Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe des abgetretenen Teils eines Altersruhegeldes (ARG).
Die Klägerin ist die Ehefrau des Versicherten E. B. (Beigeladener zu 2), der seit Januar 1986 von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ein ARG bezieht. Im November 1986 ließ er der Beklagten eine notariell beurkundete Erklärung vom 20. November 1986 übersenden, mit der er anerkannte, der Klägerin aus einer Darlehensforderung aus dem Jahre 1964 den Betrag von 127.645,86 DM nebst 7,5% Zinsen zu schulden. Zugleich hatte er sich in dieser Urkunde wegen dieser Forderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen und zur Rückführung des Darlehens den pfändbaren Teil seines ARG an die Klägerin abgetreten. Die Beklagte ermittelte den pfändbaren Betrag des ARG aus der Tabelle zu § 850c Zivilprozeßordnung (ZPO) mit zunächst 154,-- DM, wobei sie die Klägerin als unterhaltsberechtigten Ehegatten berücksichtigte. Sie teilte dies dem Beigeladenen zu 2) und der Klägerin mit und zahlte ab 1. Januar 1987 an diese monatlich 154,-- DM aus.
Mit einem der Beklagten am 6. Mai 1987 zugestellten Pfändungs-und Überweisungsbeschluß vom 27. April 1987 pfändete das Amtsgericht (AG) Wetzlar wegen einer titulierten Forderung der Westdeutschen Teilzahlungsbank GmbH (Beigeladene zu 1) in Höhe von 41.502,-- DM zuzüglich Nebenkosten das ARG des Beigeladenen zu 2) in Höhe des nach der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO pfändbaren Betrages und überwies die gepfändete Forderung der Beigeladenen zu 1) zur Einziehung. Die Beklagte gab gegenüber der Beigeladenen zu 1) die Drittschuldnererklärung ab und teilte ihr mit, daß aufgrund der - vorrangigen - Abtretung des ARG an die Klägerin keine pfändbaren Beträge zur Verfügung stünden. Die Beigeladene zu 1) erwirkte hierauf beim AG Wetzlar den Beschluß vom 4. November 1987, bei der Beklagten eingegangen am 10. November 1987. In ihm bestimmte das AG in Abänderung des Beschlusses vom 27. April 1987 gemäß § 850c Abs. 4 ZPO, daß die Klägerin als Ehefrau des Beigeladenen zu 2) bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Rente ganz unberücksichtigt bleibe, da davon auszugehen sei, daß sie aufgrund eigener Einkünfte keine Unterhaltsansprüche gegen den Beigeladenen zu 2) habe.
Die Beklagte berechnete daraufhin den pfändbaren Betrag aus dem ARG des Beigeladenen zu 2) neu. Unter Berücksichtigung der Klägerin als unterhaltsberechtigter Person ergab sich nunmehr ein pfändbarer Betrag von 174,-- DM monatlich, ohne ihre Berücksichtigung ein zusätzlich pfändbarer Betrag von 306,20 DM. Die Beklagte teilte dies dem Beigeladenen zu 2) (Schreiben vom 24. November 1987) und der Klägerin (Schreiben vom 17. Dezember 1987) mit. Sie führte aus, nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 339/82 (BAGE 46, 148 = AP Nr. 6 zu § 850c ZPO) entfalte der Abänderungsbeschluß des AG Wetzlar vom 4. November 1987 nur für den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß Rechtswirkung. Ihm komme aber keine Drittwirkung hinsichtlich der Rechtsposition der Klägerin zu. Da im Rahmen der Abtretung eine dem § 850c Abs. 4 ZPO entsprechende Vorschrift fehle, könne die Klägerin den in Anwendung dieser Vorschrift eingeräumten Rechtsvorteil nur über eine allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) oder dadurch erlangen, daß sie wegen ihrer Forderung einen Titel und sodann aufgrund des Titels einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erwirke.
Die Beklagte zahlte vom 1. Januar 1988 an die ermittelten pfändbaren Beträge an die Klägerin und die Beigeladene zu 1) aus. Ab März 1988 behielt sie das ARG in Höhe des zugunsten der Beigeladenen zu 1) errechneten pfändbaren Betrages wegen der ungeklärten Rechtslage vorläufig ein.
Am 7. Januar 1988 legte der Beigeladene zu 2) der Beklagten eine Erklärung vor, wonach er der Klägerin ab 1. Januar 1988 nicht mehr unterhaltspflichtig sei, so daß sich von diesem Zeitpunkt an der an sie aus der Abtretung abzuführende Betrag des ARG erhöhe.
Die Klägerin hat mit der am 8. Januar 1988 beim Sozialgericht (SG) Gießen erhobenen Klage die Zahlung des erweiterten pfändbaren Betrages aus dem ARG des Beigeladenen zu 2) an sich begehrt. Da sie ein Einkommen von mindestens 3.000,-- DM monatlich habe, stehe ihr ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beigeladenen zu 2) nicht mehr zu. Gegenüber der Pfändung durch die Beigeladene zu 1) sei die Abtretung vorrangig. Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 4. Oktober 1989).
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Oktober 1990). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, nach der maßgebenden Entscheidung des BAG vom 20. Juni 1984 sei die Wirkung des Beschlusses nach § 850c Abs. 4 ZPO ausschließlich auf den Pfändungspfandgläubiger beschränkt, der den Beschluß erwirkt habe. Der Zessionar einer Gehaltsabtretung könne aus ihm nichts herleiten. Da es bei der Abtretung an einer dem § 850c Abs. 4 ZPO entsprechenden Vorschrift fehle, könne dieser den Rechtsvorteil dieser Vorschrift nur erlangen, wenn er wegen seiner Forderung einen Titel und aufgrund des Titels einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erwirke. Die Klägerin könne den besseren Rang ihrer Abtretung daher nicht im Wege der Leistungsklage gegen die Beklagte durchsetzen. Sie sei vielmehr auf die zivilprozessualen Möglichkeiten zu verweisen, wobei offenbleiben könne, welchen der in Betracht kommenden Wege sie beschreiten könne.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und eine Verletzung materiellen Rechts gerügt. Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung stehe ihr das Antragsrecht nach § 850c Abs. 4 ZPO nicht zu, da sie nicht Inhaberin eines Pfändungspfandrechts sei. Um auch bei der Abtretung die Höhe des abzuführenden Betrages feststellen zu können, verbleibe ihr nur die Möglichkeit einer Erklärung des Beigeladenen zu 2) gegenüber der Beklagten, daß er ihr, der Klägerin, seit 1. Januar 1988 nicht unterhaltspflichtig sei. Im übrigen würde sie, wenn sie jetzt die Forderung des Beigeladenen zu 2) auf ARG pfänden würde und sich zur Einziehung überweisen ließe, mit dieser Pfändung nicht den Rang der Abtretung erlangen, hätte also keinen Vorrang mehr vor dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß der Beigeladenen zu 1). Damit führe das Urteil des LSG letztlich zu einer Vernichtung des Vorrangs ihrer Abtretung.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Oktober 1990 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 4. Oktober 1989 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Die Beklagte trägt im wesentlichen vor, bei der Ermittlung des unpfändbaren Rententeils sei zunächst davon auszugehen, daß die Klägerin unterhaltsberechtigt i.S. des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO sei. Hieran könne auch das Schreiben ihres Mannes, des Beigeladenen zu 2), vom 6. Januar 1988 nichts ändern, da das Bestehen oder Nichtbestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht von Erklärungen der Beteiligten abhänge. Vielmehr seien die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich. Aber auch für den Fall, daß die Klägerin tatsächlich über ein wesentlich höheres Einkommen als der Beigeladene zu 2) verfüge, änderte dies nichts an einer grundsätzlich bestehenden Unterhaltsverpflichtung; denn die Verpflichtung, zum gemeinsamen Familienunterhalt beizutragen, treffe jeden Ehegatten unabhängig von der Höhe seines eigenen Einkommens und unabhängig von der Höhe des Einkommens des anderen Ehegatten (Hinweis auf BAG - Urteil vom 23. Februar 1983 - 4 AZR 508/81 = FamRZ 1983, 899).
Die Beigeladene zu 1) führt aus, Abtretungsgläubiger könnten erhöhte pfändbare Beträge nur dann in Anspruch nehmen, wenn zu ihren Gunsten ein gerichtliches Verfahren nach § 850c Abs. 4 ZPO durchgeführt worden sei. Dieses Verfahren könne durch eine schlichte Erklärung des Schuldners über seine Unterhaltsverpflichtung nicht ersetzt werden, da ansonsten das gesamte Forderungspfändungsrecht zum Nachteil der Gläubiger ausgehöhlt würde.
Der Beigeladene zu 2) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
II
Die zulässige Revison der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben; denn auch nach der Abtretung des ARG-Anspruchs des Beigeladenen zu 2) liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung vor, für die gemäß § 51 Abs. 1 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind.
Die Klägerin leitet ihren Anspruch auf Auszahlung eines höheren Teils des ARG des Beigeladenen zu 2) aus einem Abtretungsvertrag her, der der notariellen Erklärung des Beigeladenen zu 2) vom 20. November 1986 zugrunde lag. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S. des § 53 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit dem Vertrag über die Abtretung (§ 53 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I] i.V.m. § 398 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] analog) wird ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, nämlich bezüglich des Altersruhegeldanspruchs des Beigeladenen zu 2) gegen die beklagte BfA, geändert, so daß die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X für das Vorliegen eines Vertrages i.S. dieser Vorschrift erfüllt sind. Der Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrages steht dabei nicht entgegen, daß es sich bei den Partnern des Abtretungsvertrages, also Klägerin und Beigeladener zu 2), nicht um Rechtsträger des öffentlichen Rechts handelt. Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung als privat- bzw. öffentlich-rechtlich ist der Gegenstand der vertraglichen Regelung (vgl. Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 2. Aufl. 1990, § 53 Anm. 2.2). Bei zwischen Bürgern geschlossenen Verträgen, die eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung oder Berechtigung unmittelbar zum Gegenstand haben, handelt es sich jedenfalls dann um - zulässige - öffentlich-rechtliche Verträge i.S. des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn sie, wie das hier für die Abtretung einer laufenden Sozialleistung in § 53 Abs. 3 SGB I der Fall ist, spezialgesetzlich zugelassen sind (vgl. dazu Kopp, VwVfG, 5. Aufl. 1991, § 54 Rdnr. 10; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, 3. Aufl. 1990, § 54 Rdnr. 29).
Die Abtretung des Rentenanspruchs verändert mithin seine Eigenschaft als ein dem öffentlichen Recht zugehöriger Anspruch nicht (so allgemein bereits: RGZ 149, 91, 94; S. weiter BSGE 13, 94, 95; 18, 76, 78; 61, 274, 275; aA wohl Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl. 1991, § 398 Anm. 1 a.E.; für die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Forderungsverhältnisses, wenn die öffentlich-rechtliche Forderung kraft Erfüllung durch einen privaten Dritten auf diesen übergegangen ist: BGHZ 75, 73, 74 m.w.N.). Somit wird auch nach der Abtretung um ARG gestritten, so daß die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit weiterhin gegeben ist.
Zutreffend ist das LSG auch von der Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ausgegangen. Die Ermittlung des auszuzahlenden Betrages der Abtretung und seine Auszahlung durch die Beklagte als Schuldnerin der abgetretenen Forderung enthält - jedenfalls im Verhältnis zum Abtretungsgläubiger (hier: Klägerin) - keine Regelung, so daß ein Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) nicht vorliegt. Bei der Abtretung von Teilen des Rentenanspruchs des Beigeladenen zu 2) handelt es sich um die - zulässige - sog. Vorausabtretung künftiger, bestimmbarer Forderungen (zu den Anforderungen an die Bestimmbarkeit von - gepfändeten - Forderungen S. BSGE 53, 260, 264f = SozR 1200 § 54 Nr. 6). Bei dieser Abtretung obliegt es der Beklagten als Schuldnerin sowohl des Alt- als auch des Neugläubigers, gemäß § 53 Abs. 3 SGB I i.V.m. § 850c Abs. 1 bis 3 ZPO analog die konkrete Höhe des bestimmbaren abgetretenen Betrages zu ermitteln. In der Errechnung dieses Betrages und der nachfolgenden Auszahlung liegt - bezogen auf den Abtretungsgläubiger - keine eigenständige Regelung i.S. des § 31 SGB X. Diese setzt nämlich eine rechtsverbindliche Anordnung, gezielt auf die Setzung einer Rechtsfolge, voraus. Die Regelung erfolgt hier jedoch bereits mit der Abtretung des Rentenanspruchs in bestimmbarer Höhe durch den Versicherten (Beigeladener zu 2). Er hat als Altgläubiger der Forderung mit der Abtretung rechtsgeschäftlich über sie verfügt. Mit dieser Verfügung wird die Rechtszuständigkeit über die abgetretene Forderung verändert (vgl. dazu stellvertretend: Staudinger/Kaduk, BGB, 12. Aufl. 1990, Einf zu §§ 398 ff., Rdnrn. 16, 18, 99 f.); denn als Verfügung ist die Abtretung auf Seiten des Altgläubigers darauf gerichtet, das bestehende Recht, die Forderung also, zu übertragen. Den Handlungen der Beklagten - Ermittlung des abgetretenen Betrages und seine Auszahlung - kommt dagegen keine konstitutive Bedeutung mehr zu; die Beklagte vollzieht lediglich nach, was die Parteien des Abtretungsvertrages bewirkt haben. Mithin können ihre Handlungen jedenfalls im Verhältnis zum Zessionar der Forderung nicht als Regelung gemäß § 31 SGB X qualifiziert werden. Demgemäß ist nach der Rechtsprechung des BSG in den Fällen, in denen zwischen Abtretungs- bzw. Pfändungsgläubigern einerseits und Sozialleistungsträgern andererseits über die Auszahlung von Sozialleistungen nach Abtretungen bzw. Pfändungen gestritten wird, die Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig (vgl. BSGE 53, 182, 183 f. = SozR 1200 § 54 Nr. 5; BSGE 64, 17, 19 = SozR 1200 § 54 Nr. 13; BSGE 67, 143, 145 = SozR 3-1200 § 52 Nr. 1 mwN; im Verhältnis zum Abtretungsgläubiger S. Urteil des Senats vom 22. Februar 1990 - 4 RA 19/89; vgl. dagegen aber auch BSGE 61, 100, 102 f. = SozR 1200 § 54 Nr. 11).
Nach § 53 Abs. 3 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die - wie hier das ARG (§ 25 Abs. 1, 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes [AVG]) des Beigeladenen zu 2) - der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind, u.a. übertragen (§ 398 BGB analog) werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. d.h., der Anspruch kann nur in der Höhe des jeweils pfändbaren Betrages wirksam abgetreten werden. Darüber hinausgehende Abtretungen sind unwirksam. Es obliegt insoweit dem jeweiligen Sozialleistungsträger, hier also der Beklagten als Schuldnerin des Geldleistungsanspruchs, in der über § 53 Abs. 3 SGB I gebotenen analogen Anwendung des § 850c Abs. 1 bis 3 ZPO, der in unmittelbarer Anwendung die Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen regelt, in Ausfüllung der - zulässigen -Blankettabtretung des Sozialleistungsanspruchs den jeweils pfändbaren Betrag zu ermitteln (ebenso BSGE 60, 87, 91 f. = SozR 1200 § 53 Nr. 6). Die Höhe des pfändbaren Betrages hängt gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO u.a. davon ab, ob der Schuldner (hier: Beigeladener zu 2) als Altgläubiger der abgetretenen Forderung) aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhaltsberechtigten Unterhalt gewährt.
Die Beklagte ist zunächst, ohne weitere Ermittlungen anzustellen, von einer derartigen Pflicht zur Unterhaltsgewährung des Beigeladenen zu 2) gegenüber seiner Ehefrau, der Klägerin, ausgegangen. Mangels entsprechender Anhaltspunkte war sie auch nicht verpflichtet, die Frage einer Unterhaltsberechtigung der Klägerin aufzuklären. § 53 Abs. 3 SGB I bezieht sich mit der von ihm vorgeschriebenen analogen Anwendung des § 850c ZPO insoweit auch auf die zivilprozeßrechtliche Verfahrensgestaltung; denn bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen darf der Drittschuldner, dem bekannt ist, daß der Schuldner verheiratet ist (oder minderjährige Kinder zu unterhalten hat), bei der Berechnung des pfändbaren Teils der Forderung aus Gründen der Rechtsklarheit und Praktikabilität von abstrakten Unterhaltspflichten ausgehen, d.h. eine entsprechende Zahl unterhaltsberechtigter Personen berücksichtigen, ohne daß er Nachforschungen über konkret bestehende Unterhaltspflichten anstellen muß (so ausdrücklich BAGE 53, 359, 366 = AP Nr. 8 zu § 850c ZPO; BAGE 42, 54, 59 = AP Nr. 4 zu § 850c ZPO). Bei der Abtretung von Sozialleistungen, bei denen es gemäß § 53 Abs. 3 SGB I i.V.m. § 850c ZPO analog ebenfalls auf die Ermittlung der pfändbaren Beträge ankommt, kann für den Sozialleistungsträger, der insoweit einem Drittschuldner vergleichbar ist, nichts anderes gelten. Ein konkreter Anlaß zur Ermittlung von Unterhaltspflichten bestand zunächst nicht. Die Klägerin hat gegen ihre Berücksichtigung als unterhaltsberechtigte Ehegattin anfangs keine Einwendungen erhoben.
Nachdem nunmehr sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 2) geltend gemacht haben, eine Unterhaltsverpflichtung des Beigeladenen zu 2) bestehe nicht, war von der Beklagten und ist im Streitfalle durch die Sozialgerichte zu prüfen, ob die Voraussetzung des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO - Unterhaltsgewährung aufgrund gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung an einen Ehegatten durch den Schuldner - erfüllt ist. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, erhöht sich der pfändbare Betrag des ARG. Ungeachtet der Interessenverknüpfung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2) kann, was weiterer Auslegung nicht bedarf, eine Erklärung der Eheleute allein keine Rechtsfolgen hinsichtlich der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO auslösen.
Da somit zunächst die Voraussetzungen des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO zu prüfen sind, kommt es auf den vom LSG in den Vordergrund gestellten Gesichtspunkt - Erlangung eines Titels und Pfändungs-und Überweisungsbeschlusses sowie danach die Antragstellung nach § 850c Abs. 4 ZPO - nicht an. Steht nämlich aufgrund der - vom LSG noch vorzunehmenden - Ermittlungen fest, daß die Klägerin keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann, den Beigeladenen zu 2) hat, wäre ein höherer pfändbarer Betrag gegeben, der in dieser Höhe auch abgetreten wäre. Wegen des Vorrangs der Abtretung gegenüber dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß der Beigeladenen zu 1) käme diese mangels pfändbarer Beträge nicht mehr zum Zuge. Bei der Prüfung dieser Frage wird das LSG zu beachten haben, daß die nach § 1360 Satz 1 BGB bestehende Unterhaltsverpflichtung eines Ehegatten nicht bereits deshalb entfällt, weil er weniger verdient als der andere Ehegatte (vgl. dazu BAGE 42, 54, 59 f. = AP Nr. 4 zu § 850c ZPO).
Aus dem Beschluß des AG Wetzlar gemäß § 850c Abs. 4 ZPO vom 4. November 1987 läßt sich eine gegenteilige Auffassung nicht ableiten. Nach der genannten Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers (hier: Beigeladene zu 1) nach billigem Ermessen bestimmen, daß eine Person (hier: Klägerin) bei der Berechnung des sich aus § 850c Abs. 1 bis 3 ZPO ergebenden unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt, wenn der Vollstreckungsschuldner (hier: Beigeladener zu 2) dieser Person aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, diese Person aber über eigenes Einkommen verfügt. § 850c Abs. 4 Satz 1 ZPO ermöglicht mithin eine Erweiterung des nach Abs. 1 bis 3 ZPO (an sich) unpfändbaren bzw. nicht abtretbaren Teils einer Forderung. Zutreffend hat das LSG hierzu ausgeführt, daß eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO nur für und gegen den Antragsteller wirkt, weil die Vorschrift eine Erstreckung auf konkurrierende Gläubiger von Amts wegen nicht vorsieht; nur an den Antragsteller (hier: Beigeladene zu 1) ist der für ihn pfändbar gewordene Mehrbetrag so lange auszuzahlen, bis ein im Rang vorgehender Gläubiger auf eigenen Antrag die Erweiterung auch für sich erwirkt (BAGE 46, 148, 151 = AP Nr. 6 zu § 850c ZPO mit Anm. Grunsky; BAGE 53, 359, 361 = AP Nr. 8 zu § 850c ZPO). Die Erstreckung der Pfändung auf an sich unpfändbare Teile der Forderung durch Beschluß gemäß § 850c Abs. 4 ZPO setzt aber voraus, daß diese Teile der Forderung einer Pfändung überhaupt noch zur Verfügung stehen. Das hängt vorliegend, wie ausgeführt, davon ab, ob eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Beigeladenen zu 2) gegenüber der Klägerin besteht.
Kommt das LSG danach zu dem Ergebnis, daß der Beigeladene zu 2) der Klägerin gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist und diesen auch gewährt, ist der - hier zumindest stillschweigend gestellte - Antrag der Klägerin gem § 850c Abs. 4 ZPO analog zu berücksichtigen. Hierüber haben die Sozialgerichte zu entscheiden.
Die entsprechende Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO auf den Abtretungsgläubiger (vgl. allgemein dazu Grunsky in Anm. zu AP Nr. 6 zu § 850c ZPO = BAGE 46, 148) mit der Folge der Zuerkennung des Antragsrechts jedenfalls bei Abtretungen im Rahmen des § 53 Abs. 3 SGB I ist geboten; denn der Abtretungsgläubigerin (Klägerin) verbleibt bei dieser Fallgestaltung nur diese rechtliche Möglichkeit, ihren - aufgrund der zeitlich früheren Abtretung gegenüber dem Anspruch der Beigeladenen zu 1) vorrangigen -Anspruch auf höheres ARG ohne Rangverlust durchzusetzen. Somit kann die Klägerin schon im Hinblick auf die Verpflichtung zu einer wirksamen Rechtsschutzgewährung (Art 19 Abs. 4 des Grundgesetzes [GG]) nicht auf die Erlangung eines Titels, der hier im übrigen in der Urkunde über die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO analog) vorhanden ist, sowie auf die Einholung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verwiesen werden. Diese Rechtsschutzmöglichkeit wäre im Verhältnis zur Pfändung der Beigeladenen zu 1) nicht rangwahrend. Die Klägerin kann darüber hinaus entgegen der Auffassung des LSG auch aus funktionellrechtlichen Gründen nicht auf die Geltendmachung ihres Anspruchs auf höheres ARG bei den Zivilgerichten verwiesen werden. Die hier streitige Forderung betrifft - wie dargelegt - eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte nicht gegeben ist, da sie gem § 51 Abs. 1 SGG in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fällt.
Während die Beklagte die Prüfung gemäß § 53 Abs. 3 SGB I, § 850c Abs. 1 bis 3 ZPO analog vorzunehmen hat, gehört die in analoger Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO mögliche Korrektur der Gesetzesausgestaltung im Einzelfall in die originäre Zuständigkeit der Gerichte. Dabei treten die Sozialgerichte im Hinblick auf die analoge Anwendung der genannten Vorschrift an die Stelle der Vollstreckungsgerichte. Sie haben somit aus Gründen der Rechtsklarheit und praktikablen Durchsetzung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen der Klägerin den danach gebotenen Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO zu gewähren. In diesem Verfahren kann im übrigen durch Beiladung des Sozialleistungsträgers die Rechtskraft der Entscheidung auch auf diesen erstreckt werden.
Der Senat kann als Revisionsinstanz die nach allem erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen. Der Rechtsstreit war daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.4 RA 80/90
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen