Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittel. Ausnahme von der Erhebung des Herstellerrabatts. Alleingesellschafter und zugleich Geschäftsführer einer GmbH. Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern. Feststellung einer existenzgefährdenden finanziellen Belastung. keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers zur Anpassung der deutschen Arzneimittelpreise an das europäische Niveau. Beschränkung der Amtsermittlungspflichten der zuständigen Behörde und der Gerichte
Leitsatz (amtlich)
1. Die in der Gewährung einer Ausnahme von der Erhebung des Arzneimittel-Herstellerrabatts liegende ungleiche Privilegierung eines Unternehmens ist nur gerechtfertigt und mit EU-Recht vereinbar, wenn eine auf der gesetzlichen Rabattregelung beruhende existenzgefährdende finanzielle Belastung dargelegt wird, die nicht durch unternehmensinterne Maßnahmen abgewendet werden kann.
2. Bei einer GmbH, deren Alleingesellschafter zugleich der Geschäftsführer ist und die über Beschäftigte nicht verfügt, wird eine auf der gesetzlichen Rabattregelung beruhende existenzgefährdende finanzielle Belastung der GmbH durch einen bilanzierten Verlust nicht hinreichend dargelegt, wenn die erwirtschafteten Erträge bei einer angemessenen Vergütung des Geschäftsführers zu einer positiven GmbH-Bilanz geführt hätten.
3. Dem Gesetzgeber ist es von Verfassungs wegen nicht versagt, Vorschriften zur Arzneimittelpreisregulierung zu erlassen und die Arzneimittelpreise in Deutschland an das europäische Preisniveau anzupassen, auch wenn dies das gerade in der Nutzung solcher Handelsspannen liegende Geschäftsmodell der Arzneimittelimporteure beeinträchtigt.
4. Die Pflicht des Antragstellers, die besonderen Gründe für das Vorliegen eines Ausnahmefalls hinreichend darzulegen, beschränkt die Amtsermittlungspflichten der zuständigen Behörde und der Gerichte.
Orientierungssatz
Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 1. Kammer vom 29.10.2021 - 1 BvR 1708/19).
Normenkette
SGB V § 34 Abs. 6 Sätze 3, 7, §§ 129, 130a Abs. 1 Fassung: 2010-07-24, Abs. 1a Fassung: 2010-07-24, Abs. 3b S. 1 Hs. 2, Abs. 3a S. 5, Abs. 4 Sätze 1-8; EWGRL 105/89 Art. 4; AEUV Art. 26 Abs. 2, Art. 107 Abs. 1, 3c; SGB X § 20; SGG § 103; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren und für das Berufungsverfahren wird auf 60 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren (noch) über einen Anspruch der Klägerin auf Reduzierung des Arzneimittel-Herstellerrabatts von 16 % auf 6 % für die Zeit von August 2010 bis einschließlich Februar 2011.
Die Klägerin ist eine im Parallelimport von patentgeschützten Arzneimitteln tätige GmbH, deren Alleingesellschafter in der streitigen Zeit zugleich der Geschäftsführer war und die über Beschäftigte nicht verfügte. Nachdem durch § 130a Abs 1a SGB V (idF des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010, BGBl I 983) für die Zeit vom 1.8.2010 bis 31.12.2013 der Arzneimittel-Herstellerrabatt von 6 % auf 16 % erhöht worden war - unter Beibehaltung des Preismoratoriums nach dem Preisstand vom 1.8.2009 (vgl § 130a Abs 3a SGB V) -, beantragte die Klägerin am 3.8.2010 bei der beklagten Bundesrepublik (Bundesministerium für Gesundheit) die Befreiung von den Herstellerabschlägen. Das Ministerium forderte die Klägerin mit Schreiben vom 14.10.2010 auf, weitere Angaben zu machen und Unterlagen einzureichen und leitete den Antrag an das zuständige (vgl § 130a Abs 4 S 8 SGB V) Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle weiter. Mit Schreiben vom 10.3.2011 bat die Klägerin die Beklagte in Ergänzung ihres Antrags um die "Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 130a Abs 4 SGB V". Nach den von ihr eingereichten Unterlagen ergab sich für das Geschäftsjahr 2010 ein Jahresfehlbetrag von 14 871,77 Euro; der Fehlbetrag hatte danach im Vorjahreszeitraum bei 12 450,30 Euro gelegen. Gleichzeitig war die GmbH-Geschäftsführervergütung von 133 845 Euro im Jahr 2009 auf 188 516 Euro im Jahr 2010 angehoben worden.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab, da ein nach § 130a Abs 4 SGB V dafür nötiger Kausalzusammenhang zwischen dem erhöhten Herstellerrabatt und ihrer finanziellen Lage nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen sei. Ohne die Erhöhung der Geschäftsführerbezüge wäre im Jahr 2010 ein positives Ergebnis erzielt worden; auch in den Monaten Januar und Februar 2011 sei insgesamt ein positives Ergebnis erzielt worden (Bescheid vom 14.4.2011).
Auf den Widerspruch der Klägerin gewährte die Beklagte ihr - nachdem die Vergütung ihres Geschäftsführers bei reduzierter Arbeitszeit ab 1.3.2011 auf 8950 Euro monatlich herabgesetzt worden war - zunächst vorläufig ab dieser Zeit eine Reduzierung des Herstellerrabatts von 16 % auf 6 % (Teilabhilfebescheid vom 10.6.2011) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.7.2011).
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage ist die Klägerin vor dem SG erfolglos geblieben: Für die Herabsetzung des Herstellerrabatts lägen keine "besonderen Gründe" gemäß Art 4 Abs 2 S 1 EWGRL 89/105 des Rates vom 21.12.1988 "betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme" (sog TransparenzRL; im Folgenden: EWGRL 89/105) vor. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass ohne die Erhöhung der Geschäftsführervergütung im Jahr 2010 ein positives Geschäftsergebnis erzielt worden wäre. Zudem könne die Klägerin das Geschäftsergebnis durch eine Änderung der Vergütungshöhe für den Geschäftsführer sowie durch die ihr von diesem zur Verfügung gestellten Kredite selbst steuern (Urteil vom 23.1.2012).
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 1.3.2011 bis 30.4.2013 vollständig sowohl vom Herstellerrabatt als auch vom Preismoratorium befreit, die von der Klägerin begehrte Herabsetzung des Herstellerrabatts von 16 % auf 6 % für die Zeit vom 1.8.2010 bis 28.2.2011 allerdings weiterhin abgelehnt (Bescheid vom 11.4.2012; Teilabhilfebescheid vom 19.7.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, dazu auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen und darüber hinaus ausgeführt, die Klägerin habe an den erhöhten Geschäftsführerbezügen festgehalten, obwohl bei einer angemessenen Reduzierung kein Verlust zu erwarten gewesen wäre. Die Beklagte habe für ihre Entscheidung auch die Frist von 90 Tagen nach Art 4 Abs 2 EWGRL 89/105 eingehalten. Der Lauf dieser Frist habe erst mit dem erneuten Antrag der Klägerin vom 10.3.2011 begonnen, mit dem sie erstmals die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen eingereicht habe. Zudem könne aus einer Verletzung dieser Frist kein Rechtsanspruch auf eine stattgebende Ausnahmeentscheidung resultieren (Urteil vom 11.6.2015).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 130a Abs 4 SGB V, Art 4 Abs 2 S 3 EWGRL 89/105, Art 12 Abs 1 iVm Art 19 Abs 3 GG und Art 20 GG (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) sowie verfahrensrechtlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 62 SGG iVm Art 103 GG und der Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG durch das LSG. Sie habe insbesondere mit dem vorgelegten Gutachten einer vereidigten Buchprüferin nachgewiesen, dass durch die gesetzliche Erhöhung des Herstellerabschlags ihre wirtschaftliche Existenz stark gefährdet worden sei. Die Geschäftsführervergütung sei bereits durch Vereinbarung vom 30.9.2009 - und damit lange vor dem Inkrafttreten des 16 %-igen Herstellerabschlags - auf monatlich 14 321 Euro festgelegt worden. Angesichts eines Umsatzes von 992 000 Euro im Jahr 2010 sei die Vergütungshöhe angemessen gewesen und habe den Grundsätzen des BFH und den hier ebenfalls maßgebend mit zu berücksichtigenden Einschätzungen der sachkundigen Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart zur Angemessenheit von GmbH-Geschäftsführer-Vergütungen entsprochen. Die vom Unternehmen erzielte Umsatzrendite von lediglich ca 5 % lasse einen zusätzlichen Herstellerabschlag von 10 % nicht zu, weil sonst jeglicher Umsatz zu Verlusten führe. Obwohl sie (die Klägerin) im 1. Halbjahr 2010 (bis August 2010) einen Gewinn von 50 382,86 Euro erwirtschaftet habe, sei der Jahresüberschuss insgesamt negativ, was nur auf dem erhöhten Herstellerabschlag beruhen könne. Die Monate Januar und Februar 2011 seien einer Saldierung mit dem negativen Jahresüberschuss der Bilanz aus 2010 zur Vermeidung einer Doppelverwendung entzogen. Es verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus Art 20 GG, die Berufsfreiheit aus Art 12 GG sowie die unternehmerische Freiheit iS von Art 3 EWGRL 2001/23, Art 16 EU-Grundrechtecharta, wenn - wie hier bei den getroffenen Entscheidungen - eine Befreiung vom Herstellerabschlag erst bei akuter Insolvenzgefahr eines pharmazeutischen Unternehmers erteilt werde. Um die Wirtschaftskraft der einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) leistenden Arzneimittelimporteure zu erhalten, sei deren besondere Marktsituation zu berücksichtigen. Unter Einhaltung einer nach der Rechtsprechung des BVerfG erforderlichen Schonfrist von mindestens drei Monaten habe der erhöhte Herstellerrabatt frühestens mit Wirkung ab Dezember 2010, nicht aber schon mit dem Monat August 2010 einsetzen dürfen. Da der Antrag vom 3.8.2010 bereits alle Angaben - mit Ausnahme eines Gutachtens - enthalten habe, habe die Beklagte die 90-Tage-Frist nach Art 4 Abs 2 S 3 EWGRL 89/105 mit der Folge einer vorläufigen Genehmigungsfiktion verletzt. Die verspätete Anforderung weiterer, erst nach Ablauf des Geschäftsjahres vorhandener Unterlagen sowie die Übertragung der Aufgaben auf das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle dürfe nicht zu ihren (der Klägerin) Lasten gehen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Juni 2015 und des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Januar 2012 aufzuheben sowie die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 14. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 zu verurteilen, ihr die Reduzierung des Herstellerrabattes gemäß § 130a Abs 1a SGB V von 16 % auf 6 % für den Zeitraum vom 1. August 2010 bis 28. Februar 2011 zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Ausführungen der Vorinstanzen. An die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sei das Revisionsgericht nach § 163 SGG gebunden. Die Befreiung von den Herstellerabschlägen biete dem Unternehmer einen selektiven Vorteil und sei deshalb eine staatliche Beihilfe iS von Art 107 Abs 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Als solche sei sie nach einem Beschluss der Kommission vom 27.3.2015 (Beschluss ≪EU≫ 2015/1300, Celex-Nr 32015D1300, ABl vom 29.7.2015, L 199 S 27 ff) gleichwohl ausnahmsweise nach Art 107 Abs 3c AEUV gerechtfertigt, weil es sich um eine Härtefallklausel handele, deren Beschränkung auf das erforderliche Minimum durch eine restriktive Handhabung sichergestellt werde. Auch unter Beachtung von Art 3 Abs 1 GG und zur Vermeidung sachwidriger Eingriffe in den Wettbewerb der miteinander konkurrierenden Unternehmen im Arzneimittelsektor sei sie (die Beklagte) zu einer äußerst restriktiven Anwendung der Befreiungsmöglichkeit verpflichtet. Sie habe das Tatbestandsmerkmal der "besonderen Gründe" durch untergesetzliche Regelungen konkretisiert, die sie in einem Merkblatt zur Verfügung stelle. Danach dürfe sie eine Ausnahme vom Herstellerrabatt nur gewähren, wenn das betroffene Unternehmen gerade durch die Herstellerabschläge in unzumutbare finanzielle Schwierigkeiten geraten sei, die nicht durch unternehmensinterne Maßnahmen ausgeglichen werden könnten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Bescheid der Beklagten vom 14.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.7.2011 und damit die Ablehnung der Reduzierung des Herstellerrabatts von 16 % auf 6 % für den (nur) noch offenen streitigen Zeitraum vom 1.8.2010 bis 28.2.2011 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist und dass die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wird (hierzu A). Die von der Klägerin gegen das Urteil des LSG erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (hierzu B).
A) Die Klägerin kann ausgehend von den einschlägigen Rechtsgrundlagen (dazu 1.) die Herabsetzung der Herstellerrabatte weder aufgrund einer Verletzung des für die Beklagte geltenden formellen Verwaltungsrechts (dazu 2.) noch mit Blick auf eine Verletzung der maßgebenden materiell-rechtlichen Vorschriften (dazu 3.) beanspruchen.
1. Nach § 130a Abs 1 und 1a SGB V (idF durch das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010, BGBl I 983, Fassung auch im Folgenden, soweit nicht anders gekennzeichnet) erhalten die Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, der in der Zeit vom 1.8.2010 bis 31.12.2013 für verschreibungspflichtige Arzneimittel 16 % betrug. Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken diesen Abschlag zu erstatten. Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Ausnahme von den danach vorgesehenen Abschlägen ist § 130a Abs 4 S 2 bis 8 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105 (ABIEG L 40 S 8). Nach Art 4 Abs 2 EWGRL 89/105 kann in Ausnahmefällen eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, eine Abweichung von einem Preisstopp beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Diese Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen.
Die im streitigen Zeitraum grundsätzlich zur Erstattung des erhöhten 16 %-igen Herstellerrabatts verpflichtete Klägerin sieht sich insoweit nach ihrem Selbstverständnis zutreffend als unter die genannten Regelungen fallende und aktiv legitimierte "pharmazeutische Unternehmerin" iS von § 130a SGB V, die grundsätzlich verpflichtet war, den Apotheken den Rabatt iHv 16 % zu erstatten; denn sie importierte im streitigen Zeitraum im Ausland erworbene Arzneimittel und vertrieb diese in der Bundesrepublik. Nach § 4 Abs 18 Arzneimittelgesetz (AMG) ist pharmazeutischer Unternehmer grundsätzlich auch derjenige, der Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt (§ 4 Abs 18 iVm § 9 Abs 1 S 2 AMG).
2. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten verstoßen nicht gegen formelles Verwaltungsrecht.
a) Nach § 130a Abs 4 S 2 SGB V entscheidet über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Art 4 EWGRL 89/105 auf Ausnahme von den genannten Abschlägen das Bundesministerium für Gesundheit. Dieses hat von der Ermächtigung nach § 130a Abs 4 S 8 SGB V Gebrauch gemacht und die Aufgaben nach § 130a Abs 4 S 2 bis 7 SGB V auf das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle als Bundesoberbehörde übertragen, das daher die Entscheidungszuständigkeit innehatte.
b) Nach § 130a Abs 4 S 3 SGB V sind das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe im Antrag hinreichend darzulegen. Aus der entsprechenden Anwendung des § 34 Abs 6 S 3 bis 5 und 7 SGB V (§ 130a Abs 4 S 4 SGB V) folgt, dass bei unzureichenden Angaben zur Begründung des Antrags dem Antragsteller unverzüglich mitzuteilen ist, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Ausreichend begründete Anträge sind innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und der Antragsteller ist über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt wegen Übertragung auch dieser Aufgabe durch die Beklagte als zuständige Behörde das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Diese formellen Voraussetzungen entsprechen den Vorgaben der EWGRL 89/105, die insbesondere die 90-Tage-Frist bereits vorgibt.
c) Ausgehend von den Feststellungen des LSG, an die der Senat mangels durchgreifender Revisionsrügen (hierzu näher unten B) gebunden ist (§ 163 SGG), ist der ablehnende Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides formell rechtmäßig; insbesondere hat die Beklagte nicht die 90-Tage-Frist verletzt. Insoweit kann dahinstehen, ob aus einem Verstreichenlassen der 90-Tage-Frist überhaupt ein Befreiungsanspruch oder ggf sonstige, die verspätete Entscheidung ausgleichende Ersatzansprüche resultieren könnten.
Der Antrag der Klägerin vom 3.8.2010 konnte mangels hinreichender Angaben zu seiner Begründung den Lauf der Frist nicht in Gang setzen. Denn die 90-Tage-Frist gilt lediglich für ausreichend begründete Anträge. Nach den Feststellungen des LSG ist der Klägerin von der Beklagten mit Schreiben vom 14.10.2010 mitgeteilt worden, dass weitere Angaben und Unterlagen erforderlich seien und sie entsprechende Informationen und Formulare dazu auf der Internetseite der Beklagten finde. Die danach geforderten Unterlagen hat die Klägerin indessen erst mit dem erneuten Antrag vom 10.3.2011 bei der Beklagten vorgelegt. Davon ausgehend ist der Bescheid der Beklagten vom 14.4.2011 innerhalb der 90-Tage-Frist ergangen.
d) Eine Verletzung der 90-Tage-Frist käme indessen auch dann nicht in Betracht, wenn man annähme, dass die Klägerin bereits in dem Antrag auf Befreiung vom 3.8.2010 alle bis dahin möglichen Angaben zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit der erhöhten Herstellerabschläge gemacht hatte und darüber hinaus lediglich ein Gutachten sowie attestierte Abschlüsse verlangt worden seien, die erst nach Ablauf des Geschäftsjahres 2010 hätten vorgelegt werden können. Denn das Bundesministerium für Gesundheit hat die Klägerin bereits in dem Schreiben vom 14.10.2010 ergänzend darauf hingewiesen, dass über Befreiungsanträge grundsätzlich erst nach Vorlage des Jahresabschlusses für das Jahr 2010 und lediglich dann, wenn wegen drohender Illiquidität eine unterjährige Entscheidung ausdrücklich zusätzlich beantragt werde, hierüber noch im Laufe des Jahres 2010 entschieden werde. Einen Antrag der Klägerin auf unterjährige Entscheidung hat das LSG nicht festgestellt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Forderung endgültiger Daten erscheint im Hinblick auf die Möglichkeit, eine unterjährige Entscheidung zu beantragen, auch nicht unzumutbar. Die Klägerin kann sich aber bei dieser Sachlage jedenfalls nicht im Nachhinein darauf berufen, es habe schon auf der Basis ihrer Angaben im August 2010 innerhalb von 90 Tagen eine Entscheidung ergehen müssen.
3. Ausgehend von den für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG hat die Klägerin für den Zeitraum von August 2010 bis einschließlich Februar 2011 auch nach den dargestellten materiell-rechtlichen Rechtsgrundlagen keinen Anspruch auf die Reduzierung des Herstellerrabatts von 16 % auf 6 %. Denn besondere Gründe iS von § 130a Abs 4 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105, die es rechtfertigen, im Ausnahmefall von der Erhebung des Herstellerrabatts ganz oder teilweise abzusehen, hat die Klägerin nicht dargetan.
Solche "besonderen Gründe" setzen eine die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gefährdende unzumutbare finanzielle Belastung voraus, die ursächlich auf die gesetzliche Rabattregelung zurückzuführen ist und nicht durch unternehmensinterne Maßnahmen abgewendet werden kann (so im Ergebnis zB auch Armbruster in Eichenhofer/von Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, 3. Aufl 2018, § 130a RdNr 39; Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II - SGB V, Bd 3, Stand Januar 2012, § 130a RdNr 11; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 11/18, K § 130a RdNr 29; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, Stand 3.1.2017, § 130a RdNr 38).
Diese enge Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "besonderen Gründe" ergibt sich unter Rückgriff auf die gesetzliche Systematik des § 130a SGB V (hierzu a), die Begründung im Gesetzgebungsverfahren (hierzu b), verfassungsrechtliche Gesichtspunkte (hierzu c) und aus dem Bezug zum EU-Recht (hierzu d). Dabei ist der Senat nicht an die von der Beklagten getroffene und in einem Merkblatt veröffentlichte Auslegung gebunden (hierzu e). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen im Hinblick auf die Erhebung von Herstellerabschlägen und die hierzu vorgesehenen Ausnahmen nicht (hierzu f). Die nach den gesetzlichen Regelungen dem Antragsteller obliegende Darlegungslast für das Vorliegen eines Ausnahmefalls beschränkt die Amtsermittlungspflichten der Beklagten (hierzu g).
Die Klägerin erfüllt diese Anforderungen an einen Ausnahmefall, der es rechtfertigt, von der Erhebung des Herstellerrabatts ganz oder teilweise abzusehen, im noch verbleibenden streitigen Zeitraum nicht. Denn bei einer Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, deren Alleingesellschafter zugleich der Geschäftsführer und einziger "Mitarbeiter" ist, liegt es allein in der Hand des Gesellschafter-Geschäftsführers, die aus dem Geschäftsbetrieb erwirtschafteten Erträge zwischen den Geschäftsführerbezügen einerseits und dem ausgewiesenen Gesellschaftsgewinn andererseits aufzuteilen sowie nach Ermessen zu verschieben. Eine durch die Herstellerrabatte verursachte existenzgefährdende finanzielle Belastung iS von § 130a Abs 4 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105 ergibt sich für eine solche Gesellschaft daher nicht allein aus einem in der Bilanz ausgewiesenen Verlust, wenn es bei einer nach den Umständen vorzunehmenden angemessenen Reduzierung der Geschäftsführerbezüge zu einer ausgeglichenen oder sogar positiven Geschäftsbilanz gekommen wäre (hierzu h).
a) Zur Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen "besonderer Gründe" zu stellen sind, die eine Ausnahme von der Erhebung der Herstellerabschläge zu rechtfertigen vermögen, enthält weder der Wortlaut der Regelung des § 130a SGB V selbst nähere Konkretisierungen, noch die zugrunde liegende EWGRL 89/105. Nach der gesetzlichen Systematik des § 130a Abs 4 SGB V wird zwischen der Aufhebung oder Verringerung der Abschläge durch Rechtsverordnung aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage (§ 130a Abs 4 S 1 SGB V) einerseits und der Ausnahme von der Erhebung des Herstellerrabatts im Einzelfall (§ 130a Abs 4 S 2 SGB V) andererseits unterschieden. Schon dies zeigt, dass es für die Gewährung einer Ausnahme im Einzelfall auch spezifischer Besonderheiten bedarf, die den Antragsteller von anderen betroffenen Unternehmen unterscheidet und eine Ungleichbehandlung ihnen gegenüber rechtfertigen kann.
Dies schließt nicht aus, dass mehrere pharmazeutische Unternehmer in gleicher Weise, also gruppenspezifisch, aufgrund einer spezifischen Marktsituation von der Abschlagsregelung besonders schwer betroffen sind (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 23.8.2010 - 1 BvR 2002/10 - NZS 2011, 382, 383 f). Die Klägerin kann sich jedoch nicht allein auf die besondere Marktsituation der Arzneimittelimporteure berufen. Sie hat vielmehr als Importeur von patentgeschützten Arzneimitteln das Vorliegen eines Ausnahmefalls in gleicher Weise darzulegen wie andere Arzneimittelhersteller. Denn der Gesetzgeber hat die spezifischen Belange der Arzneimittelimporteure nicht übersehen, sondern in § 130a Abs 3b S 1 Halbs 2 iVm § 130a Abs 3a S 5, § 129 SGB V für preisgünstige importierte Arzneimittel besondere Preisregelungen vorgesehen. Diese betreffen allerdings das Preismoratorium (vgl hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages vom 16.6.2010, BT-Drucks 17/2170 Zu Art 1, Zu Nr 0, Zu Buchst c, S 37); § 130a Abs 3a S 6 SGB V stellt ausdrücklich klar, dass die Abschläge nach Abs 1, 1a und 3b zusätzlich erhoben werden.
b) Die Auseinandersetzung des Gesetzgebers mit den Belangen der Arzneimittelimporteure ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien. Die Argumentation der Klägerin, dass der GKV erhebliches Einsparpotential verloren gehe, wenn der nur mit einer beschränkten Umsatzrendite verbundene Arzneimittelimport mit den erhöhten Herstellerrabatten belegt werde, ist im Gesetzgebungsverfahren nicht übersehen worden (siehe BT-Drucks 17/2170, aaO, abgelehnter Änderungsantrag 3, S 31 f). Im Ergebnis hat der Gesetzgeber patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel nach § 130a Abs 3b S 1 SGB V von dem erhöhten Abschlag ausgenommen, um zu verhindern, dass sich die Abschläge nach den Abs 1, 1a und 3b im Einzelfall auf insgesamt 26 % summieren können (vgl dazu BT-Drucks 17/2170, aaO, Zu Art 1, Zu Nr 0, Zu Buchst b, S 36 f). Vor dem Hintergrund stark gestiegener Ausgaben für neue, patentgeschützte Arzneimittel (siehe BT-Drucks 17/2170, aaO, S 2, 30) hat er aber zwischen der Preisentwicklung für Arzneimittel im generikafähigen Markt und den Preisen für patentgeschützte Arzneimittel einen Gegensatz gesehen (vgl dazu BT-Drucks 17/2170, aaO, Zu Buchst b, S 36 f). Schließlich war es sein Anliegen, die gerade in Deutschland besonders hohen Arzneimittelpreise dem europäischen Niveau besser anzupassen (vgl BT-Drucks 17/2170, aaO, S 32), was für Arzneimittelimporteure, die ihre Erträge aus den Preisspannen zwischen deutschen und ausländischen Märkten erwirtschaften, zwangsläufig mit Gewinneinbußen verbunden ist.
Die Gesetzesbegründung spricht darüber hinaus für eine enge Auslegung des Begriffs der "besonderen Gründe". Danach kommen als besondere Gründe iS von § 130a Abs 4 S 2 SGB V "nur solche in Betracht, die eine ausnahmslose Anwendung der für alle betroffenen Unternehmer geltenden gesetzlichen Regelungen als nicht sachgerecht erscheinen lassen. Besondere Gründe in diesem Sinne können etwa vorliegen, wenn der erhöhte Abschlag aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würde" (BT-Drucks 17/2170, aaO, Zu Art 1, Nr 0, Buchst e, Doppelbuchst bb, S 37). Auch danach muss es sich also um Ausnahmefälle handeln, in denen eine Gleichbehandlung mit den anderen betroffenen Unternehmen wegen besonderer Umstände - die sich insbesondere aus einer besonderen Marktsituation ergeben können - nicht sachgerecht erscheint. Die Gesetzesbegründung zeigt zudem nicht nur, dass die Schwelle einer nicht mehr sachgerechten Gleichbehandlung erst bei der Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens erreicht wird, sondern sie macht auch die erforderliche Kausalität des erhöhten Abschlags für die Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens deutlich.
c) Die (vollständige oder teilweise) Befreiung eines pharmazeutischen Unternehmens von den Herstellerabschlägen bewirkt gegenüber allen nicht von den Abschlägen befreiten pharmazeutischen Unternehmen eine ungleiche Privilegierung. Unter Berücksichtigung von Art 3 Abs 1 GG zwingt daher eine verfassungskonforme Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "besonderen Gründe" zu einer engen Auslegung, der die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung immanent ist. Es wäre aber sachlich nicht zu rechtfertigen, Unternehmen von Herstellerabschlägen zu befreien, deren finanzielle Schwierigkeiten maßgeblich auf andere Faktoren als die erhöhten Herstellerabschläge zurückzuführen sind bzw deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch betriebsinterne Maßnahmen gesichert werden kann. Die Herstellerabschläge müssen daher die Ursache (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) für die Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens sein; andere Faktoren, die als Ursache einer Existenzgefährdung in Betracht kommen, sind vorrangig mit unternehmensinternen Maßnahmen anzugehen. In diesem Sinne hat auch bereits das BVerfG entschieden, dass die "besonderen Gründe" im Zusammenhang mit den Abschlagsregelungen nach § 130a Abs 1, 1a und 3a SGB V stehen müssen, denn der Ausnahmetatbestand des § 130 Abs 4 S 2 bis 8 SGB V ist auf die Abschlagsregelungen bezogen und beides kann weder einfach- noch verfassungsrechtlich getrennt voneinander betrachtet werden (vgl BVerfG Beschluss vom 23.8.2010 - 1 BvR 2002/10 - NZS 2011, 382, 384).
d) Die ausdrückliche gesetzliche Bezugnahme in § 130a Abs 4 S 2 SGB V auf Art 4 EWGRL 89/105 basiert auf dem Umstand, dass die Regelungen über den Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1, 1a und 3a SGB V Verfügungen eines "Preisstopps" iS von Art 4 der EWGRL 89/105 sind (vgl hierzu EuGH Urteil vom 2.4.2009 - C-352/07 bis C-356/07, C-365/07 bis C-367/07 und C-400/07 - A. Menarini Industrie Farmaceutiche Riunite Srl, ua, EuGHE 2009, I-2495, RdNr 29; BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3, RdNr 46), denn sie zielen auf die Senkung der Arzneimittelpreise zur Ausgabenbegrenzung der Krankenkassen (vgl hierzu BVerfGE 114, 196, 245 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 132). Wichtige Anhaltspunkte für die hier vorzunehmende Auslegung ergeben sich aber nicht nur aus der EWGRL 89/105 selbst. Vielmehr ist der Begriff der "besonderen Gründe" für die Gewährung einer Ausnahme von den Herstellerabschlägen auch im Hinblick auf die EU-rechtlich nach Art 26 Abs 2 AEUV geschützte Warenverkehrsfreiheit und den damit in Zusammenhang stehenden Wettbewerbsregeln für Unternehmen nach Art 101 ff AEUV eng auszulegen. Dies ergibt sich hier insbesondere aus Art 107 AEUV, der das Verbot staatlicher Beihilfen zur Begünstigung bestimmter Unternehmen regelt. Nach Art 107 Abs 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Nach einem Beschluss der Kommission vom 27.3.2015 (Beschluss ≪EU≫ 2015/1300, Celex-Nr 32015D1300, ABl vom 29.7.2015, L 199 S 27 ff), der die Vereinbarkeit von Befreiungen nach § 130a Abs 4 S 2 bis 8 SGB V mit dem Recht der EU zum Gegenstand hat, sind gewährte Befreiungen von Preisstopps zwar als staatliche Beihilfe iS des Art 107 Abs 1 AEUV anzusehen (Beschluss ≪EU≫ aaO, L 199 S 36, 80), sie sind aber in Anbetracht der Sicherstellung einer strikten Beschränkung der Beihilfe auf das erforderliche Minimum gemäß Art 107 Abs 3c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar (Beschluss ≪EU≫ aaO, L 199 S 38 f, 105, 107). Dabei betont die Kommission insbesondere, dass nur Unternehmen, die einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen ihren finanziellen Schwierigkeiten und dem Herstellerrabatt nachweisen können, für Beihilfen, dh die Gewährung einer Ausnahme im Rahmen der Regelung in Betracht kommen und dass der Preisstopp (dh der Herstellerrabatt) ohne die Befreiung ansonsten gesunde Unternehmen in den Konkurs treiben würde, weil die begünstigten Unternehmen ohne den Preisstopp nicht in finanziellen Schwierigkeiten wären (Beschluss ≪EU≫ aaO, L 199 S 36 f, 89).
An dieser Entscheidung wird deutlich, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der "besonderen Gründe" im Lichte des EU-Rechts nur einer eng begrenzten Auslegung zugänglich ist, die sicherstellt, dass eine unzumutbare finanzielle Belastung des Unternehmens im Sinne einer Existenzgefährdung vorliegt und dass diese Existenzgefährdung keine anderen Ursachen hat, sondern nachweislich auf die gesetzliche Rabattregelung zurückzuführen ist. Nur in Würdigung dieser Umstände hat die Kommission die Gewährung von Ausnahmen von der Erhebung der gesetzlich vorgesehenen Herstellerrabatte als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen.
e) Nicht entscheidend für die Auslegung des Senats sind allerdings die im Merkblatt des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle veröffentlichten Kriterien zum Vorliegen eines Ausnahmefalls. Das Merkblatt enthält keine verbindlichen Normen. Die Ermächtigung der zuständigen Behörde nach § 130a Abs 4 S 4 iVm § 34 Abs 6 S 7 SGB V "Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen" zu regeln, bezieht sich lediglich darauf, den Begründungsumfang des Antrags und die Art und Weise der einzureichenden Nachweise festzulegen. Der zuständigen Behörde steht kein eigener "gerichtsfester" Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zur Konkretisierung des Rechtsbegriffs der "besonderen Gründe" zu. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber mit der Formulierung "besondere Gründe" eines unbestimmten Rechtsbegriffs, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl BVerfG NZS 2011, 382, 383).
f) Gegen die Erhebung der erhöhten Herstellerabschläge nach § 130a Abs 1 und 1a SGB V bestehen unter Berücksichtigung der dazu vorgesehenen Ausnahmeregelungen nach § 130a Abs 4 SGB V keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) Solche Bedenken ergeben sich nicht daraus, dass die Gewinnchancen der Arzneimittelimporteure deutlich eingeschränkt werden. Dem Gesetzgeber ist es angesichts seines weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraums von Verfassungs wegen nicht versagt, gesetzliche Regelungen zur Preisregulierung zu erlassen und die Arzneimittelpreise in Deutschland an das europäische Preisniveau anzupassen, auch wenn dadurch das gerade in der Nutzung solcher Handelsspannen liegende Geschäftsmodell der Arzneimittelimporteure beeinträchtigt wird.
Im Zusammenhang mit der Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel hat das BVerfG deutlich gemacht, dass kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf unveränderte Beibehaltung von Wettbewerbsbedingungen und den damit verbundenen Gewinnchancen besteht. Angesichts der Aufgaben und Ziele des Systems der GKV, nicht nur eine ausreichende und zweckmäßige, sondern auch eine wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln sicherzustellen, besteht kein schutzwürdiges Vertrauen der von der Änderung nachteilig Betroffenen (BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18).
Als Preisreglementierung stellt der Herstellerrabatt zwar einen an Art 12 Abs 1 GG zu messenden Eingriff in die Berufsfreiheit in Form einer Berufsausübungsregelung dar, der jedoch durch das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV als vernünftigem Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl BVerfGE 114, 196, 244 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 131 ff zum Herstellerrabatt iHv 6 %; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.5.2007 - 1 BvR 866/07 - NZS 2008, 34, 35 ≪wo allerdings das Entscheidungsdatum fälschlich mit dem 28.4.2007 angegeben ist≫; vgl auch BVerfGE 68, 193, 218). Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit dem erhöhten Abschlag ein Beitrag der pharmazeutischen Unternehmer zur Stabilisierung der Ausgaben der GKV erzielt werden, der dem wachsenden Anteil der Ausgaben für Arzneimittel entspricht, weil der Umsatz der Arzneimittelhersteller zu Lasten der GKV in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen und deshalb die Belastung für die pharmazeutischen Unternehmer für einen befristeten Zeitraum von drei Jahren und fünf Monaten zumutbar sei (vgl hierzu BT-Drucks 17/2170, aaO, Zu Art 1, Zu Nr 0, Zu Buchst b, S 36 f).
Das BVerfG hat zu dem Herstellerrabatt iHv 6 % bereits ausgeführt, dass die Senkung der Arzneimittelpreise durch Einführung eines zwangsweise zu gewährenden Abschlags im Hinblick auf dieses Ziel unter dem Gesichtspunkt des Art 12 Abs 1 GG geeignet und erforderlich und daher gerechtfertigt ist (vgl BVerfGE 114, 196, 245 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 132). Auch die Angemessenheit des für einen begrenzten Zeitraum auf 16 % erhöhten Herstellerrabatts begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Arzneimittelhersteller zwar Belastungen unterworfen sind, sie aber zugleich von der Einbindung in das System der GKV profitieren (vgl BVerfG Beschluss vom 20.12.1990 - 1 BvR 1418, 1 BvR 1442/90, DtZ 1991, 91, 93). Das BVerfG hat zu diesem erhöhten Herstellerrabatt entschieden, dass Rechte der Betroffenen nicht verletzt sein können, solange die Möglichkeit besteht, im Einzelfall eine Ausnahme von dieser Belastung zu erreichen (BVerfG NZS 2011, 382 f). Soweit die finanziellen Belastungen nicht unzumutbar sind, sind sie daher grundsätzlich hinzunehmen (vgl BVerfGE 114, 196, 246 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 134; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.5.2007 - 1 BvR 866/07 - NZS 2008, 34, 35; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6 RdNr 24, 25 sowie SozR 4-2500 § 130a Nr 4 ≪keine Grundrechtsverletzung für Apotheker durch Erhebung des Herstellerrabatts iHv 16 %≫; zur verfassungsrechtlichen Diskussion vgl auch Axer in Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl 2018, § 130a RdNr 23; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 11/18, K § 130a RdNr 7).
An der Zumutbarkeit des Arzneimittel-Herstellerabschlags von 16 % bestehen trotz seiner nicht unerheblichen Höhe keine Zweifel. Denn er ist für die betroffenen Unternehmen zeitlich auf knapp dreieinhalb Jahre (vom 1.8.2010 bis 31.12.2013) begrenzt. Daneben steht die Erforderlichkeit des Herstellerabschlags unter ständiger Beobachtung durch das Bundesministerium für Gesundheit nach § 130a Abs 4 S 1 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105, wodurch seine Aufhebung oder Verringerung zeitnah gewährleistet ist, wenn und soweit der Abschlag nach der gesamtwirtschaftlichen Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die GKV, nicht mehr gerechtfertigt ist. Schließlich besteht daneben die Möglichkeit einer Ausnahmegewährung im Einzelfall. Diese Härtefallklausel bietet hinreichenden Schutz vor unzumutbaren Belastungen, auch wenn sie erst bei Vorliegen einer existenzgefährdenden finanziellen Belastung eingreift. Denn von Verfassungs wegen ist ein darüber hinausgehender Schutz von bloßen Gewinnchancen zulasten der GKV nicht geboten (vgl zB BVerfGE 143, 246, RdNr 240; BVerfGE 142, 268 RdNr 92). Schließlich bestanden auch nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG keine durchgreifenden grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den bereits 2004 kurzzeitig auf 16 % angehobenen Herstellerrabatt, obwohl hierfür seinerzeit gesetzlich noch keine Ausnahmemöglichkeit vorgesehen war (vgl § 130a Abs 1a idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz - GMG, vom 14.11.2003, BGBl I 2190 sowie BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.5.2007 - 1 BvR 866/07 - NZS 2008, 34 ff; BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6 RdNr 24, 25 sowie SozR 4-2500 § 130a Nr 4).
bb) Das aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG zu entnehmende Recht auf gleiche Teilhabe pharmazeutischer Unternehmer am Wettbewerb (zur Wettbewerbsgleichheit vgl zuletzt BSG Urteil vom 3.5.2018 - B 3 KR 9/16 R - RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) wird erst berührt, wenn eine Ausnahme von der Erhebung der Herstellerabschläge gewährt wird; Schutz vor wettbewerbswidriger Ungleichbehandlung im Einzelfall kann ggf im Wege einer Konkurrentenklage geltend gemacht werden. Im Hinblick auf diese Möglichkeit bestehen im vorliegenden Fall aber keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften.
cc) Eine Verletzung von Art 14 GG steht bei einer Begrenzung von Gewinnchancen grundsätzlich nicht im Raum (vgl BVerfGE 143, 246 RdNr 240; 142, 268 RdNr 92). Als Vorschriften zum "Mengenrabatt bzw Großabnehmerrabatt" beinhalten Regelungen zu Herstellerabschlägen wie § 130a Abs 1 und Abs 1a SGB V keine unzulässige Sonderabgabe im finanzverfassungsrechtlichen Sinne (vgl BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 28 f; BVerfGE 114, 196, 249 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 142 ff).
dd) Der gesetzlichen Ausgestaltung des Ausnahmetatbestandes mangelt es auch nicht an hinreichender Bestimmtheit. Der aus Art 20 Abs 3 GG folgende Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes erfordert - insbesondere bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen - ein hinreichend bestimmtes förmliches Gesetz als Grundlage des staatlichen Handelns, damit das Handeln der Verwaltung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt, begrenzt und in gewissem Ausmaß für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird (BVerfGE 56, 1, 12; BVerfGE 108, 52, 75; BVerfGE 110, 33, 53 f; vgl hierzu auch ausführlich zuletzt BSG Urteil vom 3.5.2018 - B 3 KR 13/16 R - RdNr 45, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Voraussetzung eines Ausnahmefalls wird in § 130a Abs 4 S 2 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105 durch einen unbestimmten, auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff umschriebenen, nämlich im Sinne eines Ausnahmefalls, der "durch besondere Gründe gerechtfertigt ist" (so bereits BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 23.8.2010 - 1 BvR 2002/10 - NZS 2011, 382, 383 f; vgl dazu allgemein zB BVerfGE 87, 234, 263 f; 110, 33, 56). Die Verwendungunbestimmter, auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe ist grundsätzlich zulässig, weil sie in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar sind und daher keinen Bedenken im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz unterliegen (Art 19 Abs 4 GG). Hier ist zu berücksichtigen, dass die Ausnahmevorschrift keine Belastung enthält, sondern gerade eine ausnahmsweise Freistellung davon, und an Begünstigungen regelmäßig geringere Bestimmtheitsanforderungen zu stellen sind (vgl zum Ganzen Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 20 RdNr 57 ff mwN), auch wenn der Ausnahmetatbestand nicht völlig losgelöst von den Abschlagsregelungen betrachtet werden darf.
ee) Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, eine Übergangs- oder Schonfrist einzuräumen und die erhöhten Herstellerabschläge nicht bereits mit Inkrafttreten der Vorschrift zum 1.8.2010 zu erheben. Zwingend sind solche Übergangsregelungen lediglich, wenn eine zuvor erlaubte Tätigkeit zukünftig unzulässig wird oder zeitaufwändige und kapitalintensive Umstellungen des Betriebsablaufs erforderlich werden und der Grundrechtsträger deshalb seine Berufstätigkeit bei unmittelbarem Inkrafttreten der Neuregelung zeitweise einstellen müsste oder aber nur zu unzumutbaren Bedingungen fortführen könnte (BVerfGE 131, 47, 57 f mwN). Zwar schützt das Eigentumsgrundrecht aus Art 14 GG auch ein berechtigtes Vertrauen in den Bestand der Rechtslage als Grundlage von Investitionen in das Eigentum und seiner Nutzbarkeit; ob und inwieweit ein solches Vertrauen berechtigt ist, hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Garantie der Erfüllung aller Investitionserwartungen besteht ebenso wenig wie Schutz vor Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns und deren Auswirkungen auf die Marktchancen. Dem Gesetzgeber bleibt ein breiter Gestaltungsspielraum. Er ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, bei Systemwechseln und der Umstellung von Rechtslagen die Betroffenen von jeder Belastung zu verschonen oder jeglicher Sonderlast mit einer Übergangsregelung zu begegnen (vgl BVerfGE 143, 246 RdNr 372 mwN). Mit § 130a Abs 4 S 2 bis 8 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105 wird unzumutbaren Bedingungen durch die Möglichkeit der Gewährung einer Ausnahme hinreichend entgegengewirkt.
g) Das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe ist nach § 130a Abs 4 S 3 SGB V im Antrag hinreichend darzulegen. Diese Vorschrift belastet den Antragsteller mit der Darlegung der besonderen Gründe für das Vorliegen eines Ausnahmefalls und beschränkt daher die Amtsermittlungspflichten der Beklagten (so auch Armbruster in Eichenhofer/von Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, 3. Aufl 2018, § 130a RdNr 39; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 11/18, K § 130a RdNr 29). Die Beklagte muss mithin zwar das Vorliegen eines Ausnahmefalls anhand der vom Antragsteller vorgelegten Daten prüfen und ggf hierzu weitere Nachweise verlangen (§ 130a Abs 4 S 4 iVm § 34 Abs 6 S 3 SGB V). Sie muss aber nicht von sich aus weitere Ermittlungen zu nicht vom Antragsteller dargelegten Gründen für einen Ausnahmefall anstellen und insbesondere - mangels Kenntnis der Unternehmensinterna - nicht selbst die möglichen Ursachen für eine finanziell angespannte Unternehmenssituation erforschen. Vielmehr hat das betroffene pharmazeutische Unternehmen insbesondere den erforderlichen strikten Kausalzusammenhang zwischen den (erhöhten) Herstellerabschlägen und einer schwierigen Finanzsituation vollständig von sich aus darzulegen und ggf verbleibende Zweifel auszuräumen.
h) Die Klägerin erfüllt die dargelegten Anforderungen an einen Ausnahmefall, der es rechtfertigt von den vorgesehenen Abschlägen ganz oder teilweise abzusehen, ausgehend von den für den Senat verbindlichen Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) nicht. Denn nach diesen Feststellungen ist eine rechtlich relevante, die wirtschaftliche Existenz der klagenden GmbH gefährdende unzumutbare finanzielle Belastung, die ursächlich auf die gesetzliche Rabattregelung zurückzuführen ist und nicht durch zumutbare unternehmensinterne Maßnahmen abgewendet werden kann, von der Klägerin nicht hinreichend dargelegt worden.
aa) Die Klägerin konnte als Ein-Mann-GmbH ohne Beschäftigte, deren Alleingesellschafter der Geschäftsführer war, die erwirtschafteten Erträge nach eigenem Ermessen zwischen den Geschäftsführerbezügen und dem ausgewiesenen Gewinn verteilen. Deshalb weist allein ein bilanzierter Verlust noch nicht auf eine existenzgefährdende finanzielle Belastung gerade durch den Herstellerabschlag hin, wenn es bei einer angemessenen Geschäftsführervergütung zu einer ausgeglichenen oder sogar positiven Bilanz gekommen wäre. Denn in einer solchen GmbH vereinen sich die gesellschaftsrechtlichen Positionen des alleinigen Gesellschafters und des Geschäftsführers in einer natürlichen Person, die allein für die Gesellschaft handelt. Diese Person hat es durch allein von ihr getroffene Gesellschafterbeschlüsse in der Hand, ob sie Erträge der Gesellschaft in Form von Gewinnausschüttungen oder als Geschäftsführervergütung erhält. Die Gewinne der Gesellschaft können daher durch eine Verminderung des Geschäftsführerentgelts erhöht bzw durch eine Erhöhung der Geschäftsführervergütung verringert werden. Dies kann sich insbesondere dann nicht ohne Weiteres zugunsten der GmbH auswirken, wenn eine der aktuellen Ertragslage nicht angepasste hohe Geschäftsführervergütung eine Verminderung der bilanzierten GmbH-Gewinne bewirkt. Eine derartige Konstruktion kann nicht zur Erlangung finanzieller Vorteile für die GmbH (zB Subventionen, sonstige Vergünstigungen, Befreiung von finanziellen Lasten) eingesetzt werden, für die nach dem Petitum der GmbH Dritte aufkommen sollen (hier: die Beklagte bzw die Krankenkassen, bei denen infolge dessen geringere Zuflüsse zu verzeichnen sind).
bb) Bei einer angemessenen Herabsetzung der Geschäftsführervergütung wäre es im klägerischen Unternehmen im streitigen Zeitraum zu einer ausgeglichenen oder sogar positiven Bilanz gekommen. Das LSG hat festgestellt, dass nach den eigenen Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten die Vergütung für den Geschäftsführer von 133 845 Euro (2009) auf 188 516 Euro (2010) anstieg und dass ohne diesen Anstieg im Jahr 2010 ein positives Ergebnis der GmbH iHv 39 799 Euro erzielt worden wäre. Dem lag eine progressive Entwicklung der Geschäftsführervergütung von zunächst 9166 Euro monatlich auf 14 321 Euro (ab 1.10.2009) und auf 17 901 Euro (ab 1.11.2010) zugrunde. Erst ab 1.3.2011 setzte die Klägerin dann die Geschäftsführervergütung unter Reduzierung der Arbeitszeit von acht auf vier Stunden auf 8950 Euro herab, ohne dass erkennbar ist, aus welchen Gründen diese Reduzierung - angesichts der wesentlichen Rechtsänderungen beim Herstellerrabatt ab 1.8.2010 - aus kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Gründen nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte vorgenommen werden können. Ein irgendwie gearteter allgemeiner Anspruch Betroffener, sich darauf einstellen zu dürfen, dass eine bestimmte Ertragssituation und darauf aufbauende Vergütungsregelungen im Wirtschaftsleben bei nahezu ständig in Veränderung begriffenen äußeren - hier gesetzlichen - Rahmenbedingungen allgemein unverändert bleiben, besteht nämlich nicht.
Nach den in diesem Zusammenhang gemachten Angaben der Klägerin wäre bei einem (fiktiven) Geschäftsführergehalt von 100 000 Euro im Jahr 2010 ein GmbH-Jahresgewinn von 73 644 Euro erzielt worden. Zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wäre es sachgerecht und ausreichend gewesen, mit der Einführung des auf 16 % erhöhten Herstellerrabatts ab 1.8.2010 die Geschäftsführervergütung auf den sich aus einem angemessenen Jahresgehalt iHv 100 000 Euro ergebenden monatlichen Betrag von 8333 Euro zu reduzieren. Denn dann hätte die Klägerin im Jahr 2010 immer noch einen Jahresgewinn iHv 22 229 Euro bilanzieren können, wie sich aus folgender Rechnung ergibt: Tatsächlich sind für die Monate August 2010 bis Oktober 2010 jeweils 14 321 Euro und für November und Dezember 2010 je 17 901 Euro, mithin insgesamt 78 765 Euro gezahlt worden. Wären stattdessen für diese fünf Monate jeweils 8333 Euro, mithin insgesamt nur 41 665 Euro gezahlt worden, hätte die eingesparte Differenz iHv 37 100 Euro den bilanzierten Jahresfehlbetrag in 2010 iHv 14 871,77 Euro um 22 229 Euro überstiegen. In den Monaten Januar und Februar 2011 erzielte die Klägerin ohnehin einen Überschuss iHv 18 685,85 Euro, der bei einer angemessenen Reduzierung der Geschäftsführervergütung sogar etwa doppelt so hoch ausgefallen wäre. Eine angemessene Absenkung der Geschäftsführervergütung hätte angesichts der oben dargestellten spezifischen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse bei der Ein-Mann-GmbH zeitnah und unkompliziert umgesetzt werden können; rechtliche oder tatsächliche Hindernisse standen dem nicht entgegen.
Die Orientierung an einer Jahresvergütung iHv 100 000 Euro war unter den gegebenen Umständen nicht unangemessen niedrig. Dafür bieten selbst die von Klägerin vorgelegten Ausführungen der IHK Stuttgart keinen Anhaltspunkt, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die dort für andere Zusammenhänge aufgestellten Maßstäbe der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung dem vorliegend im Raum stehenden Bedürfnis einer besonders restriktiven Handhabung des § 130a Abs 4 S 2 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105 überhaupt gerecht werden können. Vor dem Hintergrund der danach zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls - insbesondere dem Unternehmensumsatz, der Branche, der Unternehmensgröße, den Mitarbeiterzahlen, den Unternehmensrisiken und vor allem den Ertragsaussichten - und der erheblichen Spannweiten der angegebenen Richtwerte ist eine Unzumutbarkeit der Orientierung der Geschäftsführerbezüge am unteren Bereich dieser Spanne nicht ersichtlich. Diese Spanne beginnt dort unter Berücksichtigung des Jahresumsatzes der Klägerin bei 90 400 Euro. Die Klägerin konnte in der Vergangenheit zudem erhebliche Erträge realisieren, die zu einem großen Teil auf Zahlungen der GKV beruhten und die in Form der Geschäftsführervergütung von insgesamt 133 845 Euro im Jahr 2009 und sogar 188 516 Euro im Jahr 2010 an den Gesellschafter-Geschäftsführer ausgekehrt wurden. Sie hat daher schon in der Zeit vor der Erhöhung der Herstellerrabatte ganz erheblich von der Einbindung in das System der GKV profitiert. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Belastungen der Arzneimittelhersteller aber insbesondere auch deshalb in der Regel als angemessen anzusehen, weil die Hersteller zugleich von der Einbindung in das System profitieren (vgl BVerfG Beschluss vom 20.12.1990 - 1 BvR 1418/90 - DtZ 1991, 91, 93).
cc) Mit einer angemessenen Absenkung der Geschäftsführerbezüge ab 1.8.2010 wird auch nicht unzumutbar in einen bereits zuvor erworbenen Gewinn oder eine sonst eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition eingegriffen. Für einen solchen Eingriff enthalten die Darlegungen der Klägerin weder nach den bindenden Feststellungen des LSG noch nach ihrem Revisionsvortrag hinreichende Anhaltspunkte. Schließlich konnte allein mit dem Überschuss iHv 18 685,85 Euro aus Januar/Februar 2011 der für 2010 bilanzierte Verlust iHv 14 871,77 Euro mehr als ausgeglichen werden, sodass sogar ohne Reduzierung der Geschäftsführervergütung der Gesamtsaldo im streitigen Zeitraum positiv war. Weil deshalb die finanzielle Situation der Klägerin nicht erkennbar existenzbedrohend angespannt war, sondern durchaus noch Spielraum für unternehmensinterne Maßnahmen aufwies, boten auch die Ausführungen der Klägerin zur Umsatzrendite oder zur Doppelverwendung der betriebswirtschaftlichen Auswertung der Monate Januar und Februar 2011 keinen Anlass für weitere Ermittlungen.
dd) Schließlich darf bei alledem nicht ohne Berücksichtigung bleiben, dass die Klägerin im gesamten Geltungszeitraum des erhöhten Arzneimittelherstellerrabatts vom 1.8.2010 bis 31.12.2013 lediglich für sieben Monate (August 2010 bis Februar 2011) ohne die begehrte Begünstigung (= Herabsetzung des Herstellerrabatts sowie Befreiung vom Preismoratorium) bleibt. Es ist dem Senat nicht nachvollziehbar, dass die Ablehnung der Begünstigung gerade in diesen noch verbleibenden sieben Monaten bei der Klägerin dazu geführt haben sollte, dass - trotz der von der Beklagten bereits gewährten Begünstigungen für die übrige Zeit von 34 Monaten - insoweit die Härtefallklausel des § 130a Abs 4 SGB V iVm Art 4 EWGRL 89/105 zur Anwendung kommen müsste, um der ohne Beschäftigte betriebenen Ein-Mann-Gesellschafter/Geschäftsführer-GmbH veranlasst durch die Erhöhung des Herstellerrabatts nötigen Schutz vor unzumutbaren existenzgefährdenden finanziellen Lasten zu bieten.
B) Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
1. Nicht durchgreifen kann die Rüge einer Überraschungsentscheidung, welche die Klägerin damit begründet, das LSG habe in der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt, ihr Antrag auf Befreiung sei zu spät gestellt worden. Wie sie selbst angibt, ist dieser Punkt weder in das Protokoll der mündlichen Verhandlung noch entscheidungserheblich in die schriftliche Urteilsbegründung eingegangen. Rechtliche Folgerungen, die das Berufungsgericht diesem Umstand verfahrensfehlerhaft zum Nachteil der Klägerin beigemessen haben könnte, sind im Revisionsverfahren nicht ersichtlich.
2. Das LSG hat auch nicht seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sich das LSG - auf der Grundlage der für die Verletzung des § 103 SGG geltenden Maßstäbe - ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen musste (vgl zu diesem rechtlichen Maßstab allgemein zB Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 103 RdNr 20 mwN). Es verstößt bei der gegebenen Sach- und Rechtslage und angesichts der eigenen Beibringungspflichten der Klägerin nicht gegen die Amtsermittlungspflichten des Berufungsgerichts, dass es kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Denn nach § 130a Abs 4 S 3 SGB V obliegt - wie dargestellt - dem antragstellenden pharmazeutischen Unternehmen selbst und nicht in erster Linie der Behörde eine spezifische Darlegungslast hinsichtlich des Ausnahmefalls und der besonderen Gründe. Die in dieser spezialgesetzlichen Anordnung liegende Entbindung der Behörde von eigenen Ermittlungen iS des § 20 SGB X (vgl zB Luthe in Hauck/Noftz, SGB, Stand 11/18, K § 130a SGB V RdNr 29) begrenzt in gleicher Weise die Amtsermittlungspflichten der Gerichte nach § 103 SGG. Denn diese haben nur die Anspruchsvoraussetzungen zu ermitteln, zu denen die Antragstellung einschließlich der erforderlichen Darlegungen seitens des antragstellenden Unternehmens gehören. Zwar können zur Überprüfung der unternehmerischen Angaben Sachverständige eingeschaltet werden (vgl § 130a Abs 4 S 5 SGB V). Dies liegt allerdings im Ermessen der zuständigen Fachbehörde, die auch über eigenen Sachverstand zur Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit der betroffenen Unternehmen verfügt. Fehler sind insoweit unter dem Blickwinkel des Revisionsrechts nicht ersichtlich, auch weil bereits aufgrund der eigenen Angaben der Klägerin ein wirtschaftlicher Spielraum für angemessene unternehmensinterne Maßnahmen auf der Hand lag.
3. Die von der Klägerin erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das LSG gemäß § 62 SGG iVm Art 103 GG greift schon deshalb nicht durch, weil die Klägerin im Revisionsverfahren nicht vorträgt, was sie ohne den vermeintlichen Verfahrensverstoß noch zur Sache hätte ausführen wollen und wie sich dadurch die vom LSG verkündete Urteilsformel zu ihren Gunsten verändert hätte (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 62 RdNr 11a ff mwN).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 und § 52 Abs 1 GKG.
Fundstellen
NZS 2019, 392 |
SGb 2019, 90 |
Breith. 2019, 881 |