Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Wirtschaftlichkeitsgebot. Durchführung von zwei vollstationären Behandlungen mit zwischenzeitlicher Entlassung. Voraussetzungen einer Beurlaubung iSv § 1 Abs 7 S 5 Fallpauschalenvereinbarung 2012. Abrechnung gemäß fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten bei unterbliebener Beurlaubung
Orientierungssatz
Hat ein Krankenhaus zwei vollstationäre Behandlungen mit zwischenzeitlicher Entlassung des Versicherten durchgeführt, obwohl die Voraussetzungen einer Beurlaubung iSv § 1 Abs 7 S 5 Fallpauschalenvereinbarung 2012 (juris: FPVBG 2012) vorgelegen haben, kann das Krankenhaus nur die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre.
Normenkette
SGB V § 12 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 39, 109 Abs. 4 S. 3; KHG § 17b; KHEntgG § 7; FPVBG § 1 Abs. 7 S. 5; FPVBG 2012 § 1 Abs. 7 S. 5; FPVBG § 2; FPVBG 2012 § 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2019 und des Sozialgerichts Augsburg vom 8. September 2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 3426,48 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Der bei der beklagten Krankenkasse Versicherte wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 8. - 20.6.2012 stationär wegen einer postoperativen Wundheilungsstörung mit Vereiterung und Aufweichung im Sprunggelenk (Sprunggelenksempyem und Weichteilmazeration) behandelt. Nach zunächst konservativer Behandlung mit Gelenkspülungen und Antibiotikagabe (systemische Antibiose) wurde zum Erhalt des Unterschenkels die Indikation zur Versteifung des Sprunggelenks gestellt. Da der Versicherte in der Zwischenzeit (am 12.6.2012) allerdings wegen einer kardialen Dekompensation mit dem Arzneimittel Plavix® behandelt worden war, musste vor Durchführung der Operation das Abklingen der Medikamenteneinwirkung abgewartet werden. Der Versicherte wurde am 20.6.2012 entlassen und am 25.6.2012 zur Durchführung der Operation wieder aufgenommen (stationäre Behandlung vom 25.6. - 20.7.2012). Für den ersten stationären Aufenthalt (8. - 20.6.2012) berechnete die Klägerin 4558,90 Euro nach Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) F54Z (Komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne kompliz. Konstell., ohne Revision, ohne kompliz. Diagn., Alter ≫ 2 J., ohne bestimmte beidseitige Gefäßeingriffe od. mäßig kompl. Gefäßeingr. m. kompliz. Diagn., ohne äuß. schw. CC, ohne Rotationsthrombektomie) und für den zweiten stationären Aufenthalt (25.6. - 20.7.2012) 7008,99 Euro nach DRG I13B (Bestimmte Eingriffe an Humerus, Tibia, Fibula und Sprunggelenk mit best. Mehrfacheingr. od. kompl. Diagn. od. best. kompl. Osteotomie bei kompl. Eingriff od. schw. Weichteilschaden, oder bestimmte Eingriffe bei Endoprothese der oberen Extremität). Die Beklagte beglich die Rechnungen zunächst, rechnete jedoch nach Einschaltung des MDK in Höhe von 3426,48 Euro mit unstreitigen Forderungen der Klägerin auf: Da die Operation nur wegen der noch bestehenden Medikamenteneinwirkung habe verschoben werden müssen, hätte der Versicherte nach § 1 Abs 7 der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für 2012 beurlaubt werden können und hätte nicht entlassen werden müssen. Es sei daher von einem einheitlichen Behandlungsfall auszugehen, der nach DRG F21A (Andere OR-Prozeduren bei Kreislauferkrankungen, mit hochkomplexem Eingriff) in Höhe von 8141,41 Euro abzurechnen sei.
Das SG hat der Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung stattgegeben (Urteil vom 8.9.2017). Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das SG-Urteil zurückgewiesen: Es lägen weder die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs 1 bis 3 FPV 2012 noch für eine Beurlaubung nach § 1 Abs 7 FPV 2012 vor, letztere bereits deswegen nicht, weil infolge der Medikamenteneinwirkung keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit in Bezug auf die anstehende Operation mehr bestanden habe (Urteil vom 29.1.2019).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V. Eine Fallzusammenführung habe im vorliegenden Fall nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens stattzufinden.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2019 und des Sozialgerichts Augsburg vom 8. September 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Denn die zulässige (echte) Leistungsklage auf weitere Vergütung ist nicht begründet. Der Klägerin steht der Vergütungsanspruch lediglich in Höhe der von der Beklagten bereits beglichenen 8141,41 Euro zu. Die Klägerin durfte nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Alternativverhaltens lediglich einen Behandlungsfall - ggf mit einer zwischenzeitlichen Beurlaubung - abrechnen, nicht hingegen zwei Behandlungsfälle.
1. Rechtsgrundlage des von der Klägerin wegen der stationären Behandlung des Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 7 KHEntgG und § 17b KHG(vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, 15 f; BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 20/19 R = juris RdNr 11 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2500 § 12 Nr 18) . Das Gesetz regelt in diesen Vorschriften die Höhe der Vergütung der zugelassenen Krankenhäuser bei stationärer Behandlung gesetzlich Krankenversicherter und setzt das Bestehen des Vergütungsanspruchs als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht, erforderliche Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V zu gewähren (§ 109 Abs 4 Satz 2 SGB V), dem Grunde nach als Selbstverständlichkeit voraus (vgl BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 20/19 R - SozR 4-2500 § 12 Nr 18 RdNr 11, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE).
Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs der Klägerin liegen bis auf die Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V; dazu 2. b) vor. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl zB BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, 15 f; BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 33/18 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 77 RdNr 10, 12 f mwN). Nach den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die stationäre Behandlung des Versicherten während beider Behandlungsepisoden (8. - 20.6.2012 und 25.6. - 20.7.2012) medizinisch erforderlich. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
2. Zu Recht streiten die Beteiligten auch nicht darüber, dass die Klägerin die Höhe der Vergütung auf Grundlage des tatsächlichen Geschehensablaufs zutreffend sachlich-rechnerisch berechnete (dazu a). Die Klägerin behandelte den Versicherten jedoch nicht wirtschaftlich und hat daher lediglich Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele (dazu b).
a) Die Klägerin berechnete die Vergütung auf Grundlage des tatsächlichen Geschehensablaufs sachlich-rechnerisch zutreffend. Die Krankenhausvergütung bemisst sich nach Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage (vgl entsprechend zB BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 14 ff). Die Klägerin rechnete die Fallpauschalen DRG F54Z und I13B nach der FPV 2012 korrekt ab. Danach waren - bei unterstellter Wirtschaftlichkeit - insbesondere die Voraussetzungen einer abrechnungstechnisch gebotenen Fallzusammenführung weder wegen Einstufung in dieselbe Basis-DRG (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 FPV 2012) noch wegen Eingruppierung der zweiten Fallpauschale in die "operative Partition" (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 2 FPV 2012) noch wegen Wiederaufnahme bei Komplikation (§ 2 Abs 3 Satz 1 FPV 2012) erfüllt. Die Vorinstanzen haben dies zutreffend ausgeführt.
b) Die Klägerin behandelte den Versicherten jedoch nicht wirtschaftlich und hat daher nur Anspruch auf diejenige Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Diesen Anspruch hat die Beklagte bereits erfüllt, sodass kein weiterer Vergütungsanspruch besteht.
aa) Ein Krankenhaus hat auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) - korrespondierend mit dem Leistungsanspruch der Versicherten - nur für eine erforderliche und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (stRspr; vgl zuletzt BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 81 RdNr 17 ff mwN). Nach § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 Satz 2 sowie § 2 Abs 1 Satz 1, § 4 Abs 3, § 70 Abs 1 SGB V). Nach der Gesetzeskonzeption des SGB V gilt das Wirtschaftlichkeitsprinzip uneingeschränkt auch im Leistungserbringerrecht (vgl § 12 Abs 1 Satz 2 sowie § 2 Abs 1 Satz 1, § 4 Abs 3, § 70 Abs 1 SGB Vund dazu BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 81 RdNr 18 mwN). Hierzu gehört die Pflicht des Krankenhauses, bei der Behandlungsplanung auch die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und die Behandlungsplanung ggf daran auszurichten.
Diese Prüfpflicht ist im zivilrechtlichen Behandlungsvertrag über stationäre Krankenhausbehandlung durch die wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Krankenhauses gegenüber Selbstzahlern und Versicherten mit Kostenerstattungsansprüchen abgesichert (vgl zur wirtschaftlichen Aufklärungspflicht nach altem Recht zB BGH vom 1.2.1983 - VI ZR 104/81 - NJW 1983, 2630 = juris RdNr 9; BGH vom 9.5.2000 - VI ZR 173/99 - NJW 2000, 3429; siehe inzwischen § 630c Abs 3 BGB idF durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013, BGBl I 277 mWv 26.2.2013; vgl dazu BGH vom 28.1.2020 - VI ZR 92/19 - BGHZ 224, 256 = juris RdNr 13 ff). Während die Leistungserbringer dort in dem Leistung und Gegenleistung regulierenden Austauschverhältnis zwischen Arzt und Patient die Pflicht trifft, die Patienten durch Aufklärung vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit sie aus ihrer Expertenstellung heraus über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügen (vgl BGH vom 9.5.2000, aaO, juris RdNr 33), fehlt ein solcher Regulationsmechanismus in dem vom Sachleistungsprinzip geprägten System der GKV. Da hier die Leistungsbeziehung (zwischen Arzt und Patient) und die Vergütungsabrechnung (zwischen Arzt und Krankenkasse) auseinanderfallen, tritt das Verhältnis zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen in den Vordergrund. Für die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots müssen die Leistungserbringer maßgeblich zunächst selbst Sorge tragen (vgl Heinz in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 12 RdNr 114 f, Stand 15.6.2020). Die Erfordernisse einer beitragsfinanzierten, solidarischen Krankenversicherung und das sie beherrschende Wirtschaftlichkeitsgebot schränken die Therapie- und (medizinische) Entscheidungsfreiheit des Leistungserbringers ein (vgl zB BSG vom 25.9.2000 - B 1 KR 24/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr 23 S 112). Die Krankenkassen dürfen unwirtschaftliche Leistungen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 Satz 2 SGB V) und haben die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots daher bei ihren Prüfungen zu überwachen. Hierdurch wird die Patientenautonomie nicht eingeschränkt (so aber Makoski, GuP 2020, 33, 34 f; ders, jurisPR-MedizinR 2/2020 Anm 1). Denn der Sachleistungsanspruch ist von vornherein durch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) begrenzt. Soweit Versicherte sich für das Kostenerstattungsverfahren (§ 13 Abs 2 SGB V) entschieden haben, steht es ihnen frei - ggf nach erfolgter wirtschaftlicher Aufklärung -, im Rahmen einer Mehrleistungsvereinbarung eine unwirtschaftliche Behandlungsalternative zu wählen und die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen.
Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener, gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind. Denn nur die geringere Vergütung ist wirtschaftlich (vgl zuletzt BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 81 RdNr 24 mwN). Behandelt ein Krankenhaus einen Versicherten bei erforderlicher Krankenhausbehandlung hingegen in unwirtschaftlichem Umfang, hat es nach der Rspr des Senats zwar einen Vergütungsanspruch, obwohl die abgerechnete Behandlung nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht und daher wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs eigentlich gar keine Vergütung zu beanspruchen wäre (vgl zum Vergütungsausschluss zB BSG vom 2.7.2013 - B 1 KR 49/12 R - SozR 4-2500 § 129 Nr 9 RdNr 25 ff - Retaxierung auf Null; zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG vom 7.5.2014 - 1 BvR 3571/13, 1 BvR 3572/13; BSG vom 10.3.2015 - B 1 KR 3/15 R - juris RdNr 27 = USK 2015-6; vgl zur Regelungskonzeption auch BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 24; BSG vom 27.9.2005 - B 1 KR 6/04 R - BSGE 95, 132 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 24 mwN). Die Höhe dieses Vergütungsanspruchs richtet sich aber nach dem fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten. Das Krankenhaus kann die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre (vgl zuletzt BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 81 RdNr 26 mwN).
Etwas anderes ergibt sich jedenfalls für den vorliegend maßgeblichen Abrechnungszeitraum nicht aus der mit Art 9 Nr 6 Buchst c des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (≪PpSG≫ vom 11.12.2018, BGBl I 2394) eingefügten Regelung des § 8 Abs 5 Satz 3 KHEntgG(vgl BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 81 RdNr 23) . Diese Regelung ist - anders als andere Regelungen des PpSG (ua die Änderungen in § 8 Abs 10 KHEntgG, vgl Art 14 Abs 2 PpSG) - erst zum 1.1.2019 in Kraft getreten (Art 14 Abs 1 PpSG) und eine rückwirkende Geltung ist - anders als in den mit dem PpSG ebenfalls eingefügten Regelungen in § 109 Abs 5 Satz 2 und § 325 SGB V(Art 7 Nr 8a und Nr 20 PpSG) - nicht angeordnet worden. Sie findet daher auf den vorliegenden Abrechnungsfall aus dem Jahr 2012 (noch) keine Anwendung. Die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass es sich bei § 8 Abs 5 Satz 3 KHEntgG lediglich um eine Klarstellung handele (s BT-Drucks 19/5593 S 125 Zu Nummer 6 Zu Buchst c), bindet den erkennenden Senat nicht (vgl BVerfG vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 = juris RdNr 47 f mwN).
bb) Die Klägerin hätte daher prüfen müssen, ob für die Behandlung des Versicherten gleich zweckmäßige und notwendige, aber wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeiten bestanden. In Betracht kamen hier die Beurlaubung des Versicherten bis zum zeitnah erwarteten Abklingen der Wirkung des wegen der kardialen Dekompensation des Versicherten verabreichten Medikaments Plavix® (vgl § 1 Abs 7 FPV 2012) oder Fortsetzung der stationären Behandlung bis zu der wenige Tage später durchgeführten Operation ohne Unterbrechung. Nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) sprechen medizinische Gründe weder dagegen, die vollstationäre Behandlung des Versicherten wegen der postoperativen Wundheilungsstörung mit Sprunggelenksempyem und Weichteilmazeration zunächst konservativ und sodann operativ durch Versteifung des Sprunggelenks innerhalb eines einzigen, länger dauernden Behandlungszeitraums zu behandeln, noch dagegen, den Versicherten zwischen beiden Eingriffen für wenige Tage zu beurlauben. Die Klägerin hätte daher die Kosten der Alternativen jeweils miteinander vergleichen und dann den kostengünstigeren Weg wählen müssen. Die Klägerin führte zwei vollstationäre Behandlungen mit zwischenzeitlicher Entlassung des Versicherten durch und rechnete dafür zwei Fallpauschalen ab (DRG F54Z und I13B in Höhe von insgesamt 11 567,89 Euro ≪4558,90 + 7008,99 Euro≫). Sie hätte den Versicherten im Hinblick auf die der unmittelbaren Durchführung der geplanten Operation entgegenstehende, noch nicht abgeklungene Medikamenteneinwirkung aber auch kurzzeitig beurlauben oder den Krankenhausaufenthalt fortsetzen können (vgl dazu unter cc). Im Fall einer Beurlaubung wäre lediglich eine Fallpauschale (DRG F21A) in Höhe von 8141,41 Euro angefallen. Wirtschaftlich ist daher nur die zweite Behandlungsalternative.
cc) Entgegen der Meinung des LSG waren die Voraussetzungen einer Beurlaubung (vgl hierzu BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 81 RdNr 25 mwN; BSG vom 28.3.2017 - B 1 KR 29/16 R - BSGE 123, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 61, RdNr 17 ff mwN) erfüllt. Denn die weitere Behandlung war bereits am Entlassungstag kurzfristig absehbar. Die Indikationsstellung zur operativen Gelenkversteifung lag bereits am Entlassungstag vor, sodass die weitere Behandlung an diesem Tag geplant werden konnte. Dementsprechend ging bereits der Entlassungsbericht vom 20.6.2012 von einer stationären Versteifung des Sprunggelenks nach Abklingen der Medikamentenwirkung aus, wie sie dann auch ab dem 25.6.2012 erfolgte. Entgegen der Ansicht des LSG ist es ohne Belang, dass die Operation nicht bereits früher, vor der Wiederaufnahme ab dem 25.6.2012, stattfinden konnte. Es war der Klägerin jedenfalls klar, dass es zum Erhalt des Unterschenkels nach Abklingen der Medikamenteneinwirkung zeitnah zu der geplanten Operation kommen würde. Dass die Initiative für eine Beurlaubung zwingend vom Patienten ausgehen muss (vgl auch Makoski, GuP 2020, 33, 34; ders, jurisPR-MedizinR 2/2020 Anm 1), ist nicht erforderlich. Nach der Legaldefinition in § 1 Abs 7 Satz 5 FPV 2012 liegt eine Beurlaubung vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Dass dies auf der Initiative des Patienten beruhen muss, lässt sich der Regelung nicht entnehmen.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 14423916 |
NZS 2021, 484 |
SGb 2021, 35 |