Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte, Bevollmächtigter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Rentenanspruch des am 21. Februar 1984 verstorbenen F. M. (M.) für die Zeit ab 1. September 1979 zu verzinsen.
M. hatte bis Dezember 1978 in Polen gelebt. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland stellte er bei der Gemeinde W. am 23. Februar 1979 Antrag auf Rente unter Vorlage des Vertriebenenausweises und fünf Nachweisen über polnische Rente, die er dort seit dem 15. Dezember 1960 bezogen hatte. Aus dem Bescheid vom 5. Juli 1961 über die polnische Invalidenrente ging u.a. hervor, daß M. wegen einer Berufskrankheit in die 3. Invalidengruppe eingestuft worden war. M. hatte ferner sein Arbeitsbuch vorgelegt und sämtliche Beschäftigungen angegeben (ua vom 23. Mai 1946 bis 15. Januar 1962 als Hüttenarbeiter in der Hütte M. ). Nach den Angaben des vom Sozialgericht (SG) am 12. November 1986 gehörten Zeugen P., in dessen Begleitung sich M. befand, ist der aufnehmende Gemeindebeamte auf die Berufskrankheit als Grund für die Berentung in Polen hingewiesen worden. Der Rentenantrag wurde von der Gemeinde W. an die beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) weitergeleitet, die M. ab 1. Januar 1979 Altersruhegeld gewährte.
Die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) erfuhr erst am 2. September 1982 durch die von der Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft übersandte Anzeige des Facharztes für Lungenkrankheiten Dr. W. von der Berufskrankheit und dem Rentenantrag des M. Sie stellte daraufhin versicherungsrechtliche und medizinische Ermittlungen an und gewährte der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des M. mit Bescheid vom 12. September 1984 Rente wegen einer Berufskrankheit (Quarzstaublungenerkrankung) vom 1. Oktober 1982 bis 29. Februar 1984. Das Begehren der Klägerin, den Rentenbeginn auf den 1. Januar 1979 vorzuverlegen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1985 zurück, da insoweit auf den Zeitpunkt der Anspruchsanmeldung bei der zuständigen BG abzustellen sei. Dies sei der 11. Oktober 1982, der Tag, an dem der ausgefüllte Fragebogen bei der Beklagten eingegangen sei (§ 1546 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Diesen Standpunkt gab die Beklagte im anschließenden Verfahren vor dem SG jedoch auf und erkannte den Rentenanspruch des M. im Hinblick auf den bei der Gemeinde W. gestellten Antrag ab 1. Januar 1979 an (Bescheid vom 15. Juli 1987). Die Auszahlung der rückständigen Rente erfolgte im August 1987.
Streitig blieb der während des sozialgerichtlichen Verfahrens ergangene Bescheid vom 16. September 1987 über die Zinsen. Die Beklagte vertrat die Ansicht, die Verzinsung beginne nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe des aufgehobenen Bescheides vom 12. September 1984, also am 1. November 1984 (§ 44 Abs. 2 2. Halbs des Sozialgesetzbuches/Allgemeiner Teil -SGB I-); den bei der Gemeinde W. im Februar 1979 gestellten Antrag müsse sie bezüglich der Verzinsung nicht gegen sich gelten lassen. Mit Urteil vom 12. April 1988 hat das SG den Zinsbescheid geändert und die Beklagte verurteilt, die Rente ab 1. September 1979 zu verzinsen (§ 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I).
Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 18. Mai 1989). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, Anspruchsgrundlage sei § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I, weil der bei der Gemeinde W. im Februar 1979 gestellte Rentenantrag maßgeblich sei. Dieser sei - insbesondere im Hinblick auf die von M. vorgelegten Unterlagen - vollständig und i.S. von § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I auch wirksam gewesen. Dem stehe nicht entgegen, daß der Antrag bei einer unzuständigen Behörde gestellt worden und erst verspätet bei der Beklagten eingegangen sei. Denn insoweit greife die allgemeine Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I, wonach der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt gilt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen sei. Dazu gehörten auch die Gemeinden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 44 Abs. 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I. Es fehle bereits an einem "vollständigen" Leistungsantrag i.S. des § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I, weil nähere Angaben zur Berufskrankheit notwendig gewesen wären. Vor allem aber könne auf das gesetzliche Merkmal des Eingangs beim "zuständigen" Leistungsträger nicht verzichtet werden. Insoweit greife auch die Fiktion des § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I nicht. Diese Vorschrift erfasse vielmehr nur die Grundleistungen, hinsichtlich derer dem Versicherten keine Nachteile durch eine Antragstellung beim unzuständigen Versicherungsträger entstehen sollen. Bezüglich der Nebenleistung (Zinsen) komme es dagegen auf das Verhalten des zuständigen Leistungsträgers an. Es wäre unbillig, diesen mit Zinsen zu belasten, die er - mangels Kenntnis des Antrags - nicht zu vertreten habe.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 1989 sowie das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. April 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision der Beklagten zurückzuweisen. |
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das LSG die Beklagte zur Zahlung von Zinsen bereits ab dem 1. September 1979 verurteilt.
Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit (hier: 1. Januar 1979) bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen (§ 44 Abs. 1 SGB I). Nach § 44 Abs. 2 SGB I beginnt die Verzinsung allerdings frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die erste Alternative des § 44 Abs. 2 SGB I, weil die Beklagte den am 23. Februar 1979 bei der Gemeinde W. gestellten Antrag gegen sich gelten lassen muß. Die zweite Alternative der genannten Vorschrift kann selbst nach der im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 25. Januar 1985 niedergelegten Auffassung keine Anwendung finden. Danach ist die Rente nicht von Amts wegen (§ 1545 Abs. 1 Nr. 1 RVO), sondern nach § 1546 Abs. 1 RVO aufgrund der am 11. Oktober 1982 bei der Beklagten eingegangenen Anmeldung des Anspruchs festgestellt worden. Von einem "fehlenden" Antrag kann daher nicht gesprochen werden (vgl. hierzu BSG SozR 1200 § 44 Nr. 7, wonach selbst ein "an sich nicht erforderlicher" Leistungsantrag die Verzinsungspflicht nach § 44 Abs. 2 1. Alternative SGB I auslöst). Insofern liegt vielmehr ein Widerspruch zu dem Inhalt des Zinsbescheides vom 16. September 1987 vor, der den Eingang des Rentenantrags bei der Beklagten nicht berücksichtigt.
Streit besteht indessen im wesentlichen darüber, ob der bei der Gemeinde Warthausen am 23. Februar 1979 gestellte Rentenantrag als maßgeblicher Leistungsantrag i.S. von § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I anzusehen ist. Die insoweit entscheidenden Tatbestandserfordernisse der Vollständigkeit des Antrags einerseits und des Eingangs beim zuständigen Leistungsträger andererseits sind im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten erfüllt.
Dem Erfordernis des vollständigen Leistungsantrags steht nicht entgegen, daß M. nicht ausdrücklich Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung beantragt hatte. Das Bundessozialgericht (BSG) hat seit jeher keine strengen Anforderungen an die Erklärungen gestellt, durch die jemand Sozialleistungen ganz allgemein oder eine bestimmte Sozialleistung begehrt. Nach dem Zweck des Antrags muß für die Verwaltungsbehörde lediglich erkennbar sein, welche Leistungen der Antragsteller begehrt, selbst wenn der Inhalt seines Antrags erst durch ein weiteres Verhandeln mit ihm nachträglich geklärt oder ergänzt wird (so grundlegend BSGE 7, 118, 120). Mit einem Leistungsbegehren macht der Versicherte im Zweifel alle Ansprüche geltend, die ihm aus einem bestimmten Sachverhalt zustehen, wobei der Versicherungsträger zu umfassender Prüfung der in Betracht kommenden Ansprüche und zum Hinweis auf klar erkennbare und zweckmäßige Gestaltungsmöglichkeiten verpflichtet ist (vgl. u.a. BSGE 36, 120). Diese Rechtsprechung hat in § 16 Abs. 3 SGB I ihren Niederschlag gefunden. Danach sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Aus dieser Vorschrift und aus der darüber hinaus bestehenden Verpflichtung der in § 16 Abs. 1 SGB I genannten Stellen, Anträge unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten (§ 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I), folgt weiter, daß einem vollständigen Leistungsantrag auch nicht entgegengehalten werden kann, er sei doch nicht "vollständig" i.S. des § 44 Abs. 2 SGB I, weil er bei einer unzuständigen Behörde gestellt worden sei (so im Ergebnis auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl. S. 232s; aA wohl Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl., RdNr 5 zu § 44 SGB I).
Den Angaben des M. war auch zu entnehmen, daß sein Rentenbegehren nicht nur auf die Gewährung einer Altersrente, sondern auch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtet war. Nach den für den Senat bindenden und von der Revision nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ging aus den bei der Gemeinde W. vorgelegten Unterlagen und den Angaben des Zeugen P. hervor, daß bei M. in Polen eine Silikose als Berufskrankheit anerkannt war, und er deshalb eine Invalidenrente bezog. M. hatte sein Arbeitsbuch vorgelegt und sämtliche Beschäftigungen angegeben, insbesondere auch die als Hüttenarbeiter in der Zeit von 1946 bis 1962. Für den aufnehmenden Gemeindebeamten lagen daher objektiv hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß M. auch Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machen wollte. Diesbezügliche Zweifel wären jedenfalls durch entsprechende Rückfragen ohne weiteres ausräumbar gewesen. Zutreffend hat das LSG in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Beklagte auch im späteren Verwaltungsverfahren keine weiteren Angaben des M. benötigte, um dessen Antrag bearbeiten zu können. Den von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Kriterien zu den Anforderungen, die an die Mitwirkungspflichten des Antragstellers nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu stellen sind (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16), ist damit Genüge getan. Dies wird von der Beklagten letztlich auch nicht in Abrede gestellt, wie sich aus ihrem Anerkenntnis vor dem SG zum Rentenbeginn ergibt. Einer - wie die Revision meint - "sehr großzügigen Auslegung und Anwendung des § 16 Abs. 2 SGB I" hat es im vorliegenden Fall keineswegs bedurft.
Auch für den Beginn der Verzinsung ist der Antrag vom Februar 1979 zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus der Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 im Rahmen des § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I, wonach der - fristgebundene - Antrag auf eine Sozialleistung als zu dem Zeitpunkt gestellt gilt, in dem er bei einer der in § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I genannten Stellen (hier: Gemeinde) eingegangen ist. Der im Schrifttum hierzu vertretenen gegenteiligen Meinung, § 16 Abs. 2 SGB I betreffe nur die Hauptleistung (Rente), nicht aber die akzessorische Nebenleistung (Zinsen), kann nicht zugestimmt werden. Sie wird weder von dem Sinn der Regelung noch von den ihr zugrunde liegenden Gesetzgebungsmotiven getragen.
Die Gesamtregelung des § 16 SGB I beruht auf dem Gedanken, daß der einzelne mit seinem Begehren nach Sozialleistungen nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der gegliederten Sozialverwaltung scheitern darf (vgl. Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil -, BT-Drucks 7/868 S. 25). Im Inland können Sozialleistungen daher bei jedem Leistungsträger, der in einem der im Sozialgesetzbuch geregelten Bereiche Sozialleistungen erbringt, sowie bei allen Gemeinden beantragt werden. Dies folgt aus dem Prinzip der Einheit der staatlichen Sozialverwaltung und der Überlegung, den Bürger vor der Schwierigkeit, sich im Zuständigkeitskatalog der einzelnen Sozialversicherungsträger zurechtzufinden, zu entlasten (BSG SozR 1200 § 16 Nr. 8). Deshalb soll auch der Eingang eines Antrags bei einem unzuständigen Leistungsträger oder bei einer Gemeinde zur Fristwahrung genügen. Daß diese in § 16 SGB I enthaltenen Grundsätze bezüglich der Zinsen nicht gelten sollen, kann nicht überzeugen (ebenso BMA Schreiben vom 18. Oktober 1978 - IVa1-4001 (7.1. B) - 44/2 = RdSchr des Hauptverbandes der gewerblichen BG'en VB 178/78 vom 16. November 1978). Soweit die Revision ihre Ansicht auf den Wortlaut des § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I stützt, wonach der Eingang des Antrags beim "zuständigen" Leistungsträger maßgeblich ist, würde die wörtliche Interpretation auf einen Normwiderspruch innerhalb desselben Gesetzes hinauslaufen, wenn nicht gewichtige Gründe für einen Ausschluß des § 16 Abs. 2 SGB I sprächen. Solche gewichtigen Gründe liegen indessen nicht vor.
Aus dem Charakter der Zinsen als einer akzessorischen Nebenleistung ist ein solcher Schluß nicht gerechtfertigt; denn bei den Zinsen für rückständige Sozialleistungen handelt es sich keineswegs um unbedeutende Geldleistungen. Im Gegenteil: Gerade wegen der bedeutenden wirtschaftlichen Nachteile, die Leistungsberechtigte nach altem Recht hinzunehmen hatten, wurde die Verzinsung eingeführt. So heißt es hierzu in der Begründung des Entwurfs zum SGB I: Werden Sozialleistungen "verspätet gezahlt, sind oft Kreditaufnahmen, die Auflösung von Ersparnissen oder die Einschränkung der Lebensführung notwendig" (BT-Drucks a.a.O. S. 30). Auch das von Hauck/Haines (Sozialgesetzbuch - SGB I - Rz 7 zu § 44) vorgetragene Argument, § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I finde im Rahmen des § 44 Abs. 2 SGB I keine Anwendung, weil sich die Fiktion des § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I lediglich auf einen Zeitpunkt beziehe, überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, daß Satz 2 keine weiteren Voraussetzungen als die Einhaltung eines Zeitablaufs fingiert. Gerade darauf kommt es bei der hier zu entscheidenden Frage aber an. Es geht darum, ob der Eingang eines vollständigen Leistungsantrags bei einem unzuständigen Leistungsträger die Wirkungen eines bei dem zuständigen Leistungsträger eingegangenen Antrags erzeugt, und zwar in bezug auf den Zeitpunkt des Eingangs, mit dem die Sechs-Monatsfrist des § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I zu laufen beginnt.
Der weitere Gesichtspunkt, daß dem zuständigen Leistungsträger die Bearbeitungszeit von sechs Monaten auf jeden Fall erhalten bleiben müsse, greift ebenfalls nicht durch. Diese auch von Brackmann (a.a.O. S. 742e), Burdenski (in Burdenski/von Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB I, 2. Aufl., RdNr 8 zu § 44), von Einem (WzS 1989, 321, 326) und wohl auch von Maier (MittLVA Oberfr 1984, 511, 520) vertretene Ansicht wird den Gesetzgebungsmotiven nicht gerecht. Danach stellt § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I "für Leistungen, die nach zwischenstaatlichen Rechtsvorschriften berechnet werden, klar, daß es für die Berechnung der Sechs-Monatsfrist auf den Eingang des Leistungsantrags beim zuständigen deutschen Leistungsträger ankommt" (BT-Drucks a.a.O.). Aus dieser Formulierung kann nicht geschlossen werden, es komme stets - also auch bei Inlandsfällen - auf den Eingang beim zuständigen Leistungsträger an. Die Beschränkung des Hinweises auf ausländische Sozialleistungsträger hätte sich im Gegenteil erübrigt, wenn sich der Hinweis auch auf Inlandsfälle beziehen sollte (so im Ergebnis auch BMA Schreiben vom 18. Oktober 1978 a.a.O.). Für die Meinung, dem zuständigen Leistungsträger dürfe die sechsmonatige Bearbeitungszeit unter keinen Umständen verkürzt werden, kann schließlich nicht angeführt werden, der Gesetzgeber habe eine verschuldensunabhängige Durchschnittsfrist eingeführt. Verschuldensunabhängig bedeutet lediglich, daß nicht zu prüfen ist, auf welchen verwaltungsinternen Umständen die Verzögerung bis zur Leistungsgewährung beruht (vgl. BT-Drucks a.a.O.: "Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und zur Vermeidung von Regreßansprüchen wird die Verzinsung nicht von einem Verschulden, sondern ausschließlich vom Zeitablauf abhängig gemacht"). Kommt es aber auf ein etwaiges Verschulden nicht an, kann der zuständige Leistungsträger den Beginn der Verzinsung auch nicht mit der Begründung hinausschieben, er habe die Bearbeitung des vollständigen Leistungsantrags erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen können. Wollte man dem zuständigen Leistungsträger dagegen stets eine sechsmonatige Bearbeitungsfrist einräumen, so würde man auf diese Weise den in § 16 Abs. 2 SGB I enthaltenen Schutzgedanken beseitigen und den Anspruchsberechtigten auf entsprechende Forderungen unter dem Gesichtspunkt des Herstellungsanspruchs verweisen. Ein solcher Regelungsinhalt kann § 44 Abs. 2 1. Halbs SGB I jedoch nicht entnommen werden.
Diesem Ergebnis steht das Urteil des 4. Senats des BSG vom 1. März 1984 (SozR 1200 § 44 Nr. 11) nicht entgegen. Soweit in jener Entscheidung ausgeführt wurde, der Sozialleistungsträger solle nicht mit den typischen Verzugsfolgen der Zinszahlung belastet werden, wenn er nicht in der Lage ist, einem Leistungsantrag zu entsprechen, "sei es, daß der Antrag nicht ihm, sondern einem unzuständigen Leistungsträger vorliegt, sei es, daß der dem Leistungsträger bekannte Sachverhalt die Bewilligung der Leistung noch nicht erlaubt", so handelte es sich bei diesen Ausführungen bezüglich des ersten Beispiels um ein obiter dictum; denn die Entscheidung hing in jenem Fall allein von der Frage ab, ob der bei dem zuständigen Leistungsträger eingegangene Antrag vollständig war. Das Urteil des 4a-Senats vom 18. Dezember 1986 (SozR 1200 § 44 Nr. 16) spricht für die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.2 RU 41/89
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen