Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzbetrag zwischen Alter Versorgung und neuer Postversorgungsrente. Rentenangleichung bzw Rentenanpassung
Leitsatz (amtlich)
1. Wegen der Änderung der RAV 1 und RAV 2 durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.9.1996 ist der in den Postversorgungsrenten alter Art enthaltene vertrauensgeschützte Differenzbetrag zwischen der neuen Postversorgungsrente und der sogenannten Alten Versorgung weder anzugleichen noch anzupassen (insoweit Aufgabe von BSG vom 5.3.1996 – 4 RA 82/94 = BSGE 78, 41 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 5).
2. Der Differenzbetrag zwischen Alter Versorgung und neuer Postversorgungsrente ist Sozialpflichtversicherungsrente und keine Zusatz- oder Sonderversorgungsrente; Angleichungen und Anpassungen der neuen Postversorgungsrente dürfen auf ihn nicht angerechnet werden (Fortführung von BSG vom 5.3.1996 – 4 RA 82/94 = BSGE 78, 41 = aaO).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
EinigVtr Anl. II Kap. VIII H III Nrn. 3, 9; EinigVtr Anl. II Kap. VIII H; RAV 1 § 1 F: 1996-09-25, § 6 F: 1996-09-25; RAV 2 § 3 F: 1996-09-25; WFG Art. 9-10; PDVO § 16; PostVersorgO § 9
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 1994 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 1992 wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird unter Abänderung der Mitteilung über die Rentenanpassung gemäß der 1. Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) sowie der 2. RAV vom 25. Oktober 1991 und des Umwertungsbescheides zum 1. Januar 1992, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1992, verurteilt, der Klägerin ab 1. Januar 1991 monatlich 1.148,– DM und ab 1. Juli 1991 – auch über den 1. Januar 1992 hinaus – monatlich mindestens 1.286,– DM, jeweils unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen, zu zahlen.
Die weitergehende Revision der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat der Klägerin vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe des Gesamtanspruchs der 1926 geborenen Klägerin gegen die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) auf Altersversorgung für Bezugsmonate ab Januar 1991.
Die Klägerin war 1947 in den Dienst der Deutschen Post eingetreten und bis zum August 1986 im Postdienst der DDR beschäftigt geblieben. Durch Bescheid des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) vom 25. Juni 1986 wurde ihr ein Recht auf Altersversorgung nach der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Mitarbeiter der Deutschen Post (Post-Dienst-Verordnung ≪PDVO≫) vom 28. März 1973 (GBl I Nr 25 S 222), geändert durch die Zweite PDVO vom 11. Juli 1975 (GBl I Nr 31 S 594), iVm § 9 der Versorgungsordnung der Deutschen Post (VersVO) vom 31. Mai 1973, zuletzt geändert durch Weisung des Ministers für Post- und Fernmeldewesen vom 16. Mai 1988 (amtlich nicht veröffentlicht, Text in Aichberger II, Sozialgesetze, Ergänzungsband für die neuen Bundesländer, Nr 83), in Höhe von zunächst monatlich 800,– Mark als Rente der Sozialversicherung bewilligt und ab Dezember 1989 auf 870,– Mark erhöht. Der Ministerrat der DDR gewährte ihr hierzu mit Bescheid vom 3. September 1986 eine zusätzliche Altersrente von monatlich (aufgerundet) 186,– Mark aus der zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates und faßte beide Rentenansprüche in einem Gesamtversorgungsbetrag von zunächst 986,– Mark, später 1.056,– Mark zusammen.
Der Gesamtanspruch von 1.056,– Mark wurde ab 1. Juli 1990 auf DM aufgewertet.
Durch die angefochtene Rentenanpassungsmitteilung vom 25. Oktober 1991, durch welche die früheren Anpassungsmitteilungen ersetzt wurden, stellte der Gemeinsame Träger der Sozialversicherung, Überleitungsanstalt Sozialversicherung, Bereich Zusatzversorgung, die Höhe des Gesamtanspruchs der Klägerin nach der 1. und der 2. Rentenanpassungsverordung (RAV) für Bezugszeiten ab 1. Juli 1990 wie folgt fest:
- Er berechnete nach § 2 VersVO iVm der maßgeblichen Rentenverordnung eine Sozialpflichtversicherungsrente für Postmitarbeiter im Vergleich zu der als „Alte Versorgung” nach § 9 VersVO qualifizierten Postversorgungsrente der Klägerin. Die Vergleichsrente betrug (vor Angleichung) zum 1. Juli 1990 627,– DM, die sog Alte Versorgung (870,– DM) war um 243,– DM höher. Diesen Differenzbetrag stellte der Träger einem Zusatzversorgungsanspruch gleich und ging deswegen unter Hinzurechnung des anerkannten Zusatzversorgungsanspruchs von monatlich 186,– DM von einem monatlichen Wert des Rechts auf Zusatzversorgung zum 1. Juli 1990 von 429,– DM aus.
- Im Wege der Nachholung der Rentenangleichung (Erhöhung um 27,42 vH) ab 1. Juli 1990 ergab sich ein Erhöhungsbetrag von 172,– DM, also eine Vergleichsrente von 799,– DM. Dieser Erhöhungsbetrag von 172,– DM wurde auf den Wert des Rechts auf Rente aus der Zusatzversorgung von 186,– DM, der aber mit 429,– DM angegeben wurde, angerechnet. Deshalb ergab sich für die Monate Juli bis Dezember 1990 keine Erhöhung des Gesamtanspruchs.
- Zum 1. Januar 1991 wurde die Vergleichsrente von 799,– DM um 15 vH, also um 120,– DM auf 919,– DM angepaßt. Der Erhöhungsbetrag wurde auf den fiktiven monatlichen Zusatzversorgungsanspruch von 257,– DM angerechnet, der noch den monatlichen Restwert des anerkannten Rechts auf Zusatzversorgung von 14,– DM umfaßte. Damit wurde dieser Restwert ab Januar 1991 aufgezehrt, ferner die „Alte Versorgung” von 243,– DM um 106,– DM auf 137,– DM gekürzt. Daher wurde der Gesamtanspruch unverändert mit 1.056,– DM festgesetzt.
- Zum 1. Juli 1991 wurde die Vergleichsrente von 919,– DM um 15 vH, also um 138,– DM auf 1.057,– DM angepaßt. Der Rest der fiktiv als Zusatzversorgung behandelten „Alten Versorgung” von monatlich 137,– DM wurde entsprechend § 8 der 2. RAV gutgeschrieben, weil der Gesamtanspruch aus Vergleichsrente und aus dem Restbetrag der „Alten Versorgung” mit 1.194,– DM unter dem Kürzungsgrenzwert von 1.500,– DM blieb. Deswegen wurde der Gesamtanspruch ab 1. Juli 1991 auf monatlich 1.194,– DM festgesetzt.
Durch den Umwertungsbescheid zum 1. Januar 1992 gewährte die beklagte BfA der Klägerin ab 1. Januar 1992 ein Recht auf eine Regelaltersrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), dessen monatlicher Wert im sog maschinellen Verfahren nach § 307b Abs 5 SGB VI mit 1.328,02 DM, abzüglich des Beitragsanteils der Klägerin zu ihrer Krankenversicherung (84,99 DM), also mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.243,03 DM festgesetzt wurde. Den Widerspruch der Klägerin gegen die vorgenannten Verwaltungsakte wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1992 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte durch Urteil vom 4. November 1992 gemäß dem Antrag der Klägerin unter Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verurteilt, „die der Klägerin gewährten Rentenleistungen ab dem 1. Januar 1991 neu zu berechnen, dabei von einer Sozialversicherungsrente in Höhe von zuletzt 870,– Mark der DDR auszugehen und diese Rente nach allgemeinen Grundsätzen auf DM umzustellen und zu erhöhen”: Das SG hat die Ansicht vertreten, die sog „Alte Versorgung” nach § 9 VersVO sei als Rente der Sozialversicherung zu qualifizieren und dementsprechend anzugleichen und anzupassen; die Klägerin habe eine Zusatzversorgung in Höhe von monatlich nur 186,– DM gehabt. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Dezember 1994). Das Berufungsgericht meint, die der Klägerin gewährte Postversorgungsrente in Höhe von 870,– Mark sei keine Rente der Rentenversicherung im Sinne der bundesrechtlichen Vorschriften, sondern eine Versorgung eigener Art, deren Erhöhung nach den allgemeinen Vorschriften die Klägerin nicht beanspruchen könne. Nach den §§ 16 ff der PDVO sei diese Versorgungsleistung anders als die allgemeinen Versorgungsleistungen für Mitarbeiter der Deutschen Post zu berechnen gewesen. Während die Altersversorgung nach § 2 VersVO in Übereinstimmung mit § 16 PDVO eine Rentenberechnung grundsätzlich nach Art der Sozialversicherungsrenten vorgesehen habe, sei die Berechnung der sog „Alten Versorgung” nach § 9 VersVO, einer Übergangsregelung, davon völlig abgewichen und könne also nicht als Rente der Sozialversicherung qualifiziert werden. Deswegen habe Art 2 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) in § 35 Nr 2 aaO wohl die allgemeine Rentenberechnung nach § 2 VersVO, nicht aber die Berechnungsweise der sog „Alten Versorgung” übernommen. Aus dem Einigungsvertrag (EinigVtr, im folgenden: EV), dort Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 3 Buchst a ergebe sich nichts anderes; daraus folge nur, daß die sog „Alte Versorgung” nach § 9 VersVO, wenn sie günstiger war, bis zum 31. Dezember 1991 festzusetzen gewesen sei.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin, das Berufungsgericht habe Vorschriften des EV, des Rentenangleichungsgesetzes (RAnglG) vom 28. Juni 1990 (BGBl I Nr 38 S 495, ber S 1457), der PDVO und der VersVO verletzt. Die Postversorgungsrente sei in voller Höhe eine solche der Sozialpflichtversicherung gewesen. Deshalb hätte sie nach der 1. RAV und nach der 2. RAV angeglichen und jeweils angepaßt werden müssen. Die Anrechnung der Rentenerhöhungen auf den Zusatzversorgungsanspruch, der nur 186,– DM betragen habe, sei im übrigen verfassungswidrig und verstoße gegen Menschenrechte. Vielmehr hätte auch dieser Anspruch wie eine Sozialpflichtversicherungsrente angeglichen und angepaßt werden müssen. Wegen des Vorbringens der Klägerin im übrigen wird auf die Schriftsätze vom 23. April 1995 (Bl 18 bis 29 der Akte des Bundessozialgerichts ≪BSG≫), vom 9. September 1996 (Bl 154 bis 157 der BSG-Akte), auf das Schreiben der Klägerin vom 16. Januar 1997 (Bl 162 der BSG-Akte) und auf den Schriftsatz vom 17. Februar 1997 (Bl 167 bis 175 der BSG-Akte) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
- „entsprechend den Anträgen der Klägerin und gemäß dem Urteil in der ersten Instanz unter Abänderung der Rentenanpassungsmitteilung vom 25.10.1991 und des Umwertungsbescheides vom November 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.5.1992 zu verurteilen, die der Klägerin gewährten Rentenleistungen ab dem 1.1.1991 neu zu berechnen, dabei von einer Sozialversicherungsrente in Höhe von zuletzt 870,– Mark der DDR auszugehen und diese Rente nach allgemeinen Grundsätzen auf DM umzustellen und zu erhöhen, sowie darüber hinaus
- den in der ersten und zweiten Instanz nicht berücksichtigten Anträgen der Klägerin stattzugeben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Rente und Zusatzversorgung in der ursprünglich zum 30.6.1990 bestehenden Höhe anzuerkennen und beide Zahlbeträge an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen, sowie schließlich
- die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.”
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 1994 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, weil der am 30. Juni 1990 gezahlte Betrag von 870,– Mark keine echte Sozialversicherungsrente gewesen sei. Im übrigen sei die Revision unzulässig, soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren begehre, ihr ab Juli 1990 eine höhere Leistung zu gewähren. Wegen des Vorbringens der Beklagten im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 28. Juni 1995 (Bl 44 bis 53 der BSG-Akte) nebst fünf Anlagen (Bl 54 bis 71 der BSG-Akte) Bezug genommen.
