Leitsatz (amtlich)
Ein für zwei Fachgebiete zugelassener Vertragsarzt ist berechtigt, seine vertragsärztliche Tätigkeit auf eines dieser Fachgebiete zu beschränken.
Stand: 15. Mai 2000
Beteiligte
1. AOK Rheinland – Die Gesundheitskasse |
4. Krankenkasse der rheinischen Landwirtschaft |
6. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. |
7. Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. |
2. Innungskrankenkasse Nordrhein |
3. Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen |
Berufungsausschuß für Ärzte für den Bezirk der KV Nordrhein |
5. Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein |
Tenor
Die Revision der Beigeladenen zu 5. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 5. hat dem Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger berechtigt ist, seine auf zwei Fachgebiete bezogene Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung durch Erklärung gegenüber den Zulassungsgremien auf ein Fachgebiet zu beschränken.
Der Kläger wurde 1979 als Arzt für Chirurgie und 1984 als Arzt für Orthopädie anerkannt. Seit Oktober 1984 ist er für beide Fachgebiete zur kassen-/vertragsärztlichen Versorgung in L. /Nordrhein-Westfalen zugelassen bzw war er an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Seinen Angaben zufolge befaßte sich seine vertragsärztliche Tätigkeit zu 98% mit orthopädischen bzw traumatologischen Behandlungen und zu 2 % mit rein chirurgischen Behandlungen.
Mit Schreiben vom 18. April 1996 teilte der Kläger dem Zulassungsausschuß für Ärzte in K. unter dem Betreff „Änderung der Zulassung, Aufgabe der Fachgebietsbezeichnung ‚Chirurgie’ im kassenärztlichen Bereich” mit, er „verzichte … vorbehaltlich auf die Fachgebietsbezeichnung ‚Chirurgie’ ab dem 1. Januar 1996” und werde seine Praxis ab diesem Zeitpunkt „nur als Orthopäde” führen. Er bat dafür Sorge zu tragen, daß er ab 1. Januar 1996 „wie bisher nur noch der Fachgruppe der Orthopäden zugewiesen werde, und kassentechnisch entsprechend abgerechnet” werde. Dieses Begehren beruhe darauf, daß er nach einer Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) abrechnungstechnisch zu 50 % als Chirurg eingestuft worden sei, was zu hohen finanziellen Einbußen geführt habe.
Der Zulassungsausschuß entschied daraufhin, daß der Kläger mit dem 31. Dezember 1995 auf seine Zulassung in der Fachgebietsbezeichnung Chirurgie verzichtet habe (Beschluß vom 29. Mai 1996/Bescheid vom 11. Juli 1996). Auf den Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung (Beigeladene zu 5.) hin hob der beklagte Berufungsausschuß diese Entscheidung antragsgemäß auf (Beschluß vom 12. März 1997). Da der Kläger als Chirurg und Orthopäde zugelassen sei, werde er nach den „Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung in der vertragsärztlichen Versorgung” (Bedarfsplanungs-RL) in beiden Fachgebieten bislang jeweils mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt. Eine vertragsärztliche Tätigkeit nur als Orthopäde würde aber zu einer Bewertung mit dem Faktor 1,0 in dieser Fachgruppe führen. Da in seinem Praxisbereich für Orthopäden eine Zulassungssperre bestehe, dürfe die dafür erforderliche Genehmigung wegen § 24 Abs 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Vertragsärzte-ZV) nicht erteilt werden.
Vor dem Sozialgericht ist der Kläger mit der von ihm beantragten Aufhebung des Beschlusses des Beklagten und Verpflichtung zur Neubescheidung erfolgreich gewesen (Urteil vom 16. November 1997). Da er eine einheitliche Zulassung am Vertragsarztsitz und keine „Doppelzulassung” besitze, hindere ihn das Bedarfsplanungsrecht nicht, auf seine Zulassung teilweise zu verzichten.
In dem von dem Beklagten und der Beigeladenen zu 5. dagegen anhängig gemachten Berufungsverfahren hat der Kläger erklärt, sein Schreiben vom 18. April 1996 sei dahin zu verstehen, daß er nur noch als Orthopäde zugelassen sein wolle und die Bemerkung „vorbehaltlich” nicht gelten solle. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen zurückgewiesen und – entsprechend dem geänderten Klageantrag – festgestellt, daß sich die Zulassung des Klägers nach dem 30. September 1996 auf das Fachgebiet Orthopädie beschränke (Urteil vom 17. Juni 1998). Verfahrensrechtlich seien die Regelungen des § 95 Abs 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und des § 28 Ärzte-ZV entsprechend anzuwenden. Danach könnten Rechtswirkungen des empfangsbedürftigen Zulassungsverzichts erst nach Zugang der Erklärung beim Zulassungsausschuß eintreten, so daß er erst für die Zeit nach dem 30. September 1996 wirksam werde. Dem Kläger sei ursprünglich eine Zulassung als Arzt für Orthopädie und Chirurgie erteilt worden. Derartige Zulassungen auf zwei Fachgebieten seien weithin üblich gewesen und begegneten keinen rechtlichen Bedenken. Die Erklärung des Klägers von April 1996 sei entsprechend § 28 Ärzte-ZV als „Verzicht” zu werten, weiterhin „auch” als Chirurg vertragsärztlich tätig sein zu wollen, nicht als „Wechsel des Fachgebietes” iS von § 24 Abs 3 Ärzte-ZV; denn ein „Wechsel” erfordere nach dem Wortsinn den Übergang in ein anderes Fachgebiet. Da die Zulassung unter zwei Arztbezeichnungen nicht als „ein” Fachgebiet anzusehen sei, handele es sich bei der begehrten Zulassung nur noch unter einer Arztbezeichnung auch nicht um einen Wechsel. Dem Kläger sei 1984 nur eine einzige Zulassung als Vertragsarzt erteilt worden, die höchstpersönlicher Natur und nicht übertragbar sei, wie sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergebe. Deswegen gebe es keine Doppelzulassung und keine Teilbarkeit seines durch Verwaltungsakt begründeten Status. Die Zulassung unter zwei Arztbezeichnungen berechtige und verpflichte den Kläger lediglich, auf beiden Fachgebieten an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, verpflichte aber nicht zur jeweils hälftigen Tätigkeit auf jedem der Weiterbildungsgebiete. Im Hinblick auf Art 12 Grundgesetz (GG) könne er seine vertragsärztliche Betätigung ohne weiteres freiwillig auf ein Gebiet beschränken. Da sein Zulassungsstatus als solcher unverändert bleibe, liege darin keine einseitige Erweiterung seiner Rechtsposition. Die Bedarfsplanungs-RL stünden dem „Verzicht” nicht entgegen, da sich aus Veränderungen bei der Feststellung der Überversorgung keine Einschränkung der vertragsärztlichen Betätigung ableiten lasse. Der Status als Vertragsarzt beurteile sich allein nach den Vorschriften des SGB V und des Zulassungsrechts. Die Vorschrift der Nr 19 Bedarfsplanungs-RL gebe zudem nur einen allgemeinen, pauschalen Berechnungsfaktor für die Feststellung des allgemeinen Versorgungsgrades vor, ohne daß es auf den tatsächlichen konkreten Praxisumfang des Arztes in den Fachgebieten ankomme. Auch das Bundessozialgericht (BSG) verneine in seiner neueren Rechtsprechung zum Zulassungsrecht die Eignung als Vertragsarzt unter Umständen nicht, wenn der Betroffene nur eingeschränkt (halbtags) für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehe; dadurch entstehende Verwerfungen bei der Bedarfsplanung seien unbeachtlich.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beigeladenen zu 5. Das LSG habe verkannt, daß der Vertragsarzt gemäß § 20 Abs 1 Ärzte-ZV für die Versorgung der Versicherten persönlich im erforderlichen Maß zur Verfügung stehen müsse. Das Zulassungsrecht kenne keine Teilzeit-Tätigkeit eines Arztes; diese sei in § 101 Abs 1 Nr 5 SGB V nur für angestellte Ärzte vorgesehen. Für die Bedarfsplanung werde ein zugelassener Arzt stets in vollem Umfang mit dem Faktor 1,0 gerechnet. Nehme dieser mit zwei Gebietsbezeichnungen an der Versorgung teil, werde er für jedes Gebiet mit je 0,5 gezählt. Zulassungsbeschränkungen schlössen eine weitergehende Zulassung aus, so daß in der Rechtsprechung etwa ein Fachgebietswechsel abgelehnt worden sei, der zu einer Überschreitung des Versorgungsgrades um 0,2 geführt hätte. Das Berufungsgericht habe demgegenüber im Falle des Klägers zu Unrecht die Regelungen über den Verzicht anstelle derjenigen über den Fachgebietswechsel herangezogen. Die Vorschriften über Zulassungsbeschränkungen dürften durch die Anerkennung eines Teilverzichts nicht unterlaufen werden. Dies widerspreche der Intention des Gesetzgebers. Eine Ausnahme sei im Lichte des Art 14 GG nur bei einer Praxisnachfolge denkbar, wenn sich nämlich ein Nachfolger mit beiden vom Praxisinhaber geführten Facharztbezeichnungen nicht finden lasse.
Die Beigeladene zu 5. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 1998 und des Sozialgerichts Köln vom 26. November 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil in Ergebnis und Begründung für zutreffend und meint, die von der Beigeladenen zu 5. zitierte Rechtsprechung sei in seinem Fall nicht einschlägig, da es ihm nicht um einen Fachgebietswechsel iS von § 24 Abs 3 Ärzte-ZV, sondern um einen Verzicht gemäß § 28 Abs 1 Ärzte-ZV gehe. Auf die letztgenannte Vorschrift seien die Beschränkungen des Bedarfsplanungsrechts nicht anwendbar.
Der Beklagte beantragt ebenfalls,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 1998 und des Sozialgerichts Köln vom 26. November 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Überlegungen des Klägers und des LSG seien inkonsequent. Sei die Zulassung unveräußerlich und unteilbar, könne nicht auf einen Teil eben dieser einheitlichen Zulassung verzichtet werden. Wollte man dagegen – wie das LSG – die Erklärungen des Klägers als „Verzicht” werten, wäre zu klären gewesen, ob wirklich ein Verzicht auf die gesamte – weil unteilbare – Zulassung beabsichtigt gewesen sei. Bejahendenfalls hätte dann der Wunsch nach Zulassung nur als Orthopäde als Neuantrag gewertet werden müssen, wegen bestehender Zulassungssperre jedoch mit der Folge einer negativen Bescheidung. Würde der Kläger dagegen klarstellen, auf seine einheitliche Zulassung nicht verzichten zu wollen, wäre sein Teilverzicht rechtlich unzulässig und unwirksam geblieben; in diesem Fall bestünde seine Zulassung als Orthopäde und Chirurg fort.
II
Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 5. ist unbegründet.
Das LSG hat zu Recht antragsgemäß unter Aufhebung der Entscheidung des Beklagten vom 12. März 1997 festgestellt, daß sich die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung – aufgrund seiner Erklärung vom 18. April 1996 (in Verbindung mit seinen dazu im Berufungsverfahren gegebenen Erläuterungen und Beschränkungen) – für die Zeit nach dem 30. September 1996 nur noch auf das Fachgebiet der Orthopädie bezieht.
Der Status des ursprünglich als Orthopäde und Chirurg zugelassenen Klägers hat sich nach dem 30. September 1996 geändert. Nach § 95 Abs 7 Satz 1 SGB V endet die Zulassung eines Vertragsarztes ua „mit dem Wirksamwerden eines Verzichts”. Der Kläger hat einen solchen Verzicht auf seinen Status als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Facharzt nicht erklärt; denn er will gerade weiterhin in vollem Umfang als Vertragsarzt tätig sein. Er hat lediglich eine gestaltende Erklärung zum Inhalt bzw Gegenstand seiner Vertragsarztzulassung abgegeben. Sie führte nicht zu einer wesentlichen Änderung seines Zulassungsstatus, der seiner gewillkürten individuellen Entscheidung entzogen wäre. In ihr lag vielmehr ein verzichtsähnlicher Akt im Rahmen der bestehen gebliebenen generellen Berechtigung, in bestimmter Weise als Vertragsarzt tätig sein zu dürfen. Die Erklärung des Klägers sollte nämlich nicht bewirken, daß sich der Gegenstand seiner Vertragsarztpraxis gemessen am zulässigen Tätigkeitsbereich nach dem ursprünglichen Inhalt seiner Zulassung nunmehr auf ein gänzlich anderes Fachgebiet („Aliud”) bezog, sondern hatte bei gleichbleibendem Rahmen (= Volltags-Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt) ein „Minus” zur Folge, indem er auf einem der beiden, nicht untrennbar miteinander verknüpften Fachgebiete nicht mehr praktizieren wollte. Gegen eine solche Gestaltung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Der Kläger war auf der Grundlage der Entscheidungen der Zulassungsgremien für den Primär- und Ersatzkassenbereich vom 8. und 13. August 1984 entsprechend seiner in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung erworbenen Doppelqualifikation zur kassen-/vertragsärztlichen Versorgung als Arzt für Orthopädie und für Chirurgie zugelassen worden. In seinem Zulassungsantrag hatte er anzugeben, unter welcher Arztbezeichnung die Zulassung beantragt wurde (§ 18 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Die für den Primär- und Ersatzkassenbereich jeweils in einem einheitlichen Akt ausgesprochene Zulassung für zwei Fachgebiete und die darauf fußende Berechtigung, auf diesen Gebieten kassen-/vertragsärztlich tätig zu sein (vgl jetzt § 95 Abs 3 SGB V), ist weder ungewöhnlich noch rechtlich zu beanstanden. Der Senat hat wiederholt über Fälle entschieden, denen eine vergleichbare Ausgestaltung der Berechtigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit zugrunde lag (vgl etwa Urteile vom 20. Januar 1999 – B 6 KA 77/97 R –: ≪gleichzeitige Zulassung als Facharzt für Inneres und Radiologie≫ sowie – B 6 KA 78/97 R = SozR 3-2500 § 87 Nr 20: ≪gleichzeitige Zulassung als Facharzt für Urologie und Chirurgie≫). Über den Bereich des (reinen) Vertragsarztrechts hinausgehend hat der Senat seit jeher – bis in die Gegenwart hinein – bei Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen sogar die gleichzeitige Zulassung zur vertragsärztlichen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung anerkannt (vgl zuletzt Urteile des Senats vom 17. November 1999 – B 6 KA 15/99 R –, ua, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Wie der Senat (aaO) dazu ausgeführt hat, kann auch dieser Berufsgruppe unter dem Blickwinkel des Zulassungs- und Bedarfsplanungsrechts nicht entgegengehalten werden, es mangele den betroffenen Ärzten an der Fähigkeit, in beiden Gebieten in einem bestimmten gebotenen Umfang für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung zu stehen. Eine Regelung, die die vertragsärztliche Tätigkeit auf mehreren Fachgebieten verbietet (anders etwa BSGE 5, 40, 46 für das Verbot von Doppelzulassungen in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg in Berlin), existiert im Falle des Klägers ebensowenig wie eine Vorschrift, die die Beschränkung einer Doppelzulassung auf ein Fachgebiet ausschließt.
Der Senat hat bereits in zwei Urteilen vom 20. Januar 1999 (B 6 KA 78/97 R = BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 20 und B 6 KA 77/97 R – für den Bereich des Landes Baden-Württemberg) entschieden, daß ein Vertragsarzt mit einer Zulassung für zwei Fachgebiete nicht schlechthin durch berufsrechtliche oder zulassungsrechtliche Vorgaben auf eine bestimmte, typische Ausgestaltung seiner Praxis festgelegt ist. Die Rechtslage bei einer entsprechenden Einzelpraxis unterscheidet sich insoweit von derjenigen bei einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis, deren Struktur durch die Beschränkung der einzelnen Ärzte auf ihr jeweiliges Fachgebiet bestimmt wird. Der Tätigkeitsbereich eines Facharztes wird allein durch die auf landesrechtlicher Grundlage beruhende(n) Gebietsbezeichnung(en) festgelegt und begrenzt, wobei die Bindung des Arztes an die Grenzen seines Fachgebiets bzw seiner Fachgebiete ihn auch in seiner Eigenschaft als Kassen- bzw Vertragsarzt trifft (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 29. September 1999 – B 6 KA 38/98 R – mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7). Die Berufsordnungen der Länder normieren auf der Grundlage von Ermächtigungen in den landesrechtlichen Heilberufs- bzw Kammergesetzen die Verpflichtung der Ärzte, die Gebietsbezeichnungen zu führen und ihre Tätigkeit auf diese Fachgebiete zu beschränken. Die Zusammenschau der § 18 Abs 1 Satz 2, § 24 Abs 3 Ärzte-ZV und § 101 Abs 1 Satz 2 und 4 und Abs 2, § 103 Abs 2 Satz 3 SGB V ergibt, daß der Gesetzgeber von der Vorstellung einer nach einzelnen ärztlichen Fachgebieten gegliederten ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit ausgegangen ist und sich insoweit auf die landesrechtlichen Vorschriften zur Abgrenzung der einzelnen „Arztgruppen” gestützt hat (BSGE 62, 224, 226 = SozR 2200 § 368a Nr 19 S 71 und BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 27 f). Einem – wie dem Kläger – für zwei Fachgebiete zugelassenen Arzt steht es nach den Vorschriften des landesrechtlichen Berufs- und Weiterbildungsrechts grundsätzlich auch frei festzulegen, in welchem Umfang er auf den beiden Fachgebieten, für die er zugelassen ist, tätig sein will (vgl etwa LSG Baden-Württemberg vom 10. September 1997 – L 5 Ka 571/97 –, bestätigt durch Senatsurteil vom 20. Januar 1999 – SozR 3-2500 § 87 Nr 20). Die ursprüngliche Zulassung des Klägers für Orthopädie und Chirurgie erweiterte mithin nur seine Leistungserbringungsmöglichkeiten. Landesrechtliche Vorgaben zu einer bestimmten Strukturierung der beruflichen Tätigkeit eines solchen Arztes haben die Vorinstanzen nicht festgestellt und sind nicht ersichtlich.
Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 1999 (aaO) weiter ausgeführt hat, ist die Entscheidung eines in zwei Fachgebieten zugelassenen Vertragsarztes, seine Tätigkeit im Rahmen seiner Zulassung schwerpunktmäßig auf eines dieser Fachgebiete auszurichten und im anderen Fachgebiet nur gelegentlich tätig zu werden, Teil seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit, die gemäß Art 12 Abs 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden kann. Regelungen, die dieser Entscheidung und der davon geprägten Struktur der vertragsärztlichen Praxis entgegenstehen, bedürfen daher einer hinreichenden normativen Grundlage. Solche normativen Regelungen sind für Vergütungsbeschränkungen des Vertragsarztrechts erforderlich (so Senat aaO) und erst recht notwendig, soweit der durch besonderen Akt konkretisierte Zulassungsstatus des Vertragsarztes unmittelbar betroffen ist. Die Berufsfreiheit kann ebenso nur durch entsprechende Normen beschränkt werden, wenn einem auf zwei Fachgebieten zugelassenen Vertragsarzt die Befugnis abgesprochen werden soll, auf einem der beiden Gebiete, für die er qualifiziert und zugelassen ist, überhaupt nicht mehr tätig sein zu wollen. Durch Art 12 GG wird der Entschluß geschützt, den Beruf zu wechseln (BVerfGE 43, 291, 363; 62, 117, 146) oder eine berufliche Betätigung völlig zu beenden (BVerfGE 85, 360, 373). Von seinem Schutzbereich ist gleichermaßen die gewillkürte Beschränkung des beruflichen Betätigungsfeldes durch einen Vertragsarzt jedenfalls dann erfaßt, wenn dieses teilbar ist und sich der verbleibende Tätigkeitsbereich im Rahmen der erteilten Zulassung hält. Die Tätigkeit als Orthopäde und diejenige als Chirurg können in diesem Sinne unabhängig voneinander ausgeübt werden. Die Versagung der vom Kläger gewünschten künftigen Beschränkung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit auf das Gebiet der Orthopädie erfordert daher eine besondere normative Grundlage (s zB § 101 Abs 5 Satz 6 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999 ≪BGBl I, 2626≫ für die Beschränkung des Übergangs von Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung in die hausärztliche oder fachärztliche Versorgung). Eine derartige bundesrechtliche Regelung existiert für den im vorliegenden Fall betroffenen Bereich indessen nicht.
§ 28 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV bestimmt insoweit lediglich, daß ein Verzicht erst mit dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung beim Zulassungsausschuß folgenden Kalendervierteljahres wirksam wird. Diese sinngemäß auch im Fall eines verzichtsähnlichen Akts anzuwendende Einschränkung hat das LSG entsprechend dem mit Zustimmung der übrigen Beteiligten geänderten und als sachdienlich angesehenen Antrag des Klägers im Berufungsverfahren in seinem Urteilsausspruch Rechnung getragen. Denn es hat die Rechtswirkungen der Erklärung des Klägers vom 18. April 1996 zu Recht erst für die Zeit nach dem 30. September 1996 eintreten lassen.
Die Unwirksamkeit der künftigen Beschränkung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers auf das Fachgebiet der Orthopädie folgt auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 46 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach ist ein Verzicht (auf eine Sozialleistung) ua dann unwirksam, soweit durch ihn Rechtsvorschriften umgangen werden (vgl auch §§ 134, 138, 162 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Auf diesen Gesichtspunkt stützen sich der Sache nach die Beigeladene zu 5. und der Beklagte, wenn sie meinen, die Vorschriften über den Fachgebietswechsel und das Bedarfsplanungsrecht stünden der Gestaltungsfreiheit des Klägers entgegen. Dies trifft jedoch nicht zu.
Die Vorschrift des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV, wonach ein Vertragsarzt das Fachgebiet, für das er zugelassen ist, nur mit vorheriger Genehmigung des Zulassungsausschusses „wechseln” darf, wird im Falle des Klägers nicht umgangen, da die Anwendung der Norm von vornherein ausscheidet. Auch die Rechtsprechung, daß ein Vertragsarzt nicht in ein Fachgebiet wechseln darf, für das eine Zulassungssperre wegen Überversorgung besteht (Urteil des Senats vom 18. März 1998 – SozR 3-5520 § 24 Nr 3; vgl auch bereits LSG Baden-Württemberg MedR 1997, 470; LSG Nordrhein-Westfalen E-LSG Ka-052), ist nicht einschlägig. Denn es fehlt bei dem Kläger bereits begrifflich an einem „Wechsel der Fachgebiete”. Ein solcher setzt nach seiner Wortbedeutung voraus, daß der Betroffene eine innegehabte Position zugunsten einer neuen, ihm bisher nicht eingeräumten Position aufgeben will. Der Vertragsarzt müßte also das Bestreben verfolgen, von einem Gebiet, für das er bisher zugelassen ist, in ein Fachgebiet überzutreten, für das er bislang nicht zugelassen war. Der Kläger will indessen keines seiner beiden Fachgebiete, auf die sich seine Zulassung bisher bezog, mit einem anderen (= dritten bzw neuen) vertauschen. Er will lediglich seine Tätigkeit in einem seiner beiden Fachgebiete einstellen und (nur noch) im anderen Fachgebiet, für das er nach wie vor zugelassen ist, berufliche Aktivitäten entfalten. Damit tritt zwar eine Änderung des Inhalts seiner Zulassung ein, jedoch weist die gewünschte Gestaltungsform – wie bereits ausgeführt – eher die Nähe zu einem „Verzicht” als zu einem „Wechsel” auf.
Das Bedarfsplanungsrecht steht der vom Kläger gewünschten Gestaltung seiner Zulassung ebenfalls nicht entgegen, da dieses einen solchen Fall weder ausdrücklich noch mittelbar regelt. Daraus, daß der Vertragsarzt für die Versorgung der Versicherten persönlich im erforderlichen Maß zur Verfügung stehen muß (§ 20 Abs 1 Ärzte-ZV), ist entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 5. auch in Verbindung mit den Bedarfsplanungs-RL nichts zu Lasten des Klägers abzuleiten. Wenn im Bedarfsplanungsrecht ein zugelassener Arzt in vollem Umfang gerechnet und ein in zwei Fachgebieten zugelassener Arzt je zur Hälfte in jedem seiner Fachgebiete berücksichtigt wird (Nr 19 Bedarfsplanungs-RL), kann daraus – wie dargelegt – nicht geschlossen werden, daß diese Rechengrößen für die Feststellung von Überversorgung stets auch den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen müßten. Vielmehr war schon aufgrund des vom Kläger im Jahre 1984 erworbenen Zulassungsstatus nicht gewährleistet, daß er exakt mit dem Faktor 0,5 als Orthopäde und zu 0,5 als Chirurg vertragsärztlich tätig war. Weder das Zulassungs- noch das Bedarfsplanungsrecht boten eine rechtliche Handhabe, ihm zu untersagen, die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung schwerpunktmäßig bzw ganz überwiegend in einem der beiden Fachgebiet zu versorgen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 17. November 1999 (– B 6 KA 15/99 –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) entschieden hat, stellen eventuelle Verwerfungen im Bedarfsplanungsrecht durch den dort vorgesehenen Anrechnungsfaktor von 1,0 keinen ausreichenden Grund für eine bestimmte restriktive Auslegung des Zulassungsrechts dar, weil es sich um unterschiedliche Regelungskomplexe handelt. Selbst wenn die im Bedarfsplanungsrecht vorgenommene Bewertung aller zugelassenen Ärzte mit dem Faktor 1,0 nicht sachgerecht sein sollte, ergibt sich daraus keine Modifizierung des Zulassungsrechts in dem Sinne, daß jeder Vertragsarzt auch entsprechend dem Umfang des bedarfsplanungsrechtlichen Berechnungsfaktors tätig zu sein hätte und er bei Abweichungen davon einer neuen Zulassung bedürfte. Ebenso wenig, wie die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ausschließlich durch Vertragsärzte vorgeschrieben ist, welche mit dem überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft tätig sind (ausreichend: „im üblichen Umfang”, vgl Senatsurteil vom 17. November 1999 – aaO), gebietet das geltende Recht dem für zwei Fachgebiete zugelassenen Arzt, auf beiden Fachgebieten dauerhaft hälftig oder in einem anderen Zahlenverhältnis zu praktizieren. Zur Gewährleistung der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist vielmehr ein differenziertes Instrumentarium vorgesehen, das es zB ermöglicht, bei festgestellten Versorgungsmängeln die Verhältniszahlen anzupassen (vgl § 101 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V) bzw Ermächtigungen oder Sonderbedarfszulassungen zu erteilen (vgl § 116 SGB V, § 31a Ärzte-ZV, Nr 24a und b Bedarfsplanungs-RL).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
NJW 2001, 919 |
AusR 2001, 43 |