Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. Einkommensbegriff. Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege. Motivationszuwendung für die Teilnahme an einem Arbeitstraining. Begriff und Aufgaben der Wohlfahrtspflege. Begriff der Zuwendung
Leitsatz (amtlich)
1. Motivationszuwendungen (in Höhe von 1,60 Euro pro Stunde) eines Mitglieds des Paritätischen Wohlfahrtsverbands für die Teilnahme an einem Arbeitstraining bleiben bei der Bewilligung von Sozialhilfe als Einkommen unberücksichtigt.
2. Zu dem Begriff und den Aufgaben der freien Wohlfahrtspflege.
Normenkette
SGB XII § 19 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2003-12-27, § 41 Fassung: 2006-12-02, § 82 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2006-12-02, § 84 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, § 5 Abs. 1-4; AO § 66 Abs. 2 S. 1; AO 1977 § 66 Abs. 2 S. 1; AO § 66 Abs. 2 S. 2; AO 1977 § 66 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. März 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Im Streit sind (nur noch) weitere 8,56 Euro Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.7. bis 31.7.2007.
Der 1968 geborene und wegen einer seelischen Erkrankung dauerhaft erwerbsgeminderte Kläger lebt mit seinem Lebenspartner in einer Mietwohnung in B Seit 2006 bezieht er Grundsicherungsleistungen; ab 21.8.2006 nahm er an einem Arbeitstraining für psychisch Kranke der H gGmbH (H) teil. Die Firma H ist als Integrationsunternehmen für behinderte Menschen Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Für die Teilnahme am Arbeitstraining zahlte sie eine "Motivationszuwendung", deren Höhe von der Anwesenheit beim Arbeitstraining abhängig war und 1,60 Euro stündlich betrug. Der Beklagte bewilligte nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.5.2008 Grundsicherungsleistungen zunächst unter Zugrundelegung eines prognostischen Einkommens in Höhe von 60 Euro monatlich (Bescheide vom 22.5.2007, 26.7.2007, 24.9.2007; Widerspruchsbescheid nach Anhörung sozial erfahrener Dritter vom 6.11.2007), später - abhängig von der Vorlage entsprechender Bescheinigungen der H unter Zugrundelegung konkreter Zahlungen (Bescheide vom 12.11.2007, 15.11.2007, 4.3.2008, 11.3.2008); im streitbefangenen Monat blieb es bei dem (fiktiven) Einkommen von 60 Euro (zuletzt Bescheid vom 15.11.2007). Bei ihrer Berechnung setzte die Beklagte für Arbeitsmittel 5,20 Euro sowie 1/8 des Eckregelsatzes (43,13 Euro) zuzüglich 25 vH der diesen Betrag übersteigenden Einnahmen entsprechend der Regelung des § 82 Abs 3 Satz 2 SGB XII ab, sodass ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 8,56 Euro verblieb.
Die auf höhere Leistungen (ohne Einkommensberücksichtigung) gerichtete Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Münster vom 27.7.2009; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 31.3.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, bei der Motivationszuwendung handele es sich um Einkommen nach § 82 SGB XII. Sie sei mangels Zielsetzung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften auch keine zweckbestimmte Leistung iS von § 83 Abs 1 SGB XII. Da die Zahlung der Motivationszuwendung als Gegenleistung die Anwesenheit beim Arbeitstraining voraussetze und somit nicht vorbehaltlos und im Vorhinein erfolge, handele es sich ebensowenig um eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege. Dagegen sprächen auch systematische Gründe. Das Entgelt aus einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) werde nach § 82 Abs 3 Satz 2 SGB XII - wenn auch in der Höhe deutlich privilegiert - ebenfalls als Einkommen berücksichtigt. Dies spreche dafür, die hier streitige Motivationszuwendung nicht anders, jedenfalls aber nicht besser zu behandeln.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 84 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Die Motivationszulage müsse als Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege außer Betracht bleiben. Es handele sich um eine freiwillige Leistung, weil sie nicht in einem synallagmatischen Austauschverhältnis zu einer Arbeit stehe; sie solle nur sein Erscheinen und seine Anwesenheit belohnen und diene danach allein einem ethisch und moralisch übergeordneten Ziel, nämlich der schrittweisen Reintegration des Bedachten in die Gesellschaft. Ein Vergleich mit einer WfbM verbiete sich.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und ihm unter Änderung des Bescheids vom 15.11.2007 für die Zeit vom 1. bis 31.7.2007 weitere 8,56 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 278 Abs 6 Zivilprozessordnung in einem Teilvergleich den Streitgegenstand auf die Zeit vom 1. bis 31.7.2007 beschränkt und sich hinsichtlich des übrigen Zeitraums der rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren unterworfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht beurteilen, ob für die streitbefangene Zeit (Juli 2007) eine um 8,56 Euro höhere Leistung zu erbringen ist, weil schon Ausführungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers und seines Lebenspartners fehlen. Die Motivationszuwendung ist allerdings nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Gegenstand des Verfahrens ist nach Abschluss des Teilvergleichs (zur Beschränkung des Streitgegenstands durch Teilvergleich BSG, Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R -, SozR 4-3500 § 28 Nr 8 RdNr 12 f mwN) nur noch der Bescheid vom 15.11.2007, soweit damit Leistungen in Höhe von 503,24 Euro unter Zugrundelegung fiktiver (prognostischer) Einnahmen in Höhe von 60 Euro und einer Einkommensanrechnung von 8,56 Euro bewilligt wurden. Dieser Bescheid, der den ursprünglichen Bescheid vom 22.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.11.2007 - soweit es den streitbefangenen Zeitraum betrifft - ersetzt und erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - ≪SGB X≫), erging nach Erlass des Widerspruchsbescheids, aber vor Erhebung der Klage am 4.12.2007. In diesen Fällen wird der Bescheid nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage (Änderung des § 96 SGG durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 - BGBl I 444) gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens und ist mit der Klage wirksam angefochten und damit Gegenstand des gerichtlichen Klageverfahrens (BSG SozR 1500 § 86 Nr 1 S 2; BSG SozR 3-4100 § 157 Nr 1 S 8). Seit 1.4.2008 ergibt sich dieselbe Rechtsfolge aus § 96 SGG nF. Gegen diesen Bescheid wehrt sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG).
Die Stadt B ist die richtige Beklagte iS des § 70 Nr 1 SGG; sie hat als örtlich und sachlich zuständiger Träger der Sozialhilfe gehandelt (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 SGB XII, §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen ≪NRW≫ vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt ≪GVBl≫ NRW 816 - und der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom 16.12.2004 - GVBl NRW 817). Die Beteiligtenfähigkeit von Behörden in NRW ist seit dem 1.1.2011 mit dem Inkrafttreten des Justizgesetzes NRW vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) entfallen (zu dem hierdurch erfolgten Beteiligtenwechsel BSG SozR 4-3500 § 29 Nr 2 RdNr 11).
Ob der Kläger einen Anspruch auf die verlangten höheren Leistungen im Monat Juli 2007 hatte, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um einen Höhenstreit, bei dem Grund und Höhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang zu überprüfen sind (stRspr; vgl: BSGE 95, 8 ff RdNr 6 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1; BSGE 95, 191 ff RdNr 13 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2; BSGE 108, 123 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7; BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 3 RdNr 9). Die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides misst sich dabei allein an § 19 Abs 2 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) iVm §§ 41 ff SGB XII. Die einschränkenden Regelungen der §§ 45, 48 SGB X kommen dabei nicht zur Anwendung, weil die Leistungshöhe im Bescheid vom 15.11.2007 gegenüber dem früheren, den streitbefangenen Zeitraum betreffenden erledigten Bescheid nicht geringer ist.
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist nach § 19 Abs 2 SGB XII iVm §§ 41 ff SGB XII auf Antrag ua Personen zu leisten, die - wie der Kläger - dauerhaft erwerbsgemindert sind und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen (nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII) bestreiten können. Dabei sind gemäß § 43 Abs 1 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 - BGBI I 818) Einkommen und Vermögen auch des nicht getrennt lebenden Lebenspartners, die dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteigen, zu berücksichtigen. Feststellungen zu den Einkommens- und den Vermögensverhältnissen des Klägers bzw seines Lebenspartners, die Voraussetzung für die Prüfung der Bedürftigkeit des Klägers sind, fehlen gänzlich. Soweit es den streitbefangenen Zeitraum betrifft, ist dem Urteil des LSG noch nicht einmal zu entnehmen, ob dem Kläger Leistungen der H tatsächlich und ggf in welcher Höhe zugeflossen sind, weil das LSG in Anlehnung an die Berechnung der Beklagten für diesen Monat zu Unrecht fiktive (prognostische) Einnahmen in Höhe von 60 Euro berücksichtigt hat. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben.
Die Motivationszuwendung ist zwar Einkommen iS des § 82 SGB XII; dieses Einkommen bleibt aber als Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege gemäß § 84 Abs 1 SGB XII bei der Bemessung der Leistung außer Betracht, weil es die Lage des Klägers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre. Einkommen sind nach § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII alle Einnahmen in Geld und Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Zu den vom Begriff des Einkommens umfassten Einnahmen in Geld gehören, soweit sie nicht in § 82 Abs 1 SGB XII ausdrücklich ausgenommen sind - wie hier - alle Zuflüsse von Zahlungsmitteln (vgl nur Schmidt in juris PraxisKommentar ≪jurisPK≫ SGB XII, § 82 SGB XII RdNr 18 mwN), gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung - hier "Motivationszuwendung" - oder in welcher Form sie geleistet werden. Für die Frage, ob Einkommen vorliegt, spielt es daher (zunächst) keine Rolle, welcher Art die Einkünfte sind, aus welcher Quelle sie stammen und aus welchem Grunde sie geleistet werden, ob sie einmalig oder laufend, regelmäßig oder unregelmäßig erzielt werden (Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 82 RdNr 9, Stand Juni 2008). Unerheblich ist es deshalb auch, ob die Einnahmen zu den Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes gehören und der Steuerpflicht unterliegen (§ 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII ≪VO zu § 82 SGB XII≫). Die dem Kläger geleistete Motivationszuwendung ist danach als Zufluss von Zahlungsmitteln Einkommen und unterfällt nicht den in § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII genannten Ausnahmen.
Sie ist aber eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege nach § 84 Abs 1 Satz 1 SGB XII, die als Einkommen außer Betracht bleibt. Die H, deren Träger der Förderverein F eV R ist, ist der freien Wohlfahrtspflege zuzurechnen. Das SGB XII enthält weder in § 84 SGB XII noch in § 5 SGB XII (Verhältnis zur freien Wohlfahrtspflege) eine Definition der Freien Wohlfahrtspflege. Die freie Wohlfahrtspflege unterstützt die Sozialhilfeträger durch private Organisationen (nicht als beliehene Träger öffentlicher Verwaltung; BVerfGE 22, 180 ff) bei ihren Aufgaben nach dem SGB XII angemessen, ist in der Gestaltung ihrer Arbeit aber völlig frei (vgl auch § 5 SGB XII). Unter Wohlfahrtspflege ist deshalb eine planmäßige, ohne Gewinnerzielungsabsicht und zum Wohle der Allgemeinheit neben dem Staat und öffentlichen Trägern ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Betreuung und/oder Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete, notleidende oder sonst sozial benachteiligte Personen, die auch über die Ziele einer bloßen Selbsthilfeorganisation hinausgeht, zu verstehen (BSGE 15, 116, 117; 15, 190, 191; 18, 133, 134; Piepenstock in jurisPK-SGB XII, § 5 SGB XII RdNr 22). Dieses Begriffsverständnis entspricht der Regelung des § 66 Abs 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO), wonach Wohlfahrtspflege "die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen" ist. Die Sorge kann sich nach § 66 Abs 2 Satz 2 AO auf das gesundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken.
So liegt der Fall hier, weil die H als Integrationsunternehmen für behinderte Menschen das Arbeitstraining nicht zur Gewinnerzielung oder zur Erzielung produktiver Arbeitsergebnisse, sondern zur Rehabilitation behinderter Menschen sowie zu therapeutischen und sozialen Zwecken einsetzt. Ob nur die in der Liga der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände (Caritasverband, Diakonisches Werk, die Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) erfasst sind (W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 5 SGB XII RdNr 16; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 84 SGB XII RdNr 14 ff, Stand Oktober 2007) oder ob auch andere gemeinnützige und freie Einrichtungen und Organisationen (etwa Selbsthilfeverbände, Geschädigtenverbände) hinzuzurechnen sind (Piepenstock aaO; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl 2012, § 5 SGB XII RdNr 7; Münder in Lehr- und Praxiskommentar ≪LPK≫ SGB XII, 9. Aufl 2012, § 5 RdNr 8; BSGE 58, 210, 212 = SozR 2200 § 539 Nr 111), kann dahinstehen, weil die H Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist.
Die an den Kläger im Zusammenhang mit dem Arbeitstraining geleisteten Zahlungen sind auch Zuwendungen iS des § 84 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Eine Zuwendung liegt vor, wenn sie in Ergänzung zu den Leistungen der Sozialhilfe zum Wohle des Leistungsberechtigten und nicht als Gegenleistung im Zusammenhang mit einem Austauschvertrag im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung gegenseitiger Verpflichtungen - etwa einem Arbeitsvertrag (vgl auch die Beispiele von Adolph in Linhart/Adolph, aaO, § 84 SGB XII RdNr 17, Stand Oktober 2007) - erbracht wird (vgl auch Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 84 SGB XII RdNr 7; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 84 SGB XII RdNr 5; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl 2012, § 84 SGB XII RdNr 5; Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 84 SGB XII RdNr 11, Stand September 2007; von Koppenfels-Spies in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 84 SGB XII RdNr 2). Der Begriff der Zuwendung orientiert sich an den Aufgaben der Verbände der freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben (§ 5 Abs 1 SGB XII), denen § 5 SGB XII eine besondere Stellung zubilligt, und steht mit § 5 SGB XII in einer engen Wechselwirkung. Die Träger der Sozialhilfe sollen mit ihnen zusammenarbeiten und auf Selbstständigkeit und Zielsetzung der Aufgabendurchführung achten (§ 5 Abs 2 SGB XII). Die Zusammenarbeit soll darauf gerichtet sein, dass sich die Sozialhilfe und die Tätigkeit der freien Wohlfahrtspflege zum Wohle des Leistungsberechtigten wirksam ergänzen, und die Sozialhilfeträger sollen die freie Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe angemessen unterstützen (§ 5 Abs 3 SGB XII). Ob die Leistung "freiwillig" erbracht wird oder den jeweiligen Träger der freien Wohlfahrt eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung zur Erbringung der Leistung trifft, ist für das Tatbestandsmerkmal der Zuwendung in § 84 Abs 1 SGB XII ohne Bedeutung. Dies zeigt schon der Wortlaut von § 84 Abs 2 SGB XII, der seinerseits von Zuwendungen spricht, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, mithin selbst statuiert, dass Zuwendungen iS von § 84 SGB XII auch (Geld-)Leistungen sein können, die auf einer rechtlichen Verpflichtung beruhen.
Die Zahlungen des Integrationsunternehmens waren nach dem aufgezeigten Begriffsverständnis der Zuwendung iS von § 84 Abs 1 SGB XII Vermögensmehrungen im Rahmen der Aufgaben der freien Wohlfahrtspflege. Sie sollten nur einen Anreiz zur Selbsthilfe durch Teilnahme am Arbeitstraining schaffen und waren deshalb keine "Vergütung", sondern Teil der durch die H in Ergänzung zu den Leistungen der Sozialhilfe erbrachten "Rehabilitationsleistung". Weder dienten sie (auch) eigennützigen Zwecken (etwa einer Gewinnerzielungsabsicht), noch stellten sie eine vertraglich vereinbarte "Gegenleistung" für eine verrichtete Tätigkeit dar. Dabei ist es für die Beurteilung als Zuwendung ohne Bedeutung, dass ihre Höhe von der Anwesenheitsdauer abhängig war, weil es dem Kläger freistand, am Arbeitstraining teilzunehmen und die Anwesenheitsstunden nur den Maßstab für die zu belohnende Ausdauer des Rehabilitanden bildeten, um gleichzeitig einen Anreiz zu setzen, das Arbeitstraining im eigenen Interesse fortzusetzen.
Die Zuwendung ist auch nicht etwa deshalb (ausnahmsweise) als Einkommen zu berücksichtigen, weil sie - soweit im streitbefangenen Zeitraum ein Zufluss bis zu 60 Euro überhaupt erfolgt ist - die Lage des Klägers so günstig beeinflusst hat, dass daneben Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre (§ 84 Abs 1 Satz 2 SGB XII). Ob dies der Fall ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig (dazu Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 84 SGB XII RdNr 13); dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die freie Wohlfahrtspflege Zuwendungen unabhängig von staatlichen Leistungen gerade zu dem Zweck gewährt, die Lage des Hilfebedürftigen zu verbessern (Geiger in LPK-SGB XII, 9. Aufl 2012, § 84 SGB XII RdNr 4) und der öffentliche Träger nicht auf Kosten der Freien Wohlfahrtspflege entlastet werden soll (Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 5 RdNr 39, Stand Februar 2013). Deshalb ist neben der Höhe insbesondere die mit der Zuwendung verfolgte Absicht ein wesentliches Kriterium, das allerdings an Bedeutung verliert, je höher die Zuwendung ist. Soll die Zuwendung nur in Ergänzung - also zusätzlich - zur den laufenden Bedarf deckenden Sozialhilfe (dazu Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 84 RdNr 19, Stand Oktober 2007; Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 84 SGB XII RdNr 13) erbracht werden, spricht dies deshalb dafür, sie als Einkommen außer Betracht zu lassen.
Vorliegend wird die Zuwendung als Anreiz an den Hilfebedürftigen erbracht. Sie soll nicht dazu dienen, dessen Lebensunterhalt (zum Teil) zu decken, sondern ihn anhalten, motivieren und anspornen, das Arbeitstraining weiter durchzuführen und zu beenden, um ihn dem ersten Arbeitsmarkt oder zumindest einer Werkstatt für behinderte Menschen näher zu bringen. Durch die Berücksichtigung der Zuwendungen als Einkommen würde dieser Anreizeffekt verloren gehen. Allein die Höhe der Zuwendung - bis zu 60 Euro monatlich - erlaubt angesichts des geringen Betrags nicht den Schluss, unter Außerachtlassung des Zuwendungsgrundes würden sich Zuwendung und Sozialhilfe gegenseitig so verstärken (überkompensieren), dass nach der Lebenssituation zumindest ein Teil der Sozialhilfe nicht mehr benötigt werde (dazu Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 84 SGB XII RdNr 13). Dieses Ergebnis steht nicht zuletzt im Einklang mit § 5 Abs 4 SGB XII, wonach die Sozialhilfeträger nicht von der Erbringung von Geldleistungen absehen sollen, wenn im Einzelfall entsprechende Leistungen von der freien Wohlfahrtspflege erbracht werden. Dieser gesetzlichen Konstellation entspricht es, kleinere Geldbeträge, die nur dafür gezahlt werden, dass die Bereitschaft eines behinderten Bedürftigen zur freiwilligen Teilnahme an einem Arbeitstraining gefördert wird, bei der Grundsicherungsleistung gänzlich unberücksichtigt zu lassen.
Ob die Einnahme daneben auch als nach Zweck und Inhalt bestimmte Leistung nach § 83 Abs 1 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) von der Einkommensanrechnung ausgenommen ist, was mangels eines aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausdrücklich genannten Zwecks wohl zu verneinen wäre, kann danach offen bleiben.
Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
BSGE 2014, 86 |
NJW 2013, 8 |
FA 2013, 287 |
WzS 2014, 142 |
FEVS 2014, 34 |
NDV-RD 2013, 127 |
SGb 2013, 231 |
SGb 2014, 196 |
SGb 2014, 640 |
ZfF 2013, 164 |
R&P 2014, 95 |
SAR 2013, 74 |
SOZIALwirtschaft aktuell 2013, 6 |
SRA 2013, 175 |
info-also 2013, 186 |