Beteiligte
Beschwerdeausschuß für die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung |
1. AOK Rheinland – Die Gesundheitskasse |
2. Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten seine außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Arzneikostenregresses.
Der Kläger war als praktischer Arzt in K. mit der Zusatzbezeichnung „Homöopathie” zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Seine Fallzahl belief sich in den Quartalen II bis IV/1992 im Primärkassenbereich nach den Arzneikosten-Statistiken auf 495, 485 bzw 505 Fälle und unterschritt damit den Durchschnitt der Arztgruppe der Allgemein- und praktischen Ärzte um 27 %, 30 % bzw 26 %. Sein Arzneikostenaufwand je Fall lag um 59,6 %, 68,5 % bzw 74,8 % über dem Durchschnitt, sein Rentneranteil ebenfalls (um 25 %, 28 % bzw 28 %).
Die zu 1. beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) beantragte für die Quartale I bis IV/1992 die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers. Der Prüfungsausschuß verglich seine Arzneikosten mit denen der Allgemein- und praktischen Ärzte. Er lehnte die Festsetzung eines Arzneikostenregresses für das Quartal I/1992 ab. Hinsichtlich der Quartale II bis IV/1992 beschränkte er die Feststellung einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise auf die Familienangehörigen der AOK Krefeld, beließ dem Kläger insoweit eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von 150 % und setzte die darüber hinausgehenden Verordnungskosten in Höhe von insgesamt 11.365,13 DM als Regreß fest (Bescheid vom 8. März 1994). Den Widerspruch des Klägers wies der beklagte Beschwerdeausschuß zurück (Bescheid vom 10. Januar 1996). Er zog bei seiner Vergleichsberechnung die Verordnungswerte aller Versichertengruppen der AOK Krefeld heran. Danach ergab sich im Quartal II/1992 (164 Fälle) ein Mehraufwand von 27.405,47 DM (= 67,24 %), im Quartal III/1992 (225 Fälle) ein Mehraufwand von 30.341,87 DM (= 81,28 %) und im Quartal IV/1992 (234 Fälle) ein Mehraufwand von 32.322,96 DM (= 75,59 %). Praxisbesonderheiten lägen nicht vor. Der Kläger habe eine fachgruppentypische Klientel behandelt. Die angeführten homöopathischen Behandlungen (Tumortherapien mit Mistelpräparaten, mikrobiologische Therapie mit Symbionten) seien eher preiswerter als allopathische. Der im Verhältnis zur Fachgruppe höhere Rentneranteil sei berücksichtigt. Da Praxisbesonderheiten nicht erkennbar seien, werde die Grenze für das sogenannte offensichtliche Mißverhältnis bei 50 % angenommen. Dies ergebe unwirtschaftliche Mehrkosten von 7.026,63 DM, 11.676,84 DM und 10.655,87 DM, also von insgesamt 29.359,34 DM bzw abzüglich des 5 %igen Apothekenrabattes (1.467,97 DM) von 27.891,37 DM. Wegen des nur vom Kläger betriebenen Widerspruchsverfahrens könne der vom Prüfungsausschuß festgesetzte Regreßbetrag nicht erhöht werden. Die Festsetzung des Regresses auf 11.365,13 DM sei daher zu bestätigen.
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 24. September 1997) und ua ausgeführt, es habe die vom Kläger dargelegten Fälle selbst durchgesehen und sich davon überzeugt, daß der Beklagte mit der Feststellung einer fachgruppentypischen Klientel seinen Beurteilungsspielraum eingehalten habe. Die angegebenen Diagnosen – häufig Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, endogenes Ekzem, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, depressive Verstimmungen, cerebrale Durchblutungsstörungen – fänden sich in jeder allgemeinärztlichen Praxis. Die Zahl der Karzinompatienten sei nicht außergewöhnlich hoch. Im Quartal III/1992 habe er fünf solche Patienten behandelt; bei zweien hätten die Arzneikosten mehr als 2.000 DM, bei den anderen nur 300 bis 500 DM betragen. Eine Misteltherapie belaufe sich auf 200 bis 250 DM je Fall im Quartal. Selbst nach vollständigem Abzug dieser Kosten und nach Durchführung des Regresses verblieben Überschreitungen, die deutlich im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses lägen. Da sich der Regreß auf weniger als die Hälfte des unwirtschaftlichen Mehraufwandes beschränke, habe der Beklagte nicht noch gesondert einen Abzugsbetrag für die Eigenanteile der Patienten ausweisen müssen.
Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 11. März 1998). Zur Begründung hat das LSG auf das Urteil des SG Bezug genommen. Zusätzlich hat es ausgeführt, die Einbeziehung aller Versichertengruppen der AOK Krefeld verstoße nicht gegen das Verbot der reformatio in peius. Der Beklagte habe den vom Prüfungsausschuß festgesetzten Regreßbetrag nicht erhöht. Zur Erweiterung der Vergleichsgrundlage habe er den Kläger nicht anhören müssen. Aber auch bei Annahme einer Anhörungspflicht ergäbe sich keine Rechtswidrigkeit. Die Vernehmung des Prüfarztes habe ergeben, daß dieser einen ausreichenden Hinweis erteilt habe. Sonstige Fehler lägen nicht vor. Der Beklagte hätte eine engere Vergleichsgruppe bilden können, aber nicht müssen. Er habe nicht festgestellt, daß der Kläger ausschließlich homöopathisch tätig gewesen sei und Praxisbesonderheiten in unbedenklicher Weise verneint.
Zum Vorbringen des Klägers über seine Behandlungen von Tumorpatienten enthalte der Bescheid zwar nur knappe Ausführungen, verweise aber ergänzend auf das Parallelverfahren über die Honorarkürzungen in den Quartalen IV/1991 bis IV/1992. In dem maßgeblichen Bescheid vom 9. Januar 1996 sei nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen der Beklagte eine Praxisbesonderheit verneine. Der Annahme der Unwirtschaftlichkeit stehe nicht entgegen, daß die Krankenkasse (KK) die Mistel- und Thymustherapien jeweils genehmigt habe. Eine Praxisbesonderheit habe auch nicht für die Betreuung von Neurodermitispatienten anerkannt werden können. Den größeren Anteil an Alten- und Pflegeheimpatienten mit Schwerstpflegebedürftigkeit habe der Beklagte ausreichend durch den erhöhten Rentneranteil berücksichtigt. Zudem fehle eine damit korrespondierende Abrechnungshäufigkeit der entsprechenden Behandlungsleistungen. Ferner greife weder das Begehren des Klägers nach einem Prüfbericht von einem homöopathisch qualifizierten Sachverständigen noch sein Einwand unzureichender ergänzender intellektueller Prüfung durch. Seine Forderung, außer dem 5 %igen Apothekenrabatt auch die Patientenzuzahlungen in Abzug zu bringen, sei ebenfalls abzulehnen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Der Beklagte habe die Zahl der geprüften Verordnungsfälle nicht ohne ausreichenden Hinweis erweitern dürfen. Ein solcher Hinweis ergebe sich aus den Bekundungen des Prüfarztes nicht. Die Erweiterung der Vergleichsgrundlage für den Regreß sei auch wegen des Verbots der reformatio in peius nicht rechtens. Die Vergleichsprüfung sei ferner inhaltlich zu beanstanden, da eine engere Vergleichsgruppe habe gebildet werden müssen. Er, der Kläger, sei aufgrund seiner ausschließlich homöopatisch-naturheilkundlichen ärztlichen Tätigkeiten mit keinem anderen Arzt der Gruppe auch nur annähernd vergleichbar. Die Ablehnung einer Praxisbesonderheit wegen seiner Tumorbehandlungen mit Mistel- und Thymuspräparaten sei nicht ausreichend begründet worden und auch unzutreffend. Das Argument, er rechne keine diagnostischen onkologischen Leistungen wie Ultraschalluntersuchungen ab, berücksichtige nicht, daß er dafür keine Genehmigung habe, so daß er sich auf die Arzneitherapien beschränke. Der Annahme der Unwirtschaftlichkeit stünden zudem die Genehmigungen der KKn für die Therapien entgegen. Rechne man deren Kosten heraus, so sei die Grenze zum sogenannten offensichtlichen Mißverhältnis unterschritten. Auch der hohe Anteil an Alten- und Pflegeheimpatienten und Schwerstpflegefällen müsse als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Der erhöhte Rentneranteil erfasse nur einen Teil von ihnen, weil viele keinen Rentnerstatus hätten. Des weiteren hätte der Prüfbericht von einem Sachverständigen mit homöopathischer Qualifikation erstellt werden müssen. Ferner fehle eine ausreichende intellektuelle Prüfung, die seine besonderen Schwerpunkte (zB adjuvante Mistel- und Thymus- sowie Palliativtherapien austherapierter Patienten) herausstellen würde. Schließlich hätten die Zuzahlungen der Patienten in Abzug gebracht werden müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 1998 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. September 1997 sowie den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 1996 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen – des Klägers – Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 8. März 1994 betreffend den Arzneikostenregreß für die Quartale II bis IV/1992 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die Revision für unbegründet.
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des LSG, das den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig beurteilt hat, ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist die Regelung des § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477), wonach die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung ua durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt wird. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen stellt die statistische Prüfung in Gestalt eines Vergleichs der Verordnungswerte des betroffenen Arztes mit denjenigen seiner Fachgruppe im selben Quartal die Regelprüfmethode dar (dazu zuletzt BSGE 84, 85, 86 = SozR 3-2500 § 106 Nr 47 S 250). Ergibt diese Prüfung, daß die Verordnungskosten des Arztes je Fall die durchschnittlichen Verordnungskosten seiner Fachkollegen in einem Ausmaß überschreiten, bei dem sich der Mehraufwand nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären läßt, so hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27 S 152 f und S 154). Dieser wird allerdings entkräftet, wenn der betroffene Arzt darlegt – und dies sich als zutreffend erweist –, daß bei seiner Arztpraxis besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände (Praxisbesonderheiten) vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogenen Arztgruppen untypisch sind (BSG aaO S 154).
Für die Frage, ob die aufgezeigten Rechtsmaßstäbe zutreffend angewandt worden sind, ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf den Bescheid des Prüfungsausschusses, sondern auf den des Beschwerdeausschusses abzustellen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats beschränkt sich bei Entscheidungen in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung die gerichtliche Kontrolle auf den das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung gemäß § 106 Abs 5 Satz 4 SGB V für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig (stRspr, vgl zB BSGE 78, 278, 279 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 216; ebenso betr Zulassungsangelegenheiten zB BSG SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 4 mwN).
Der Bescheid des Beklagten verstößt nicht gegen verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften. Insbesondere ist § 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht verletzt worden. Eine weitere Anhörung durch den Beklagten dazu, daß er seinem Bescheid anders als der Prüfungsausschuß die Verordnungswerte aller Versicherten der AOK Krefeld – anstelle nur derjenigen der Familienversicherten – zugrunde legte, war nicht erforderlich. Schon die Prüfanträge der AOK hatten sich auf die Verordnungswerte des Klägers bei allen Versichertengruppen bezogen. Der Kläger stellte in seinen Stellungnahmen zu den Prüfanträgen dementsprechend selbst auf seine Verordnungsweise bei allen Versichertengruppen ab. Der Prüfbescheid vom 8. März 1994 ging ebenfalls auf das Verordnungsverhalten des Klägers bei allen Versichertengruppen ein. Mithin sind keine neuen erheblichen Tatsachen in das Verfahren eingeführt worden, die eine neuerliche Anhörung des Klägers hätten erforderlich machen können. Ungeachtet dessen ist nach den – nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen – Feststellungen des LSG der Kläger in der Verhandlung vor dem Beklagten darauf hingewiesen worden, daß der Prüfung die Gruppe der Versicherten insgesamt zugrunde gelegt werde. Die vom Kläger inzident geltend gemachte Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSG setzt voraus, daß sich dem Gericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen. Dies erfordert im Falle eines rechtskundig vertretenen Beteiligten dessen Mitwirkung, also im Regelfall, daß dieser noch in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts entsprechende Ermittlungsanregungen – zB durch Beweisanträge – gibt (vgl BVerwG HFR 1979, 446; BFHE 124, 105, 108; 120, 549, 552; ebenso zB BFH, Urteil vom 18. Juli 1985 – IV R 135/82 – insoweit nicht veröffentlicht). Daß dies geschehen wäre, ergibt sich weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus dem Revisionsvorbringen. Den vom Kläger erhobenen Bedenken, ob der Prüfarzt überhaupt an der Sitzung des Beschwerdeausschusses teilgenommen habe, war ebenfalls nicht nachzugeben; denn diese hat er nicht entsprechend den Anforderungen an eine Verfahrensrüge iS des § 163 Halbsatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – zB durch Bezugnahme auf die Sitzungsniederschrift – dargelegt.
Ebensowenig liegt darin, daß der Beklagte seinem Regreßbescheid die Werte aller Versicherten der AOK Krefeld zugrunde legte, eine unzulässige Verschlechterung des Bescheides des Prüfungsausschusses. Durch das Verbot der reformatio in peius (vgl dazu insbesondere BSGE 71, 274 ff = SozR 3-1500 § 85 Nr 1) ist es dem Beschwerdeausschuß nicht verwehrt, die Begründung für Honorarkürzungen und Regresse anders als der Prüfungsausschuß auszugestalten, solange er den von diesem festgesetzten Honorarkürzungs- bzw Regreß-Gesamtbetrag nicht erhöht. Innerhalb dieses Rahmens darf er zB Honorarkürzungen bei einzelnen Gebühren-Nrn erhöhen oder erstmals vornehmen (BSGE 53, 284, 285 f = SozR 5550 § 15 Nr 1 S 1 f) sowie kompensierende Einsparungen mit geringeren Beträgen berücksichtigen oder verneinen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 36 S 120 betr Arzneikostenregreß). Ebenso kann er – wie er es im vorliegenden Fall getan hat – die Vergleichsprüfung auf eine breitere Grundlage stellen, indem er bei seinem Wirtschaftlichkeitsvergleich statt der vom Prüfungsausschuß allein einbezogenen Familienversicherten alle Versichertengruppen berücksichtigt und auf dieser Grundlage den Regreß prüft und errechnet.
Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf nur eine KK, nämlich die AOK Krefeld, ist rechtlich zulässig. Unter der bis 1988 geltenden Rechtslage konnte die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und/oder Verordnungsweise grundsätzlich getrennt nach einzelnen KKn durchgeführt werden (zusammenfassend BSG, Urteil vom 24. November 1993, SozR 3-2200 § 368n Nr 6 S 15 f; ebenso Urteil vom 15. März 1995 – 6 RKa 8/94 – USK 95 117 S 622 = MedR 1996, 134, 135). Daran hat das Inkrafttreten des § 106 SGB V am 1. Januar 1989 nichts geändert. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers für die arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten als Regelprüfmethode haben die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum früheren Rechtszustand formulierten Grundsätze der statistischen Vergleichsprüfung eine nachhaltige Bestätigung erfahren (stRspr, vgl zuletzt BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 243). Deshalb ist der Senat auch für die spätere Rechtslage seit der Geltung des SGB V davon ausgegangen, daß die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise auf die Versicherten einer KK beschränkt werden kann (siehe BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 245 für 1994/95).
Die grundsätzlich zulässige Beschränkung der Prüfung auf eine KK wäre allerdings dann zu beanstanden, wenn die dadurch geringere Zahl geprüfter Behandlungsfälle nicht für statistisch zuverlässige Aussagen ausreichen würde. Hiervon geht die Rechtsprechung aus, wenn die beim geprüften Arzt zugrunde gelegte Fallzahl weniger als 20 % der durchschnittlichen der Fachkollegen beträgt (vgl dazu zB BSG USK 95 117 S 622 f = MedR 1996, 134, 135 f; zuletzt BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 244 f mwN). Die Quote wird nach den Fallzahlen im konkret geprüften Kassenbereich ermittelt (s BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 245/246 mit Berechnung nur anhand des Ersatzkassenbereichs). Der Anteil von 20 % ist vorliegend nicht unterschritten. Aus den dem Bescheid zugrundeliegenden Statistikbögen ergibt sich, daß die beim Kläger geprüfte Zahl der AOK-Fälle jeweils ca ein Viertel oder ein Drittel der Primärkassen-Fälle des Fachgruppendurchschnitts betrug.
Gegenüber der vom Beklagten durchgeführten statistischen Vergleichsprüfung hat der Kläger auch nicht mit dem Einwand Erfolg, zum Vergleich hätte nicht die gesamte Gruppe der Allgemein- und praktischen Ärzte herangezogen werden dürfen; vielmehr hätte wegen seiner auf homöopathisch-naturheilkundliche Verfahren spezialisierten ärztlichen Tätigkeit eine engere Vergleichsgruppe gebildet werden müssen. Die Bildung engerer Vergleichsgruppen ist bei Allgemein- und praktischen Ärzten allenfalls dann erforderlich, wenn sich die Praxisstruktur eines allgemeinmedizinisch tätigen Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung der Patientenklientel als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots so weit von der Typik einer allgemeinärztlichen Praxis entfernt hat, daß der primärärztliche Versorgungsauftrag nicht mehr umfassend wahrgenommen wird (Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 58/94 – USK 95 137 S 737, anknüpfend an BSGE 62, 24, 27 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 159). Nach den Ausführungen des LSG konnte eine Spezialisierung und Beschränkung des Klägers auf homöopathische ärztliche Tätigkeiten und eine dadurch atypische Patientenzusammensetzung, die geeignet wäre, die Vergleichbarkeit mit den übrigen Allgemein- und praktischen Ärzten auszuschließen, nicht ausreichend belegt werden. Diese Tatsachenfeststellungen sind gemäß § 163 SGG für den Senat bindend. Gegen sie bringt der Kläger keine durchgreifenden Einwendungen vor, sondern setzt ihnen lediglich seine abweichende tatsächliche Sicht und rechtliche Beurteilung entgegen, die revisionsrechtlich ohne Belang sind.
Schließlich greifen auch nicht die sonstigen vom Kläger erhobenen Einwendungen durch. Dabei ist angesichts der vom Beklagten errechneten unwirtschaftlichen Mehrkosten von mehr als 29.000 DM und des andererseits auf nur ca 11.000 DM festgesetzten Regresses zu berücksichtigen, daß dieser niedrigere Betrag lediglich im Falle von Mängeln erheblichen Ausmaßes beanstandet werden könnte.
Entgegen der Auffassung des Klägers mußten seine vermehrten onkologischen Behandlungen nicht gesondert im Rahmen der sog ergänzenden intellektuellen Prüfung (vgl dazu BSGE 74, 70, 71 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125 f; zuletzt BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 240) oder als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden. Es unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken, daß das LSG anknüpfend an die Ausführungen des SG, weder die Zahl der Karzinompatienten des Klägers noch die für sie erforderlichen Arzneikosten seien außergewöhnlich hoch, die Bewertung des Beklagten über das Fehlen ausreichender Gründe für die besondere Berücksichtigung vermehrter Kosten bei onkologischen Behandlungen gebilligt hat. Hiergegen hat der Kläger Revisionsrügen iS des § 163 Halbsatz 2 SGG – wie Verfahrensfehler bei der Tatsachenfeststellung oder Überschreitung der Grenzen der freien Beweiswürdigung – nicht vorgebracht.
Unzutreffend ist weiter die Ansicht des Klägers, Unwirtschaftlichkeit dürfe nicht angenommen werden, soweit die KK ihm gegenüber bestimmte Therapien ausdrücklich genehmigt habe. Eine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung wird hierdurch nicht ausgeschlossen, weil dazu eine entsprechende normative Regelung notwendig wäre (vgl BSG SozR 3-5555 § 13 Nr 1 S 5/6 zur Genehmigung kieferorthopädischer Behandlung; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 69/70 und Nr 18 S 101 zur Genehmigung des Parodontalstatus; – anders betr Heil- und Kostenplan, bei dem eine umfassendere Prüfung erfolgt: BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 3 S 17). Eine Ausschlußregelung besteht im Zusammenhang mit Kostenzusagen für Arzneitherapien, wie sie der Kläger im Jahr 1992 durchführte, jedoch nicht. Hierbei ging es lediglich darum, daß für die vom Kläger bevorzugten Arzneitherapien keine Empfehlung iS des § 135 Abs 1 SGB V vorlag und deshalb gemäß § 13 Abs 2 SGB V (idF vor der Änderung durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266; heute: Abs 3) über eine Kostenerstattung zu entscheiden war. Diese war nach dem damaligen Stand der Rechtsprechung zu bewilligen, wenn eine geeignete anerkannte Heilmethode nicht zur Verfügung stand und ein Erfolg durch die nicht anerkannte nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft im konkreten Einzelfall möglich erschien (so zusammenfassend BSGE 76, 194, 198 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 11; BSGE 81, 54, 64/65 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 20; BSGE 85, 56, 61 = SozR 3-2500 § 28 Nr 4 S 19; zur Anwendung auch auf Arzneitherapien vgl BSGE 82, 233 = SozR 3-2500 § 13 Nr 5). Die Kostenzusage bewirkte für die Therapie im konkreten Einzelfall deren Gleichstellung mit den von vornherein zur vertragsärztlichen Versorgung gehörenden Heilmethoden. Darin erschöpft sich ihre Wirkung. Vorgezogene Wirtschaftlichkeitsprüfungen waren mit der Kostenzusage nicht verbunden. Dies hätte eine Gesamtschau dieser und weiterer Behandlungen sowie deren Vergleich mit den Behandlungen anderer Ärzte der Fachgruppe erfordert. Ein solches Vorgehen ist bei derartigen Kostenzusageverfahren nicht vorgesehen. Im Rahmen einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V stellt sich indessen die Frage, ob aufgrund einer Ausrichtung des Arztes bzw der Praxis auf solche Behandlungsmethoden bzw auf einen entsprechenden Patientenzuschnitt eine Praxisbesonderheit gegeben ist. Dies haben im vorliegenden Fall, wie ausgeführt, die Vorinstanzen verneint, ohne daß das revisionsrechtlich zu beanstanden ist.
Der Kläger hat auch keinen Erfolg mit seinem Verlangen nach Anerkennung einer Praxisbesonderheit für die Betreuung von Alten- und Pflegeheimpatienten und der Schwerstpflegefälle. Er wendet sich vergebens gegen die Feststellungen des LSG, den erhöhten Anteil solcher Patienten habe der Beklagte durch Berücksichtigung des erhöhten Rentneranteils in ausreichendem Maße mitbewertet, und es fehle die typischerweise damit korrespondierende erhöhte Abrechnungshäufigkeit bei der Geb-Nr 10 EBM-Ä. Sein Vorbringen, daß dies weder dem Ausmaß seiner Betreuungstätigkeit in dem Seniorenwohn- und Pflegeheim und in weiteren Altenheimen noch dem Fehlen des Rentnerstatus bei vielen der Patienten Rechnung trage, enthält keine durchgreifende Revisionsrüge iS des § 163 Halbsatz 2 SGG. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht kann im Falle rechtskundig vertretener Kläger grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn diese noch in der mündlichen Verhandlung das Gericht zu entsprechenden Ermittlungen bzw Feststellungen veranlaßt haben. Daß dies geschehen ist, ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen nicht. Insoweit untauglich ist der Hinweis des Klägers auf die in den Verwaltungsakten des Beklagten befindlichen umfänglichen Auflistungen von Patienten und deren Erkrankungen.
Fehl geht ferner der Einwand, ein homöopathisch sachverständiger Arzt hätte das im Verwaltungsverfahren eingeholte Prüfreferat erstellen müssen. Die Prüfgremien können als Ermittlungsmaßnahme aufgrund des § 20 SGB X (vgl BSGE 77, 53, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 191) nach pflichtgemäßem Ermessen Prüfberichte einholen. Ein Gebot, Prüfärzte mit der fachlichen Ausrichtung der geprüften Ärzte einzusetzen, besteht grundsätzlich nicht. Die Prüfgremien sind – wie im Berufungsurteil zutreffend ausgeführt ist – vom Gesetz her (§ 106 Abs 4 SGB V) als fachkundig zusammengesetzte Einrichtungen konzipiert, die grundsätzlich selbst die erforderliche medizinische Sachkunde haben (vgl Berufungsurteil mit Hinweis auf LSG Bad.-Württ. MedR 1997, 230, 232; s auch LSG Bad.-Württ. MedR 1997, 288, 291).
Schließlich greift auch nicht der Einwand durch, der Beklagte hätte vom Regreßbetrag die Beträge der Selbstbeteiligung der Patienten in Abzug bringen müssen. Nach der Rechtsprechung des Senats brauchen der Apothekenrabatt und Patientenzuzahlungen nicht abgezogen zu werden, wenn die Prüfgremien den als unwirtschaftlich festgestellten Mehraufwand nicht in vollem Umfang abschöpfen, indem sie dem Arzt eine Überschreitung der Verordnungskosten oberhalb der festgelegten Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis belassen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 38 S 212/213). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Beklagte hat von dem als unwirtschaftlich festgestellten Mehraufwand von mehr als 29.000 DM lediglich den Betrag von ca 11.000 DM als Regreß festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 519234 |
ArztR 2001, 107 |
SGb 2000, 471 |