über die die im Gesetz vorgesehene Einrichtungskette auf Ambulant-betreute-Wohnformen hätte ausgeweitet werden können, kannte das BSHG nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 und 3 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs 3 und Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 47 Abs 1 und 2, § 52 Abs 1, § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Fundstellen
SGb 2013, 343 |
SGb 2014, 156 |
ZfF 2013, 234 |