Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung der Mindestversicherungszeit für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. multilaterale Zusammenrechnung von in Deutschland, Serbien und Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten bei Anwendung des SozSichAbk YUG. Zuständigkeit des zuerst angegangenen deutschen Rentenversicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Erfüllung der Wartezeit einer Rente sind die in Deutschland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union sowie im ehemaligen Jugoslawien zurückgelegten, nach dem fortgeltenden deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen (juris: SozSichAbk YUG) zu berücksichtigenden Versicherungszeiten "multilateral" zusammenzurechnen (Fortführung von BSG vom 29.5.1984 - GS 1/82 ua = BSGE 57, 23 = SozR 2200 § 1250 Nr 20).
2. Der zuerst angegangene deutsche Rentenversicherungsträger hat eine Gesamtentscheidung über den geltend gemachten Rentenanspruch unter Berücksichtigung sowohl der Regelungen des Europarechts als auch der einschlägigen Sozialversicherungsabkommen zu treffen.
Normenkette
SGB VI § 34 Abs. 4 Nr. 3 Fassung: 2004-07-21, Nr. 3 Fassung: 2007-04-20, § 37 Fassung: 1989-12-18, § 51 Abs. 3, § 89 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nrn. 3, 5, §§ 127a, 128 Abs. 1 Fassung: 2011-06-22, Abs. 3 Nr. 3 Fassung: 2011-06-22, § 300 Abs. 2, § 302 Abs. 4; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; EWGV 1408/71 Art. 45 Abs. 1; SozSichAbk YUG Art. 2 Abs. 1-2, Art. 25 Abs. 1 S. 1, Art. 34 Abs. 2; SGG § 75 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens eine Altersrente für Schwerbehinderte (ab dem 1.7.2001: Altersrente für schwerbehinderte Menschen). Die Beteiligten streiten darüber, ob im ehemaligen Jugoslawien zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten neben in Deutschland und Frankreich zurückgelegten Zeiten bei der Wartezeit zu berücksichtigen sind und die Klägerin dadurch die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Rente erfüllt.
Die Klägerin ist am 4.3.1940 in Serbien geboren und seit 1978 deutsche Staatsangehörige. Sie war sowohl im früheren Jugoslawien (Serbien) als auch in Frankreich und in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Der serbische Versicherungsträger bestätigte für Beschäftigungszeiten der Klägerin von März 1961 bis November 1969 rentenrechtliche Zeiten nach jugoslawischem Recht im Umfang von 46 Kalendermonaten und die Zahlung einer Alterspension seit dem 1.4.2000. Der französische Versicherungsträger bescheinigte für die Tätigkeit der Klägerin in Frankreich vier Trimester französischer Versicherungszeiten. Hierfür bezieht die Klägerin seit 1.9.2008 eine französische Alterspension. Nach dem Versicherungsverlauf der Klägerin sind für die Zeit von Dezember 1969 bis September 1998 364 Kalendermonate in Deutschland nachgewiesen, die nach dem SGB VI berücksichtigungsfähig sind.
Am 14.10.1999 beantragte die Klägerin bei der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Niederbayern-Oberpfalz eine abschlagsfreie Altersrente für Schwerbehinderte wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und gleichzeitig Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres (mit Abschlägen). Mit Bescheid vom 30.3.2000 bewilligte die LVA der Klägerin ab dem 1.4.2000 Altersrente für Frauen. Bei der Ermittlung der Wartezeit übernahm der Rentenversicherungsträger nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (DJSVA) aufgrund der kalendarischen Lage (im Zeitraum vom 1.3.1961 bis zum 1.11.1969) in Serbien bzw Montenegro zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten im Umfang von vier Jahren und elf Tagen. Der Bescheid enthält den ergänzenden Hinweis, dass die Klägerin die Wartezeit für eine Altersrente mit vollendetem 60. Lebensjahr wegen Schwerbehinderung alleine mit den deutschen Zeiten nicht erfülle und deshalb der jugoslawische Rentenversicherungsträger um eine Aufstellung aller dort zurückgelegten Versicherungszeiten gebeten worden sei. Nach Bestätigung der jugoslawischen Zeiten werde überprüft, ob die Wartezeit für diese Altersrente erfüllt werde. Die Rente könne dann ab 1.4.2000 rückwirkend und ohne Abschläge gezahlt werden.
Mit Bescheid vom 11.11.2005 lehnte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Niederbayern-Oberpfalz den Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab. Die Wartezeit von 420 Kalendermonaten werde weder alleine mit den deutschen Zeiten (364 Kalendermonate) noch bei weiterer Berücksichtigung der Versicherungszeiten in Serbien und Montenegro erfüllt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem die Klägerin in einem Überprüfungsverfahren auf ihre französischen Versicherungszeiten aufmerksam gemacht hatte, gab die DRV Bayern Süd das Verwaltungsverfahren an die beklagte DRV Rheinland-Pfalz ab, die die Altersrente für Frauen mit Bescheid vom 2.7.2009 nach der EWGV 1408/71 unter Berücksichtigung der französischen Zeiten errechnete. Aufgrund der zwischenstaatlichen Berechnung (24,6259 persönliche Entgeltpunkte ≪pEP≫), aus der im Vergleich zur innerstaatlichen Berechnung (24,6195 pEP) eine geringfügig höhere Rente resultierte, bewilligte die Beklagte (rückwirkend) seit dem 1.1.2004 die höhere Rentenleistung. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bewilligungsbescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 zurück.
In einem Berufungsverfahren vor dem LSG, in dem Rentenanpassungen streitig waren, schlossen die Klägerin und die Beklagte am 13.8.2014 einen Vergleich, der unter Ziff 1 wie folgt lautete: "Die Beklagte erklärt sich bereit, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens unter Zugrundelegung einer Antragstellung am 16. Juni 2011 den ursprünglichen Altersrentenbescheid vom 30. März 2000 in der Fassung der nachfolgenden Bescheide zu überprüfen und der Klägerin ggf. eine höhere Altersrente zu gewähren." Diesen Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4.11.2014 ab. Für die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen werde die erforderliche Wartezeit von 420 Monaten nicht erfüllt. Die Klägerin habe nur 376 Monate zurückgelegt. Die von ihr behaupteten Versicherungszeiten in Serbien könnten nach den EWG-Verordnungen nicht berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung wäre ausschließlich über das DJSVA möglich. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2.3.2015).
Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 10.2.2017 abgewiesen. Auf die Berufung hat das LSG mit Urteil vom 23.10.2018 den Gerichtsbescheid sowie den Bescheid vom 4.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.3.2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 11.11.2005 aufzuheben und der Klägerin ab dem 1.1.2007 eine Altersrente für Schwerbehinderte zu zahlen. Die Gewährung dieser Altersrente sei allerdings nicht im Bescheid vom 30.3.2000, sondern erst mit Bescheid vom 11.11.2005 abgelehnt worden. Dieser Bescheid werde von dem beim LSG geschlossenen Vergleich umfasst. Die Klägerin habe Anspruch auf die begehrte Altersrente nach § 37 SGB VI aF. Dessen Voraussetzungen lägen vor. Sie erfülle auch die Wartezeit von 35 Jahren. Die Gesamtzahl an rentenrechtlichen Zeiten nach deutschem Recht betrage 364 Kalendermonate. An französischen Versicherungszeiten ergäben sich 12 Kalendermonate. Der serbische Versicherungsträger habe zu Recht 46 Kalendermonate bestätigt. Zusammen ergäben sich damit 422 Kalendermonate an rentenrechtlichen Zeiten, die auf die Wartezeit von 35 Jahren angerechnet würden. Die Anrechnung der in Frankreich zurückgelegten Zeiten bestimme sich nach der EWGV 1408/71. Die Anrechnung der im früheren Jugoslawien und heutigen Serbien zurückgelegten Zeiten ergebe sich aus Art 25 Abs 1 des DJSVA. Ein Ausschluss der multilateralen Zusammenrechnung von Versicherungszeiten (Kumulierungsverbot) bestehe nicht. Eine sog Abwehrklausel, die dem deutschen Träger bei der Anwendung eines Sozialversicherungsabkommens die gleichzeitige Anwendung eines anderen bilateralen Abkommens, dessen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt seien, verbiete, enthalte das DJSVA nicht. Art 2 Abs 2 DJSVA, wonach Rechtsvorschriften iS des Art 2 Abs 1 DJSVA nicht diejenigen seien, die sich für einen Vertragsstaat aus zwischenstaatlichen Verträgen oder überstaatlichem Recht ergeben oder zu deren Ausführung dienten, besage nur, dass sich die im Abkommen getroffenen Regelungen grundsätzlich allein im Verhältnis der beiden Vertragsstaaten zueinander auswirkten, nicht aber zugleich auf das Abkommen eines Vertragspartners mit einem dritten Staat. Eine nicht gewünschte Belastung eines Drittstaates durch ein Sozialversicherungsabkommen trete nicht ein, wenn lediglich der deutsche Versicherungsträger die jeweiligen Zeiten für die Berechnung der Wartezeit kumulativ berücksichtigen müsse. Gleiches gelte für die entsprechenden Regelungen in Art 1 Buchst j EWGV 1408/71 und die Berücksichtigung von Versicherungszeiten in Art 45 Abs 1 EWGV 1408/71. Nach der Rechtsprechung des EuGH könne ein Mitgliedstaat mit einem Drittstaat ein bilaterales Abkommen über die soziale Sicherheit abschließen, das die Berücksichtigung der in diesem Drittstaat zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb des Anspruchs auf Leistungen bei Alter vorsehe. Die Altersrente für Schwerbehinderte sei nach § 44 Abs 4 SGB X rückwirkend ab dem 1.1.2007 zu zahlen. § 34 Abs 4 SGB VI stehe dem nicht entgegen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 4 SGG. Die Urteilsformel sei nicht vollstreckungsfähig. Es bleibe völlig offen, wie die Altersrente für Schwerbehinderte, zu der das LSG verurteilt habe, zu berechnen sei. Fraglich sei zunächst, ob die Berechnung der Rente auf der Grundlage der EWGV 1408/71 oder des DJSVA vorgenommen werden solle. Fraglich sei weiterhin, ob die in Deutschland, Frankreich und Jugoslawien zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nur für die Erfüllung der Wartezeit oder auch für die Berechnung der Rente berücksichtigt werden sollen. Das Urteil bilde daher keine Grundlage für den Erlass eines die Höhe der zu gewährenden Rente regelnden Ausführungsbescheides. Ferner rügt die Beklagte, dass § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X verletzt sei. Die Klägerin habe Anspruch auf eine Rücknahme des Bescheides vom 11.11.2005 nach dieser Vorschrift nur dann, wenn die begehrte Rente höher sei als die gezahlte Altersrente für Frauen. Feststellungen hierzu habe das LSG nicht getroffen. Gerügt werde auch eine Verletzung der §§ 128 Abs 1 Satz 1 SGB VI, 44 Abs 3 SGB X und 75 Abs 2 SGG. Nach dem Vorbehalt der Anwendbarkeit über- und zwischenstaatlichen Rechts in § 128 Abs 1 Satz 1 SGB VI wäre nach Art 34 Abs 2 DJSVA für die Gewährung der Rente die örtliche Zuständigkeit der DRV Bayern Süd gegeben. Mit der Verurteilung zur Rücknahme des Bescheides vom 11.11.2005 verletze das angefochtene Urteil zugleich § 44 Abs 3 SGB X, da sich aus der Zuständigkeit der DRV Bayern Süd für die Gewährung der Rente auch die Zuständigkeit dieses Regionalträgers für die Rücknahme des Bescheides vom 11.11.2005 ergebe. Damit habe das LSG auch seine Pflicht verletzt, die DRV Bayern Süd nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG zum Verfahren beizuladen. § 37 SGB VI aF sei ebenfalls verletzt. Die Wartezeit für diesen Rentenanspruch sei nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des LSG dürften die in Deutschland, Frankreich und Jugoslawien zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten für die Erfüllung der Wartezeit nicht zusammengerechnet werden. Schließlich macht die Beklagte eine Verletzung des § 89 Abs 1 SGB VI aF geltend, wonach nur die höchste Rente geleistet werde, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung bestehe. Bei gleich hoher Rente habe eine Altersrente für Schwerbehinderte Vorrang vor einer Altersrente für Frauen. Zur Rentenhöhe fehle es an Feststellungen des LSG.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2018 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Februar 2017 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Das LSG habe eindeutig festgestellt, dass die in Serbien zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Rentenhöhe nicht zu berücksichtigen seien. Die Rente wegen Schwerbehinderung sei im Gegensatz zur Altersrente für Frauen nicht mit Rentenabschlägen versehen und müsse aus diesem Grund höher ausfallen. Örtlich zuständig bleibe wegen § 128 Abs 3 Nr 3 SGB VI die Beklagte, weil sie, die Klägerin, in Deutschland wohne und der zuletzt entrichtete ausländische Beitrag an den Rentenversicherungsträger in Frankreich gezahlt worden sei. Rechtsgrundlage für die Einbeziehung der im Ausland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten in die Wartezeit seien die sozialversicherungsrechtlichen Abkommen mit den jeweiligen Staaten. Es bestehe keine sog Abwehrklausel, die eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten verbiete.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Ob der Bescheid der Beklagten vom 4.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.3.2015 zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Bescheidrücknahme und Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen verneint, kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden.
1. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
a) Dem LSG ist darin beizupflichten, dass Überprüfungsgegenstand im Rahmen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X der Bescheid vom 11.11.2005 ist, mit dem der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen abgelehnt worden ist. Die Klägerin hat zwar bislang ausdrücklich die Rücknahme des Bescheides vom 30.3.2000 beantragt. Auf diesen Bescheid bezieht sich auch der gerichtliche Vergleich vom 13.8.2014, in dem sich die Beklagte zur Durchführung eines Überprüfungsverfahrens verpflichtet hat. Mit dem Bescheid vom 30.3.2000 wurde der Klägerin aber lediglich die Altersrente für Frauen bewilligt; eine Entscheidung über die Altersrente für Schwerbehinderte enthielt dieser Bescheid ausweislich der beigefügten "ergänzenden Hinweise" noch nicht. Ihrem wirklichen Begehren entspricht die Rücknahme des Bescheides vom 11.11.2005. Dieser Bescheid ist auch in dem streitbefangenen Bescheid der Beklagten vom 4.11.2014 konkludent mit überprüft worden. Zwar verneint dieser Bescheid einen Anspruch der Klägerin auf Rente für schwerbehinderte Menschen nur unter Berücksichtigung der von ihr zurückgelegten deutschen und französischen Zeiten, während der Bescheid vom 11.11.2005 denselben Anspruch unter Berücksichtigung lediglich der deutschen und serbischen Zeiten ablehnt. Die Klägerin begehrt aber eine Entscheidung über den Anspruch auf diese Rente unter Berücksichtigung der deutschen, französischen und serbischen Zeiten. Eine solche Gesamtentscheidung hat der Bescheid vom 11.11.2005 nicht getroffen. Der Bescheid vom 4.11.2014 verweist die Klägerin hinsichtlich der serbischen Zeiten an einen anderen Regionalträger und lehnt damit die begehrte Gesamtbetrachtung ab.
b) Im Bescheid vom 11.11.2005 ist das Recht insoweit fehlerhaft angewandt worden, als das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für Schwerbehinderte verneint wurde.
aa) Die Klägerin, die den Antrag auf diese Rente am 14.10.1999 gestellt hat, erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür seit dem 1.4.2000. Anspruchsgrundlage ist § 37 SGB VI in der vom 1.1.1992 bis 31.12.2000 geltenden Fassung vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) - nachfolgend § 37 SGB VI aF. Diese Vorschrift war hier gemäß § 300 Abs 2 SGB VI zum Zeitpunkt des Erlasses des zu überprüfenden Bescheides (zur Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt vgl Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 44 RdNr 10) noch anwendbar, weil die Altersrente für Schwerbehinderte im Oktober 1999 und damit noch vor Änderung des § 37 SGB VI aF beantragt wurde. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte einen Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben (Nr 1), bei Beginn der Altersrente als Schwerbehinderte (§ 1 SchwbG) anerkannt, berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind (Nr 2) und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben (Nr 3). Diese Voraussetzungen lagen vor.
Die Klägerin hat das 60. Lebensjahr am 4.3.2000 vollendet. Nach dem (unbefristet gültigen) Schwerbehindertenausweis vom 1.4.2005 ist sie seit dem 31.3.1998 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Sie erfüllte ferner zum 1.4.2000 die Wartezeit von 35 Jahren (= 420 Monate). Gemäß § 51 Abs 3 SGB VI sind auf die Wartezeit von 35 Jahren alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten anzurechnen. Hierzu hat das LSG folgende Feststellungen getroffen: Die Gesamtzahl der rentenrechtlichen Zeiten der Klägerin nach deutschem Recht beträgt 364 Kalendermonate. Der serbische Versicherungsträger hat rentenrechtliche Zeiten nach dem damaligen jugoslawischen Recht im Umfang von 46 Kalendermonaten bestätigt. Außerdem hat das LSG festgestellt, dass der französische Versicherungsträger vier Trimester (= 12 Kalendermonate) an Versicherungszeiten nach französischem Recht bestätigt hat. Die Klägerin hat damit rentenrechtliche Zeiten von 422 Kalendermonaten zurückgelegt.
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass auf die Wartezeit neben den deutschen Versicherungszeiten auch die von der Klägerin in Frankreich und in Serbien zurückgelegten Zeiten anzurechnen sind.
Die Anrechnung der französischen Zeiten ergibt sich aus Art 45 Abs 1 der im Jahr 2000 noch geltenden EWGV 1408/71 (Verordnung ≪EWG≫ Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, gültig bis 30.4.2010). Diese Verordnung ist gemäß Art 2 Abs 1 auf die Klägerin anwendbar, weil sie als deutsche Staatsbürgerin Staatsangehörige eines Mitgliedstaates ist. Art 45 Abs 1 EWGV 1408/71 bestimmt für Renten wegen Alters oder Tod: Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ua der Erwerb des Anspruchs auf die Leistungen eines Systems, das kein Sondersystem iS des Abs 2 oder 3 ist, davon abhängig, dass Versicherungs- oder Wohnzeiten zurückgelegt worden sind, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, soweit erforderlich, die nach den Rechtsvorschriften jedes anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten; dabei ist unwesentlich, ob diese in einem allgemeinen oder in einem Sondersystem, in einem System für Arbeitnehmer oder in einem System für Selbstständige zurückgelegt worden sind (Satz 1). Zu diesem Zweck berücksichtigt er diese Zeiten, als ob es sich um nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten handelte (Satz 2).
§ 37 SGB VI aF machte den Erwerb des Anspruchs auf eine Altersrente für Schwerbehinderte von Versicherungszeiten abhängig. Hierbei geht es nicht um die Leistung eines Systems iS des Abs 2 und 3 des Art 45 EWGV 1408/71. Abs 2 betrifft die deutsche Knappschaftliche Rentenversicherung und Abs 3 Sondersysteme für Selbstständige (vgl Deutsche Rentenversicherung, EU Rentenversicherung EWR, 19. Aufl 7/2007, EWGV 1408/71 Art 45 S 164).
Die Anrechnung der von der Klägerin in Serbien zurückgelegten Zeiten ergibt sich aus Art 25 Abs 1 Satz 1 DJSVA, das für Serbien weiterhin Geltung hat (vgl Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Verträge im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien vom 20.3.1997 - BGBl Il 961). Danach gilt: Sind nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten anrechnungsfähige Versicherungszeiten vorhanden, so werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates anrechnungsfähig sind und nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Diese Voraussetzungen des Abkommens sind ebenfalls erfüllt.
bb) Eine Zusammenrechnung der deutschen, französischen und serbischen Zeiten ist hier weder nach der EWGV 1408/71 noch nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen ausgeschlossen. Es entspricht vielmehr dem gemeinsamen Zweck der zwischenstaatlichen und überstaatlichen Regelungen auf dem Gebiet der Rentenversicherung, dass eine Versicherte, die in verschiedenen Staaten tätig war, Ansprüche erwirbt, die ihr gesamtes Versicherungs- und Arbeitsleben widerspiegeln und alles umfassen, was sie durch ihre Beitragsleistung rentenrechtlich verdient hat (ebenfalls zur Erfüllung der Wartezeit vgl BSG - Großer Senat - Beschluss vom 29.5.1984, GS 1-3/82 - BSGE 57, 23, 31 ff = SozR 2200 § 1250 Nr 20). Die Zusammenrechnung mehrerer in verschiedenen Staaten zurückgelegter Zeiten folgt aus ihrer Anrechnungsfähigkeit nach innerstaatlichem deutschem Recht (vgl BSG Urteil vom 8.3.1972 - 11 RA 46/71 - BSGE 34, 90, 93 = SozR Nr 5 zu § 1263 RVO; BSGE 57, 23, 28 f = SozR 2200 § 1250 Nr 20 S 30; BSG Urteil vom 23.4.1990 - 5 RJ 70/89 - juris RdNr 19). Sie hat nur dann nicht zu erfolgen, wenn zwischen- oder überstaatliches Recht dem entgegensteht. Das ist hier nicht der Fall.
(a) Nach der Rechtsprechung des EuGH lässt die EWGV 1408/71 die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten aus dem EG-Bereich mit Zeiten aus bilateralen Verträgen mit Drittstaaten zu. So hat der EuGH in einem Fall, in dem es um die Erfüllung der sog Halbbelegung als Voraussetzung für die Berücksichtigung von Ausfallzeiten ging, entschieden, dass keine Bestimmung der Verordnung ausschließe, dass der deutsche Rentenversicherungsträger bei Prüfung der Halbbelegung nicht nur nach den deutschen und den polnischen Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten, sondern auch solche Zeiten berücksichtige, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates zurückgelegt worden seien (EuGH Urteil vom 5.7.1988 - 21/87 - SozR 6050 Art 46 Nr 26 S 73). Der dortige Kläger hatte verlangt, seine Beitragszeiten zur deutschen, niederländischen und polnischen Sozialversicherung zu berücksichtigen, weil nur dann die Voraussetzung der Halbbelegung erfüllt war. Dies hatte der deutsche Träger der Rentenversicherung mit der Begründung abgelehnt, er habe zwei verschiedene Rentenberechnungen durchzuführen, die eine auf der Grundlage der deutschen Rechtsvorschriften und des deutsch-polnischen Abkommens, die andere ausschließlich auf der Grundlage der deutschen Rechtsvorschriften und des Gemeinschaftsrechts, was jede Vermengung ausschließe (EuGH aaO S 71). Der EuGH hat dieser Auffassung widersprochen und ausgeführt, die EWGV 1408/71 lasse es zu, dass der deutsche Versicherungsträger nicht nur die in anderen Mitgliedstaaten entrichteten Pflichtbeiträge, sondern auch die Pflichtbeiträge in einem anderen Drittstaat gleichstelle, mit dem die Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen über die gegenseitige Gleichstellung von Versicherungszeiten geschlossen habe. Dabei verpflichte keine Bestimmung der Verordnung Träger der anderen Mitgliedstaaten, diese Zeiten bei ihren Berechnungen nach Art 46 zu berücksichtigen; die Berücksichtigung dieser Zeiten durch den deutschen Träger führe demnach nicht zu einer Erweiterung ihrer Verpflichtungen (EuGH aaO S 73).
Ebenso hat der EuGH in einer Entscheidung vom 2.8.1993 (C-23/92 ≪Grana-Novoa≫ SozR 3-6050 Art 3 Nr 4 S 16 f) ausgeführt, dass Art 1 Buchst j der EWGV 1408/71 so auszulegen sei, dass zu den "Rechtsvorschriften" iS dieser Vorschrift nicht Bestimmungen von zwischenstaatlichen Abkommen über die soziale Sicherheit gehörten, die nur zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geschlossen worden seien. Der Umstand, dass diese Abkommen mit Gesetzesrang in die innerstaatliche Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaates übernommen worden seien, ändere nichts an dieser Auslegung. Diese Entscheidung bestimmt wie schon das EuGH-Urteil vom 5.7.1988 (aaO) nur, dass Vorschriften aus bilateralen Abkommen eines Mitgliedstaates mit einem Drittstaat keine Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates iS der EWGV 1408/71 sind. Die Frage, ob ein Mitgliedstaat die in einem Drittstaat zurückgelegten Zeiten neben den in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten für eine von ihm zu gewährende Leistung zu berücksichtigen hat, wird hierdurch nicht berührt. Insbesondere wird eine Zusammenrechnung dieser Zeiten nicht ausgeschlossen.
Bestätigt wird diese Rechtsprechung durch das Urteil des EuGH vom 15.1.2002 (C-55/00 ≪Gottardo≫ - SozR 3-6035 Art 39 Nr 1) zur Berücksichtigung der von einer französischen Staatsangehörigen in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten in der italienischen Rentenversicherung. Danach sind die zuständigen Sozialversicherungsträger eines Mitgliedstaates gehalten, für den Erwerb des Anspruchs auf Leistungen bei Alter die von einem Staatsangehörigen eines zweiten Mitgliedstaates in einem Drittstaat zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen, wenn die Zeiten bei den eigenen Staatsangehörigen aufgrund eines mit dem Drittstaat geschlossenen bilateralen Abkommens berücksichtigt würden. Daraus folgt, dass erst recht eine kumulative Berücksichtigung von nach bilateralen Abkommen und EU-Recht anzuerkennenden Versicherungszeiten eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates durch die zuständigen Sozialversicherungsträger dieses Mitgliedstaates vorzunehmen ist.
(b) Ebenso wenig enthält Art 2 Abs 2 DJSVA eine sog Abwehrklausel. Durch solche Klauseln wird die gleichzeitige Anwendung mehrerer Abkommen oder überstaatlicher Regelungen ausgeschlossen und klargestellt, dass die durch das Abkommen Begünstigten vom anderen Staat nicht begünstigt werden, soweit dieser Abkommen mit Drittstaaten abgeschlossen hat (vgl BSG Urteil vom 20.4.1993 - 5 RJ 60/91 - BSGE 72, 196, 200 f = SozR 3-6678 Nr 2 Nr 1 S 6). Art 2 Abs 1 DJSVA bestimmt, dass sich dieses Abkommen auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung ua, die Unfallversicherung, die Rentenversicherung der Arbeiter ua sowie das Kindergeld für Arbeitnehmer (Nr 1) und auf die jugoslawischen Rechtsvorschriften über die Gesundheitsversicherung, die Pensionsversicherung, die Invalidenversicherung und das Kindergeld (Nr 2) bezieht. Weiter heißt es in Abs 2: "Rechtsvorschriften im Sinne des Absatzes 1 sind nicht diejenigen, die sich für einen Vertragsstaat aus zwischenstaatlichen Verträgen oder überstaatlichem Recht ergeben oder zu deren Ausführung dienen, soweit sie nicht Versicherungslastregelungen enthalten".
Der Große Senat des BSG hat im Beschluss vom 29.5.1984 (GS 1-3/82 - BSGE 57, 23, 30 = SozR 2200 § 1250 Nr 20 S 31) zu Art 2 Abs 2 DJSVA und inhaltlich ähnlichen Bestimmungen in anderen Abkommen ausgeführt, dass diese einer "multilateralen" Zusammenrechnung verschiedener ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Zeiten nicht im Wege stünden. Zweck dieser Bestimmungen sei lediglich - entsprechend dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass kein Staat ohne seine Zustimmung durch Verträge zwischen anderen Staaten, an denen er nicht beteiligt sei, belastet werden dürfe -, die Belastung eines Vertragsstaates durch vom anderen Vertragsstaat mit dritten Staaten abgeschlossene Abkommen zu verhindern; eine Ausnahme gelte nur, wenn der andere Vertragsstaat durch ein Abkommen mit einem dritten Staat Versicherungszeiten, die nach dessen Recht zurückgelegt worden seien, in die eigene Versicherungslast übernehme. Von dieser - ausdrücklich geregelten - Ausnahme abgesehen, solle kein Vertragsstaat den anderen durch Verträge mit dritten Staaten belasten dürfen. Ein Vertragsstaat sei dagegen durch die genannten Bestimmungen nicht gehindert, durch von ihm selbst abgeschlossene weitere Abkommen mit dritten Staaten die Anrechenbarkeit der in diesen Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb eines Rentenanspruchs in der eigenen Versicherung zu regeln (vgl auch BSG Teilurteil vom 28.8.1991 - 13/5 RJ 40/89 - SozR 3-6858 Nr 2 Nr 1 S 4 = juris RdNr 26).
Die Urteile des 13. Senats des BSG vom 21.1.1993 (13 RJ 7/91 - BSGE 72, 25 = SozR 3-6852 Nr 2 Nr 2) sowie des 5. Senats des BSG vom 20.4.1993 (5 RJ 60/91 - BSGE 72, 196 = SozR 3-6678 Nr 2 Nr 1) und vom 27.1.1994 (5 RJ 44/90 - SozR 3-2200 § 1263 Nr 1), die "multilaterale" Zusammenrechnungen ausschließen, stehen dem nicht entgegen. Sie betreffen andere Sachverhalte, insbesondere das Abkommen vom 25.2.1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit, das keine Art 2 Abs 2 des DJSVA vergleichbare Vorschrift enthält.
cc) Dem Anspruch der Klägerin ab dem 1.4.2000 auf Altersrente für Schwerbehinderte, der gemäß § 302 Abs 4 SGB VI als Altersrente für schwerbehinderte Menschen fortbesteht, steht auch nicht § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI in der ab dem 1.8.2004 (bis 31.12.2007) geltenden Fassung entgegen. Nach dieser Vorschrift ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen. Ab dem 1.1.2008 ist der Wechsel auch für Zeiten des Bezugs einer noch nicht bindend bewilligten Rente wegen Alters ausgeschlossen (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007, BGBl I 554).
Nach der in § 300 Abs 1 SGB VI enthaltenen Grundregel sind, soweit nicht die nachfolgenden Vorschriften etwas anderes bestimmen, die jeweils neuen Vorschriften des SGB VI (Änderungsvorschriften) von ihrem Inkrafttreten an nicht nur auf solche Sachverhalte und Ansprüche anzuwenden, die sich danach ergeben, sondern auch auf Sachverhalte und Ansprüche, die vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben. § 300 Abs 2 SGB VI enthält allerdings abweichend von der Grundregel der Anwendung aktuell geltenden Rechts in Abs 1 eine Sonderregel für den Fall, dass ein Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung einer Vorschrift des SGB VI (hier: Änderung der Rechtslage durch Einfügung des § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI) geltend gemacht wird. In diesem Fall bleibt die Vorschrift "auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch" anwendbar. Die Klägerin kann sich nach § 300 Abs 2 SGB VI auf die davor geltende Rechtslage berufen, die einen Wechsel von einer Altersrente in die andere nicht ausgeschlossen hat. Sie hat die Altersrente für Schwerbehinderte bereits am 14.10.1999 beantragt und erfüllte ab dem 1.4.2000 und damit vor der Neufassung des § 34 Abs 4 SGB VI die Anspruchsvoraussetzungen.
Darüber hinaus kommt ein Anspruchsausschluss hier auch aus folgender Erwägung nicht in Betracht: Die Regelung des § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI betrifft nicht den Anspruch auf eine andere Altersrente, die vor oder gleichzeitig mit der bindend bewilligten Altersrente beginnt (Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD für ein Gesetz zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen des gesetzlichen Rentenversicherung - BT-Drucks 16/3794 S 33 Erl zu Nr 7 ≪§ 34≫ Buchst c; vgl dazu auch Uta Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 34 RdNr 83 ff). Rentenbeginn für die der Klägerin bewilligte Altersrente für Frauen und die begehrte Altersrente für Schwerbehinderte ist unter Zugrundlegung der gesetzlichen Voraussetzungen aber in beiden Fällen der 1.4.2000.
c) Ob der Bescheid vom 11.11.2005 auch insoweit das Recht fehlerhaft anwendet, als er einen Anspruch der Klägerin auf Leistung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen im Ergebnis verneint, kann nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden.
Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird gemäß § 89 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB VI nur die höchste bzw bei gleich hohen Renten nur die ranghöhere geleistet. Ein Anspruch auf Leistung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die ranghöher ist als die Altersrente für Frauen (§ 89 Abs 1 Satz 2 Nr 3, Nr 5 SGB VI), ist daher von der Höhe der Renten abhängig. Hierzu fehlen Feststellungen des LSG. Dass das Berufungsgericht davon "ausgeht", die abschlagsfrei zu gewährende Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei mindestens so hoch wie die Altersrente für Frauen, ersetzt die erforderlichen Feststellungen nicht.
Soweit die Beklagte rügt, das angefochtene Urteil lasse die Berechnung der Rente für schwerbehinderte Menschen völlig offen, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Frage, wie die Rente der Höhe nach zu berechnen ist, nicht die Frage berührt, ob die Wartezeit erfüllt ist (Großer Senat des BSG Beschluss vom 29.5.1984 - GS 1-3/82 - BSGE 57, 23, 33 = SozR 2200 § 1250 Nr 20 S 34 f). Zum anderen hat die Klägerin zu Recht darauf verwiesen, dass das LSG ausdrücklich ausgeführt hat, dass eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten nur für den Erwerb, nicht aber für die Höhe des Leistungsanspruchs zu erfolgen hat. Art 25 Abs 1 Satz 1 DJSVA bestimmt, dass für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den deutschen Rechtsvorschriften auch die Versicherungszeiten berücksichtigt werden, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates anrechnungsfähig sind. Nach Art 26 Abs 1 DJSVA sind Bemessungsgrundlagen nur die Versicherungszeiten, die nach den anzuwendenden, mithin innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind (vgl KomGRV, Stand März 2013, Anh 10 B II. Jugoslawien S 15; Grotzer in Eichenhofer/Rische/Schmähl, HDR, 1. Aufl 2011, Kap 19 RdNr 106; Bokeloh, Die Rentenversicherung zwischen nationaler Souveränität und internationalen sowie supranationalen Bindungen, WzS 2019, 311, 313). Die Berechnung unter Einbeziehung der in Frankreich zurückgelegten Zeiten erfolgt nach Art 46 Abs 2 EWGV 1408/71 (nunmehr Art 52 der EGV 883/2004).
Soweit die Berechnung ergibt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen besteht, hat das LSG zu Recht ausgeführt, dass im Hinblick auf § 44 Abs 4 SGB X und unter Zugrundelegung eines Antrags auf Überprüfung im Juni 2011 die höhere Leistung rückwirkend ab dem 1.1.2007 zu gewähren ist.
2. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG die Beiladung der DRV Bayern Süd nach § 75 Abs 2 SGG nachzuholen haben. Diese ist als Rechtsnachfolgerin des erstangegangenen Trägers für die Leistungsfeststellung nach einer Gesamtbetrachtung aller berücksichtigungsfähigen Zeiten zuständig.
a) Gemäß § 128 Abs 1 SGB VI (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, BGBl I 1202) richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Regionalträger nach Wohnsitz (Nr 1), gewöhnlichem Aufenthalt (Nr 2), Beschäftigungsort (Nr 3) oder Tätigkeitsort (Nr 4), soweit nicht nach Abs 3 oder nach über- und zwischenstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist. Die Zuständigkeit der beklagten DRV Rheinland-Pfalz ergibt sich für die Berücksichtigung der französischen Zeiten aus § 128 Abs 3 Nr 3 SGB VI. Abs 3 regelt die Zuständigkeit der Regionalträger im Verhältnis zu den jeweiligen Anwenderstaaten der VOen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa. Nach Abs 3 Nr 3 richtet sich die örtliche Zuständigkeit ua für Berechtigte, die in Deutschland wohnen und für die der letzte nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates der EU, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz entrichtete ausländische Beitrag an einen Rentenversicherungsträger dieser Staaten gezahlt wurde, nach der dort aufgeführten Tabelle. Die Klägerin wohnt in Deutschland; der letzte ausländische Beitrag nach den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates wurde an einen französischen Rentenversicherungsträger entrichtet. Zuständiger Regionalträger für Frankreich ist nach der Tabelle zu Abs 3 die DRV Rheinland-Pfalz. Für die Durchführung des deutsch-jugoslawischen Abkommens und damit die Berücksichtigung der serbischen Zeiten war nach Art 34 Abs 2 DJSVA als Verbindungsstelle iS des § 127a SGB VI die LVA Niederbayern-Oberpfalz bzw als deren Rechtsnachfolgerin zunächst die DRV Niederbayern-Oberpfalz und ist nunmehr die DRV Bayern Süd zuständig.
Der Große Senat des BSG hat im Beschluss vom 29.5.1984 (GS 1-3/82 - BSGE 57, 23, 34 = SozR 2200 § 1250 Nr 20 S 35; ihm folgend BSG Urteil vom 23.4.1990 - 5 RJ 70/89 - juris RdNr 21) entschieden, dass in den Fällen, in denen in mehreren, denselben Wanderarbeitnehmer begünstigenden völkerrechtlichen Abkommen verschiedene deutsche Rentenversicherungsträger für zuständig erklärt worden seien, im Wege der Rechtsfortbildung eine abschließende Zuständigkeit eines deutschen Trägers zur Gesamtentscheidung bestimmt werden müsse. Dies sei der zuerst angegangene Rentenversicherungsträger. Der Vorrang der erstentscheidenden Stelle entspreche der Grundentscheidung des Sozialgesetzbuchs, den Interessen des Einzelnen möglichst weit entgegenzukommen und das materielle Recht nicht an formalen Schwierigkeiten scheitern zu lassen (§ 2 Abs 2, §§ 16, 33 SGB l). Dieser Vorgang füge sich vor allem auch in die Entscheidung des Gesetzgebers ein, Zuständigkeitsfragen grundsätzlich nicht zu Lasten des Leistungsberechtigten auszutragen (§ 43 Abs 1 SGB l). Hiernach könnten mehrere ausländische Versicherungszeiten nach mehreren denselben Versicherten begünstigenden Vertragsgesetzen nur dann nicht zur abschließenden "Zusammenrechnung" durch den zur Gesamtentscheidung berufenen deutschen Rentenversicherungsträger zur Verfügung stehen, wenn eine Norm des innerstaatlichen deutschen Rechts - auch eine in innerstaatliches Recht transformierte Bestimmung eines völkerrechtlichen Abkommens - ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimme.
Diese Erwägungen gelten gleichermaßen, wenn sich verschiedene Zuständigkeiten aus einem Sozialversicherungsabkommen einerseits und im Zusammenhang mit europäischem Recht andererseits ergeben. Auch in einem solchen Fall bedarf es der Gesamtentscheidung über den Anspruch unter Berücksichtigung aller Zeiten, soweit deren "Zusammenrechnung" - wie hier - nicht ausgeschlossen ist. Gerade wenn mehrere potentiell berücksichtigungsfähige Zeiten zu klären sind oder erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt werden, ist es im Interesse der Versicherten sinnvoll, die Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers anzunehmen. Die Übertragung der Zuständigkeit auf die erstentscheidende bzw erstangegangene Stelle entspricht überdies der Entscheidung des Gesetzgebers in § 128 Abs 1 Satz 4 SGB VI. Wären bei Leistungsansprüchen von Hinterbliebenen mehrere Regionalträger zuständig, so ist nach dieser Norm der Träger zuständig, bei dem zuerst ein Antrag gestellt worden ist. Erstangegangene Stelle und Erstentscheiderin war hier die LVA Niederbayern-Oberpfalz. Damit ist deren Rechtsnachfolgerin, die DRV Bayern Süd, für die Gesamtentscheidung über den Rentenanspruch der Klägerin zuständig. Das gilt gemäß § 44 Abs 3 SGB X auch, wenn - wie hier - eine Gesamtentscheidung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens zu treffen ist. Zwar hatte sich die Beklagte in dem am 13.8.2014 geschlossenen Vergleich verpflichtet, ein Überprüfungsverfahren durchzuführen. Dementsprechend führt sie die Revision nur mit dem Antrag, die Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid zurückzuweisen. Das LSG wird indes im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu berücksichtigen haben, dass die Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger nicht disponibel ist.
b) Hieraus ergibt sich, dass die DRV Bayern Süd gemäß § 75 Abs 2 SGG notwendig zum Verfahren beizuladen ist. Danach sind Dritte notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger (…) in Betracht kommt (notwendige Beiladung). Ist eine notwendige Beiladung verfahrensfehlerhaft unterblieben, kann sie zwar nach § 168 Satz 2 SGG mit Zustimmung des Beizuladenden auch noch im Revisionsverfahren nachgeholt werden. Der Senat ist hierzu allerdings nicht verpflichtet und hat davon abgesehen, weil ohnedies noch notwendige tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch fehlen. Nach Beiladung kommt eine Verurteilung der DRV Bayern Süd nach § 75 Abs 5 SGG in Betracht. Die Vorschrift erlaubt es aus prozessökonomischen Gründen (vgl BT-Drucks 1/4357 S 26 zu § 24 des Entwurfs einer Sozialgerichtsordnung), statt des Beklagten den tatsächlich leistungspflichtigen Versicherungsträger zu verurteilen. Hierfür ist weder der Erlass eines Bescheides durch diesen Versicherungsträger noch die Durchführung eines Vorverfahrens zwingend erforderlich (vgl BSG Urteil vom 4.5.1999 - B 2 U 19/98 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 2 S 7; generell hierzu, auch zu Ausnahmen: B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 75 RdNr 18b mwN). Im Hinblick auf den bisherigen Verfahrensgang und den Zeitablauf dürfte ein weiteres Zuwarten der Klägerin nicht mehr zumutbar sein (vgl BSG Urteil vom 8.3.2017 - B 8 SO 2/16 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 20 RdNr 15 in einer prozessual anderen Konstellation).
3. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
Fundstellen