Beteiligte

2. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V.

1. AOK Schleswig-Holstein – Die Gesundheitskasse

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. April 1995 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat den Beklagten auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger wendet sich dagegen, daß ihm die Beklagten (Allgemeine Ortskrankenkasse Schleswig-Holstein ≪AOK≫ und Verband der Angestellten-Krankenkassen eV ≪VdAK≫) die Zulassung zur Abgabe von Heilmitteln nach § 124 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V) wegen Praxisräumen mit unzureichenden Mindesthöhen nur befristet erteilt haben.

Der Kläger ist Masseur und Medizinischer Bademeister. Im Oktober 1989 erteilten ihm sowohl die zu 1) beklagte AOK als auch der zu 2) beklagte VdAK die Zulassung zur Erbringung physikalisch-therapeutischer Leistungen an ihre Versicherten in seinen damaligen Praxisräumen in O., B. straße (O., B.-straße).

Nach Kauf eines Hauses im gleichen Ort in der W. straße (W.-straße) beantragte der Kläger im März 1992 bei den Beklagten eine entsprechende Zulassung für Praxisräume in diesem Haus. Die Höhe der Behandlungsräume beträgt dort in allen Räumen weniger als 2,50 m (1. Raum: 2,40 m/2. Raum: 2,26 m/3. Raum: zwischen 2,17 und 2,30 m); auch in dem höchsten Raum von 2,40 m besteht noch eine Einschränkung durch einen Deckenträger. Durch Bescheid der Beklagten zu 1) vom 3. Juni 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1992 und durch Bescheid des Beklagten zu 2) vom 20. Mai 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1992 wurde dem Kläger nur eine vom 1. April bis 31. Juli 1992 befristete Zulassung erteilt, da nach § 124 SGB V und den Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen (KKn) eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,50 m erforderlich sei.

Das Sozialgericht (SG) hat beide Klagen nach Verbindung abgewiesen (Urteil vom 13. Oktober 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 11. April 1995).

Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. April 1995 und des Sozialgerichts Kiel vom 13. Oktober 1993 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 3. Juni 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1992 und den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 20. Mai 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1992 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, ihm eine unbefristete Genehmigung für die Ausübung physikalisch-therapeutischer Maßnahmen in der Praxis in O., W. straße 2, zu erteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

II

Die Revision des Klägers war zurückzuweisen.

1. Die Begründung der Revision genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das gilt auch, wenn das Berufungsurteil letztlich dahin auszulegen ist, daß sich die Mindesthöhe in erster Linie aus dem gemäß § 124 Abs 4 SGB V erlassenen Empfehlungen der Spitzenverbände rechtfertige, hilfsweise aber auch allein aus § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V und wenn bei einer Mehrfachbegründung jede dieser Begründungen angegriffen werden muß (vgl zur Nichtzulassungsbeschwerde bei mehrfacher Begründung BSG SozR 1500 § 160a Nr 38). Die Revision rügt zwar lediglich, das LSG habe die Empfehlungen der Spitzenverbände als Rechtsnorm angewandt und damit gegen § 124 Abs 4 SGB V verstoßen, der den Empfehlungen keine Rechtsnormqualität beimesse, und zugleich § 31 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – (SGB I) zum Vorbehalt des Gesetzes verletzt. Hingegen wird die weitere Begründung des LSG zur Ableitung der Mindesthöhe unmittelbar aus § 124 Abs 2 Nr 3 SGB V von der Revision nicht angegriffen. Eine diesbezügliche Revisionsrüge war hier jedoch nicht erforderlich. Die Ausführungen des LSG lassen nur undeutlich erkennen, daß das Urteil in einer Hilfsbegründung auf eine unmittelbare Anwendung des § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V gestützt wird. Denn die Ausführungen zur Anwendung der Empfehlungen als Rechtsnorm in der Hauptbegründung beginnen mit der Feststellung, die Mindesthöhe folge „nicht unmittelbar aus dem Gesetz”. Die damit bewirkte Unklarheit darf nicht zu Lasten der Revision gehen.

2. Die von Amts wegen zu überprüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

Die Klage zielt auf eine Zulassung als Heilmittelerbringer ohne Befristung (§ 123 SGG). Der Kläger bekämpft die dem begünstigenden Verwaltungsakt der Zulassung beigefügte, ihn belastende Nebenbestimmung, daß die Zulassung nur bis zum 31. Juli 1992 befristet sein soll. Der Fall gibt keine Veranlassung, auf die Streitfrage näher einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung zulässig ist (vgl BSGE 61, 235, 237; Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl, Stand September 1995, § 131 Anm 1; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 131 RdNr 3; für die VwGO: BVerwG NVwZ 84, 366; BVerwG DVBl 82, 637; BVerwG Buchholz 310 § 113 Nr 72; Kopp, VwGO, 10. Aufl, § 113 Anm 14 ff; Redeker/von Oertzen, VwGO, 10. Aufl 1991, § 113 Anm 6; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl, § 47 RdNrn 21 ff; Lange AöR 102, 337; Stelkens NVwZ 85, 469). Dabei geht es darum, ob eine Behörde an ihrer Entscheidung, eine Ermessensleistung zu gewähren, wenn auch nur unter einer Nebenbestimmung, hinsichtlich eines Anspruchs auf die Leistung ohne Nebenbestimmung festgehalten werden kann. Bei Rechtsansprüchen, wie bei der hier streitigen Zulassung als Heilmittelerbringer (zum Charakter als Rechtsanspruch vgl Urteil des Senats vom 29. November 1995, 3 RK 25/94 – Krankengymnastik-GmbH – für BSGE und SozR vorgesehen), wirkt sich die Klageart (Anfechtungsklage des § 54 Abs 1 SGG, Verpflichtungsklage des § 54 Abs 1 SGG) auf die Voraussetzungen der Begründetheit nicht aus. Denn die Klage ist sowohl als isolierte Anfechtungsklage als auch als Verpflichtungsklage unbegründet, wenn eine unbefristete Zulassung nicht ergehen durfte. Das ist hier der Fall.

3. Die für die Zulassung zuständigen Beklagten waren nicht berechtigt, dem Kläger eine unbefristete Zulassung zu erteilen. Die hier einschlägige Zulassungsvoraussetzung war in § 124 Abs 2 Nr 3 SGB V idF durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) geregelt. Sie gilt nunmehr inhaltlich unverändert nach Erweiterung des Abs 2 um die Sätze 2 und 3 als Abs 2 Satz 1 Nr 3 gemäß § 16 Abs 6 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (MphG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I, S 1084). Hiernach setzt die Zulassung als Heilmittelerbringer ua voraus, daß der Antragsteller über eine Praxisausstattung zur zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung verfügt. Zu der damit geforderten und mit den vorgenannten unbestimmten Rechtsbegriffen näher umschriebenen Praxisausstattung gehört eine Mindestraumhöhe von 2,50 m, was allerdings einer näheren Begründung bedarf.

Bei dieser unmittelbar an die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen anknüpfenden Begründung braucht der Senat nicht auf die Revisionsrügen einzugehen, mit denen der Kläger die Auffassung des LSG bekämpft, die Festlegung der Mindestraumhöhe in den Empfehlungen der Spitzenverbände und in der gemäß § 125 SGB V auf Landesebene abgeschlossenen Verträge „über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln sowie über die Preise und deren Abrechnung” regele den Zulassungsanspruch aufgrund ihrer gesetzlichen Rechtsgrundlage mit normativer Kraft. Zwar regeln die „Empfehlungen der Spitzenverbände der gesetzlichen KKn gemäß § 124 Abs 4 SGB V für eine einheitliche Anwendung der Zulassungsbedingungen für Leistungserbringer von Heilmitteln, die als Dienstleistung an Versicherte abgegeben werden” vom 9. August 1989 (abgedruckt in: von Maydell, Gemeinschaftskomm zum SGB V, Bd 3, Stand Januar 1995, § 124, Anhang 1) ebenso wie in den Neufassungen vom 14. Mai 1992, vom 16. Mai 1994 und vom 29. Mai 1995 als Zulassungsvoraussetzung, daß die Raumhöhe durchgehend mindestens 2,50 m betragen muß, eine Regelung, die in den Vertrag des Verbandes deutscher Physiotherapeuten eV (jetzt: Verband Physikalische Therapie eV) mit dem Beklagten zu 2) (VdAK) vom 1. Juli 1962 (Neufassung vom 1. Januar 1992) übernommen wurde.

Die Auffassung des LSG, diese Regelung in den Empfehlungen und in dem Vertrag gemäß § 125 SGB V sei für die Gerichte in den Grenzen einer untergesetzlichen Normsetzung oder eines der Verwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums verbindlich, wird von der Revision mit gewichtigen Argumenten angegriffen.

§ 124 Abs 4 SGB V ermächtigt die Spitzenverbände der KKn, Empfehlungen zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen zu geben. Nach der Amtlichen Begründung (BT-Drucks 11/2237, S 205) soll durch die Ermächtigung eine möglichst einheitliche Handhabung der Zulassungskriterien gewährleistet werden. Eine Auslegung als Ermächtigung zur Normsetzung scheidet aus verfassungsrechtlichen Gründen von vornherein aus (zur Verfassungswidrigkeit der Ermächtigung, Festbeträge mit Verbindlichkeit für die Leistungserbringer und die Gerichte festzusetzen, vgl die Vorlagebeschlüsse des Senats vom 13. Juni 1995, 3 RK 20, 21 und 23/94). Es liegt nahe, daß es sich um „Verwaltungsbinnenrecht” handelt, das die Behörden anderer Träger bindet – hier die Landesverbände der KKn und die Verbände der Ersatzkassen (ErsK) bei der Zulassung –, nicht aber die Leistungserbringer und nicht die Gerichte (BSGE 73, 146 = SozR 3-2500 § 53 Nr 4; vgl auch BSGE 73, 271, 279 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4, sowie Urteil des Senats vom 29. November 1995, 3 RK 25/94 – Meisterpräsenz –, für SozR vorgesehen, für entsprechende Empfehlungen für die Hilfsmittel-Erbringer). Zu erwägen bleibt, ob den Zulassungsbehörden ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird, den die Empfehlungen der Spitzenverbände ausfüllen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Einräumung eines „gerichtsfesten” Beurteilungsspielraums der Behörde den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gerichtsschutz einschränkt und deshalb nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist. Das gilt besonders im – hier einschlägigen – Schutzbereich des Art 12 Grundgesetz (GG). Soweit der Vertrag nach § 125 SGB V die Mindestraumhöhe von 2,50 m als Zulassungsvoraussetzung regelt, ist dies schon deshalb unwirksam, weil die in § 125 geregelte Vertragskompetenz die Abwicklung der Leistung und nicht die in § 124 SGB V geregelte Zulassung betrifft. Die zur Anwendung der in den Empfehlungen getroffenen Regelung aufgeworfenen Rechtsfragen läßt der Senat offen, weil sich ein Zulassungsanspruch allein aus § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V ohne Anwendung der Empfehlungen ergibt.

4. Wegen der 2,50 m nicht erreichenden Raumhöhe war dem Kläger schon nach § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V die Zulassung zu versagen, weil die Praxisausstattung eine zweckmäßige Leistungserbringung nicht gewährleistet.

Zur Praxisausstattung, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleisten muß, gehört auch die Raumhöhe. Es liegt auf der Hand, daß bei einer extrem niedrigen Raumhöhe von einem Masseur oder medizinischen Bademeister Heilmittel nicht „zweckmäßig” erbraucht werden können. Das Erfordernis der „Zweckmäßigkeit” beinhaltet damit das Erfordernis einer Raummindesthöhe. Das Erfordernis der Zweckmäßigkeit umfaßt die erforderliche „Mindest-Funktionstüchtigkeit” der Praxisräume und geht über diese hinaus. Die in § 124 SGB V geforderte Mindesthöhe wird durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Zweckmäßigkeit ausreichend umschrieben. Die Auffassung des Beklagten, daß für die Praxisräume eines Masseurs und medizinischen Bademeisters hiernach eine Raummindesthöhe von 2,50 m gelte, ist bei Heranziehung anderer Vorschriften zur Raumhöhe aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Diese anderen Vorschriften zur Raumhöhe sind zwar im Falle des Klägers nicht unmittelbar anwendbar. Das schließt es jedoch nicht aus, diesen Vorschriften im Sinne einer Rechtsanalogie die rechtliche Wertung zu entnehmen, daß auch bei derartigen Praxisräumen eine Mindesthöhe von 2,50 m gegeben sein muß.

Nach § 23 Abs 2 der Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV) vom 20. März 1975 (BGBl I 729) dürfen Räume als Arbeitsräume nur genutzt werden, wenn die lichte Höhe bei einer Grundfläche von nicht mehr als 50 m² mindestens 2,50 m, bei einer Grundfläche von mehr als 50 m² mindestens 2,75 m, bei einer Grundfläche von mehr als 100 m² mindestens 3 m und bei einer Grundfläche von mehr als 2000 m² mindestens 3,25 m beträgt. Nach § 23 Abs 3 ArbStättV können die genannten Maße bei Verkaufsräumen, Büroräumen und anderen Arbeitsräumen, in denen überwiegend leichte oder sitzende Tätigkeit ausgeübt wird, oder aus zwingenden baulichen Gründen um 0,25 m herabgesetzt werden, wenn hiergegen keine gesundheitlichen Bedenken bestehen. Die lichte Höhe darf nicht weniger als 2,50 m betragen. Dem Einwand des Klägers, daß eine solche Regelung für einen Altbau, wie er ihn benutze, nicht gelten könne, ist entgegenzuhalten, daß nach § 23 Abs 3 ArbStättV auch bei zwingenden baulichen Gründen die Raummindesthöhe von 2,50 m gilt. Auch bei Räumen mit Schrägdeken darf nach § 23 Abs 2 Satz 2 ArbStättV die lichte Höhe im Bereich von Arbeitsplätzen und Verkehrswegen an keiner Stelle 2,50 m unterschreiten.

Die Revision kann insoweit auch nicht mit dem Einwand durchdringen, daß sich Arbeitnehmer regelmäßig in ihrer gesamten Arbeitszeit in den Arbeitsräumen aufhalten, während die Patienten sich in einer Massagepraxis nur relativ kurzfristig aufhielten. Denn das in der ArbStättV zum Arbeitnehmerschutz angestrebte Maß des „Notwendigen” liegt tendentiell unter dem in § 124 SGB V geforderten Maß des „Zweckmäßigen”. Für Sanitätsräume, die in ihrer Nutzung Massagepraxen ähnlich sind, schreibt die Arbeitsstättenrichtlinie zu § 38 Abs 2 ArbStättV (abgedruckt bei Nipperdey II, Arbeitssicherheitsrecht, Stand Oktober 1995) ebenfalls einer Raumhöhe von 2,50 m vor. Nur für Umkleide- und Waschräume lassen die §§ 34 Abs 3 und 35 Abs 2 ArbStättV eine lichte Höhe von 2,30 m genügen. Diese engbegrenzte Ausnahme läßt keinen Zweifel daran, daß die Mitarbeit der Patienten die für Arbeitsräume uneingeschränkt geltende Mindesthöhe von 2,50 m voraussetzt.

Für die ArbStättV wurde die Mindesthöhe von der Bundesregierung ausdrücklich mit der Notwendigkeit der Raumbelüftung begründet (vgl Heinen/Tentrop/Wienecke/Zerlett: Komm zum medizinischen und technischen Arbeitsschutz, Bd 1, Stand Mai 1992, § 23 ArbStättV, unter „Allgemeines”). Auch in der Praxis eines Masseurs und medizinischen Bademeisters erscheint bei einer Raumhöhe unter 2,50 m in den Behandlungsräumen eine ordnungsgemäße Lüftung (Be- und Entlüftung) nicht mehr gewährleistet. Dies rechtfertigt es, dem Begriff der Zweckmäßigkeit in § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V das Erfordernis einer Mindestraumhöhe von 2,50 m für Räume der Heilmittelverabreichung zu entnehmen. Dem steht weder entgegen, daß die Landesbauordnung Schleswig-Holstein (LBO; GVBl Schleswig-Holstein 1983, 86) für Aufenthaltsräume eine lichte Höhe von mindestens 2,40 m vorschreibt, noch, daß der Betrieb der Praxis in den genutzten Räumen nach dem Vorbringen des Klägers baurechtlich abgenommen worden ist. Bei den Anforderungen der LBO handelt es sich um Mindestanforderungen an Räume, die für den Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, die unabhängig von der besonderen Art ihrer Nutzung gestellt werden. Dies ergibt sich bereits aus den §§ 51, 52 LBO, die für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art und Nutzung bzw bauliche Maßnahmen für besondere Personengruppen schon selbst die Möglichkeit strengerer Anforderungen vorsehen. Es verstößt deshalb weder gegen die LBO noch gegen den aus dem Bundesstaatsprinzip des Art 20 GG und dessen Teilaspekte der „Bundestreue” folgenden Grundsatz, daß die angeführten Vorschriften der ArbStättV für das Arbeitsrecht und § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V in der erfolgten Auslegung für eine zweckmäßige Heilmittelabgabe eine Raummindesthöhe von 2,50 m vorschreiben.

Der Versagung der Zulassung wegen unzureichender Raumhöhe steht nicht entgegen, daß in dem Berufsrecht der Masseure und medizinischen Bademeister eine Mindestraumhöhe nicht gefordert wird, also die Vorschriften der Landesbauordnungen als ausreichend angesehen werden, und daß ein Einschreiten der nach dem Berufsrecht zuständigen Behörden oder der Baubehörden gegen die Praxisausübung in den neuen Räumen nicht festgestellt ist. Der Senat hat zwar entschieden, daß über die berufsrechtlichen Voraussetzungen der Kassenzulassung die für die Überwachung der Berufsausübung zuständigen Behörden grundsätzlich mit Tatbestandswirkung für die Kassenzulassung entscheiden (vgl zur Meisterpräsenz, Urteil vom 29. November 1995 – 3 RK 25/94 – für BSGE und SozR vorgesehen und zur Krankengymnastik durch eine GmbH BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 2). Da § 124 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V die Prüfung der Praxisausstattung ohne Parallele im Berufsrecht vorschreibt, kommt insoweit eine Tatbestandswirkung der Entscheidungen der nach dem Berufsrecht zuständigen Behörden nicht in Betracht. Die Anerkennung einer entsprechenden Tatbestandswirkung für die Entscheidungen der zuständigen Baubehörde scheidet schon deshalb aus, weil das Baurecht die spezielle Nutzung für eine Massagepraxis, wie ausgeführt, nicht regelt.

Die Praxisräume des Klägers erfüllen die geforderte Mindesthöhe von 2,50 m nicht. Tatsächlich erfüllt nicht einmal der höchste Raum die Mindestanforderung von 2,50 m, weil selbst dessen Deckenhöhe nur 2,40 m beträgt und durch einen Deckenquerträger zum Teil sogar noch gemindert ist. Die Raumhöhe beträgt weitgehend unter 2,30 m. Wegen der massiven Abweichung zwischen 10 und 33 cm sind die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt.

6. Das Berufsgrundrecht des Klägers aus Art 12 GG ist durch diese Gesetzesregelung, -auslegung und -anwendung nicht verletzt. Beeinträchtigungen dieses Grundrechts müssen verhältnismäßig sein; dabei werden die Anforderungen nach der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dazu entwickelten „Stufenlehre” (BVerfGE 7, 377, 401 ff; 25, 1, 12 – vgl auch die Darstellung dieser Rechtsprechung bei Jarass/Pieroth, aaO, Art 12, RdNr 23) von der Stufe objektiv begründeter (also nicht in der Person des Bewerbers liegender) Zulassungsregelungen für die Berufswahl bzw das Verbleiben im Beruf über die Stufe subjektiv begründeter (also in der Person des Bewerbers liegender) Zulassungsregelungen bis hin zu der Stufe bloßer Berufsausübungsregelungen immer geringer. Hier geht es nicht darum, ob dem Kläger der Beruf eines Masseurs und Medizinischen Bademeisters aus objektiven oder subjektiven Gründen in Zukunft generell untersagt werden soll. Denn zum einen besitzt er nach wie vor die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung (also die Berufszulassung), zum anderen sollte selbst die Kassenzulassung nach Ablauf der Frist nur für die Praxis in der W.-straße entfallen (dh eine neue Antragstellung für andere Räume nicht ausgeschlossen werden); auch dies hätte – daher die Befristung – bei ordnungsgemäßer Änderung der Raumhöhen unterbleiben sollen. Daher geht es hier allein um eine Regelung der Berufsausübung, also der Art und Weise, wie und unter welchen Voraussetzungen der Kläger seinen Beruf in bezug auf die Versicherten der Beklagten in Zukunft und in der W.-straße ausüben kann. Derartige Regelungen werden nach der Rechtsprechung des BVerfG bereits durch solche „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls” legitimiert, die den Berufstätigen nicht übermäßig und nicht unzumutbar treffen; Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit dürfen in den Vordergrund gestellt werden und bei der Festlegung sozialpolitischer Ziele besteht ein weiter Spielraum (vgl BVerfGE 7, 377, 405 f; 70, 1, 28; 77, 308, 332; 81, 156, 189). Bei der Normierung der Voraussetzungen für eine Kassenzulassung in § 124 SGB V hat der Gesetzgeber mit der Erhaltung bzw Wiederherstellung der Gesundheit der Versicherten ein nicht nur vernünftiges, sondern wichtiges sozialpolitisches Ziel im Auge gehabt. Das Verlangen einer für die Leistungserbringung durch Masseure und Medizinische Bademeister zweckmäßigen Praxisausstattung ist ebenfalls sinnvoll. Es bewegt sich auch noch im Rahmen des Zweckmäßigen, des Vernünftigen und Zumutbaren, diese Vorschrift so auszulegen und anzuwenden, daß die Mindesthöhe der Praxisräume die ordnungsgemäße Belüftung ermöglicht. Übermaß und Unzumutbarkeit sind schon deshalb zu verneinen, weil dem Kläger durch das frühere Zulassungsverfahren die notwendige Raumhöhe von 2,50 m beim Hauskauf bekannt war. Er war deshalb in der Lage, dem Beklagten die genauen Raummaße mitzuteilen und eine schriftliche Zusage der späteren Zulassung zu beantragen. Wenn er sich trotz der erheblichen Abweichungen mit der mündlichen Zusage einer „gewissen Großzügigkeit” begnügte, so geht das auch in Ansehung des Art 12 GG zu seinen Lasten. Der Kläger hat keinen Tatbestand im Sinne einer Härte vorgetragen, der es rechtfertigen könnte, im Sinne des Übermaßverbots eine Ausnahme von der Mindestraumhöhe von 2,50 m vorzusehen, etwa in Anlehnung an § 4 ArbStättV. Die Zulassungsvoraussetzung einer Praxisausstattung, die eine zweckmäßige Versorgung der Versicherten gewährleistet, ist als unbestimmter Rechtsbegriff bei Berücksichtigung der ArbStättV hinreichend bestimmt.

7. Ein Herstellungsanspruch des Klägers wegen angeblicher Zusicherungen von Mitarbeitern der Beklagten kommt nicht in Betracht, weil § 34 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X) als insoweit maßgebliche lex specialis schon mangels Schriftlichkeit der Zusicherungen nicht erfüllt ist. Ein Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtsverletzung wegen derartiger Zusicherungen durch die Beklagten ist nicht Gegenstand des Verfahrens und könnte auch allein auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht werden (Art 34 GG iVm § 839 Bürgerliches Gesetzbuch).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1, 4 Satz 2 SGG iVm § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung und § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 651679

BSGE, 125

SozSi 1997, 119

SozSi 1997, 160

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