Leitsatz (amtlich)
1. Die Annahme von Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes entfällt auch dann, wenn der Versicherte einen entsprechenden Teilzeitarbeitsplatz im Ausland innehat.
2. Mit einer Teilzeitbeschäftigung im Ausland werden "mehr als nur geringfügige Einkünfte" iS von RVO § 1247 Abs 2 S 1 erzielt, wenn diese Tätigkeit im Durchschnitt mehr als zwei Stunden täglich (zehn Stunden wöchentlich) ausgeübt wird (Anschluß an und Fortführung von BSG 1969-12-11 GS 2/68 = BSGE 30, 192 und BSG 1976-12-10 GS 2/75 = BSGE 43, 75).
Normenkette
RVO § 1247 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 S. 1 Buchst. a Fassung: 1975-05-07
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 02.08.1977; Aktenzeichen L 6 Ar 260/74) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 25.03.1974; Aktenzeichen S 8 Ar It 253/73) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. August 1977 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente.
Der 1938 geborene Kläger, italienischer Staatsbürger, hat keinen Beruf erlernt. Er legte 1959/60 in Frankreich eine Versicherungszeit von 18 Monaten zurück und war 1961/62 in der Bundesrepublik Deutschland während 21 Kalendermonaten als Hilfsarbeiter versicherungspflichtig tätig. Am 9. April 1963 erlitt er in Italien einen Verkehrsunfall; dieser ließ eine Restlähmung des rechten Arms und Beins mit Gangunsicherheit und Nachziehen des rechten Beins, daneben ein organisches Psychosyndrom sowie eine Rechtlähmung des Gesichtsnervs zurück. Seit September 1965 bezieht er vom italienischen Versicherungsträger eine Rente wegen Invalidität.
Von November 1963 bis Januar 1966 arbeitete der Kläger als Tagelöhner (Hirte) für Bauern seiner Gemeinde, deren Bürgermeister bescheinigte, es habe sich um das Hüten von etwa 10 Schafen und Füttern einiger Rinder mit einem Zeitaufwand von täglich 4 bis 5 Stunden gehandelt.
Einen 1963 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte 1968 wegen Nichterfüllung der Wartezeit ab; die ab November 1963 zur italienischen Sozialversicherung geleisteten Beiträge könnten, da nach Eintritt des Versicherungsfalles entrichtet, nicht auf die Wartezeit angerechnet werden. Mit ähnlicher Begründung lehnte die Beklagte den weiteren im März 1970 gestellten Rentenantrag ab (Bescheid vom 27. März 1973), nachdem der von ihr gehörte Facharzt für innere Krankheiten Dr. med. R im Aktengutachten vom 20. Februar 1972 und in ergänzenden Stellungnahmen vom 25. Mai 1972 und 4. Februar 1974 lediglich eine leichte Arbeit vorwiegend im Sitzen bis zu täglich 4 Stunden für zumutbar gehalten hatte. Das Sozialgericht Augsburg (SG) hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger mit Wirkung vom 1. April 1970 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren (Urteil vom 25. März 1974). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben, die Klage abgewiesen und im Urteil vom 2. August 1977 ausgeführt.
