Gründe
Die Klägerin begehrt Witwenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG).
Am 14. Dezember 1994 wurde der Lebensgefährte der 1928 geborenen, 1993 geschiedenen Klägerin, W. J. V. (V.), in Griesheim bei Darmstadt in der gemeinschaftlichen Wohnung durch einen von dem geschiedenen Ehemann der Klägerin gedungenen Mörder getötet. Die Klägerin selbst erlitt dabei erhebliche Verletzungen. Der geschiedene Ehemann wurde als Anstifter zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, der Mörder zu lebenslanger Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt.
Im Dezember 1995 beantragte die Klägerin Witwenversorgung nach dem OEG und trug unter Vorlage von eidesstattlichen Erklärungen vor: Zum Zeitpunkt der Tat habe sie mit V. in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt. Sie hätten beabsichtigt, im Frühjahr 1995 zu heiraten. Mit Bescheid vom 21. August 1997 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 18. November 1997 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab: Ein Anspruch auf Witwenversorgung setze voraus, daß die Antragstellerin mit dem Opfer in rechtsgültiger Ehe gelebt habe. Versorgungsleistungen nach § 89 Bundesversorgungsgesetz (BVG) seien der Antragstellerin ebenfalls nicht zu gewähren. Voraussetzung hierfür sei eine kriegsbedingte Schädigung.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 10. Juni 1998 die Klage abgewiesen und die (Sprung-)Revision zugelassen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu. Sie habe mit V. lediglich in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt. Auch eine Versorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG komme nicht in Betracht. Unterhaltsansprüche, die durch die Witwenrente ersetzt werden sollten, seien gerade bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht gegeben. Daß die Klägerin die Absicht gehabt habe, im Frühjahr 1995 zu heiraten, und diese Heirat durch den unerwarteten Tod verhindert worden sei, sei keine besondere Härte. Die Situation von Verlobten während des Zweiten Weltkrieges, die durch kriegsbedingte Umstände gehindert worden seien, die Ehe zu schließen und denen daher im Wege des Härteausgleichs Versorgung gewährt worden sei, könne mit der Situation der Klägerin nicht verglichen werden.
Mit der Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung von § 1 Abs 8 OEG iVm §§ 38 und 89 BVG und trägt vor: Sie sei versorgungsrechtlich einer Witwe gleichzustellen und habe daher Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach §§ 38, 40 BVG. Wenn die Rechtsprechung eine eheähnliche Gemeinschaft und eine Ehe bei Wegfall von Sozialleistungen gleichstelle, dann müsse sie im Hinblick auf den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen in gleicher Weise auch die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft versorgungsrechtlich den Ehegatten gleichstellen. Jedenfalls sei ihr, der Klägerin, Härteausgleich nach § 89 BVG zu gewähren. Dieser Anspruch bestehe nicht nur wegen der Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges, sondern auch im Rahmen des OEG. Aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 1973 (BSGE 36, 143) ergebe sich, daß Voraussetzung für den Begriff der besonderen Härte der Nachweis eines ernsthaften Verlöbnisses, die Absicht, den Verlobten alsbald zu heiraten, und die Vereitelung der Heirat durch ein Kriegsereignis seien. Diese Voraussetzungen hätten hier entsprechend vorgelegen, weil die Gewalttat die Eheschließung verhindert habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Juni 1998 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Witwenversorgung als Rechtsanspruch, hilfsweise im Wege des Härteausgleichs zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich im wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat zutreffend sowohl einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente nach § 1 Abs 8 OEG, §§ 38, 40 BVG als auch einen solchen auf Härteausgleich nach § 89 BVG verneint.
1. Nach § 1 Abs 8 OEG iVm §§ 38, 40 BVG erhält die Witwe eines durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff getöteten Opfers Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, daß die Antragstellerin mit dem Opfer verheiratet war. Denn nur durch die Eheschließung können Unterhaltsansprüche begründet werden, die durch die Witwenrente ersetzt werden sollen (so BSG SozR 3-3100 § 89 Nr 1 S 2). Die Klägerin war mit V. nicht verheiratet. OEG und BVG bieten keinen Anhalt für eine eigenständige, vom Eherecht losgelöste Ausgestaltung des Ehebegriffs. Familienrechtliche Begriffe haben auch im Sozialleistungsrecht in der Regel denselben Inhalt wie im bürgerlichen Recht (vgl hierzu entsprechend BVerfG NJW 1993, 3316; Urteil des 4. Senats vom 30. März 1994 - 4 RA 18/93 - = NJW 1995 S 3270 f). Umfang und Reichweite der Haftung des Staates, der im Rahmen des OEG für Schäden an Körper oder Gesundheit oder an Leben einsteht, weil er eine entsprechende Straftat nicht verhindern konnte (BT-Drucks 7/2506, S 10), ergeben sich aus der Systematik des sozialen Entschädigungsrechts und allgemein aus der Rechtsordnung.
Die nach ihrem Wortlaut eindeutige Regelung in § 1 Abs 8 OEG iVm §§ 38, 40 BVG ist nicht etwa deshalb lückenhaft, dh ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig, geworden, weil sich in den letzten Jahren bezüglich des Zusammenlebens unverheirateter Partner die sozialen Verhältnisse und gesellschaftspolitischen Anschauungen weitgehend geändert haben. Zwar kann durch einen derartigen Wandel das Gesetz seine Fähigkeit verlieren, für alle Fälle eine gerechte Lösung bereitzuhalten. Die Gerichte sind in diesem Fall befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter den veränderten Umständen "Recht" iS des Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) ist (vgl hierzu BVerfGE 82, 6, 11 f). Diese Prüfung ergibt hier indessen: Auch wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft heute eine typische Erscheinung des sozialen Lebens darstellt und die Anzahl solcher Partnerschaften in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, besteht keine Regelungslücke. Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind nicht in den Kreis der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen einzubeziehen. Die rechtspolitische Zielsetzung der Regelung des § 1 Abs 8 OEG iVm §§ 38, 40 BVG hat sich nicht geändert. Durch die Witwenrente soll der durch die Eheschließung entstandene Unterhaltsanspruch bei Verlust eines Ehepartners infolge einer kriminellen Gewalttat ersetzt werden. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der ihm obliegenden Gestaltungsbefugnis an die eigenverantwortliche Entscheidung der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, - zunächst - keine Ehe miteinander eingehen zu wollen, nicht dieselben Folgen geknüpft wie an eine auch im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit formwirksam geschlossene Ehe mit ihren vielfältigen - bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft fehlenden - Rechten und Pflichten der Ehepartner, wie etwa dem gegenseitigen Anspruch auf Unterhalt (vgl hierzu BVerfG NJW 1990, S 1593). An dieser Zielsetzung hat sich auch nichts durch den eingetretenen Wandel der sozialen Verhältnisse und Anschauungen in der Bevölkerung geändert. Insbesondere gebietet dieser Wandel nicht, gemäß Art 3 Abs 1 GG Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Ehegatten gleichzustellen, selbst wenn die Partner beabsichtigen, in naher Zukunft die Ehe einzugehen. Sachlicher Differenzierungsgrund ist insofern Art 6 Abs 1 GG, der nicht jede Lebensgemeinschaft, sondern nur die nach der geltenden Rechtsordnung rechtsgültig geschlossene Ehe schützt (vgl BSG, Urteil vom 30. März 1994, aaO; BVerfGE 62, 323, 330 = SozR 2200 § 1264 Nr 6; zum Schutz der Familien, bestehend aus Eltern und Kind bzw Vater oder Mutter und Kind, vgl BVerfGE 45, 104, 123; 56, 363, 382).
Entgegen der Auffassung der Klägerin können auch die gesetzlichen Regelungen zum Wegfall oder zur Minderung von Sozialleistungen bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, etwa bei der Einkommensanrechnung im Rahmen der verschärften Bedürftigkeitsprüfung nach § 137 Abs 2a Arbeitsförderungsgesetz (AFG; jetzt: § 194 Abs 1 Nr 3 SGB III), nicht zur Gleichstellung dieser beiden Lebensformen führen. Durch Art 2 Abs 1 GG ist zwar die nichteheliche Lebensgemeinschaft unter den Schutz des GG gestellt (vgl BVerfGE 87, 234, 267 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3; BVerfGE 82, 6, 16); dies bedeutet aber nicht, daß die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Vorteile beanspruchen können, die Eheleuten zum Schutz der Ehe zuerkannt werden.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Versorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG.
In der Verhinderung der alsbaldigen Eheschließung durch den gewaltsamen Tod des Partners allein liegt keine besondere Härte. Der erkennende Senat hat dazu bereits in seiner Entscheidung vom 24. April 1991 (SozR 3-3100 § 89 Nr 1) ausgeführt: Zum gewaltsamen Tod des Partners müsse ein weiterer entschädigungsrechtlich erheblicher Umstand hinzukommen, der die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gehindert habe, die Ehe zu schließen. Dies zeige die sog "Brautversorgung" gefallener Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Nach der hierzu vom BSG entwickelten Rechtsprechung sei erforderlich, daß die beabsichtigte alsbaldige Eheschließung aufgrund von Verrichtungen, die dem militärischen und militärähnlichen Dienst zuzurechnen seien, und der ihm eigentümlichen Verhältnisse, zB Fronteinsatz mit längerer Urlaubssperre, unterblieben sei. Nur dann, wenn der Staat außer für den Tod auch noch für einen weiteren Umstand, der eine frühere Eheschließung verhindert habe, verantwortlich sei, müsse er der Braut, die ihren Verlobten verloren habe, Versorgungsschutz gewähren.
An diesen Grundsätzen hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Er sieht sich in seiner Rechtsauffassung auch dadurch bestätigt, daß das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 24. April 1991 nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluß vom 11. September 1992 - 1 BvR 1208/91 - FamRZ 1993, 1404 f). Da die Klägerin und ihr verstorbener Partner nicht durch vergleichbare, nach dem OEG erhebliche besondere Umstände (zB eine längere Geiselnahme) an einer Eheschließung vor dem gewaltsamen Tod des V. gehindert worden sind, ist ein Anspruch aus § 89 BVG bereits aus diesem Grunde zu verneinen. Der Senat verkennt dabei nicht, daß die Gewalttat vom 14. Dezember 1994 und ihre Begleitumstände für die Klägerin - worauf ihr Prozeßbevollmächtigter ausdrücklich hingewiesen hat - besonders schwerwiegend und belastend waren. Dies reicht - wie die wiedergegebene Rechtsprechung deutlich macht - indessen nicht, eine besondere Härte iS von § 89 BVG anzunehmen. Dieser Begriff ist auf den Verantwortungsbereich des Staates im Versorgungsrecht zu beziehen und entsprechend restriktiv auszulegen. Der Staat - und damit das OEG - kann nicht jedes Lebensrisiko ausgleichen, das darin besteht, den Partner vor Eingehen der Ehe zu verlieren. Er haftet - wie ausgeführt - nur für den Verlust von Unterhaltsansprüchen gegen den "Ernährer" (vgl hierzu entsprechend BT-Drucks 7/2506, S 11). Derartige Ansprüche bestehen aber gerade bei kinderlosen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht. Es würde im übrigen dem Gesetzeszweck widersprechen, wenn man einerseits eine Analogie der Regelung der § 1 Abs 8 OEG und §§ 38, 40 BVG ablehnt und die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten mit einbezieht, andererseits aber gerade dieser Personengruppe im Wege des Härteausgleichs Ansprüche eröffnet.
Ob der Staat im Rahmen des Art 6 Abs 1 GG und damit im Rahmen des Schutzes der Familie verpflichtet ist, Härteausgleich zu gewähren, wenn der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach dem Tod des die Kinder erziehenden Partners von einer Erwerbstätigkeit absieht, um die gemeinsamen Kinder während der ersten Lebensjahre selbst zu betreuen (vgl hierzu BSG SozR 3-7833 § 6 Nr 12 S 67), läßt der Senat ausdrücklich offen. Der vorliegende Rechtsstreit bietet keinen Anlaß, auch über diese Frage zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen