Beteiligte
Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen den Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Verpflichtung des Arbeitgebers, Teile der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zu tragen.
Die klagende GmbH mit Sitz in Baden-Württemberg beschäftigt fünf Arbeitnehmer, die pflichtversicherte Mitglieder der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) für den Landkreis F. (Rechtsvorgängerin der Beklagten) waren. Seit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) am 1. Januar 1995 wies sie in ihren Beitragsnachweisen an die AOK auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung nach. Für den Monat Januar 1995 betrug der Arbeitgeberanteil 63,41 DM. Die Beiträge wurden gezahlt. Die Klägerin machte jedoch gegenüber der AOK geltend, die Einforderung eines Arbeitgeberanteils sei rechtswidrig, weil das mit der Pflegeversicherung versicherte Risiko mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun habe. Die AOK erläuterte der Klägerin mit Schreiben vom 8. Mai 1995 die Rechtslage und teilte ihr mit Schreiben vom 10. Mai 1995 mit, daß sie dem Widerspruch nicht habe abhelfen können. Die Entscheidung bestätigte sie mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 1995.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. Mai 1997). Gegen die Heranziehung der Arbeitgeber zu den Beiträgen bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Außerdem habe das Land Baden-Württemberg die Voraussetzungen für die hälftige Beitragstragung von Versicherten und Arbeitgebern durch Streichung des Buß- und Bettages als gesetzlichen Feiertages geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe diese Streichung für verfassungsgemäß erachtet. Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Beschluß vom 30. Juli 1998). Es hat ergänzend ausgeführt, die Halbierung der Beitragslast zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern entspreche dem Grundsatz der solidarischen Finanzierung in der Krankenversicherung. Daß sich das Risiko der Pflegeversicherung nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis verwirkliche, gelte auch für andere Zweige der Sozialversicherung. Der Wegfall eines kirchlichen Feiertages oder die hälftige Aufteilung des Beitrags zur Pflegeversicherung sei kein verfassungsrechtliches Problem. Im übrigen werde die Beitragslast der Arbeitgeber durch die Feiertagsstreichung kompensiert.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision einen Verstoß des § 58 Abs 1 SGB XI gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art 74 Abs 1 Nr 12 und Art 87 Abs 2 des Grundgesetzes (GG), weil die Pflegeversicherung keine Sozialversicherung sei. Außerdem seien die Regelungen zur Streichung eines Feiertages verfassungswidrig.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluß des LSG vom 30. Juli 1998, das Urteil des SG vom 22. Mai 1997 und den Bescheid vom 8. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1995 aufzuheben sowie festzustellen, daß sie als Arbeitgeberin nicht verpflichtet ist, Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin für unbegründet.
Der Senat hat die Pflegekasse beigeladen. Sie hat keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Anfechtungs- und Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig. Die AOK hat schon mit ihrem Schreiben vom 8. Mai 1995 unter Hinweis auf die Rechtslage entschieden, daß die Klägerin den Arbeitgeberanteil der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zu tragen hat. Diesen Verwaltungsakt, den die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 1995 bestätigte, hat die Klägerin in zulässiger Weise angefochten. Für die Feststellungsklage besteht hier ein berechtigtes Interesse (§ 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig; die Klägerin hat den Arbeitgeberanteil der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zu tragen.
Nach § 58 Abs 1, seit dem 1. Januar 1998 § 58 Abs 1 Satz 1 SGB XI idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I 594), tragen die gemäß § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI versicherungspflichtig Beschäftigten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und ihre Arbeitgeber die aus dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge grundsätzlich jeweils zur Hälfte. Die hälftige Beteiligung der Arbeitgeber an der Beitragslast gilt allerdings nur in den Bundesländern, die nach Maßgabe des § 58 Abs 2 SGB XI zum Ausgleich der mit den Arbeitgeberbeiträgen verbundenen Belastung der Wirtschaft einen gesetzlichen landesweiten, stets auf einen Werktag fallenden Feiertag aufgehoben haben. Dies ist mit Ausnahme von Sachsen in allen Bundesländern geschehen. In Baden-Württemberg wurde zunächst der Pfingstmontag als gesetzlicher Feiertag gestrichen und in den Katalog der kirchlichen Feiertage mit einem beschränkten Feiertagsschutz aufgenommen (§§ 1, 2 und § 4 Abs 1 des Feiertagsgesetzes ≪FTG≫ von Baden-Württemberg, idF des Art 1 des Änderungsgesetzes vom 12. Dezember 1994, GBl Baden-Württemberg S 631). Diese Regelungen wurden mit Wirkung vom 1. April 1995 für den Buß- und Bettag getroffen; der Pfingstmontag wurde wieder gesetzlicher Feiertag (Art 1 und 2 des Gesetzes zur Änderung des FTG vom 23. März 1995, GBl Baden-Württemberg S 293). Arbeitgeber wie die Klägerin haben daher die Hälfte der Beiträge aus dem Arbeitsentgelt zu tragen. Sie waren in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 nach einem Beitragssatz von 1 vH zu bemessen und werden seit dem 1. Juli 1996 nach einem Beitragssatz von 1,7 vH erhoben (§ 55 Abs 1 Satz 1 SGB XI). Das trifft nur auf Arbeitgeber nicht zu, soweit sie Arbeitnehmer in Sachsen beschäftigen. Dort haben die Arbeitnehmer die Beiträge aus dem Arbeitsentgelt in Höhe von 1 vH allein zu tragen. Lediglich an den darüber hinausgehenden Beiträgen ist der Arbeitgeber hälftig beteiligt, also seit dem 1. Juli 1996 in Höhe von 0,35 vH (§ 58 Abs 3 Satz 1 und 3 SGB XI idF des Art 2 des Gesetzes zum Inkrafttreten der zweiten Stufe der Pflegeversicherung vom 31. Mai 1996, BGBl I 718).
3. Die Regelung des § 58 Abs 1 Satz 1 SGB XI über die hälftige Beteiligung von Arbeitgebern an der Beitragslast für versicherungspflichtig Beschäftigte verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG.
a) Der Senat vermag der Auffassung der Revision nicht zu folgen, die Pflegeversicherung sei keine Sozialversicherung iS des Art 74 Abs 1 Nr 12, Art 87 Abs 2 GG, sondern gehöre zur öffentlichen Fürsorge iS des Art 74 Abs 1 Nr 7 GG, für die ein Beitrag des Arbeitgebers systemfremd sei. Der erkennende Senat und der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) haben bereits entschieden, daß die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Einführung der Pflegeversicherung als Sozialversicherung aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG folgt (BSG SozR 3-3300 § 20 Nr 5 S 23; Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 1/98 P R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die soziale Pflegeversicherung entspricht in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken dem Bild, das durch die „klassische” Sozialversicherung geprägt ist (vgl BSG, Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 1/98 P R unter 2 b aa). Sie wird damit von dem weitgefaßten „verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff” Sozialversicherung in Art 74 Abs 1 Nr 12 GG mitumfaßt, wie ihn das BVerfG in ständiger Rechtsprechung versteht (vgl BVerfGE 75, 108, 146 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 3 mwN; BVerfGE 87, 1, 34 = SozR 3-5761 Allgemein Nr 1 S 5; BVerfGE 88, 203, 313).
Die Revision macht demgegenüber geltend, eine Sozialversicherung iS der Kompetenznorm des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG, zu deren Finanzierung der Arbeitgeber herangezogen werde, erfordere einen „vernünftigen Bezug zum Arbeitsleben iS eines Vertrages über abhängige Arbeit”. Dieser sei in den klassischen Zweigen der Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung) gegeben. Er fehle aber bei der Pflegeversicherung, bei der sich das versicherte Risiko der Pflegebedürftigkeit in der Regel erst in den Fällen der Altersgebrechlichkeit und damit frühestens ein Jahrzehnt nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben und ohne Rücksicht auf dessen Auswirkungen einstelle.
Diese Auffassung steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG. Danach gehört zur Sozialversicherung „jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit. Die Beschränkung auf Arbeitnehmer und auf eine Notlage gehört nicht zum Wesen der Sozialversicherung” (BVerfGE 75, 108, 146 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 3/4; vgl auch BVerfGE 11, 105, 112/113). Es genügt demnach für die Zuordnung der Pflegeversicherung zur Sozialversicherung, daß das versicherte Risiko wie das von Krankheit, Erwerbsminderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Unfall ein allgemeines Lebensrisiko ist, das alle Bevölkerungsgruppen jederzeit treffen kann, und einer vom sozialen Ausgleich bestimmten sozialversicherungsrechtlichen Absicherung zugänglich ist. Beides ist bei dem Risiko der Pflegebedürftigkeit gegeben. Ein Bezug des versicherten Personenkreises oder des versicherten Risikos zum Arbeitsleben ist nicht erforderlich. Kennzeichnend für die Sozialversicherung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG ferner, daß die Mittel zu ihrer Finanzierung durch Beiträge der „Beteiligten” aufgebracht werden (BVerfGE 75, 108, 146 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 4). Dabei gehört zu dem „verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff” der Sozialversicherung nur, daß für die Heranziehung der nicht selbst Versicherten ein sachorientierter Anknüpfungspunkt in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen besteht, der diese Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen läßt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt bestimmt wird (BVerfGE 75, 108, 147 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 4; BVerfGE 81, 156, 185 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 3). Das wird herkömmlich hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitgeber an den Beiträgen der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer zur Sozialversicherung angenommen. Ihre Heranziehung zugunsten der Arbeitnehmer wird als Auswirkung eines Fürsorgeprinzips angesehen, von dem das moderne Arbeitsverhältnis geprägt ist (BVerfGE 11, 105, 113). Eine besondere Verantwortlichkeit der Arbeitgeber für das versicherte Risiko ist für die Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG nicht erforderlich (vgl BVerfGE 11, 105, 114; BVerfGE 75, 108, 149 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 5/6). Ob es zulässig ist, die Arbeitgeber zur Hälfte an den Beiträgen zur Pflegeversicherung zu beteiligen, wie es § 58 Abs 1 Satz 1 SGB XI grundsätzlich vorsieht, ist eine Frage des materiellen Verfassungsrechts und läßt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die soziale Pflegeversicherung unberührt.
Auch der weitere Einwand der Revision geht fehl, die Pflegeversicherung sei keine Sozialversicherung, sondern öffentliche Fürsorge, weil der Gesetzgeber bezweckt habe, die gesamte Wohnbevölkerung zu versichern, wie sich aus der Versicherungspflicht auch für privat Krankenversicherte und sogar der nicht krankenversicherten Beamten ergebe (§ 23 Abs 1 und 3 SGB XI). Dabei wird nicht ausreichend beachtet, daß hier nur über die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung der sozialen Pflegeversicherung zu befinden ist. Der Gesetzgeber hat nicht den gesamten von der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung betroffenen Personenkreis, der allerdings die Wohnbevölkerung weitgehend erfaßt, in die soziale Pflegeversicherung einbezogen. Die privat Krankenversicherten sind vielmehr in der privaten Pflegeversicherung versicherungspflichtig (§ 1 Abs 2 Satz 2, § 23 Abs 1, 3 und 4 SGB XI). Die im SGB XI zur privaten Pflegeversicherung getroffenen Regelungen (vgl §§ 23, 24, 110, 111 SGB XI) sind allerdings nicht der Sozialversicherung zuzurechnen, sondern unterfallen der Regelungskompetenz des Bundes aus Art 74 Abs 1 Nr 11 GG (Recht der Wirtschaft, hier privatrechtliches Versicherungswesen). Von der sozialen Pflegeversicherung erfaßt werden im wesentlichen die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und ihre familienversicherten Angehörigen (§§ 20, 25 SGB XI; vgl BSGE 81, 168 = SozR 3-3300 § 20 Nr 2), also ein bereits in einer Sozialversicherung versicherter Personenkreis. Die Regelungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG kann insofern nicht in Zweifel gezogen werden.
Der Einwand der Revision, zum Wesen der Sozialversicherung gehöre es, daß sie nicht allein vom Arbeitnehmer bezahlt werde, ist unbegründet. Für die Verteilung der Beitragslast unter den Beteiligten gibt es keine einheitlichen, das Bild der klassischen Sozialversicherung prägenden Grundsätze von Verfassungsrang (vgl BSG SozR 3-3300 § 55 Nr 3 S 19; BSG Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 1/98 P R - S 9 des Umdrucks; Bieback, VSSR 1997, 117, 130 mwN). Ob die im SGB XI getroffene Aufteilung der Beitragslast zulässig ist, ist eine Frage des materiellen Verfassungsrechts. Daher ist es für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG entgegen der Ansicht der Revision auch unerheblich, daß es nach der Ausgestaltung der Pflegeversicherung der Landesgesetzgebung überlassen wurde, ob sie nur aus Mitteln der Arbeitnehmer gespeist wird. Die von der Revision zur Stützung ihrer Auffassung herangezogenen Ausführungen des BVerfG, die Sozialversicherung solle einen sozialen Ausgleich innerhalb des Kreises der Versicherten, aber auch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern herbeiführen (BVerfGE 14, 312, 317), bezeichnen das mit den Finanzierungsregelungen der Sozialversicherung verfolgte Ziel des sozialen Ausgleichs und der Umverteilung, das für die Prüfung ihrer materiellen Verfassungsmäßigkeit von Bedeutung ist (vgl BVerfGE 75, 108, 157/158 = SozR 3-5425 § 1 Nr 1 S 12). Kompetenzrechtlich sind die Regelungen zur Verteilung der Beitragslast unbedenklich, weil sie sich sachlich-gegenständlich im Kompetenzbereich Sozialversicherung halten (vgl BVerfGE 75, 108, 148 = SozR 3-5425 § 1 Nr 1 S 5).
4. Die Vorschrift des § 58 Abs 1 Satz 1 SGB XI ist materiell-rechtlich verfassungsgemäß.
Die Heranziehung von Arbeitgebern wie der Klägerin zu den Beiträgen zur Pflegeversicherung verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Zwar werden diese Arbeitgeber gegenüber Arbeitgebern in Bundesländern, die keinen gesetzlichen Feiertag iS des § 58 Abs 2 SGB XI gestrichen haben, derzeit also gegenüber Arbeitgebern mit Beschäftigten in Sachsen, insofern benachteiligt, als sie bis zum 30. Juni 1996 überhaupt Beiträge zu tragen hatten (0,35 vH) und seit dem 1. Juli 1996 mit der Hälfte der Beiträge belastet sind (0,85 vH), gegenüber einer Belastung von 0,35 vH in Sachsen. Die Bestimmung des § 58 Abs 2 SGB XI und die aus diesem Anlaß vorgenommene Änderung des FTG von Baden-Württemberg sind jedoch nicht verfassungswidrig. Die hälftige Beteiligung der Arbeitgeber an den Beiträgen ist in Anbetracht dieser Regelungen sachgerecht. Sie belastet die Arbeitgeber auch nicht unverhältnismäßig.
a) Wie der 8. Senat des BSG bereits entschieden hat, greift § 58 Abs 2 SGB XI nicht in die ausschließliche Kompetenz der Länder ein, gesetzliche landesweite Feiertage einzuführen oder aufzuheben (Art 30, Art 70 Abs 1 GG; Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 1/98 P R unter 2 b). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die Vorschrift des § 58 Abs 2 SGB XI, nach deren Wortlaut die Länder einen dort näher bezeichneten Feiertag „aufheben werden”, hat nicht den Inhalt eines Gesetzesbefehls. Der Bundesgesetzgeber hat damit entgegen der Auffassung der Revision auch nicht in einer Weise „indirekten Druck” auf die Länder ausgeübt, daß hierin ein verfassungswidriger Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz der Länder gesehen werden könnte (BSG, Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 1/98 P R unter 2 b bb; aA Pieroth/Störmer, Die Feiertagsregelung des Pflegeversicherungsgesetzes, 1996 S 22 ff). Die Gesamtheit der Regelungen des § 58 Abs 1 bis 3 SGB XI zwangen die Landesgesetzgeber zwar zu einer Entscheidung darüber, ob ein Feiertag abgeschafft werden solle oder nicht. Sie übten jedoch keinen verfassungswidrigen Druck in einer der genannten Richtungen aus. Der Vorschrift des § 58 Abs 2 SGB XI ist zu entnehmen, daß der Bund die Entlastung der Wirtschaft durch Streichung eines Feiertages für die angemessene Lösung hielt; er hat in diesem Sinne eine Empfehlung gegeben. Der Bundesgesetzgeber hat jedoch gleichzeitig für den Fall, daß seiner Empfehlung nicht nachgekommen wird, vorsorglich in Abs 3 des § 58 SGB XI eine Regelung über die Beitragstragung getroffen. Die Vorschriften des § 58 Abs 1 bis 3 SGB XI ließen den Landesgesetzgebern ausreichend Spielraum, eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Die folgenden Auseinandersetzungen in der Bevölkerung um die Kompensationsregelung haben gezeigt, daß es sich hierbei nicht um eine rechtliche, sondern politische Entscheidung handelte. Sowohl die Streichung eines Feiertages als auch dessen Beibehaltung hat zu Protesten geführt. Ein Spiegelbild dieser Auseinandersetzungen sind die beim BSG anhängig gewesenen Rechtsstreitigkeiten: Im vorliegenden Verfahren hat sich die Klägerin als Arbeitgeberin gegen die Heranziehung zu Beiträgen gewandt, in dem vom 8. Senat des BSG entschiedenen Rechtsstreit wandte sich ein Arbeitnehmer aus Sachsen gegen die ihm auferlegte, gegenüber der für Arbeitnehmer in anderen Bundesländern höhere Beitragslast. Die Regelungen des § 58 Abs 2 iVm Abs 3 SGB XI sind geeignet, die mit ihnen angestrebte Entlastung der Wirtschaft zu gewährleisten. Sie kann nicht, wie die Revision annimmt, durch „Installation eines anderen Feiertages” unterlaufen werden. Denn in diesem Fall würde die Beitragslastverteilung nach § 58 Abs 3 SGB XI eingreifen.
Der Senat vermag der Revision auch nicht darin zu folgen, die auf der Kompensationsregelung des § 58 Abs 2 SGB XI beruhende Streichung des Buß- und Bettages in Baden-Württemberg sei verfassungswidrig. Das BVerfG hat eine zu den inhaltsgleichen Regelungen in Niedersachsen erhobene Verfassungsbeschwerde durch Kammerbeschluß nicht einmal zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 18. September 1995 - 1 BvR 1456/95, NJW 1995, 3378). Auch beim Berliner Verfassungsgerichtshof hatte eine Verfassungsbeschwerde gegen die entsprechenden Bestimmungen in Berlin keinen Erfolg (Beschluß vom 16. August 1995 - VerfGH 1/95, NJW 1995, 3379). Der Einwand der Revision, mit dem „indirekten Zwang”, einen ausschließlich kirchlichen Feiertag zu Gunsten der Pflegeversicherung einzusetzen, werde das staatskirchliche System des Feiertagsschutzes auf den Kopf gestellt, überzeugt demgegenüber nicht. Art 140 GG iVm Art 139 der Weimarer Reichsverfassung verpflichtet den Gesetzgeber nur, eine angemessene Zahl kirchlicher Feiertage staatlich anzuerkennen und durch gesetzliche Regelung zu gewährleisten, daß sie als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung dienen können (vgl BVerfG, NJW 1995, 3378, 3379 mwN). Dem ist in Baden-Württemberg wie in Niedersachsen und Berlin auch nach der Aufhebung des Buß- und Bettages als gesetzlich anerkanntem kirchlichen Feiertag Genüge getan.
b) Die hälftige Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung ist sachgerecht. Sie entspricht der Verteilung der Beitragslast, wie sie im Grundsatz in klassischen Zweigen der Sozialversicherung wie der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gilt. Die Regelung ist geeignet, dem hierfür maßgebenden Fürsorgeprinzip und der Verantwortlichkeitsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch in der sozialen Pflegeversicherung Geltung zu verschaffen. Sie ist im Zusammenwirken mit der Vorschrift des § 58 Abs 2 SGB XI und der dadurch veranlaßten Streichung eines gesetzlichen Feiertages erforderlich und belastet die Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig. Für die Annahme einer Entlastung der Wirtschaft um ihren Anteil an den Beiträgen genügt es, daß die Aufhebung eines Feiertages generell geeignet ist, von Kosten für nichtgeleistete Arbeit zu entlasten und damit die Mehrkosten durch Einführung der Pflegeversicherung auszugleichen. Nicht notwendig ist es, daß diese Entlastung für jeden Arbeitgeber „greift”. Daher ist es unerheblich, wenn die Aufhebung des Feiertages für einzelne Arbeitgeber, wie die Klägerin für sich geltend macht, nicht zu einer wirtschaftlichen Entlastung geführt hat, weil der Feiertag, hier der Buß- und Bettag, in einen Monat fällt, in dem das Unternehmen ohnehin nicht ausgelastet ist.
5. Da die Regelung des § 58 Abs 1 Satz 1 SGB XI verfassungsgemäß ist, kam eine Aussetzung des Rechtsstreits und Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG nicht in Betracht. Die Revision war vielmehr zurückzuweisen.
Die Arbeitnehmer der Klägerin waren zu dem Rechtsstreit nicht nach § 75 Abs 2 Fall 1 SGG notwendig beizuladen. Denn die Entscheidung greift nicht unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein. Ihre Pflicht aus § 58 Abs 1 Satz 1 SGB XI, die Hälfte der Beiträge zu tragen, war nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Eine darüber hinausgehende Beteiligung an der Beitragslast, wie sie § 58 Abs 3 SGB XI vorsieht, ergibt sich aus der Entscheidung des Senats (Zurückweisung der Revision) nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 250 |
BB 2000, 1355 |
DStZ 2000, 576 |
NZA 2000, 644 |
AuA 2001, 46 |
NZS 2000, 402 |
SozSi 2001, 325 |