Die Wartezeit sei nicht erfüllt, weil während der nach dem Unfall in Italien von 1963 bis 1966 zurückgelegten Beitragszeiten bereits Erwerbsunfähigkeit bestanden habe. Dem Kläger sei bei der noch möglichen Arbeitsleistung der Teilzeitarbeitsmarkt des Bundesgebietes praktisch verschlossen gewesen. Der Annahme von Erwerbsunfähigkeit stehe die stundenweise geleistete Tätigkeit, die nach deutschem Recht nicht einmal der Versicherungspflicht unterlegen hätte, nicht entgegen. Selbst diese Arbeit habe der Kläger nach den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen Dr. R auf Kosten seiner Restgesundheit ausgeübt. Daß die während dieser Zeit entrichteten Beiträge wirksam und nach EWG-Recht vom Träger eines anderen Mitgliedstaates zu berücksichtigen seien, bedeute nicht, sie von einem innerstaatlichen Anrechnungsverbot freizustellen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG der Sachvortrag ohne entsprechenden Verzicht des damals weder anwesenden noch vertretenen Klägers unterblieben war. Der Kläger macht mit der Revision neben diesem Verfahrensmangel geltend, daß wegen der seiner Meinung nach widersprüchlichen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen dieser hätte, wie beantragt, zum Termin geladen werden müssen. Außerdem bezweifelt der Kläger, ob Erwägungen über den Teilzeitarbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt anzustellen seien, wenn im Ausland tatsächlich eine Teilzeittätigkeit ausgeübt werde; eine solche Arbeitsleistung spreche gegen die Annahme von Erwerbsunfähigkeit.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. August 1977 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25. März 1974 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht, der Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Bedeutung der tatsächlichen Arbeitsleistung (SozR 2200 § 1247 Nr 12) gehe fehl, weil der Kläger zwischen 1963 und 1966 nur mit Unterbrechungen und stets nur wenige Tage gearbeitet habe.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses Gericht zurückverwiesen werden muß.
Der Kläger hat zu Recht einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 112 Abs 1 Satz 2 SGG gerügt. In der mündlichen Verhandlung vom 2. August 1977, die dem Urteilsspruch des LSG vorausging, unterblieb die Darstellung des Sachverhalts. Daß der Bevollmächtigte der Beklagten auf den Aktenvortrag verzichtet hatte und der Kläger, obwohl ordnungsgemäß geladen, im Termin weder erschienen noch vertreten war, läßt den Verfahrensfehler unberührt. Denn § 112 Abs 1 Satz 2 SGG dient ua der Informierung der ehrenamtlichen Richter über den Sach- und Streitstand und damit dem öffentlichen Interesse (BSG vom 14. März 1968 = SozR Nr 8 zu § 112 SGG; das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 1968 in DÖV 1969, 401 offengelassen, ob ein Beteiligter, der in der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war und auch nicht auf die Befolgung der Vorschrift des § 103 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung verzichtet hat, die Verletzung dieser Vorschrift im Revisionsverfahren rügen könnte). Die Verletzung der vorgenannten Vorschrift bildet aber keinen "absoluten", stets zur Zurückverweisung führenden Revisionsgrund iS der §§ 551 Zivilprozeßordnung (ZPO), 202 SGG. Ob gleichwohl die Zurückverweisung an die Vorinstanz schon deshalb geboten ist, weil nicht ausgeschlossen werden kann, Richter und anwesende Beteiligte hätten auf den Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung anders reagiert, so daß möglicherweise das Urteil anders ausgefallen wäre (vgl BSG aaO), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn die Feststellungen des LSG reichen, soweit sie den Angriffen der Revision standhalten, für eine endgültige Entscheidung in der Sache selbst nicht aus.
Nach § 1247 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) erhält der erwerbsunfähige Versicherte die Erwerbsunfähigkeitsrente, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Nach Abs 3 Buchst a dieser Vorschrift idF des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 - SVBG - (BGBl I 1061) - der eine Versicherungszeit vom 240 Kalendermonaten voraussetzende Buchstabe b kommt hier nicht in Betracht - ist die Wartezeit erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt wurde (ebenso Abs 3 idF, die vor dem SVBG gegolten hat).
Das LSG geht bei der Prüfung der Wartezeit zutreffend davon aus, daß der Kläger als Wanderarbeitnehmer Beitragszeiten in verschiedenen Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zurückgelegt hat. Maßgebend sind für die Zeit bis 30. September 1972 die Verordnungen Nr 3 und 4 der EWG über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (EWG-VO Nr 3 und 4, BArbBl 1959, 266 und 288), für die Zeit danach die Verordnungen Nr 1408/71 und Nr 574/72 des Rates der EWG vom 14. Juni 1971 bzw 21. März 1972 (ein früher eingetretener Versicherungsfall steht insoweit nicht entgegen, vgl Art 94 Abs 1 und 3 VO Nr 1408/71). Dabei werden für den "Erwerb ... des Leistungsanspruchs" die Versicherungszeiten des anderen Mitgliedstaates berücksichtigt bzw hinzugerechnet (Art 27 Abs 1 EWG-VO Nr 3; Art 40 Abs 1 iVm Art 45 Abs 1 VO Nr 1408/71 und Art 15 Abs 1a VO Nr 574/72).
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hat der Kläger bis 1962 in Frankreich für 18 und in der Bundesrepublik Deutschland für 21 Monate Beiträge zur Rentenversicherung geleistet. Mit diesen 39 Beitragsmonaten ist die Wartezeit nicht erfüllt. Zu Recht hat das LSG des weiteren ausgeführt, daß die vom italienischen Versicherungsträger für die Jahre von 1963 bis 1966 mitgeteilten Versicherungszeiten nicht schon aufgrund der genannten Vorschriften der EWG-Verordnungen über die Zusammenrechnung für den Erwerb des Leistungsanspruchs im vorliegenden Fall auch anrechenbar für die Erfüllung der Wartezeit bei der Erwerbsunfähigkeitsrente sein müssen. Der 5. Senat des BSG hat mit Urteil vom 28. Januar 1977 (SozR 6050 Art 45 Nr 2) entschieden, Art 45 Abs 1 EWG-VO 1408/71 zwinge den deutschen Rentenversicherungsträger nicht, nach Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vor Eintritt dieses Versicherungsfalles nach italienischem Recht wirksam entrichtete freiwillige Beiträge bei Feststellung der Rente auf die Wartezeit anzurechnen. Dem schließt sich der Senat an. Dabei kann es keinen Unterschied machen, daß im vorliegenden Fall - anscheinend - in den Jahren von 1963 bis 1966 in Italien Pflichtbeiträge geleistet wurden, und die Rechtslage beurteilt sich auch nicht insoweit anders, als hier statt Art 45 Abs 1 EWG-VO 1408/71 noch Art 27 Abs 1 EWG-VO Nr 3 Anwendung findet. Die gegenteilige Ansicht widerspräche nicht nur dem Wortlaut des § 1247 Abs 3 Buchst a RVO, sondern würde auch zu einer mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 EWG-VO 1408/71 nicht zu vereinbarenden "Überbegünstigung" von Versicherten anderer EWG-Staaten gegenüber deutschen Versicherten führen. Damit ist allerdings für die hier zu fällende Entscheidung lediglich eine Vorfrage geklärt. Denn im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten gerade darum, ob die von November 1963 bis Januar 1966 entrichteten Beiträge vor oder nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit geleistet sind, nach Ansicht des Klägers ist dieser Versicherungsfall nach Januar 1966 eingetreten.
Das LSG hat, ausgehend von einer möglichen Arbeitsleistung "von allenfalls bis zu vier Stunden täglich bei Beschränkung auf leichte und vorwiegend im Sitzen zu verrichtende Arbeit", einen dem Kläger seit dem Unfall praktisch verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt des Bundesgebietes angenommen und daraus gefolgert ("somit"), daß in den Jahren von 1963 bis 1966 in Italien die Beiträge im Zustand der Erwerbsunfähigkeit entrichtet worden seien. Allerdings ist einem nur "untervollschichtig" Einsatzfähigen der Zugang zum Teilzeitarbeitsmarkt regelmäßig verschlossen im Sinne von Abschnitt C V 2 des Beschlusses des Großen Senats (GS) des BSG vom 11. Dezember 1969 (BSGE 30, 192, 206, 207 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO) iVm dem Beschluß gleichen Datums (BSGE 30, 167, 188 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO). Dieser Versicherte ist grundsätzlich schon deswegen ohne weitere Ermittlungen als erwerbsunfähig anzusehen - eine Beweisregel, an der insoweit der Beschluß des GS vom 10. Dezember 1976 (BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13) nichts geändert hat. Indessen kann mit der auf der Anwendung einer Beweisregel oder dem Ergebnis von Ermittlungen beruhenden Annahme, dem Versicherten sei der Teilzeitarbeitsmarkt des Bundesgebietes praktisch verschlossen, nicht zwingend auf das Bestehen von Erwerbsunfähigkeit geschlossen werden, wenn der Versicherte im Ausland einen entsprechenden Teilzeitarbeitsplatz innehat. Der GS hat in seinen Beschlüssen von 1969 und 1976 betont, die Fiktion vom verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt gelte nicht für Inhaber solcher Arbeitsplätze (BSGE 30, 167, 185; 192, 208; BSGE 43, 75, 84). In einem solchen Fall wird durch Tatsachen die von der Rechtsprechung aufgestellte allgemeine Beweisregel entkräftet. Es mag zwar sein, daß der GS hierbei Arbeitsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland vor Augen gehabt hat, zumal die Rechtsprechung seit jeher bei der Beurteilung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und insbesondere im Rahmen des Komplexes der Teilzeitarbeitsplätze auf die Verhältnisse des Bundesgebietes abgestellt hat (zB SozR 2200 § 1246 Nrn 6 und 18). Das kann aber andererseits nicht gebieten, die im Ausland erbrachte Teilzeitarbeitsleistung unberücksichtigt zu lassen und gleichwohl wegen des als verschlossen geltenden Arbeitsmarktes auf das Bestehen von Erwerbsunfähigkeit zu schließen. Auch in einem solchen Fall ist vielmehr dem Umstand, daß die den Rentenanspruch ausschließende Fähigkeit, eine Erwerbstätigkeit in bestimmten Umfang auszuüben, durch die Tat bewiesen wird, entscheidende Bedeutung beizumessen. Dafür spricht im übrigen auch die vom GS hervorgehobene Lohnersatzfunktion der Renten nach §§ 1246, 1247 RVO (BSGE 30, 167, 174 ff; BSGE 43, 75, 79). Bliebe die im Ausland verrichtete Erwerbstätigkeit bei Anwendung der §§ 1246, 1247 RVO außer Betracht, so würde damit der im Ausland befindliche Versicherte gegenüber einem Versicherten, der im Inland eine vergleichbare Arbeitsleistung erbringt, ohne sachlichen Grund bevorzugt. Der Senat setzt sich mit dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch zu früheren Entscheidungen, insbesondere SozR 2200 § 1246 Nr 6, wo es auf die im Ausland geleistete Tätigkeit nicht ankam, weil nach dem festgestellten Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktverhältnisse der Bundesrepublik Erwerbs- und Berufsunfähigkeit verneint wurde.
Nach § 1247 Abs 2 Satz 1 RVO schließt eine entgeltliche Erwerbstätigkeit das Bestehen von Erwerbsunfähigkeit nicht immer aus, sondern nur dann, wenn sie in gewisser Regelmäßigkeit ausgeübt wird und mit ihr mehr als nur geringfügige Einkünfte erzielt werden. Um beurteilen zu können, ob der Kläger seine Tätigkeit von 1963 bis 1966 "in gewisser Regelmäßigkeit" verrichtete, bedarf es eingehender Feststellungen über die Gestaltung dieser Tätigkeiten. Derartige eigene Feststellungen hat aber das Berufungsgericht nicht getroffen, von seinem anderen Rechtsstandpunkt aus auch nicht treffen müssen, sondern lediglich im Tatbestand seines Urteils den Vortrag des Klägers und verschiedene Auskünfte wiedergegeben. Das BSG hat bisher nur negativ abgrenzend ausgeführt, den Gegensatz zur regelmäßigen Tätigkeit bildeten gelegentliche Tätigkeiten, insbesondere Aushilfstätigkeiten (SozR Nr 5 zu § 1247 RVO). Diese Rechtsprechung ist dahin zu ergänzen, daß auch Aushilfstätigkeiten den Begriff gewisser Regelmäßigkeit erfüllen können, wenn sie sich im wesentlichen ohne mehrmonatige Unterbrechung aneinanderreihen und im Durchschnitt eine Arbeitsleistung von werktäglich etwa zwei bis drei Stunden ergeben (hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes vgl BSGE 19, 147, 150). Darauf könnte es ankommen, wenn sich ergeben sollte, der Kläger habe als Hirte oder Wächter in seiner Wohngemeinde für verschiedene Landwirte gegen Entgelt gearbeitet.
Ermittlungen über die näheren Umstände, unter denen der Kläger in den Jahren von 1963 bis 1966 Tätigkeiten ausübte, sind auch erforderlich zur Beantwortung der Frage, ob damit "mehr als nur geringfügige Einkünfte" iS des § 1247 Abs 2 Satz 1 RVO erzielt wurden. Die Rechtsprechung, die früher auf das "Lohnfünftel" abgehoben und Einkünfte als geringfügig in diesem Sinne gewertet hat, wenn diese niedriger waren als ein Fünftel des durchschnittlichen Bruttotariflohnes eines vergleichbaren gesunden Versicherten, während jetzt ein Achtel der Beitragsbemessungsgrenze (§ 1385 Abs 2 RVO) als maßgebend angesehen wird (GS, BSGE 43, 75, 85), knüpft insoweit ausschließlich an den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland an. Diese praxisorientierten Grundsätze lassen sich auf einen fremdländischen Arbeitsmarkt mit den dort herrschenden Gegebenheiten auf wirtschafts- und währungspolitischem Gebiet nicht übertragen. Eine Umrechnung des erzielten Entgelts nach dem amtlichen Kurs würde mit Sicherheit zu unbilligen Ergebnissen führen, und selbst die Berücksichtigung der jeweiligen Kaufkraft könnte kaum eine befriedigende Relation zu vergleichbaren deutschen Verhältnissen herstellen, abgesehen von der sehr fraglichen Praktikabilität einer solchen Verfahrensweise. Wegen dieser Schwierigkeit ist ein Vergleich mit den Merkmalen einer Versicherungsfreiheit nach § 1228 Abs 1 Nr 5 RVO idF vom 23. Februar 1957 - wie ihn das LSG im übrigen ohne Begründung vorgenommen hat - nicht möglich. Der Senat hält es daher im Wege einer ergänzenden, praktikablen Sinnauslegung für angemessen, die Abgrenzung, ob mit einer im Ausland verrichteten unselbständigen Tätigkeit mehr als geringfügige Einkünfte erzielt werden, danach zu beurteilen, ob diese Tätigkeit im Durchschnitt mindestens zwei Stunden täglich (10 Stunden wöchentlich) ausgeübt wird. Diese Zeitgrenze hat auch der GS als relevant angesehen und ausgeführt, praktisch sei ein Versicherter, der nur noch weniger als zwei Stunden arbeiten könne, erwerbsunfähig (BSGE 30, 192, 208; BSGE 43, 75, 86).
Eine andere Frage ist allerdings, ob die im Ausland verrichtete Teilzeitarbeit ausnahmsweise deshalb unberücksichtigt bleiben muß, weil sie der Kläger etwa auf Kosten seiner Gesundheit, nämlich unter unzumutbaren Schmerzen oder Beschwerden, ausgeübt hat oder mit dieser Tätigkeit eine unmittelbare Gefahr für seine Gesundheit verbunden war (zB SozR Nr 58 zu § 1246 RVO und die dort zitierte weitere Rechtsprechung). Das LSG hat dies bejaht und sich hierfür lediglich auf die Feststellungen des medizinischen Sachverständigen Dr. R berufen. Die dagegen vorgebrachte Rüge des Klägers ist begründet. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 20. Februar 1972 zwar die Tätigkeit des Klägers als zu Lasten der Gesundheit gehend bezeichnet; er ging aber damals irrtümlich davon aus, daß es sich um eine Tätigkeit als Bauarbeiter gehandelt habe. In der ergänzenden Stellungnahme vom 4. Februar 1974 legte der Gutachter zwar seiner Beurteilung die inzwischen vom Bürgermeister der Wohngemeinde des Klägers bescheinigte "Warte- und Wachtätigkeit" mit der Bezeichnung "Hirte" zugrunde, bezeichnete diese aber als aus medizinischer Sicht unzumutbar, weil sie "zweifellos längeres Gehen und Stehen" erfordert habe. Indessen war, wie bereits erwähnt, weder den Vorinstanzen die tatsächliche nähere Gestaltung der Arbeitsverhältnisse bekannt, noch vermochte der medizinische Sachverständige, der lediglich Aktengutachten erstellte, von einem besseren Wissen der einzelnen Umstände auszugehen.
Überdies kommt nach ständiger Rechtsprechung des BSG der tatsächlichen Arbeitsleistung ein stärkerer Beweiswert zu als medizinischen Befunden (SozR 2200 § 1247 Nr 12 und SozR Nr 24 zu § 1246 RVO; ferner BSGE 1, 82, 89 und SozR Nr 10 zu § 1254 RVO aF). Die Schlußfolgerung, daß ein Versicherter, der die "Leistungs- und Lohnhälfte" des § 1246 Abs 2 RVO erbringt, in der Regel noch nicht berufsunfähig ist, hat im allgemeinen größeren Beweiswert als die scheinbar dies ausschließenden medizinischen Befunde; das gilt auch für eine psychische Erkrankung (SozR 2200 § 1247 Nr 12). Ausnahmen von dieser Regel sind dann anzunehmen, wenn es sich bei dem einzelnen Arbeitsplatz um eine abweichende, besonders günstige Arbeitsgelegenheit handelt (SozR Nr 24 zu § 1246 RVO). Letzteres möchte die Beklagte bejaht wissen. Aber auch hierzu fehlen die erforderlichen eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts, wie sich überhaupt alle diese Fragen nur aus der genauen Kenntnis der Umstände des einzelnen Falles heraus beantworten lassen. Diese Ermittlungen kann nicht der Senat, sondern muß das Tatsachengericht durchführen. Dabei ist zunächst der Versuch zu unternehmen, Art und Umfang der ständigen Tätigkeiten näher zu klären, weshalb sich als erster Schritt über die italienische Verbindungsstelle eine Anfrage an den Bürgermeister der Wohngemeinde des Klägers anbietet. Sodann kommt in Betracht, über den italienischen Versicherungsträger Nachforschungen anzustellen, welche Fakten medizinischer und versicherungsrechtlicher Art für die Gewährung der dortigen Rente wegen Invalidität ab September 1965 maßgebend waren. Erst dann könnte die nochmalige gezielte Anhörung des medizinischen Sachverständigen Dr. R, wie vom Kläger beantragt, angebracht erscheinen. Zu erwägen, wenn auch nicht unbedingt geboten, wäre im Hinblick auf die Art der ganz im Vordergrund stehenden Gesundheitsstörungen des Klägers auch (oder statt dessen) die Hinzuziehung eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie. Ergibt sich nach alledem, daß der Kläger Tätigkeiten in versicherungsrechtlich relevantem Umfang ausgeübt hat, so kann noch die weitere Prüfung angezeigt sein, ob und weshalb später keine entsprechende Tätigkeit mehr ausgeübt wurde (vgl hierzu auch das Vorbringen des Klägers vor dem SG, von September bis November 1968 als "Bauarbeiter" Wacharbeiten geleistet zu haben). Erst nach allen diesen Ermittlungen läßt sich feststellen, ob überhaupt und ggf wann der Versicherungsfall eingetreten ist und ob ein Rentenanspruch besteht.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen