Beteiligte
Innungskrankenkasse Sachsen-Anhalt |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. September 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse Kosten einer sogenannten aktiv-spezifischen Immuntherapie (ASI) zur unterstützenden und vorbeugenden Behandlung bei Nierenkrebserkrankungen zu tragen hat. Diese Therapie, die im Anschluß an die operative Entfernung des Tumors – in der Regel ambulant – durchgeführt wird, soll die Immunabwehr des Patienten stimulieren und so einer Metastasierung und einem Fortschreiten der Krebserkrankung entgegenwirken. Dazu wird aus dem bei der Operation gewonnenen patienteneigenen Tumorgewebe durch Inaktivierung der Krebszellen, Reinigung des Materials und Beigabe immunaktiver Zusätze ein Impfstoff (autologe Tumorvakzine) hergestellt, der dem Erkrankten über einen längeren Zeitraum in regelmäßigen Zeitabständen injiziert wird. Die Behandlung wird in verschiedenen Varianten angeboten, die sich hinsichtlich des Ausgangsmaterials, des Inaktivierungsverfahrens, der Art und Dosis der immunaktiven Adjuvantien sowie des Behandlungsschemas zum Teil erheblich unterscheiden. Der konkrete Rechtsstreit betrifft eine Behandlung mit autologen Tumorvakzinen des Herstellers m..
Die bei der Beklagten versicherte Klägerin litt an einem Nierenzellkarzinom, das am 29. Mai 1995 operativ entfernt wurde. Am Tag nach der Operation unterschrieb sie einen von der Firma m. GmbH vorgefertigten, an die Beklagte gerichteten Antrag auf Übernahme der Herstellungskosten für die bei der ASI eingesetzte Tumorvakzine. Der Antrag, der außerdem von dem Chefarzt der Urologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Eisleben, Dr. K., unterschrieben war, wurde zusammen mit weiteren Unterlagen am 22. Juni 1995 durch die Firma m. bei der Beklagten eingereicht. Beigefügt war eine von der Klägerin auf die Firma m. ausgestellte Vollmacht, mit der diese ermächtigt wurde, den Erstattungsanspruch gegenüber dem Kostenträger geltend zu machen und nötigenfalls auch gerichtlich durchzusetzen sowie die auszuzahlenden Beträge in Empfang zu nehmen.
Die Beklagte lehnte nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eine Kostenübernahme ab, da es sich bei der aktiv-spezifischen Immuntherapie nicht um eine anerkannte Behandlungsmethode handele (Bescheid vom 30. August 1995 und Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1995). Das dagegen angerufene Sozialgericht Halle hat die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet (Urteil vom 23. April 1997). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. September 1998). Die Krankenkasse sei nicht leistungspflichtig, weil die ASI als neue Behandlungsmethode in der gesetzlichen Krankenversicherung mangels Empfehlung durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht angewandt werden dürfe. Daß sich der Bundesausschuß trotz vorliegender Anträge bis heute zum therapeutischen Nutzen der Methode nicht geäußert habe, habe sachliche Gründe und stelle keinen Systemmangel im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dar. Jedenfalls sei die Wirksamkeit der Therapie nicht belegt, so daß eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausscheide.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 13 Abs 3 sowie der §§ 92 Abs 1 und 135 Abs 1 SGB V. Die umstrittene Behandlung sei zwar bis heute nicht in die Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – NUB-RL (jetzt: Richtlinien „Ärztliche Behandlung”) aufgenommen und demzufolge nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Die zögerliche Behandlung des seit 1994 schwebenden Anerkennungsverfahrens durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen sei aber entgegen der Ansicht des LSG sachlich nicht zu rechtfertigen, so daß es den Versicherten möglich sein müsse, sich die Therapie außerhalb des Sachleistungssystems auf Kosten der Krankenkasse selbst zu beschaffen. Ein Wirksamkeitsnachweis sei in derartigen Fällen nach der Rechtsprechung nicht zu fordern; vielmehr reiche es aus, wenn die Behandlungsmethode in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden habe und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt werde. Beide Kriterien seien bezüglich der ASI erfüllt, wie bereits im Berufungsverfahren im einzelnen belegt worden sei. Die Beklagte habe daher die Erstattung der Kosten zu Unrecht abgelehnt. Bei den autologen Tumorvakzinen handele es sich im übrigen um Arzneimittel, die keiner Zulassungspflicht unterlägen und auch nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. September 1998 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. April 1997 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ob eine neue Behandlungsmethode als zweckmäßig zu beurteilen sei, richte sich nach dem Stand der Erkenntnisse im Zeitpunkt der Antragstellung. Mitte 1995 aber sei die Methode weder in der medizinischen Praxis verbreitet gewesen noch könne für diesen Zeitpunkt von einer unsachgemäßen Behandlung durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen ausgegangen werden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Als Rechtsgrundlage des erhobenen Anspruchs kommt nur § 13 Abs 3 SGB V in Betracht. Danach sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Der Senat läßt offen, ob der Klägerin durch die Herstellung der umstrittenen Tumorvakzine erstattungsfähige Kosten im Sinne dieser Vorschrift entstanden sind. Das würde zwar nicht voraussetzen, daß sie bereits Zahlungen an den behandelnden Arzt oder die Firma m. geleistet hat; denn es reicht aus, wenn der Versicherte einer Honorarforderung des Leistungserbringers ausgesetzt ist, von der ihn die Krankenkasse freistellen soll (vgl Senatsurteil vom 23. Juli 1998 – SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 78). Die zwischen der Klägerin, dem behandelnden Arzt und der Herstellerfirma hinsichtlich der Kostentragung getroffenen Absprachen legen indes den Schluß nahe, daß es der Firma m. allein um die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ging und eine finanzielle Inanspruchnahme der Klägerin wie auch ihres behandelnden Arztes definitiv ausgeschlossen sein sollte (so die Fallkonstellation in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil des Senats vom 28. März 2000 – B 1 KR 21/99 R). Allerdings reichen die im vorliegenden Fall vom LSG getroffenen Feststellungen für eine abschließende rechtliche Bewertung in diesem Sinne nicht aus. Unentschieden bleiben kann auch, ob es sich bei der in Rede stehenden Behandlung um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne der ersten Alternative des § 13 Abs 3 SGB V gehandelt hat und wenn nicht, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß die Klägerin sich die Leistung beschafft hat, bevor die Beklagte Gelegenheit hatte, über die Kostenübernahme zu entscheiden (dazu BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15). Auf all das kommt es nicht an, weil der ASI bisher nicht die für neuartige Therapieverfahren geforderte wissenschaftliche Anerkennung zuteil geworden ist und die Herstellung der dafür benötigten autologen Tumorvakzine deshalb nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Leistungen gehört.
Die Prüfung und Feststellung, ob eine neue Behandlungsweise dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und damit dem in § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard entspricht, obliegt nach dem Gesetz nicht der einzelnen Krankenkasse und – von dem Sonderfall eines „Systemversagens” abgesehen – auch nicht den Gerichten, sondern dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen, der durch seine Entscheidung eine an objektiven Maßstäben orientierte, sachgerechte und gleichmäßige Praxis der Leistungsgewährung sicherstellen soll. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen nach § 135 Abs 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuß in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen ua über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Die Bestimmung regelt ungeachtet ihres Standorts im Vierten Kapitel des SGB V über die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nicht nur Modalitäten der Leistungserbringung, sondern legt für ihren Anwendungsbereich zugleich den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen fest, wie der Senat in verschiedenen Urteilen vom 16. September 1997 (BSGE 81, 54, 59 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 14 ff ua) näher ausgeführt hat. Da der Bundesausschuß in den NUB-RL keine Empfehlung zugunsten der umstrittenen Therapie abgegeben hat, darf sie von den Krankenkassen als Sachleistung nicht gewährt werden. Das schließt zugleich einen Freistellungs- oder Kostenerstattungsanspruch für den Fall aus, daß der Versicherte sich die Behandlung selbst beschafft (ständige Rechtsprechung, BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74; vgl auch BSGE 83, 285, 286 = SozR 3-2500 § 60 Nr 3 S 13 – Rücktransport aus dem Ausland).
Zutreffend hat das Berufungsgericht die ASI als neue Behandlungsmethode iS von § 135 SGB V gewertet. In Abgrenzung zu einzelnen ärztlichen Maßnahmen oder Verrichtungen versteht das BSG unter einer Behandlungsmethode die auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise bei der Behandlung einer Krankheit (BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; BSGE 84, 247, 250 – auch zur Veröffentlichung in SozR 3-2500 § 87 vorgesehen). Dieser Definition unterfällt die in Rede stehende Therapie. Sie beruht auf der Annahme, daß der aus eigenem Tumorgewebe des Patienten hergestellte Impfstoff ein spezifisches tumorassoziiertes Antigen enthält, das dem körpereigenen Immunsystem die Erkennung und Bekämpfung der Krebszellen ermöglicht. Die Stimulierung der Immunabwehr mittels autologer Tumorzellsubstanzen liegt allen verschiedenen Varianten der ASI als gemeinsames – hypothetisches – Wirkprinzip zugrunde und unterscheidet sie zugleich von anderen Verfahren der Krebsbehandlung. Die Therapie ist auch als „neu” im Sinne der gesetzlichen Regelung einzustufen (zu diesem Kriterium: BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12). Ihre Verfechter grenzen sie bewußt von den bisher in der vertragsärztlichen Versorgung angewandten Krebstherapien ab und berufen sich auf dort nicht einhellig anerkannte, neuartige wissenschaftliche Erkenntnisse, die deshalb nach der gesetzgeberischen Intention der Qualitätsprüfung nach § 135 Abs 1 SGB V unterzogen werden sollen.
Zu Unrecht meint die Revision, § 135 Abs 1 SGB V sei gleichwohl im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil es nicht um die Vergütung der mit der ASI verbundenen ärztlichen Leistungen, sondern allein um die Kosten des dabei eingesetzten Impfstoffs gehe und dieser als Arzneimittel keiner Prüfung und Anerkennung durch den Bundesausschuß unterliege.
Daran ist richtig, daß es sich bei den autologen Tumorvakzinen um Arzneimittel handelt. Die Vakzine sind Stoffe, die durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheitszustände heilen bzw lindern sollen; sie fallen damit unter den Arzneimittelbegriff des § 2 Abs 1 Nr 2 Arzneimittelgesetz (AMG). Für die Arzneimitteleigenschaft ist unerheblich, daß für ihre Herstellung körpereigenes Gewebe des Patienten verwendet wird. Der Stoffbegriff des AMG umfaßt ausdrücklich auch Körperteile und Körperbestandteile des Menschen in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand (vgl § 3 Nr 3 AMG). Auch der mit dem AMG bezweckte Schutz des Patienten gebietet die Einbeziehung der autologen Impfstoffe, da diese wie alle zu Heilungszwecken beim Menschen eingesetzte Substanzen einer staatlichen Überwachung unterliegen sollen. Werden daher Körperbestandteile, nachdem sie dem Körper entzogen und damit verselbständigt worden sind, ihm wieder zugeführt, um eine Tumorerkrankung zu heilen oder zu lindern, sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Arzneimittelbegriffs erfüllt (ebenso für Eigenblutzubereitungen: BVerwG Buchholz 418.32 AMG Nr 29, Bestätigung von BayVGHE 50, 47; für sog autologe Target-Zytokine: LSG Berlin, Breithaupt 1999, 572). Diese Einordnung gilt auch für die gesetzliche Krankenversicherung. Dabei kann unentschieden bleiben, ob der Arzneimittelbegriff des SGB V mit demjenigen des AMG in jeder Beziehung übereinstimmt (offengelassen in BSGE 81, 240, 243 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 – Diätnahrungsmittel; BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 7 S 32 f – Insulin). Präparate, die von der im wesentlichen mit dem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmenden Grunddefinition des § 2 Abs 1 AMG erfaßt werden, sind jedenfalls regelmäßig zugleich Arzneimittel im Sinne von § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 31 SGB V.
Der Senat hat indessen bereits in dem Urteil vom 23. Juli 1998 (BSGE 82, 233 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 – Jomol) klargestellt, daß neuartige Arzneitherapien von dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1 SGB V nicht grundsätzlich ausgenommen sind. Er hat dies damit begründet, daß durch das Erfordernis der vorherigen Prüfung und Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden die Qualität nicht nur der ärztlichen Leistungen im engeren Sinne, sondern aller für die vertragsärztliche Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen gewährleistet werden soll (BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19). Deshalb seien zumindest solche Pharmakotherapien der Kontrolle durch den Bundesausschuß zu unterwerfen, bei denen das eingesetzte Medikament keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedarf, weil andernfalls die Qualitätsprüfung bei neuen Behandlungsmethoden lückenhaft bliebe und die gesetzliche Regelung teilweise leerliefe.
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die von der Revision geforderte Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 135 Abs 1 SGB V auf die mit einer neuen Behandlungsmethode verbundenen ärztlichen (Dienst-)Leistungen bei gleichzeitiger Ausklammerung der für die Therapie benötigten Arzneimittel-(Sach-)Leistungen führt zu einer künstlichen Aufspaltung einheitlicher Behandlungsvorgänge, die mit Wortlaut und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist. Der Begriff der Behandlungsmethode hat schon vom reinen Wortsinn her eine umfassendere Bedeutung als der Begriff der ärztlichen Leistung in § 87 SGB V. Er bezeichnet das therapeutische Vorgehen als Ganzes unter Einschluß aller nach dem jeweiligen methodischen Ansatz zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Einzelschritte. Nur dieses Verständnis wird auch den mit der Norm verfolgten Zielen gerecht, wie der 6. Senat des BSG in einer Entscheidung vom 25. August 1999 (BSGE 84, 247, 249 f – auch zur Veröffentlichung in SozR 3-2500 § 87 vorgesehen) näher dargelegt hat. Der therapeutische Nutzen und die Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsweise lassen sich nur aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung aller zugehörigen Leistungen bewerten. Mit dem Begriff der Methode kann deshalb nicht die einzelne Maßnahme oder Verrichtung gemeint sein, die als abrechnungsfähige Leistung Eingang in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) findet. Ebensowenig kann sich die Überprüfung auf die eigenen, nach dem EBM-Ä abrechenbaren Leistungen des Arztes beschränken und die von ihm veranlaßten Sach- und Dienstleistungen Dritter unberücksichtigt lassen. Die veranlaßten Leistungen wie der Einsatz eines Medikaments oder die Anwendung eines Heilmittels sind Bestandteil der einheitlichen, unter der Verantwortung des Arztes stehenden Behandlung, deren Zweckmäßigkeit als Ganzes zu beurteilen ist. Besonders deutlich wird das bei einer aus Dienst- und Sachleistungen zusammengesetzten Therapie, deren innovatives Element gerade in der Kombination der verschiedenen Maßnahmen liegt (vgl etwa Senatsurteil vom 23. Juli 1998 – SozR 3-2500 § 13 Nr 17 – Gingko/Laser). Aber auch wenn wie bei der ASI die Wirkung des Arzneimittels im Vordergrund steht und die Behandlung prägt, rechtfertigt das keine andere Beurteilung.
