Verfahrensgang

SG Stuttgart (Urteil vom 14.11.1990)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 1990 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Berechtigung des Klägers zur Teilnahme an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung bis zum 30. Juni 1991 befristet werden durfte und aus den Leistungskatalogen die nuklearmedizinische In-vitro-Diagnostik ausgenommen bleiben konnte.

Der Kläger ist Facharzt für Radiologie und Chefarzt der radiologischen Abteilung des C. … -Krankenhauses B. M. … Er ist seit November 1979 an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Seine durch Bescheide des Zulassungsausschusses vom 22. April 1986 und der Beteiligungskommission vom 30. April 1986 erfolgte Beteiligung an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung erstreckte sich laut Nr 9 des Leistungskataloges auf „Nuklearmedizinische Untersuchungen einschl. der im Einzelfall dafür erforderlich werdenden Röntgendiagnostischen Untersuchungen”.

Durch Bescheide vom 31. August 1988 und 26. September 1988 änderten der Zulassungsausschuß und die Beteiligungskommission mit Wirkung zum 1. Januar 1989 die Leistungskataloge in verschiedenen Beziehungen ab; insbesondere wurde unter Nr 6 lediglich noch „Nuklearmedizinische In-vivo-Diagnostik (= BMÄ Nrn 5400-5497)” aufgeführt. Auf die Widersprüche des Klägers änderten die Beklagten durch Bescheide vom 16. Juni 1989 (Beschlüsse vom 26. April 1989) in den Leistungskatalogen erneut einzelne Punkte ab; die beantragte Wiederaufnahme der In-vitro-Diagnostik lehnten sie ab und befristeten zugleich die Ermächtigung bis zum 30. Juni 1991. Für eine Durchführung nuklearmedizinischer In-vitro-Diagnostik durch den Kläger bestehe kein Bedarf mehr. Das Probematerial lasse sich ohne Schaden zu nehmen und ohne Nachteil für die Versicherten versenden; entsprechende Untersuchungen könnten sowohl von Laborärzten, Radiologen als auch Nuklearmedizinern in Heilbronn, Schwäbisch Hall oder Würzburg durchgeführt werden. Die Befugnis wie Notwendigkeit zur Befristung der Ermächtigungen ergebe sich aus § 31a Abs 3 und § 31 Abs 7 der Zulassungsverordnung für Kassenärzte (Ärzte-ZV) bzw aus § 95 Abs 8 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches -Gesetzliche Krankenversicherung- (SGB V) in Verbindung mit beiden Vorschriften.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 14. November 1990 die Bescheide der Beklagten vom 26. April 1989 aufgehoben, „soweit die Beteiligung/Ermächtigung bis 30. Juni 1991 befristet wurde und die Beteiligung/Ermächtigung für nuklearmedizinische In-vitro-Diagnostik gemäß Nrn 4100 bis 4157 BMÄ/E-GO widerrufen wurde”. Insofern sind die Beklagten verurteilt worden, über die Widersprüche des Klägers erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat das Gericht im wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide ließen nicht erkennen, ob die Beklagten alle in Betracht kommenden tatsächlichen Umstände für einen Bedarf der Teilnahme des Klägers an der Durchführung nuklearmedizinischer In-vitro-Diagnostik berücksichtigt hätten. Die Ansicht der Beklagten zur Möglichkeit der Versendung des Probematerials sei nicht zu beanstanden. Wenn auch grundsätzlich vom fachärztlichen Planungsbereich auszugehen sei, könne eine Ausnahme doch bei Laborärzten gemacht werden, die in aller Regel nicht von den Patienten in der Praxis aufgesucht würden, sondern das Untersuchungsmaterial zugesandt bekämen. In Übereinstimmung damit seien in den Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte für Laborärzte keine Verhältniszahlen für den bedarfsgerechten Versorgungsgrad genannt. Verwiesen aber die Zulassungsgremien auf die vorhandenen Möglichkeiten nuklearmedizinischer In-vitro-Diagnostik in anderen Planungsbereichen, müßten sie in ihre Prüfung auch die Kapazitäten und den Versorgungsgrad in den anderen Planungsbereichen mit einbeziehen, eingeschlossen die Feststellung, inwieweit die einzelnen Ärzte unterschiedliche Testverfahren durchführten. Es habe wenig Sinn, auf einen Arzt zu verweisen, der ein anderes Verfahren durchführe und mit dessen Ergebnissen daher der die Beteiligung/Ermächtigung begehrende Krankenhausarzt nichts anfangen könne.

Die Beklagten hätten den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum auch insofern verkannt, als sie die Befristung der Ermächtigungen für zwingend gehalten hätten, ohne zu prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte für eine Änderung der Bedarfssituation vorhanden seien. Die zugrundeliegenden Vorschriften erlaubten die zeitliche Bestimmung lediglich im Sinn eines rechtlichen Dürfens, nicht aber Müssens. Bei Änderung des Bedarfs sei auf § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) zurückzugreifen. Die Vorschrift gelte zwar in erster Linie für die eine Sozialleistung betreffenden Verwaltungsakte. Das schließe aber ihre Anwendung auch auf sonstige dem Sozialrecht zugehörende Verwaltungsakte nicht aus, wenn die rechtliche Interessenlage wenigstens vergleichbar sei. Da die Schutzfristen des § 48 Abs 4 Satz 1 SGB X iVm § 45 Abs 3 SGB X nicht anwendbar seien, hätten die Zulassungsgremien nach wie vor die Möglichkeit, auf Änderungen der Bedarfslage durch die volle oder teilweise Aufhebung des erteilenden Verwaltungsaktes zu reagieren. Eine Aufhebung des Verwaltungsaktes könne dabei unmittelbar mit Änderung der Verhältnisse erfolgen und nicht etwa erst nach Ablauf der Befristung.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügen die Beklagten die Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen hierzu erneut ihre Auffassung vor, daß sie zur Befristung der Ermächtigungen in der vorgenommenen Weise nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen seien, und daß eine Erstreckung des Leistungskatalogs des Klägers auf nuklearmedizinische In-vitro-Diagnostik mangels einer entsprechenden Versorgungslücke nicht in Betracht komme.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 1990 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er vertritt wie bisher den Standpunkt, daß die Befristung grundsätzlich unzulässig sei. Eine Regelbefristung der Ermächtigung sei bereits vom Wortlaut des Gesetzes her, insbesondere unter Berücksichtigung des Gesetzesvorrangs und des Willens des Gesetzgebers, unzulässig. Selbst wenn das neue Recht eine Befristung zulassen sollte, sei jedenfalls die Verwaltungspraxis einer zweijährigen Regelbefristung mit dem geltenden Recht unvereinbar. Die Revision verkenne insbesondere die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen und der Widerrufsmöglichkeit gemäß § 95 Abs 4 und 6 SGB V. Für seine (des Klägers) Beteiligung auch im Bereich der nuklearmedizinischen In-vitro-Diagnostik bestehe schon deshalb ein dringendes Bedürfnis, weil im Planungsbereich kein niedergelassener Arzt zur Verfügung stehe, der solche Untersuchungen erbringe. Entscheidend könne nur der Versorgungszustand im Planungsbereich des betreffenden Arztsitzes sein, weil andernfalls eine geordnete Bedürfnisprüfung nicht möglich wäre. Hierfür spreche auch, daß ein enger Kontakt zwischen den an der Behandlung eines Patienten beteiligten Ärzten sowie zwischen dem Patienten und allen beteiligten Ärzten jederzeit möglich sein müsse, und zwar auch in solchen Leistungsbereichen, bei denen Untersuchungsmaterial versandt werde. Das gelte insbesondere für die nuklearmedizinische In-vitro-Diagnostik, die häufig mit einer nuklearmedizinischen In-vivo-Diagnostik einhergehe. Insofern sei nicht nur die Besonderheit seiner (des Klägers) Schilddrüsen-Sprechstunde zu beachten, sondern ebenso die Tatsache, daß die Durchführung von radioimmunologischen Hormonbestimmungen in den letzten Jahren durch Neuentwicklungen zunehmend differenzierter geworden sei.

Der Beigeladene zu 3) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 1990 abzuändern, soweit der Bescheid des Beklagten Ziff 2 vom 26. April 1989 wegen der Befristung der Ermächtigung aufgehoben worden ist, und insoweit die Klage abzuweisen, im übrigen die Revision zurückzuweisen.

Nach neuem Recht seien die Ermächtigungen zwingend zu befristen. Im Hinblick auf die nuklearmedizinischen Leistungen für Schilddrüsen-Untersuchungen durch den Kläger sei das angefochtene Urteil vertretbar.

Die Beigeladenen zu 1) und 5) schließen sich den Ausführungen der Beklagten an, stellen jedoch keine eigenen Anträge.

Der Beigeladene zu 2) hält die Revision für insoweit begründet, als es um die Frage der Befristung der Ermächtigungen des Klägers geht. Hinsichtlich des Umfanges des Leistungskataloges sei das sozialgerichtliche Urteil im Ergebnis zutreffend. Einen Antrag stellt der Beigeladene zu 2) nicht.

Die Beigeladenen zu 4) und 6) äußern sich zur Sache nicht und stellen auch keine Anträge.

Mit Bescheid vom 29. April 1992 hat der Zulassungsausschuß in Punkt 6 des Leistungskatalogs des Klägers für die kassenärztliche Versorgung ergänzt „einschließlich evtl notwendig werdender ergänzender Schilddrüsensonographie” und die Ermächtigung bis zum 31. Dezember 1992 befristet.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das SG hat zu Unrecht die von den Beklagten ausgesprochene Befristung der Ermächtigungen des Klägers für unzulässig erklärt. Hinsichtlich des Widerrufs der Teilnahme des Klägers an der In-vitro-Diagnostik sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten durch Zeitablauf erledigt. Ein berechtigtes Interesse des Klägers iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG an der Feststellung, daß die Bescheide insoweit rechtswidrig waren, besteht nicht.

Die zeitliche Beschränkung der Ermächtigungen des Klägers durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 27. Februar 1992 – 6 RKa 15/91 = BSGE 70, 167 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2; 6 RKa 28/91, 32/91, 36/91 ≪nicht veröffentlicht≫ und 45/91 = MedR 1992, 299; vom 28. Oktober 1992 – 6 RKa 12/91 und 39/91 ≪nicht veröffentlicht≫; vom 2. Dezember 1992 – 6 RKa 33/90 ≪zur Veröffentlichung bestimmt≫, 1/91, 4/91, 49/91 ≪nicht veröffentlicht≫ und 54/91 = SozR 3-2500 § 116 Nr 3) hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Beteiligung bzw ab 1. Januar 1989 Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung. Er kann ebenfalls nicht eine längere Befristung beanspruchen. Der Senat hat in seinen Entscheidungen im einzelnen dargelegt, daß die Zulassungsgremien nach Art 65 Satz 2 GRG befugt waren, als Ermächtigungen fortgeltende Beteiligungen an der kassenärztlichen Versorgung auch förmlich in Ermächtigungen umzuwandeln und sie der neuen Gesetzeslage anzupassen. Die Zulassungsgremien sind darüber hinaus gemäß § 116 Satz 2 SGB V, § 31a Abs 1 Satz 2, Abs 3 iVm § 31 Abs 7 Ärzte-ZV berechtigt und verpflichtet, die Ermächtigungen von Krankenhausärzten zeitlich zu begrenzen. Dies hat im Wege der Befristung (§ 32 Abs 2 Nr 1 SGB X) zu geschehen. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat nach erneuter Prüfung fest.

Nicht zu beanstanden ist auch die von dem Beklagten zu 2) konkret getroffene Fristsetzung. Wie der Senat in den genannten Urteilen ausgeführt hat, ist die Befristung im Gesetz durch unbestimmte Rechtsbegriffe – „solange” in § 116 SGB V und § 31a Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV einerseits, „zeitliche Bestimmung” in § 31 Abs 7 Ärzte-ZV andererseits – bezeichnet. Entsprechend der Rechtsprechung des Senats zum Widerruf von Beteiligungen alten Rechts, wonach der Verwaltung durch den unbestimmten Rechtsbegriff der „Notwendigkeit” ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, haben daher die Zulassungsgremien auch bei der Festsetzung des Endtermins der Ermächtung einen Beurteilungsspielraum.

Zu der hierbei bestehenden Besonderheit, daß die Entscheidung der Zulassungsgremien über die Dauer der Befristung auf der Grundlage einer vorausschauenden Beurteilung der zukünftigen Versorgungssituation zu treffen ist, hat der Senat in seinem Urteil vom 2. Dezember 1992 – 6 RKa 54/91 (= SozR 3-2500 § 116 Nr 3) – bereits näher Stellung genommen. Hierauf wird verwiesen. In Anwendung der dort aufgeführten Grundsätze ist nicht zu beanstanden, daß der Beklagte zu 2) die Befristung auf einen Zeitraum von ca 2 Jahren erstreckte.

Dem Kläger kann weiterhin nicht darin gefolgt werden, daß im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung eine Befristung der Ermächtigung grundsätzlich unzulässig sei. Rechtsgrundlage für die Befugnis der Beklagten zu 1), die Beteiligung bzw Ermächtigung des Klägers in diesem Bereich zu befristen, ist § 95 Abs 8 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten der Ersatzkassen zulässig, „soweit und solange” der Arzt oder die ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtung an der kassenärztlichen Versorgung nach Abs 1 Satz 1 teilnimmt. Wie schon nach früherem Recht – dem durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) aufgehobenen § 525c Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) – begründet das Gesetz eine strenge Bindung der vertragsärztlichen Tätigkeit an die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit. Die Formulierung „soweit und solange” läßt nur die Deutung zu, daß die Teilnahme eines Vertragsarztes an der vertragsärztlichen Versorgung sowohl vom inhaltlichen Umfang her als auch in zeitlicher Hinsicht nicht über die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung hinausgehen darf. Angesichts dieser strengen Akzessorietät zwischen vertrags- und kassenärztlicher Tätigkeit kann dahingestellt bleiben, ob es einer bescheidmäßigen Befristung der Beteiligung des Klägers an der vertragsärztlichen Versorgung überhaupt bedurfte. Die Beklagte zu 1) war jedenfalls berechtigt, in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Beklagten zu 2) für die kassenärztliche Versorgung die Beteiligung des Klägers an der vertragsärztlichen Versorgung auf die Dauer der Ermächtigung für den kassenärztlichen Bereich zu befristen. Da beide Beklagte denselben Endtermin für die Beteiligung des Klägers an der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung vorgesehen haben, ist der dargestellten strengen Akzessorietät Genüge getan.

Hinsichtlich der konkret ausgesprochenen Befristung auf rd 2 Jahre gilt entsprechend, was oben zur konkreten Befristung im kassenärztlichen Bereich gesagt ist.

Soweit der Kläger die Aufhebung der Bescheide der Beklagten begehrt, als durch sie seine Leistungskataloge in Nr 6 auf die In-vivo-Diagnostik beschränkt, die Beteiligungsbescheide aus dem Jahr 1986 also zu diesem Teil widerrufen wurden, ist für seine Klage durch Zeitablauf das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Aus den Ausführungen zur Befristung seiner Teilnahme an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung ergibt sich, daß die Wirkung der Bescheide mit Eintritt des festgesetzten Endtermins am 30. Juni 1991 erlosch. Hierdurch wurden die angefochtenen Verwaltungsakte nicht nur insoweit, als es um die Teilnahmebefugnis des Klägers dem Grunde nach ging, sondern auch im Hinblick darauf, welchen gegenständlichen Umfang die Leistungskataloge hatten, iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG „anders erledigt”. Eine auf den Widerruf bezogene Aufhebung nach § 131 Abs 1 Satz 1 SGG scheidet für sie daher aus.

In Betracht zu ziehen wäre in Folge davon lediglich ein Ausspruch gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG auf Feststellung, daß die Bescheide zu dem bezeichneten Teil rechtswidrig waren. Das als Zulässigkeitsvoraussetzung hierfür vorgeschriebene „berechtigte Interesse” des Klägers an dieser Feststellung ist jedoch nicht gegeben. Ein berechtigtes Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein; typische Fälle sind ein Schadens-, Rehabilitations- oder Wiederholungsinteresse (Meyer-Ladewig, SGG mit Erl, 4. Aufl 1991, RdNr 10 zu § 131 mwN). Entscheidend ist stets, daß die erstrebte gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Stellung des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (BVerwGE 53, 134, 137), aus dem (abgeschlossenen) Rechtsverhältnis also zugunsten des Klägers noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft hergeleitet werden können (BSG SozR 1500 § 55 Nr 33 S 3). Von einer solchen begünstigenden Fortwirkung einer Feststellung der Rechtswidrigkeit läßt sich für die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht sprechen.

Die an die angefochtenen Bescheide anschließende weitere Ermächtigung des Klägers zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung durch den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 29. April 1992 wird von einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide inhaltlich nicht berührt. Der Bescheid vom 29. April 1992 betrifft einen neuen Zeitabschnitt der Ermächtigung und damit einen neuen Gegenstand; ein Fall des § 96 SGG liegt nicht vor (in der gedanklichen Voraussetzung so bereits der Senat in seinem Urteil vom 2. Dezember 1992 – 6 RKa 4/91 ≪nicht veröffentlicht≫ –, wenn er die Entscheidung über eine Anfechtungsklage gegen eine Beteiligungsbefristung als „vorgreiflich” für eine anschließende weitere, ebenfalls befristete Ermächtigung bezeichnet). Eine gerichtliche Nachprüfung des Bescheides wäre demgemäß ein neues Verfahren, das mit dem jetzigen Rechtsstreit gegenständlich nicht identisch wäre.

Ein berechtigtes Interesse des Klägers folgt auch nicht aus der Überlegung, daß er in der Zeit bis zum 30. Juni 1991 Leistungen der In-vitro-Diagnostik gemäß Nrn 4100 ff BMÄ/E-GO erbracht und abgerechnet hat und in dieser Position bestätigt werden möchte. Einer derartigen Bestätigung bedarf es nicht, weil er zu Leistungen der In-vitro-Diagnostik aufgrund der Bescheide vom 22. und 30. April 1986 befugt war. Der Widerruf dieser Befugnis durch die Bescheide vom 31. August und 26. September 1988 stellte diese Grundlage zunächst zwar in Frage. Mit der Einlegung der Widersprüche durch den Kläger gegen diese Bescheide des Jahres 1988 konnte der Widerruf jedoch aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche nicht durchgesetzt werden. Von der Möglichkeit, die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidungen im öffentlichen Interesse gemäß § 97 Abs 4 SGB V anzuordnen, dh den Leistungen des Klägers im Bereich der In-vitro-Diagnostik die in den Bescheiden von 1986 gegebene rechtfertigende Grundlage zumindest einstweilig zu entziehen, haben die Beklagten keinen Gebrauch gemacht. Mit dieser Unterlassung haben die Beklagten das Risiko auf sich genommen, daß der Kläger dann, wenn sich ihre Bescheide durch eine längere Dauer des gerichtlichen Prüfungsverfahrens erledigten, die von ihm erbrachten Leistungen der In-vitro-Diagnostik aufgrund der Bescheide von 1986 zu Recht abrechnen konnte.

Im Ergebnis erweist sich damit die Revision sowohl hinsichtlich der Frage der Befristung als auch der gegenständlichen Beschränkung der Ermächtigungen des Klägers als begründet. Gemäß § 170 Abs 2 Satz 1 SGG war damit auf die Revision der Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wendet der Senat § 193 Abs 4 SGG idF des Art 15 Nr 2 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) erst in Verfahren an, in denen das Rechtsmittel nach Inkrafttreten der Neufassung, dh ab 1. Januar 1993, eingelegt worden ist.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174377

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