Während des Revisionsverfahrens hat die beklagte BfA den individuellen Gesamtanspruch der Klägerin auf Altersversorgung nach Maßgabe des SGB VI für Bezugszeiten ab 1. Juli 1990 durch die Bescheide vom 22. März 1996 und vom 31. Juli 1996 festgestellt: Der monatliche Wert der Regelaltersrente nach dem SGB VI beträgt ab 1. September 1996 1.960,99 DM, der Nachzahlungsanspruch für Bezugszeiträume ab Juli 1990 insgesamt 7.082,54 DM und der Zinsanspruch 380,84 DM.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist ua wegen Unzulässigkeit einer Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 168 Satz 1 SGG) gemäß § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen, soweit mit ihr begehrt wird, „den in der ersten und zweiten Instanz nicht berücksichtigten Anträgen der Klägerin stattzugeben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Rente und Zusatzversorgung in der ursprünglich zum 30. Juni 1990 bestehenden Höhe anzuerkennen und beide Zahlbeträge an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen”. Da die Klägerin in der ersten und in der zweiten Instanz ausschließlich begehrt (§ 123 SGG) und beantragt hatte, ihre Sozialversicherungsrente mit dem Wert von 870,– DM ab Januar 1991 anzupassen und von einer Zusatzversorgungsrente von monatlich nur 186,– DM auszugehen, hatten SG und LSG nur hierüber zu entscheiden; sie haben das gesamte Begehren und alle Anträge der Klägerin in erster und – als Berufungsbeklagte – in zweiter Instanz in vollem Umfang beschieden. Die somit erstmals im Revisionsverfahren gestellten weiteren Anträge sind nicht zulässig.
Im übrigen ist die Revision in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.
Zwar hat das SG – im Gegensatz zum LSG – die Rechtslage, die im Zeitpunkt der Verkündung seiner Entscheidung maßgeblich war, im wesentlichen zutreffend angewandt. Jedoch hat sich das Bundesrecht seit der Verkündung des Urteils des LSG am 12. Dezember 1994 so geändert, daß nicht nur das Urteil des LSG aufzuheben, sondern auch das Urteil des SG abzuändern war. Denn das BSG muß neues Bundesrecht auch dann anwenden, wenn es zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entscheidung des LSG noch nicht in Kraft getreten war. Dies gilt für die Art 9 und 10 des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I 1461, 1474), das gemäß Art 12 Abs 1 WFG grundsätzlich zum 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist, nach Abs 6 und 7 aaO aber angeordnet hat, daß die Art 9 und 10 rückwirkend vom 1. Januar 1991 an gelten sollen. Durch Art 9 WFG (Änderung der 1. RAV) „werden in § 1 Satz 2 der 1. RAV nach dem Wort ‚Leistungen’ die Wörter ‚sowie Leistungen nach den §§ 9 bis 11 der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn und Leistungen nach den §§ 9 bis 11 der Versorgungsordnung der Deutschen Post’ eingefügt”. Durch Art 10 (Änderung der 2. RAV) „werden in § 3 Satz 2 der 2. RAV nach dem Wort ‚Leistungen’ die Wörter ‚sowie Leistungen nach den §§ 9 bis 11 der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn und Leistungen nach den §§ 9 bis 11 der Versorgungsordnung der Deutschen Post’ eingefügt”. Durch diese parlamentsgesetzliche Änderung des Textes beider Verordnungen ergibt sich, daß die vorgenannten Vorschriften dieser beiden Rechtsverordnungen für die von diesen Rechtsverordnungen Betroffenen erstmalig und rückwirkend neue Regelungen im Verordnungsrange enthalten, die sich ausschließlich aus dem geänderten Verordnungstext ergeben; denn Art 9 und 10 WFG enthalten selbst keine Regelungen, dh keine dem Text des Parlamentsgesetzes entnehmbare Begründung, Aufhebung, inhaltliche Änderung oder Feststellung eines Rechts. Durch die neugefaßten Rechtsverordnungen hat sich das Bundesrecht insoweit verändert, als die sog „Alte Versorgung” (nach der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn und) nach der VersVO der Deutschen Post, also bei der Klägerin der zum 1. Juli 1990 zuerkannte Differenzbetrag zwischen ihrer Vergleichsrente und dem bestandsgeschützten, zuerkannten Recht auf eine monatliche Postversorgungsrente von 870,– DM in Höhe von 243,– DM, entgegen der bis zum Inkrafttreten des WFG bestehenden Rechtslage nun nicht mehr wie sonstige Sozialversicherungsrenten angeglichen und angepaßt werden darf. Deswegen war das Urteil des SG abzuändern.
Hierzu näher wie folgt: Für die Rechtslage, die bis zum Inkrafttreten des WFG bestand, hat der Senat – im Blick auf die in allen wesentlichen Punkten gleiche Rechtslage für die „Alte Versorgung” nach der VersVO der Deutschen Reichsbahn – klargestellt (BSGE 78, 41, 43 bis 45 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9, Nr 5), daß der EV Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 3 Buchst a (für die VersVO der Deutschen Reichsbahn: aaO Nr 2 Buchst a) die „Alten Versorgungen” für die Zeit bis zur Überführung in eine nach dem SGB VI gewährte Rente der Gruppe der Sozialpflichtversicherungsrenten/Renten aus der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR), nicht aber derjenigen der Zusatz- oder Sonderversorgungsrenten zugeordnet hat. Die Ansicht des LSG, dem stehe die besondere Berechnungsweise des Rechts auf „Alte Versorgung” nach der VersVO entgegen, geht schon deshalb an der Rechtslage vorbei, weil bei Abschluß des EV gerade deswegen eine Spezialregelung für die „Alten Versorgungen” geschaffen worden ist, welche diese Rentenrechte nicht den Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets zuordnet; diese haben nämlich in EV Nr 9 eine grundsätzlich abschließende Spezialregelung gefunden. Die „Alten Versorgungen” sind gerade wegen ihrer besonderen Berechnungen eigenständig ausgestaltet und für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des SGB VI zum 1. Januar 1992 als weiterhin maßgeblich anzuwendendes Bundesrecht parlamentsgesetzlich speziell geregelt worden. Deswegen führen die Erläuterungen zum EV (BT-Drucks 11/7817) zu Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschnitt III zu Nrn 1 bis 8 „rentenversicherungsrechtliche Sonderregelungen”; EV Nr 9 ist dort nicht einbezogen) aus, bis zur Angleichung des Rentensystems der früheren DDR im Jahre 1992 solle grundsätzlich das DDR-Rentenrecht fortgelten; dies solle sich auch „auf die rentenrechtlichen Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen” erstrecken. Daß die einigungsvertragliche Zuordnung auch der „Alten Versorgung” zum Rentenversicherungs-, nicht zum Zusatz- und Sonderversorgungsrecht vom „Vertragsgesetzgeber” bezweckt war, zeigt sich auch daran, daß der „Bundesgesetzgeber” bei Erlaß des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606, 1677) die „Alten Versorgungen” nicht als Zusatzversorgungssysteme (oder gar – wie die Beklagte ohne Anhalt im positiven Recht vorträgt – als Sonderversorgungssysteme) qualifiziert hat. Eine Umqualifikation der „Alten Versorgungen” in Zusatzversorgungsrechte, wie die Beklagte sie praktiziert, enthält einen Bruch des EV, den – soweit das Grundgesetz dem nicht entgegenstünde – nur der Parlamentsgesetzgeber unmittelbar durch Parlamentsgesetz vollziehen könnte. In Art 9 und 10 WFG hat der Bundestag aber derartiges nicht beschlossen. Er hat lediglich den bislang „zu ungenau gefaßten Wortlaut der RAV” (so der Senat in BSGE 78, 41, 45) um einen Text ergänzt, den der Verordnungsgeber aufgrund der parlamentsgesetzlichen Ermächtigung in EV Nr 9 Buchst b und Buchst f selbst hätte einfügen können. Denn die bisherige Rechtslage führte zu einer sachlich nur schwer zu rechtfertigenden Begünstigung der Inhaber von Rechten auf „Alte Versorgungen” im Vergleich zu allen anderen Sozialpflichtversicherungs-/FZR-Rentnern, die zu beseitigen der Verordnungsgeber seit Inkrafttreten des EV ermächtigt war. Die – infolge von Art 9 und Art 10 WFG jetzt beseitigte – Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften (EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1) ergab sich bislang aus folgendem:
Die Inhaber eines Rechts auf „Alte Versorgung”, die zugleich – wie die Klägerin – Inhaber von Rechten oder Anwartschaften auf Zusatzversorgungen waren, hatten nach dem bis zum Ablauf des 30. Juni 1990 gültigen DDR-Recht zwei Rechte, aus denen sich ihre Gesamtversorgung ergab. Zum einen konnten sie aufgrund der im Jahre 1973 von der DDR aus Gründen des Vertrauensschutzes geschaffenen Übergangsregelungen über die „Alten Versorgungen” diese beanspruchen, falls ihr monatlicher Wert höher war als derjenige der im Jahre 1973 eingeführten Versorgungsrente, die sich von der allgemeinen Sozialpflichtversicherungsrente vor allem durch den Steigerungssatz von 1,5 vH statt 1 vH unterschied. Der Vertrauensschutz bestand im wesentlichen darin, daß die Postversorgung (Eisenbahner-Versorgung) zum einen aus der Postversorgungsrente, zum anderen aus deren Differenzbetrag zur vertrauensgeschützten „Alten Versorgung” bestand, die ihrerseits auf einen Höchstbetrag von 800,– Mark, später 870,– Mark begrenzt war. Da das Recht auf monatliche Zahlungen aus der Postversorgung in der früheren DDR einen statischen Wert hatte, also nicht dynamisierbar war, kam es damals im wirtschaftlichen Ergebnis auf die Rechtsgründe für den Wert des Rechtes auf Postversorgung nicht an. Dabei blieb es im Ergebnis auch für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 2. Oktober 1990, jedenfalls wenn die Berechtigten zugleich Rechte auf Zusatz- oder Sonderversorgungen hatten, weil die Sozialversicherungsrenten dieser Personen gemäß § 23 Abs 1 RAnglG vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495 ≪ber S 1457≫) „bis zur Überführung in die Rentenversicherung” der früheren DDR, zu der es nicht mehr kam, in unveränderter Höhe weitergezahlt werden mußten.
In EV Nr 3a wurde vor diesem Hintergrund und der systematischen Unterscheidung zwischen den in EV Nr 9 grundsätzlich speziell und abschließend geregelten Zusatz- und Sonderversorgungsrechten und -anwartschaften bestimmt, daß die §§ 16 bis 20 der PDVO und die VersVO bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden sind. Damit waren diese Vorschriften durch primär bundesgesetzlichem Anordnungsbefehl zu sekundärem Bundesrecht mit Gesetzes-, nicht mit Verordnungsrang und für die vollziehende Gewalt und für die Rechtsprechung maßgeblich geworden. Schon deswegen kommt es auf die von der Beklagten als Regierungsauffassung angegebene Ansicht nicht an, die „Alten Versorgungen” seien „wie Sonderversorgungen zu behandeln”. Der EV hat also – wenn auch nur für die Übergangszeit bis zur Systemüberführung am 31. Dezember 1991 – die „Alten Versorgungen” dem Bereich der „normalen” Sozialversicherungsrenten, nicht demjenigen der Zusatz- oder Sonderversorgungsrenten zugeordnet. Dadurch aber waren sie, soweit keine wirksame Norm des Bundesrechts dies ausschloß, insgesamt wie Sozialpflichtversicherungsrenten zu behandeln, also gemäß den Vorschriften der 1. und der 2. RAV über die Angleichung und Anpassung von Sozialpflichtversicherungsrenten anzuheben. Dadurch aber wurden die Berechtigten gegenüber allen anderen Rentnern begünstigt, weil auch der bislang gewährte statische Differenzbetrag zwischen der Versorgungsrente (Vergleichsrente) und dem Höchstbetrag der „Alten Versorgung” nunmehr erstmals dynamisiert wurde; damit wurde die aus Vertrauensschutzgründen zu rechtfertigende Besserstellung dieser Berechtigten um eine durch Sachgründe nicht getragene Dynamisierung zusätzlich angehoben. Für den von der Klägerin repräsentierten Personenkreis der Berechtigten, die zugleich Zusatzversorgungsrechte hatten, hätte der Verordnungsgeber allerdings aufgrund der Spezialermächtigung in EV Nr 9 Buchst b und Buchst f eine solche Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen aus anderen öffentlich-rechtlichen Versorgungssystemen durch eine entsprechende Fassung der 1. und der 2. RAV Vorkehrungen treffen dürfen. Dies hat er nicht getan, worauf der Senat hingewiesen hat (BSGE 78, 41, 45). Vielmehr war der Wortlaut des § 6 Abs 1 der 1. RAV zu ungenau gefaßt und verdeutlichte gerade nicht hinreichend, daß der Vertrauensschutzbetrag der „Alten Versorgung” an der Angleichung und Anpassung der Sozialpflichtversicherungsrenten nicht teilnehmen durfte. Dieser Mangel der RAV ist jetzt durch parlamentsgesetzliche Ergänzung des Textes der beiden Rechtsverordnungen beseitigt worden. Nach § 1 Satz 2 der 1. RAV nF gilt für die Übergangsregelungen in §§ 9 bis 11 VersVO der Deutschen Post nun nicht mehr, daß die in § 19 RAnglG genannten Renten aus der Rentenversicherung einschließlich der Renten aus der FZR ab 1. Januar 1991 nach den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung angepaßt werden. Gleiches gilt gemäß § 3 Satz 2 der 2. RAV nF für die Rentenanpassung ab 1. Juli 1991. Aus beiden neugefaßten Vorschriften ergibt sich aber gerade auch, daß – in Übereinstimmung mit EV Nr 3 Buchst a (und Nr 2 Buchst a) – die Postversorgung nicht nur mit der Vergleichsrente, sondern auch mit dem bestandsgeschützten Differenzbetrag der „Alten Versorgung” dem Bereich der Sozialpflichtversicherungsrenten/FZR-Renten des § 19 RAnglG zugeordnet ist.
Das bedeutet: Die Beklagte mußte vom 1. Januar 1991 zunächst „rückwirkend”, also hypothetisch für den Bezugszeitraum seit 1. Juli 1990 den monatlichen Wert der Vergleichsrente um 172,– DM auf 799,– DM anheben, den Gesamtanspruch von 1.056,– DM aber gemäß § 6 Abs 2 der 1. RAV nicht erhöhen, weil der Erhöhungsbetrag um 14,– DM niedriger war als die zuerkannte Zusatzversorgungsrente von 186,– DM. Gemäß EV Nr 3 Buchst a durfte sie allerdings weder jetzt noch später den bestandsgeschützten Betrag der „Alten Versorgung” von 243,– DM wie ein Zusatzversorgungsrecht behandeln. Für die Bezugszeit von Januar 1991 bis Juli 1991 mußte sie die Vergleichsrente um 120,– DM auf 919,– DM anpassen, hiervon 14,– DM auf den Restwert des Rechts auf Zusatzversorgungsrente anrechnen und zusätzlich den Vertrauensschutzbetrag der „Alten Versorgung” von 243,– DM zuerkennen; der Gesamtanspruch belief sich also auf 1.148,– DM. Ab Juli 1991 hatte sie die Vergleichsrente um 138,– DM auf 1.057,– DM anzuheben und zusätzlich den geschützten Betrag von 243,– DM zu zahlen; der Gesamtanspruch belief sich also seither auf 1.286,– DM monatlich. Er ist gemäß § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI auch über den 1. Januar 1992 hinaus mindestens zu zahlen. Für alle Bezugszeiten ab Januar 1991 sind erbrachte Leistungen anzurechnen.
Nach alledem war der Revision der Klägerin, soweit sie zulässig war, in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG berücksichtigt das Ausmaß des Obsiegens der Klägerin.
Fundstellen
Haufe-Index 1173787 |
SozR 3-8129 Kap. VIII H III, Nr.9, Nr.11 |