Die im Schrifttum gegen die Einbeziehung von Pharmakotherapien in den Regelungsbereich des § 135 Abs 1 SGB V erhobenen Einwände, die mit terminologischen und gesetzessystematischen Erwägungen begründet werden (Schwerdtfeger, SGb 2000, 154 ff), überzeugen nicht. Das gilt einmal für den Hinweis, der Gesetzgeber habe mit der Verwendung des Begriffs der „vertragsärztlichen Leistungen” in der nachträglich durch das Zweite GKV-Neuordnungsgesetz (2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl I 1520) eingefügten Regelung des § 135 Abs 1 Satz 2 SGB V klargestellt, daß sich die Überprüfung durch den Bundesausschuß auf die im Rahmen einer Behandlung anfallenden persönlichen Dienstleistungen des Arztes beschränken solle. Weder die genannte Vorschrift selbst noch die Begründung zum Gesetzentwurf des 2. GKV-NOG (BT-Drucks 13/6087 S 29) stützen diese Deutung. Das Gesetz verwendet die Begriffe (vertrags-)ärztliche Versorgung bzw (vertrags-)ärztliche Leistung teilweise (so etwa in § 85 Abs 4, § 87 Abs 1 oder auch in § 135 Abs 2 SGB V) in einem engen, auf die eigenen Leistungen des Arztes bezogenen, teilweise aber auch (wie in § 92 Abs 1 SGB V) in einem weiteren, die gesamte ärztliche Behandlung einschließlich der veranlaßten Leistungen umfassenden Sinn. Bei der Verordnung von Arzneimitteln, die nach § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist, beschränkt sich zwar die ärztliche Dienstleistung auf die Verordnung als solche, wohingegen Entwicklung, Herstellung und Abgabe des Arzneimittels keine vertragsärztlichen Leistungen sind. Dennoch bleibt der Einsatz des Medikaments Teil der vom Arzt verantworteten einheitlichen Behandlung, um deren Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit es dem Gesetzgeber geht. Das legt es nahe, den Begriff der „vertragsärztlichen Leistung” im jetzigen § 135 Abs 1 Satz 2 SGB V in demselben umfassenden Sinne zu verstehen wie denjenigen der „Behandlungsmethode” in Satz 1 derselben Vorschrift. Ohne daß dies hier abschließend geklärt werden müßte, stehen jedenfalls im Falle des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V Wortbedeutung und Regelungszweck einem Verständnis entgegen, das die Qualitätskontrolle bei neuen Behandlungsmethoden auf Teilbereiche der Therapie beschränken will. Auch daraus, daß das Gesetz für neue Heilmittel in § 138 SGB V ein eigenes Anerkennungsverfahren durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen vorsieht, während eine entsprechende Vorschrift für Arzneimittel fehlt, läßt sich für die Gegenmeinung nichts herleiten. Daraus mag zu entnehmen sein, daß der Gesetzgeber in der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines neuen Medikaments eine ausreichende Gewähr für dessen Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit gesehen und darauf verzichtet hat, für den Einsatz in der gesetzlichen Krankenversicherung eine nochmalige Qualitätsprüfung anhand der Maßstäbe des § 135 Abs 1 SGB V zu fordern. Das besagt aber nicht, daß Arzneitherapien grundsätzlich von einer solchen Prüfung ausgenommen wären, sondern allenfalls, daß eine Behandlungsmethode, die sich in der Anwendung eines für die betreffende Indikation zugelassenen neuartigen Arzneimittels erschöpft, keiner Empfehlung in den NUB-RL mehr bedarf, weil das Mittel mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung automatisch zum Bestand der krankenversicherungsrechtlichen Leistungen gehört und damit nicht mehr als „neu” im Sinne der gesetzlichen Regelung zu gelten hat. Ist dagegen die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikaments nicht in einem arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren überprüft worden, zB weil das Mittel keiner Zulassung bedarf (dazu Senatsurteil vom 23. Juli 1998 – BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19 – Jomol), findet § 135 Abs 1 SGB V uneingeschränkt Anwendung.
Für den bei der Klägerin eingesetzten Impfstoff ist eine Zulassung nach dem AMG nicht vorgesehen. Zulassungspflichtig sind gemäß § 21 Abs 1 AMG – von einer hier nicht einschlägigen Ausnahme abgesehen – nur Fertigarzneimittel. Das sind Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG). Bei den autologen Tumorvakzinen handelt es sich dagegen um speziell für den Versicherten hergestellte sogenannte Rezepturarzneimittel, für die lediglich eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG erforderlich ist. Entgegen dem Eindruck, den die Bezeichnung erweckt, ist das Herstellungsverfahren zwar standardisiert, so daß klinische Untersuchungen zur Gewinnung allgemeingültiger Aussagen über die Wirksamkeit und die Risiken der Vakzine an sich möglich sind. Da die Verwendung körpereigener Tumorzellen jedoch zu einer individuellen Herstellung für jeden einzelnen Patienten zwingt (vgl hierzu auch Hart, MedR 1997, 51, 53 f), sind die Kriterien des § 4 Abs 1 AMG nicht erfüllt. Die Krebsbehandlung mit autologen Tumorvakzinen unterliegt nach alledem dem Vorbehalt des § 135 Abs 1 SGB V.
Nachdem der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in den NUB-RL keine Empfehlung zugunsten der ASI abgegeben hat, durfte die Beklagte die Behandlung weder als Sachleistung gewähren noch der Klägerin die Kosten für die Beschaffung der autologen Tumorvakzine erstatten. Bei den NUB-RL handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs 1 SGB V für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören (BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 55). Ein Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch des Versicherten kann allerdings ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode darauf zurückzuführen ist, daß das Verfahren vor dem Bundesausschuß trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird. In einem solchen Fall widerspricht die Nichtberücksichtigung der Methode in den NUB-RL höherrangigem Recht, nämlich der Garantie eines den Anforderungen des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechenden Krankenbehandlungsanspruchs in § 27 Abs 1 SGB V. Das präventive Verbot in § 135 Abs 1 SGB V dient allein der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zweck erfordert, ist der Ausschluß ungeprüfter und nicht anerkannter Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Wird dagegen die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes. Eine sich daraus ergebende Versorgungslücke muß zugunsten des Versicherten mit Hilfe des § 13 Abs 3 SGB V geschlossen werden (ausführlich hierzu: Urteil des Senats vom 16. September 1997 – BSGE 81, 54, 65 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 21). Zur Feststellung einer durch Untätigkeit des Bundesausschusses hervorgerufenen Versorgungslücke sind freilich entgegen der Meinung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen in der von ihm herausgegebenen Richtlinie (Begutachtungsanleitung „Unkonventionelle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden 1999”, S 23; vgl bereits Schlenker, NZS 1998, 416) und einer offenbar verbreiteten Praxis (vgl etwa Gunder, ErsK 1999, 810 zur Balneo-Phototherapie) nicht die Krankenkassen oder deren Spitzenverbände befugt. Diese sind nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, geltendes Recht und damit auch die NUB-RL zu befolgen, und dürfen eine entscheidungserhebliche Vorschrift nicht unangewendet lassen, weil sie sie für nicht gesetzes- oder verfassungskonform halten. Die Verwerfungskompetenz, dh die Befugnis, eine etwaige Unvereinbarkeit der Richtlinien mit höherrangigem Recht festzustellen und daraus die gebotenen Konsequenzen zu ziehen, ist allein den Gerichten vorbehalten.
Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob ein Mangel des gesetzlichen Leistungssystems darin zu sehen ist, daß der Bundesausschuß trotz vorliegender Anträge bisher keine Entscheidung zur ASI und zu anderen sogenannten autohomologen Immuntherapien getroffen hat. Sollte der Grund für das Untätigbleiben, wie von der Revision geltend gemacht, darin zu suchen sein, daß der Bundesausschuß gesetzliche Vorgaben für Rezepturarzneimittel vermißt oder irrtümlich angenommen hat, für die Beurteilung von Arzneitherapien nicht zuständig zu sein, könnte das einen solchen Mangel begründen. Denn der Bundesausschuß ist, soweit seine Zuständigkeit reicht, verpflichtet, zeitnah und unabhängig von Vorgaben des AMG über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen einer neuen Methode zu entscheiden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sein Unterlassen auf eine – vermeintliche oder tatsächliche – Untätigkeit des Gesetzgebers zurückgeht, denn das kann nicht dazu führen, daß dem Anspruch des Versicherten die Grundlage entzogen wird. Im vorliegenden Fall muß indessen über etwaige Versäumnisse des Bundesausschusses oder der nach § 135 Abs 1 SGB V antragsberechtigten Stellen bei der Behandlung der ASI nicht abschließend entschieden werden. Auch wenn zugunsten der Klägerin solche Versäumnisse unterstellt werden, begründet das keine Leistungspflicht der Beklagten; denn die in diesem Fall ersatzweise vom Gericht anzustellende Prüfung führt zu dem Ergebnis, daß die Behandlungsmethode bislang nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
Das LSG hat in diesem Zusammenhang mit Recht darauf abgestellt, daß die Wirksamkeit der ASI nicht hinreichend belegt ist. Die Auffassung der Revision, bei Defiziten in der Entscheidungspraxis des Bundesausschusses habe das Gericht für einen Kostenerstattungsanspruch nicht mehr die Wirksamkeit, sondern generell nur noch die Verbreitung der Behandlungsmethode zu prüfen, ist unzutreffend und läßt sich aus der Rechtsprechung des BSG nicht ableiten. Der Senat hat im Gegenteil auch für Fälle eines „Systemversagens” im Grundsatz daran festgehalten, daß die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt werden muß (zu letzterem grundlegend: BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 – Remedacen). Nur ausnahmsweise, wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf darauf abgestellt werden, ob sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat (BSGE 81, 54, 65 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 21 ff; vgl auch BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 3 S 19).
Erhebliche Schwierigkeiten beim Wirksamkeitsnachweis sind für Krankheiten bejaht worden, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, die sich auch mit anerkannten Mitteln nicht gezielt beeinflussen lassen und bei denen auch Ansätze einer symptomatischen Behandlung nur eine vorübergehende und begrenzt objektivierbare Wirkung entfalten (BSGE 81, 54, 67 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 23 – Duchenne'sche Muskeldystrophie; Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 17/95 – Neurodermitis). Diese Situation ist beim Nierenzellkarzinom nicht gegeben. Der Krebs gehört allerdings zu den Krankheiten, für die keine sicher wirksame Therapie zur Verfügung steht. Der festgestellte Tumor kann zwar durch eine Operation beseitigt werden; wegen der Gefahr der Metastasierung und der Entstehung von Rezidiven, über deren Ursachen und Entwicklung die medizinische Wissenschaft nach wie vor keine genauen Kenntnisse hat, kann die Tumorentfernung aber nicht mit einer Heilung des Patienten gleichgesetzt werden. Fehlende Kenntnisse über den Verlauf einer Krankheit schließen indessen den Nachweis der Wirksamkeit einer neuen Behandlungsmethode anhand von wissenschaftlichen Studien nicht von vornherein aus. Der Senat hat dementsprechend in seinen bisherigen Urteilen nicht allein hierauf, sondern auf weitere Besonderheiten der betreffenden Krankheiten abgestellt, welche die Durchführung entsprechender Studien bzw die Beurteilung ihrer Ergebnisse erheblich erschweren (seltenes Auftreten der Krankheit und Probleme bei der Beurteilung von Therapieerfolgen wegen des jugendlichen Alters der Patienten bei der Duchenne'schen Muskeldystrophie – BSGE 81, 54, 67 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 23; individuell unterschiedliche Krankheitsverläufe und häufigeres Vorkommen von Spontanheilungen bei der Neurodermitis – Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 17/95, S 18).
Vergleichbare Probleme existieren bei der Erforschung von Methoden zur Behandlung des Nierenkrebses nicht. Zwar ist auch hier die Durchführung einer aussagekräftigen Studie mit einer hinreichend großen Teilnehmerzahl mit gewissen Schwierigkeiten verbunden; diese erreichen jedoch nicht die Qualität der für die beiden obengenannten Erkrankungen angeführten Probleme. Das Nierenzellkarzinom ist mit jährlich rund 11.000 bis 12.000 Neuerkrankungen im Bundesgebiet (Schätzung des Robert-Koch-Instituts auf der Grundlage der im Saarland ermittelten Zahlen) keine so seltene Krankheit, daß von daher eine wissenschaftlich fundierte Wirksamkeitsprüfung ausgeschlossen wäre. In dem bereits erwähnten Urteil zur Duchenne'schen Muskeldystrophie hat der Senat auf die besonderen ethischen Probleme hingewiesen, die mit wissenschaftlichen Versuchen bei einer Erkrankung mit tödlichem Ausgang verbunden sind (BSGE 81, 54, 67 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 23). Diesen ethischen Problemen ist der Gesetzgeber – zumindest für die klinische Prüfung von Arzneimitteln – begegnet, indem er in § 40 Abs 1 Nr 6 AMG zwingend die Einholung des Votums einer Ethik-Kommission zu der geplanten Prüfung vorgeschrieben hat. Für klinische Versuche in anderen Bereichen schreibt das ärztliche Berufsrecht die Beteiligung einer Ethik-Kommission vor (vgl § 1 Abs 4 der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer in der Fassung von 1988, abgedruckt in DÄ 1988, 2547 ff; zum Prüfungsinhalt: Victor, MedR 1999, 408, 409; zur historischen Entwicklung der Beteiligung von Ethik-Kommissionen vgl Pfeiffer, VersR 1991, 613 ff). So ist sichergestellt, daß nicht allein die Interessen der medizinischen Forschung bzw des Arzneimittelherstellers, sondern auch die der Patienten beim Versuchsaufbau hinreichend berücksichtigt werden und ethisch fragwürdige Versuche unterbleiben. Das Dilemma, daß der spätere Nutzen für die Medizin in der Gestalt eines wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweises einen Versuchsaufbau erfordert, bei dem ein neues, möglicherweise erfolgreiches Mittel einer bestimmten Gruppe von Patienten zunächst vorenthalten wird, ist hiermit zwar nicht gelöst. Es ist grundsätzlich auch nicht zu lösen. Ein seriöser Versuchsleiter wird jedoch eine Studie abbrechen, wenn sich das zu überprüfende Mittel als eindeutig der Standardtherapie überlegen bzw – bei Fehlen einer Standardtherapie – als derart erfolgreich erweist, daß es auch der Vergleichsgruppe nicht mehr verweigert werden kann (vgl Hart, MedR 1997, 51, 55; Eberbach, MedR 1988, 7, 8). Schließlich kann sich bei schwer oder tödlich verlaufenden Erkrankungen die Rekrutierung eines ausreichend großen Probandenkreises für eine randomisierte Studie als schwierig erweisen, weil der an einem Nierenzellkarzinom Erkrankte kein Interesse haben wird, zu der lediglich mit einem Placebo versorgten Vergleichsgruppe zu gehören. Auch dieser Umstand erweist sich jedoch in der Praxis nicht als entscheidendes Hindernis, wie sich anschaulich daran zeigt, daß seit 1998 an der Medizinischen Universität Lübeck eine multizentrische Phase-III-Studie mit 586 Patienten zu den autologen Tumorvakzinen der Firma m. durchgeführt wird.
Ein danach grundsätzlich möglicher und deshalb zu fordernder Nachweis der Wirksamkeit der aktiv-spezifischen Immuntherapie beim Nierenzellkarzinom war jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als diese Therapie bei der Klägerin angewandt wurde, nicht erbracht. Auf diesen Zeitpunkt – und nicht auf den der Gerichtsentscheidung – kommt es für die Beurteilung an, wie der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Beschluß vom 28. März 2000 – B 1 KR 18/99 B im einzelnen begründet hat. Das Verbot des § 135 Abs 1 SGB V kann auch in Fällen eines Systemmangels nur überwunden werden, wenn zum Behandlungszeitpunkt ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis vorlag, so daß eine positive Entscheidung durch den Bundesausschuß veranlaßt gewesen wäre. Ein zu einem späteren Zeitpunkt erbrachter Wirksamkeitsnachweis kann das Verbot auch erst zu diesem Zeitpunkt entfallen lassen.
Die bis Mitte 1995 vorgelegten (retrospektiven und prospektiven) Studien zur ASI sind nicht geeignet, die Wirksamkeit des bei der Klägerin eingesetzten Impfstoffs nachzuweisen. Aus den vom LSG beigezogenen und von ihm zitierten Gutachten ergibt sich, daß die der Behandlungsmethode zugeschriebenen Wirkungen durch diese Untersuchungen nicht ausreichend belegt werden konnten. Auch die 1995 publizierte retrospektive Studie von Repmann (Urologie-Immunologie-Onkologie, Berichte der Firma macropharm, Heft 1, S 14-16; vgl auch Repmann/Wagner/Richter, Anticancer Research 1997, 2879), die sich speziell mit Vakzinen der Firma m. befaßt, ist nach Einschätzung des Gutachters Dr. A., Institut für Medizinische Biometrie der Universität Heidelberg, in dessen vom LSG beigezogener Stellungnahme vom 1. Februar 1996 wegen methodischer Unzulänglichkeiten (unzulässige Selektionierung der verglichenen Patientengruppen, geringe Zahl von Patienten mit sehr unterschiedlichen Tumorstadien, Vergleich lediglich mit einer historischen Kontrollgruppe, zu geringe Nachbeobachtungszeit) nicht geeignet, den geforderten Wirksamkeitsnachweis zu erbringen. Solange die bereits angesprochene Phase-III-Studie an der Universität Lübeck oder andere vergleichbare Untersuchungen nicht abgeschlossen sind, kann deshalb von der therapeutischen Zweckmäßigkeit der Behandlungsweise nicht ausgegangen werden.
Eine Erweiterung der Leistungspflicht der Krankenkassen auf Behandlungsmethoden, die sich erst im Stadium der Forschung oder Erprobung befinden und (noch) nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, läßt das Gesetz auch bei schweren und vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheiten grundsätzlich nicht zu. Dem Einwand, in solchen Fällen müsse ein individueller Heilversuch zu Lasten der Krankenversicherung auch mit noch nicht ausreichend gesicherten Therapieverfahren möglich sein, kann deshalb in dieser allgemeinen Form nicht Rechnung getragen werden.
Das SGB V verlangt, daß Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (vgl § 2 Abs 1 Satz 3, § 70 Abs 1 Satz 1, § 72 Abs 2 SGB V). Das verbietet es, die Erprobung neuer Methoden und die medizinische Forschung zu den Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu zählen (BSGE 76, 194, 198 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 11 f; BSGE 81, 54, 67 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 23, jeweils unter Berufung auf die Begründung zu § 2 Abs 1 SGB V in BT-Drucks 11/2237, S 157). Der Senat hat in den zitierten Entscheidungen darauf hingewiesen, daß insoweit eine Änderung gegenüber dem früher unter der Reichsversicherungsordnung bestehenden Rechtszustand eingetreten ist, wonach der behandelnde Arzt, wenn anerkannte Behandlungsmöglichkeiten fehlten oder im Einzelfall ungeeignet waren, nach den Regeln der ärztlichen Kunst auch solche Behandlungsmaßnahmen in Erwägung ziehen mußte, deren Wirksamkeit (noch) nicht gesichert war, aber nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft für möglich gehalten werden mußte (BSGE 63, 102, 105 = SozR 2200 § 368e Nr 11; BSGE 64, 255, 257 ff = SozR 2200 § 182 Nr 114; BSGE 70, 24, 26 f = SozR 3-2500 § 12 Nr 2; SozR 3-2500 § 13 Nr 2; zur Rechtslage in der privaten Krankenversicherung vgl BGHZ 133, 208, 214 f = LM AVB für Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung Nr 26 Bl 3; zum Beihilferecht des öffentlichen Dienstes vgl BVerwG Buchholz 270 § 6 BhV Nr 10 = NJW 1998, 3436; Buchholz 271 LBeihilfeR Nr 15 = NJW 1996, 801, 802; Buchholz 238.927 BVO NW Nr 6 = NJW 1985, 1413). Der Gesetzgeber hat in Kenntnis dieser Rechtsprechung auch für die Behandlung besonders schwerer Krankheiten keine Ausnahme von der Bindung an den medizinischen Standard zugelassen. Die Einstandspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für eine nicht ausreichend geprüfte Behandlung ist demgemäß nach geltendem Recht nicht damit zu begründen, daß es zu einem gegebenen Zeitpunkt eine (anerkannte) Heilmethode für die Krankheit des Versicherten nicht gibt (vgl dazu Nüchtern, SGb 1996, 157).
Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, den Leistungsumfang der Krankenversicherung in den genannten Fällen auf Behandlungsmethoden zu erstrecken, deren therapeutischer Nutzen noch nicht ausreichend gesichert ist, läßt sich auch verfassungsrechtlich nicht begründen.
Aus Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz kann kein Anspruch auf Bereithaltung spezieller Gesundheitsleistungen hergeleitet werden, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschlüssen vom 5. März 1997 (1 BvR 1071/95 – NJW 1997, 3085 = Breith 1997, 764 – Edelfosin; 1 BvR 1953/97 – MedR 1997, 318 – Jomol; vgl auch Beschluß vom 15. Dezember 1997 – 1 BvR 1953/97 – NJW 1998, 1775, 1776 – Heilpraktiker) bekräftigt hat. Die Bestimmung begründet zwar eine objektivrechtliche Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut Leben bzw körperliche Unversehrtheit zu stellen. Daran hat sich auch die Auslegung des geltenden Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu orientieren. Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist jedoch im Hinblick auf die den zuständigen Stellen einzuräumende weite Gestaltungsfreiheit bei der Erfüllung der Schutzpflichten nur darauf gerichtet, daß die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Dies ist im SGB V durch die Bereitstellung von Leistungen, die dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen, geschehen. Durch die Rechtsprechung des BSG zum Systemversagen wird im übrigen sichergestellt, daß eine ausreichend erprobte bzw bewährte Methode auch dann dem Versicherten zur Verfügung steht, wenn sie – aus Gründen, die in den Verantwortungsbereich der Ärzte und Krankenkassen fallen – noch nicht in die NUB-RL aufgenommen wurde. Soweit der Versicherte auch die Bereitstellung von nicht ausreichend erprobten Methoden begehrt, steht dem das öffentliche Interesse am Schutz des Versicherten vor unbekannten Nebenwirkungen sowie am Erhalt der finanziellen Stabilität der Krankenversicherung entgegen. Das in § 12 Abs 1 SGB V enthaltene Wirtschaftlichkeitsgebot markiert die finanziellen Grenzen, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung von der Belastbarkeit der Beitragszahler und der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gezogen werden. Das BVerfG hat es daher für mit der Verfassung vereinbar gehalten, die Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer Leistung im Sinne von § 12 Abs 1 SGB V mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts zu verknüpfen und die Verordnungsfähigkeit eines zulassungspflichtigen Arzneimittels zu verneinen, wenn und solange dieses nicht arzneimittelrechtlich zugelassen und damit nicht auf seine Unbedenklichkeit, Qualität und Wirksamkeit geprüft worden ist (Beschlüsse vom 5. März 1997, aaO). Im Bereich der zulassungsfreien Arzneimittel kann insofern nichts anderes gelten: Auch hier muß es dem Gesetzgeber angesichts der Belastung für die Beitragszahler und der Gefahren für den Versicherten frei stehen, nur erprobte und bewährte Methoden als wirtschaftlich anzusehen und in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen. Das Vorliegen einer Krankheit mit tödlichem Verlauf, für die keine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode existiert, zwingt nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Das BVerfG hat in den genannten Entscheidungen, die ebenfalls noch nicht ausreichend erprobte Arzneimittel zur Bekämpfung von Krebs betrafen, keine Veranlassung gesehen, bei der Beurteilung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf diesen Aspekt näher einzugehen. Im Ergebnis steht damit die Gewährung von Leistungen für den individuellen Heilversuch im Ermessen des Gesetzgebers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen