Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin zu 1. wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 21. August 1996 abgeändert. Die Berufung der Kläger zu 2. gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 1994 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Kläger zu 2. sowie der Beklagte haben als Gesamtschuldner der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Berufungs- und das Revisionsverfahren je zur Hälfte zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Kläger zu 2. sind Ärzte für Radiologie. Sie betreiben eine Gemeinschaftspraxis in Berlin-Spandau. Ab dem 3. August 1992 erbrachten sie Leistungen mit einem von ihnen Mitte 1991 erworbenen und installierten Computer-Tomographen (CT). Ihren im Jahre 1990 gestellten Antrag auf Erteilung einer Standortgenehmigung zum Betrieb eines CT lehnte die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) Berlin (Klägerin zu 1.) mit Bescheid vom 9. September 1992 nach vorheriger negativer Bedarfsentscheidung des früheren Großgeräteausschusses ab. Dagegen haben die Kläger zu 2. Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin erhoben.
Nach Inkrafttreten des § 85 Abs 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zum 1. Januar 1993 erteilte der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen (Beklagter) den Klägern zu 2. durch Bescheid vom 19. August 1993 eine vorläufige und bis zum 31. Dezember 1998 befristete Standortgenehmigung zum Betrieb eines CT. Er führte aus, die Genehmigung werde nach § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V erteilt, obwohl Leistungen mit dem vor dem 15. Mai 1992 erworbenen Gerät erst nach Ablauf des zweiten Quartals 1992 und damit nach dem in der Vorschrift genannten Zeitpunkt erbracht worden seien. Die Vorschrift sei dennoch im vorliegenden Falle anwendbar. Den Bescheid des Landesausschusses hat die Klägerin zu 1. vor dem SG insoweit angefochten, als eine Standortgenehmigung bis zum 30. September 1993 erteilt worden war.
Das SG hat beide Klagen verbunden und entsprechend dem Antrag der Klägerin zu 1. den Bescheid des beklagten Landesausschusses vom 19. August 1993 insoweit aufgehoben, als den Klägern zu 2. eine Standortgenehmigung für einen CT für die Zeit vor dem 1. Oktober 1993 erteilt worden ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V seien nicht erfüllt. Der Bescheid sei indessen in eine Genehmigung nach § 85 Abs 2a Satz 3 SGB V umzudeuten, mit der Folge, daß den Klägern zu 2. eine vorläufige Standortgenehmigung ab 1. Oktober 1993 zu erteilen gewesen sei. Die Klage der Kläger zu 2. auf eine – endgültige – Standortgenehmigung nach § 122 Abs 4 SGB V hat das SG zugleich abgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 1994).
Auf die Berufung der Kläger zu 2. hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage der Klägerin zu 1. abgewiesen, die auf Erhalt einer endgültigen Standortgenehmigung gerichtete Berufung hingegen zurückgewiesen (Urteil vom 21. August 1996). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Landesausschuß habe den Klägern zu 2. zu Recht eine Standortgenehmigung nach § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V erteilt, obgleich diese mit dem CT erstmals am 3. August 1992 Leistungen erbracht hätten. Gleichwohl stünde ihnen aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung der Anspruch nach Satz 2 aaO zu, denn sie hätten das Gerät schon Mitte 1991 erworben, aber zunächst die Rechtsentwicklung abgewartet. Bei wortlautgetreuer Anwendung der Sätze 2 und 3 des § 85 Abs 2a SGB V würden sie schlechter behandelt als solche Ärzte, die sich nicht gesetzestreu verhalten und das Großgerät sofort in Betrieb genommen hätten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin zu 1. geltend, die Voraussetzungen des § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V seien nicht erfüllt. Die Vorschrift sei nicht auslegungsfähig. Halte das erkennende Gericht die Vorschrift eines formellen Gesetzes bei wortlautgemäßer Anwendung für verfassungswidrig, bleibe ihm nur der Weg einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG). Nicht jedoch habe das LSG § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V gegen den eindeutigen Wortlaut anwenden und die dort festgelegte Frist eigenmächtig verlängern dürfen. Schließlich seien entgegen der Auffassung des LSG die Vorschriften der Sätze 2 und 3 des § 85 Abs 2a SGB V unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art 3 GG unbedenklich.
Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 21. August 1996 abzuändern und die Berufung der Kläger zu 2. in vollem Umfange zurückzuweisen.
Die Kläger zu 2. beantragen sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beklagte und die Kläger zu 2. schließen sich dem angefochtenen Urteil an.
Die übrigen Beteiligten haben sich zur Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der zu 1. klagenden KÄV ist zulässig. Insbesondere ist sie zur Führung des Rechtsmittels befugt, weil sie durch das angefochtene Urteil des LSG beschwert ist. Dies gilt schon deshalb, weil das LSG das der Klägerin zu 1. günstige Urteil des SG auf die Berufung der Kläger zu 2. abgeändert und die Klage der Klägerin zu 1. abgewiesen hat.
Die Revision der Klägerin zu 1. ist auch begründet. Sie führt zur Abänderung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des Urteils des SG.
Die von der Klägerin zu 1. gegen den Bescheid des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Zwar ist den KÄVen gegen die Bescheide des Landesausschusses, die gegenüber einem Vertragsarzt gemäß § 122 Abs 5 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) (aF) ergehen, anders als bei Entscheidungen der Zulassungsausschüsse gemäß § 96 Abs 4 Satz 1 SGB V nicht ausdrücklich ein selbständiges Anfechtungsrecht eingeräumt worden. Dessen bedurfte es jedoch nicht; denn die Anfechtungsberechtigung folgt aus der Verpflichtung der KÄVen zur Durchführung einer den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechenden vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V) und aus der Pflicht zur Verteilung der Gesamtvergütung unter die Vertragsärzte (§ 85 Abs 4 Satz 1 SGB V). In die durch diese Vorschriften begründete Rechtsstellung wird sowohl durch die Zuteilung eines Großgerätestandortes an einen Vertragsarzt gemäß § 122 Abs 4 und 5 SGB V aF als auch durch die Zuerkennung eines als abgestimmt iS des § 122 SGB V aF geltenden Großgerätes gemäß § 85 Abs 2a SGB V aF unmittelbar eingegriffen (zur vergleichbaren Konstellation bei Entscheidungen des Zulassungsausschusses: BSG SozR 3-2500 § 119 Nr 1 S 2; s auch BSGE 79, 97, 99 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1). Hieraus folgt die Berechtigung der KÄV, die Rechtswidrigkeit der insoweit dem Vertragsarzt erteilten Standortgenehmigung gerichtlich geltend zu machen.
Ein Anspruch der Kläger zu 2. auf Erteilung einer sog vorläufigen Standortgenehmigung für die Zeit vor dem 1. Oktober 1993 kann sich allein aus § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V aF ergeben. Zwar sind die Vorschriften über die Großgeräteplanung, mithin auch § 85 Abs 2a SGB V aF, durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl I 1520) mit Wirkung vom 1. Juli 1997 aufgehoben worden (Art 1 Nr 28 Buchst b iVm Art 19 Abs 6 des 2. GKV-NOG). Die Rechtmäßigkeit der den Klägern zu 2. für den genannten Zeitraum erteilten Standortgenehmigung beurteilt sich aber weiterhin nach § 85 Abs 2a SGB V aF. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift galten medizinisch-technische Großgeräte, die von Kassen- oder Vertragsärzten vor dem 15. Mai 1992 erworben wurden und mit denen diese bis zum Ablauf des 2. Quartals 1992 Leistungen erbracht hatten, bis zum 31. Dezember 1998 als abgestimmt iS des § 122 SGB V aF, wenn sie bis zum 31. März 1993 dem Großgeräteausschuß mit Nachweisen über Erwerb und Leistungserbringung gemeldet worden waren. Falls das nicht der Fall war, konnten nach Satz 3 der Vorschrift Ärzte, die bis zum 15. Mai 1992 die Nutzung eines Großgerätes angezeigt oder beantragt hatten, ohne Leistungen bis zum Ablauf des 2. Quartals 1992 nachweisen zu können, eine vorläufige Genehmigung gemäß Satz 2 erhalten, wenn ihnen nicht bis zum 30. September 1993 eine Mitnutzungsmöglichkeit nachgewiesen wurde und die Mitnutzung nicht bis zum 30. Juni 1994 durchgesetzt werden konnte.
Der Beklagte hat den Klägern zu 2. in dem angefochtenen Bescheid eine Genehmigung zum Betreiben eines CT auf der Grundlage des § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V aF erteilt. Obgleich der angefochtene Bescheid Zeitangaben insoweit nicht enthält, ist davon auszugehen, daß der Beklagte mit dem Hinweis auf § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V aF den Betrieb des CT schon ab dem 1. Januar 1993 hat genehmigen wollen.
Der Bescheid ist, wie das SG zu Recht entschieden hatte, insoweit rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V aF nicht erfüllt waren. Die Vorschrift setzte neben anderem voraus, daß mit dem vor dem 15. Mai 1992 erworbenen Großgerät bis zum Ablauf des 2. Quartals 1992 Leistungen erbracht worden waren. Dies war hier jedoch nicht der Fall; nach den nicht angegriffenen, daher den Senat bindenden Feststellungen des LSG haben die Kläger zu 2. Leistungen mit dem in Frage stehenden Großgerät, dem CT, erstmals am 3. August 1992, mithin nicht bis zum Ablauf des 2. Quartals 1992, erbracht.
Entgegen der Auffassung des LSG haben die Kläger zu 2. auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung einen Anspruch nach Satz 2 des § 85 Abs 2a SGB V aF gehabt.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V aF lassen sowohl vom Wortlaut her als auch im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang zu Satz 3 dieser Bestimmung eine erweiternde Auslegung nicht zu. Der Gesetzgeber des GSG wollte mit dieser von der Bedarfsabstimmung nach § 122 SGB V aF befreienden Regelung diejenigen Ärzte schützen, die, wenn auch vielfach gegen die ablehnenden Entscheidungen der zuständigen Körperschaften und Gremien, wegen der bis zum Senatsurteil vom 14. Mai 1992 (- 6 RKa 41/91 – BSGE 70, 285 = SozR 3-2500 § 122 Nr 3) als unsicher angesehenen Rechtslage Großgeräte erworben und betrieben hatten. Die Übergangsregelung des § 85 Abs 2a Satz 3 SGB V aF ist in das Gesetz ergänzend aufgenommen worden, um diejenigen Ärzte, die in der Vergangenheit den Entscheidungen der zuständigen Körperschaften oder Gremien folgend ein Großgerät nicht angeschafft hatten, ebenfalls in den Genuß einer bis zum 31. Dezember 1998 befristeten, bedarfsunabhängigen Standortgenehmigung kommen zu lassen. Allerdings hat der Gesetzgeber die grundsätzlichen Ausführungen des Senats im Urteil vom 14. Mai 1992 (aaO), wonach das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 GG es nur gebietet, bei nicht zum Standard des Fachgebiets gehörenden Großgeräteleistungen den Ärzten wenigstens die Mitnutzung eines genehmigt betriebenen Großgerätes zu ermöglichen, aufgegriffen und der Realisierung des Anspruchs auf eine vorläufige Standortgenehmigung für ein eigenes Gerät zunächst den Versuch des Nachweises einer Mitnutzungsmöglichkeit sowie den Versuch von deren Durchsetzung vorgeschaltet.
Die Sätze 2 und 3 des § 85 Abs 2a SGB V aF stellen somit ein geschlossenes System dar. Es sollte dazu dienen, alle Vertragsärzte, die bis zum 15. Mai 1992 entweder durch Erwerb oder durch Anzeige/Antrag auf Nutzung eines medizinisch-technischen Großgerätes erklärt hatten, ein derartiges Gerät im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung einsetzen zu wollen, bis zum 31. Dezember 1998 zu privilegieren und damit auch deren Überleitung in geordnete Verfahren der Bedarfsplanung nach § 122 SGB V aF zu sichern. Einer erweiternden Auslegung sind diese Bestimmungen auch nicht aus den vom LSG genannten Gründen zugänglich.
Auf einen möglichen Vertrauensschutz können sich die Kläger zu 2. im Verhältnis zu den Vertragsärzten, die die Voraussetzungen nach § 85 Abs 2a Satz 2 SGB V aF tatsächlich erfüllten, schon deshalb nicht berufen, weil allen Ärzten, die Großgeräte bereits erworben hatten oder deren Erwerb beabsichtigten, mit dem Senatsurteil vom 14. Mai 1992 (aaO) klar sein mußte, daß sie für den Einsatz dieses Gerätes in der vertragsärztlichen Versorgung einer Standortgenehmigung nach § 122 SGB V aF bedurften und die schließlich durch den Gesetzgeber des GSG zum 1. Januar 1993 gefaßten Übergangs- und Privilegierungsvorschriften der Sätze 2 und 3 des § 85 Abs 2a SGB V aF allenfalls erst spät im Gesetzgebungsverfahren absehbar wurden. Die Kläger zu 2. konnten daher bei der Inbetriebnahme ihres CT am 3. August 1992 weder mit der Regelung des Satzes 2 noch mit der Regelung des Satzes 3 des § 85 Abs 2a SGB V aF zum 1. Januar 1993 rechnen. Ein Vertrauen konnte sich bei ihnen insoweit nicht bilden.
Den vom Berufungsgericht schließlich angenommenen Verstoß der Regelungen des § 85 Abs 2a Sätze 2 und 3 SGB V aF gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG kann der Senat nicht erkennen. Vielmehr hat das Gesetz in § 85 Abs 2a Sätze 2 und 3 SGB V aF auf dem Hintergrund einer nach wie vor aufrechterhaltenen Großgerätebedarfsplanung nach § 122 SGB V aF sowie der jedem Vertragsarzt nach Art 12 Abs 1 GG grundsätzlich zuzumutenden Mitbenutzung eines von dritter Seite genehmigt betriebenen Großgerätes in sachgerechter Weise danach differenziert, ob der Vertragsarzt bis zum 15. Mai 1992 in seinen Bemühungen um die Erbringung von Großgeräteleistungen schon so weit vorangeschritten war, daß er das erworbene Gerät noch während des laufenden 2. Quartals und damit bis spätestens 30. Juni 1992 eingesetzt hatte oder die Erbringung von Großgeräteleistungen erst nach diesem Zeitpunkt realisiert werden konnte.
Im übrigen sind die Kläger zu 2. durch die Entscheidung des SG in den Genuß der Genehmigung nach § 85 Abs 2a Satz 3 SGB V aF ab 1. Oktober 1993 gekommen. Ob dies zu Recht geschah (vgl zu dem Erfordernis der persönlich-fachlichen Qualifikation zum Stichtag 15. Mai 1992 das Senatsurteil vom heutigen Tage – B 6 KA 44/96 R –), ist hier nicht zu befinden, denn Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Genehmigungszeitraum vom 1. Januar bis 30. September 1993.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen