Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigung einer Satzungsregelung
Beteiligte
AOK für den Kreis Birkenfeld, Idar Oberstein 2, Hauptstraße 133, Klägerin und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Satzungsregelung, die rückwirkend zu einer Beitragserhöhung führt, zu genehmigen ist.
Kurz vor Verabschiedung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) am 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) hatte der Vorstand der Klägerin am 19. Dezember 1988 im Hinblick auf die mit Wirkung ab 1. Januar 1989 zu erwartende gesetzliche Neuregelung über die Beitragsbemessung bei freiwilligen Mitgliedern Grundsätze beschlossen, nach denen deren beitragspflichtige Einnahmen zu bestimmen sind. Entsprechend diesem Vorstandbeschluß führte die Klägerin ab Januar 1989 die Beitragserhebung durch. Am 8. Juni 1989 beschloß die Vertreterversammlung der Klägerin sodann eine Neufassung ihrer Satzung. Dabei wurden für die Bemessung der Beiträge der freiwilligen Mitglieder in § 17 Abs 2 Grundsätze festgelegt, nach denen ua die beitragspflichtigen Einnahmen von selbständig Tätigen (Buchst c) und von Sozialhilfeempfängern (Buchst e) zu bestimmen sind.
§ 32 Abs 2 Satz 2 der Satzung sieht vor, daß diese Regelungen rückwirkend zum 1. Januar 1989 in Kraft treten, spätestens jedoch zum ersten des auf die Bekanntmachung der Satzung folgenden Monats.
Mit Bescheid vom 23. Juni 1989 versagte der Beklagte dem § 32 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 der Satzung die Genehmigung mit der Begründung, eine rückwirkende Inkraftsetzung sei wegen des Grundsatzes der Besitzstandswahrung nicht zulässig; zwar sei es zulässig, - abweichend von § 240 Abs 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) - einen höheren Mindestbeitrag der Beitragsbemessung durch Satzung festzulegen. Darin liege aber eine Schlechterstellung, so daß diese nur für die Zukunft Wirkung entfalten könne.
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts [SG] Mainz vom 31. Januar 1991). Das Landessozialgericht (LSG) hat die erstinstanzliche Entscheidung und den Bescheid vom 23. Juni 1989 aufgehoben und das beklagte Land verurteilt, die Regelung in § 32 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 der Satzung der Klägerin zu genehmigen (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 22. August 1991). In den Entscheidungsgründen wird ua ausgeführt, die streitige Satzungsregelung führe zwar zu einer echten Rückwirkung, weil die betroffenen Versicherten für einen bereits abgelaufenen Zeitraum mit höheren monatlichen Beiträgen belastet würden. Da Beitragsforderungen mit jedem Monat neu entstünden, wirke die streitige Satzungsregelung auf in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Sachverhalte ein. Regelungen mit echter Rückwirkung seien aber nicht ausnahmslos unzulässig. In eine abschließend erworbene Rechtsposition könne nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit dann eingegriffen werden, wenn ein Vertrauen in den Bestand der erworbenen Rechtsposition fehle oder nicht schutzwürdig sei. Bedenken gegen solche Eingriffe seien nur berechtigt, wenn der Betroffene mit ihnen nicht habe rechnen können und er sie bei verständiger Vorausschau bei seinen privaten oder beruflichen Dispositionen nicht habe berücksichtigen müssen. Nach diesen Kriterien sei die rückwirkende Satzungsregelung der Klägerin nicht zu beanstanden. Auf Vertrauensschutz könnten sich die betroffenen Mitglieder nicht berufen. Sie hätten nach der Verabschiedung des GRG und mit dem Inkrafttreten des § 240 SGB V ab 1. Januar 1989 damit rechnen müssen, daß höhere Beitragsforderungen auf sie zukämen. Es sei aus den Medien hinreichend bekannt gewesen, daß das GRG in erster Linie der Sanierung und damit der Erhaltung der finanziell stark angeschlagenen sozialen Krankenversicherung habe dienen sollen. Dazu habe § 240 SGB V für den Kreis der freiwillig Versicherten die Grundlage geschaffen und die Einzelregelungen dem Satzungsrecht und somit der Selbstverwaltung der Krankenkassen zugewiesen. Damit habe auch festgestanden, daß die Krankenkassen noch entsprechende Satzungsregelungen erlassen würden. Ob die Klägerin bzw ihre Vertreterversammlung wirklich noch zeitlich in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig zum 1. Januar 1989 die neue Satzung zu beschließen, sei unerheblich. Jedenfalls sei bei Berücksichtigung aller Umstände - der gesetzlichen Neuregelung, der Verlautbarung in den Medien, des Vorstandsbeschlusses der Klägerin und der diesem Vorstandsbeschluß entsprechenden Erhebung der höheren Beiträge ab Januar 1989 - keine Grundlage für ein Vertrauen der freiwilligen Mitglieder darauf ersichtlich, daß es bei der bisherigen Beitragsregelung bleibe.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des in § 20 Abs 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Rechtsstaatsprinzips. Er macht im wesentlichen geltend, daß entgegen der Auffassung des LSG hier kein Ausnahmefall vorliege, der trotz echter Rückwirkung der Satzungsregelung deren Genehmigung gestatten würde. Vielmehr hätten auch in diesem Falle die Versicherten, solange keine Satzungsregelung geschaffen sei, darauf vertrauen dürfen, daß es nicht rückwirkend zu einer Beitragserhöhung komme. Das Berufungsgericht verkenne, daß das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung hierzu den Vertrauensschutz der Betroffenen nicht habe beeinträchtigen können. Denn gerade die in der Diskussion vertretenen unterschiedlichen Standpunkte hätten zu einer Rechtsunsicherheit geführt, aufgrund derer kein Beitragszahler in der Lage gewesen sei, abzuschätzen, was die neue Rechtslage tatsächlich bringen werde. Auch die Verabschiedung des GRG am 20. Dezember 1988 und sein Inkrafttreten am 1. Januar 1989 hätten das Vertrauen der Versicherten nicht zerstört. Gem § 240 SGB V sei bei der Beitragsfestsetzung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, mindestens jedoch die Einnahmen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen seien. Als unterste Grenze sehe § 240 Abs 4 SGB V mindestens den 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße vor. Eine Regelung, die - wie die Satzung der Klägerin - dazu führe, daß bei freiwilligen Mitgliedern eine Bemessungsgrundlage eingeführt werde, die über dem tatsächlich feststellbaren Einkommen liege, sei nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V nur im Wege der Satzungsbestimmung möglich. Mit der Verabschiedung des GRG sei somit noch keinesfalls geregelt gewesen, ob und in welcher Weise die einzelnen Krankenkassen die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder vornehmen werden.
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. August 1991 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 31. Januar 1991 zurückzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hebt hervor, daß sie aufgrund der vom Gesetzgeber geschaffenen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig eine entsprechende Satzungsregelung für die freiwilligen Versicherten zu schaffen. Deshalb habe man von der Möglichkeit einer rückwirkenden Regelung Gebrauch gemacht. Diese sei - auch wenn es sich um einen Fall echter Rückwirkung handele - in einer solchen Situation ausnahmsweise zulässig.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Er ist nicht verpflichtet, den § 32 Abs 2 Satz 2 Halbs 1 der im Juni 1989 neu gefaßten Satzung der Klägerin zu genehmigen.
Nach § 195 Abs 1 Satz 1 SGB V bedarf die Satzung einer Krankenkasse der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (vgl dazu auch § 34 Abs 1 Satz 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches [SGV IV]). Dies gilt auch für Satzungsänderungen (§ 195 Abs 3 SGB V). Vorliegend besteht kein Anspruch auf die begehrte Genehmigung, weil die streitige Satzungsregelung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Das in § 32 Abs 2 Satz 2 Halbs 1 vorgesehene rückwirkende Inkrafttreten des § 17 Abs 2 Buchst c und e der am 6. Juni 1989 beschlossenen Satzung auf den Jahresanfang verstößt - entgegen der Auffassung des LSG - gegen das Verbot der echten Rückwirkung belastender Normen.
Ein Fall der echten Rückwirkung einer Rechtsvorschrift ist gegeben, wenn eine Rechtsnorm nachträglich in abgeschlossene (abgewickelte), der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139, 145 f; 13, 261, 270 f; 14, 288, 297 f; 25, 371, 404). Grundsätzlich soll sich der Bürger darauf verlassen können, daß der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände nicht ungünstigere Folgen knüpft, als sie im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände voraussehbar waren (BVerfGE 15, 313, 324; 25, 371, 404; vgl auch Pieroth, JZ 1984, 971, 976). Vorliegend hat die streitige Satzungsregelung in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingegriffen. Denn zu dem Zeitpunkt, als die Vertreterversammlung der Klägerin - am 6. Juni 1989 - beschloß, die in § 17 Abs 2 Buchst c und e der Satzung enthaltenen Regelungen für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen bei den in der Satzungsvorschrift genannten freiwilligen Mitgliedern rückwirkend zum 1. Januar 1989 in Kraft zu setzen, war der Beitragsanspruch für die Monate Januar bis Mai schon in der gesetzlichen Mindesthöhe entstanden und fällig geworden, wie sich aus § 240 Abs 4 SGB V ergibt. Zwar entsteht eine Beitragspflicht erst in dem Zeitpunkt, in dem alle gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Entstehung erfüllt sind. Zu den Voraussetzungen für das Entstehen des Beitragsanspruchs in Mindesthöhe gehört jedoch nicht die Geltung einer Satzung. Zwar wird nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Hinsichtlich der Mindestbeiträge bzw der Untergrenze für die Beitragsbemessung enthält das Gesetz jedoch in § 240 Abs 4 SGB V selbst eine eigene, eindeutig formulierte Fiktion. Damit ist Abs 4 - wie der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 7. November 1991 (- 12 RK 37/90 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) angenommen hat - an die Stelle der Mindestgrundlohnregelung des früheren Rechts getreten (§ 180 Abs 4 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung [RVO]). Auch die neue Vorschrift über den Mindestbeitrag gilt wie die alte Norm unmittelbar, ohne daß es insoweit einer Regelung durch die Satzung bedarf (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 7. November 1991 - 12 RK 18/91 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Da die Krankenkassenbeiträge der freiwilligen Mitglieder monatlich erhoben und nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB IV iVm § 19 Abs 1 der Satzung der Klägerin am 15. des Monats fällig werden, der dem jeweiligen Beitragsmonat folgt, waren in dem streitigen Rückwirkungszeitraum Beitragspflichten der betroffenen Mitglieder in gesetzlicher Mindesthöhe definitiv zu erfüllen. Dadurch, daß die Satzung in § 17 Abs 2 Buchst c und e eine von § 240 Abs 4 SGB V abweichende Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen vorsieht, die zu höheren Beiträgen als die Mindestbeiträge führen, müßten die von dieser Regelung erfaßten freiwilligen Mitglieder wegen der angeordneten Rückwirkung auch für die Monate Januar bis Mai 1989 höhere Beiträge leisten. Die Satzung greift damit in einen abgeschlossenen Tatbestand ein. Denn sobald der Beitragsanspruch für einen Monat entstanden und fällig geworden ist, handelt es sich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um einen abgeschlossenen Tatbestand, ohne Rücksicht darauf, wann die Zahlung der Beiträge erfolgt.
Grundsätzlich ist eine verschlechternde Rückwirkung - wie sie die genannten Bestimmungen der Satzung der Klägerin vorsehen -unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit (Art 20 Abs 3 GG), zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet (BVerfGE 18, 429, 439; 32, 111, 123). Demgemäß hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß belastende Gesetze mit echter Rückwirkung grundsätzlich verfassungswidrig sind (BVerfGE 25, 371, 403 mwN; 54, 223, 230). Der Grundsatz der Unzulässigkeit rückwirkender belastender Normen läßt allerdings Ausnahmen zu, die mit der Tragweite des Vertrauensschutzes für den Bürger zusammenhängen (vgl dazu insbesondere BVerfGE 18, 429, 439; 54, 223, 230; Bauer, JuS 1984, 242, 243). Abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen ist ein gesetzlicher Eingriff mit echter Rückwirkung dann zulässig, wenn das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig ist (BVerfGE 13, 261, 271 f; 18, 429, 439). Ob dieser eine Rückwirkung rechtfertigende Grund vorliegt, läßt sich nur unter Würdigung aller Umstände der konkreten Regelung, insbesondere von Art und Bedeutung der durch den Eingriff betroffenen Rechtsposition, beurteilen. Hierbei kommt es - wie das BVerfG in seinem Beschluß vom 20. Oktober 1971 (BVerfGE 32, 111, 123) ausgeführt hat - für die Frage, ob der Bürger mit einer Änderung der Rechtslage rechnen mußte, nicht auf die subjektiven Vorstellungen der einzelnen Betroffenen und ihre individuelle Situation an, sondern darauf, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen.
Die in der Satzung der Klägerin vorgesehene Rückwirkung widerspricht diesen Grundsätzen. Die Voraussetzungen einer Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung liegen nicht vor. Das Vertrauen der betroffenen Kassenmitglieder ist schutzwürdig.
Die von der streitigen Rückwirkung betroffenen freiwillig Versicherten durften mit dem Inkrafttreten des SGB V darauf vertrauen, daß ohne eine ihre beitragspflichtigen Einnahmen abweichend regelnde Satzungsbestimmung Beiträge nur in gesetzlicher Mindesthöhe des § 240 Abs 4 SGB V anfallen würden. Zwar mußten sie nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V damit rechnen, daß die Krankenkasse entsprechend dieser Ermächtigung die Beitragsbemessung in ihrer Satzung bestimmen, dh die beitragspflichtigen Einnahmen abweichend von der Regelung in § 240 Abs 4 SGB V festlegen würde. Eine zu höheren Beiträgen führende Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen setzt aber voraus, daß die Vertreterversammlung der Krankenkasse eine entsprechende Satzungsnorm beschließt (§ 240 Abs 1 Satz 1 iVm § 197 Nr 1 SGB V und § 33 Abs 1 SGB IV). Der Vorstandsbeschluß der Klägerin vom 19. Dezember 1988 konnte daher keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung der den Mindestbeitrag (§ 240 Abs 4 SGB V) überschreitenden Beiträge darstellen.
Der Senat kann offenlassen, ob dieser Vorstandsbeschluß allen betroffenen Mitgliedern noch vor der Fälligkeit der Beiträge für den Monat Januar 1989 bekanntgegeben worden ist. Selbst wenn dies geschehen sein sollte, durften die betroffenen freiwilligen Mitglieder darauf vertrauen, daß es - jedenfalls zunächst - bei dem Mindestbeitrag blieb. Denn die Entscheidung eines für die Festlegung der beitragspflichtigen Einnahmen nicht zuständigen Organs vermag das Vertrauen in den Fortbestand des bisherigen Rechts - hier: des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen § 240 Abs 4 SGB V - nicht zu erschüttern. Erst von dem Zeitpunkt ab, in dem das allein für entsprechende Satzungsregelungen berufene Organ der Krankenkasse seinen Willen durch eine entsprechende Entschließung kundgetan hat, muß das Mitglied mit einer Erhöhung der Beiträge rechnen bzw ist sein Vertrauen in den Bestand des bisher geltenden Rechts nicht mehr schutzwürdig. Für die Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung einer belastenden Norm genügt es daher weder, daß das GRG den Krankenkassen ab 1. Januar 1989 die Möglichkeit eingeräumt hat, durch die Bestimmungen der beitragsplichtigen Einnahmen der freiwilligen Mitglieder auch die Höhe ihrer Beiträge zu beeinflussen, noch, daß die Klägerin aufgrund eines Vorstandsbeschlusses bereits über dem Mindestbeitrag (§ 240 Abs 4 SGB V) liegende Beiträge in dem für die Rückwirkung in Betracht kommenden Zeitraum eingezogen hat. Diese Umstände waren zwar Anhaltspunkte dafür, daß es zu entsprechenden Satzungsregelungen kommen könnte. Wenn aber - wie hier - in der Zeit, für die die Rückwirkung angeordnet wird, eine Entschließung der Vertreterversammlung noch nicht getroffen worden ist, darf ihnen kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Ob für eine kurze Übergangszeit etwas anderes zu gelten hat, wenn die Vertreterversammlung nach einer Rechtsänderung über die dadurch notwendig gewordene Satzungsregelung nicht rechtzeitig beschließen konnte, läßt der Senat offen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klägerin hatte bis zum 15. Februar 1989, dem Tag, an dem die Beiträge für den Monat Januar 1989 fällig wurden, die Möglichkeit, die Satzung dem neuen Recht anzupassen. Dafür, daß diese Zeit nicht ausgereicht hätte, sind vorliegend keine Anhaltspunkte gegeben.
Die Klägerin kann ihre Rechtsauffassung auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur rückwirkenden Ersetzung einer ungültigen Beitrags- oder Erschließungsbeitragssatzung stützen. Denn auch das BVerwG geht davon aus, daß die Rückwirkung einer Satzungsregelung (nur) dann nicht am Rechtsstaatsprinzip bzw dem dort verankerten Gebot des Vertrauensschutzes scheitert, wenn sie dazu dient, eine nichtige (gesetzwidrige) Satzungsbestimmung durch eine gültige zu ersetzen (vgl ua BVerwG, DVBl 1989, 678, 679; BVerwG, DÖV 1980, 341 mwN). In den dort entschiedenen Fällen hatte - anders als im Falle der Klägerin - bereits das zuständige Organ, also der Satzungsgeber selbst, über die Beitragserhebung einen (wenn auch zunächst unwirksamen) Beschluß gefaßt und damit seinen Willen zur Beitragserhebung im Rahmen des Gesetzes bereits bekundet.
Nach alledem ist die Rückwirkungsvorschrift in der Satzung der Klägerin nicht genehmigungsfähig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen