Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Urteil vom 24.08.1989) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. August 1989 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der klagende Sozialhilfeträger verlangt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung der Kosten einer Heimunterbringung der Schwester der Beigeladenen.
Die Beigeladene ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie hat ihre 1949 geborene, geistig behinderte Schwester in ihren Haushalt aufgenommen. Im August 1987 beantragte sie bei dem Kläger die Übernahme der Kosten für eine Unterbringung ihrer Schwester in der Zeit vom 26. September bis 25. Oktober 1987 mit der Begründung, daß sie in dieser Zeit zur Kur fahren wolle.
Der Kläger erklärte sich zur Übernahme der Kosten bereit und beantragte am 15. September 1987 unter Bezugnahme auf § 91a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Gewährung von Haushaltshilfe von der Beklagten. Er forderte die Beklagte zugleich auf, die Kosten der Unterbringung zu erstatten.
Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 22. September und 21. Oktober 1987 ab. Sie führte aus, der Anspruch auf Haushaltshilfe bestehe, wenn im Haushalt ein Kind lebe, das das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet habe oder das behindert und auf Hilfe angewiesen sei. Die Schwester der Versicherten sei jedoch kein Kind mehr. Kind iS des § 185b Reichsversicherungsordnung (RVO) sei nur ein Minderjähriger.
Der Kläger hat daraufhin die Klage auf Zahlung von 1.671,00 DM erhoben.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen Es hat ausgeführt, ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) scheide aus, weil die Schwester der Beigeladenen keinen Leistungsanspruch gegen die Beklagte gehabt habe. Im übrigen sei ein Kind iS des § 185b Abs 1 Satz 2 RVO nur ein Minderjähriger.
Der Kläger hat die zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er ist der Ansicht, daß der dem erstattungspflichtigen Leistungsträger gegenüber Berechtigte nicht mit der Person identisch sein müsse, für die der nachrangig verpflichtete Leistungsträger Leistungen erbracht habe. Für einen Angehörigen erbrachte Sozialleistungen seien nach § 104 Abs 2 SGB X in die Erstattung einbezogen. § 185b RVO sehe eine Leistung vor, die nicht dem Versicherten selbst zugute komme, sondern einem Dritten. Für die Bedeutung des Begriffes Kind sei weder die blutsmäßige noch die altersmäßige Zuordnung erheblich, sondern die Zugehörigkeit zur Haushaltsgemeinschaft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. August 1989 – S 5 Kr 971/89 – aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn (Kläger) DM 1.671,00 zu zahlen,
hilfsweise:
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Sprungrevision gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. August 1989 zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, die Beigeladene habe keinen Anspruch aus § 185b Abs 1 RVO auf Gewährung einer Haushaltshilfe gehabt. Kind iS dieser Vorschrift könne nur ein minderjähriges Kind sein. Es fehle auch an dem Tatbestandsmerkmal „einer anderen im Haushalt lebenden Person”.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet.
Der hier geltend gemachte Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104 SGB X steht dem Kläger nicht zu. Aus dieser Vorschrift kann ein Erstattungsanspruch nur hergeleitet werden, wenn in der Person des Berechtigten die wesentlichen und unverzichtbaren Grundvoraussetzungen des – vom klagenden Leistungsträger schon erfüllten – Anspruchs auf eine gleichartige und zeitgleiche Leistung gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger vorliegen (BSG SozR 1300 § 104 Nr 6 S 14). Nach § 104 Abs 2 SGB X kann der Erstattungsanspruch allerdings auch gegeben sein, wenn die Leistung für einen Angehörigen erbracht worden ist und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte. Die hier streitige Haushaltshilfe nach § 185b RVO mag eine Leistung „mit Rücksicht auf” das zum Haushalt gehörende Kind sein. Indessen fehlt es an der inhaltlichen Gleichartigkeit der vom Kläger gewährten Heimunterbringung oder Übernahme der Kosten für diese Unterbringung und der begehrten Haushaltshilfe.
Der in § 185b RVO geregelte Anspruch richtet sich nicht auf eine auswärtige Unterbringung des Kindes. Als Haushaltshilfe ist nach § 185b Abs 2 RVO vielmehr eine Ersatzkraft zu stellen. Wenn keine Ersatzkraft gestellt werden kann oder Grund besteht, von der Gestellung einer Ersatzkraft abzusehen, sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft in angemessener Höhe zu erstatten. Beide Leistungen – Gestellung einer Ersatzkraft, Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft – beziehen sich auf den Haushalt, dessen Weiterführung wegen des Krankenhaus-, Entbindungsanstalts- oder Kuraufenthalts des Versicherten oder seines Ehegatten nicht sichergestellt ist; die Zweckbestimmung des § 185b RVO ist auf die Weiterführung des Haushalts begrenzt (BSG SozR 2200 § 185b Nr 7 S 25). Insofern ist die hier tatsächlich erbrachte Heimunterbringung keine gleichartige Leistung.
Der Senat hat es in seinem Urteil vom 22. Juni 1979 – 3 RK 39/78 – (SozR 2200 § 185b Nr 7 S 26) offengelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Versorgung von Kindern eines Versicherten außerhalb seines Haushalts einen auf § 185b RVO gestützten Kostenerstattungsanspruch ausnahmsweise dann zu begründen vermag, wenn die Weiterführung des eigenen Haushalts durch eine Ersatzkraft nicht möglich ist. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse läßt sich bei dieser Sachlage aus § 185b RVO jedenfalls nur herleiten, wenn der Leistungsgrund der Vorschrift gegeben ist, nämlich der Versicherte oder sein Ehegatte wegen eines von der Krankenkasse ganz oder teilweise finanzierten Krankenhaus-, Entbindungsanstalts- oder Kuraufenthals den Haushalt nicht weiterführen kann. Da ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine auswärtige Unterbringung des Kindes an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs auf Weiterführung des Haushalts treten würde, gilt diese Zweckbestimmung auch für ihn. Stellung einer Ersatzkraft oder Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft dienen diesem Zweck als Hilfe zur Weiterführung des Haushalts. Das Kind wird statt der Betreuung im Haushalt des Versicherten auswärts untergebracht, um den Krankenhaus-, Entbindungsanstalts oder Kuraufenthalt des Versicherten oder seines Ehegatten zu ermöglichen.
Dagegen hatte die Leistung des Klägers einen anderen Zweck. Er hat die durch die Unterbringung im Heim entstehenden Kosten „im Rahmen der Eingliederungshilfe” übernommen. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern (§ 39 Abs 3 BSHG) Der Charakterisierung des Anspruchs mit dieser Zweckbestimmung kommt besondere Bedeutung zu. Der Kläger hat nicht der Beigeladenen Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach dem Unterabschnitt 11 des BSHG gewährt. Nach der zu diesem Unterabschnitt gehörenden Vorschrift des § 71 BSHG kann der Sozialhilfeträger die Kosten für eine vorübergehende anderweitige Unterbringung von Haushaltsangehörigen übernehmen, wenn diese Unterbringung in besonderen Fällen neben oder statt der Weiterführung des Haushalts geboten ist. Mit der Gewährung der Eingliederungshilfe hat sich dagegen die Prüfung erübrigt, ob hier ein besonderer Fall vorgelegen hat und die anderweitige Unterbringung geboten war. Die anderweitige Unterbringung soll nach der gesetzlichen Vorgabe des § 71 BSHG, wie auch nach der Rechtslage im Rahmen des § 185b RVO, die Ausnahme sein (vgl Knopp/Fichtner, Kommentar zum BSHG 6. Aufl § 71 Anm 1). Tatsächlich dürfte es zwar oft nicht möglich sein, eine Ersatzkraft für die Weiterführung des Haushalts zu finden. Dieser Umstand könnte aber für den Erstattungsanspruch allenfalls dann Bedeutung gewinnen, wenn zwischen den Beteiligten selbstverständlich wäre, daß nur die Heimunterbringung in Betracht kommt. Möglicherweise wäre dann auch die Charakterisierung als Eingliederungshilfe weniger gewichtig. Dafür kann aber dem Sachverhalt nichts entnommen werden. Der Kläger hat auch gegenüber der Beklagten nicht geltend gemacht, daß ein Ausnahmefall vorliege oder die Weiterführung des Haushalts unmöglich sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen