Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. September 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. Januar 1995 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Kindergeldzuschlag (KGZ) für ihren Sohn Peter für das Jahr 1993. Sie bezieht für sich und zwei weitere Kinder Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt. Ihr Sohn Peter ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100; er lebt in einer Außenwohngruppe in einer Rehabilitationsklinik. Die Kosten trägt der Landschaftsverband Rheinland als überörtlicher Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Kindergeld (Kg) und KGZ für Peter zweigte die Beklagte an den Landschaftsverband Rheinland ab. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1992 teilte die Beklagte der Klägerin mit, KGZ stehe ihr für Peter nicht mehr zu, nachdem der Landschaftsverband mitgeteilt habe, daß die Klägerin keine Unterhaltsleistungen für Peter erbringe. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. August 1993).
Das Sozialgericht Duisburg ≪SG≫ (Urteil vom 27. Januar 1995) hat der Klage stattgegeben. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ (Urteil vom 15. September 1995) hat die vom SG zugelassene Berufung zurückgewiesen: Der Einräumung eines steuerlichen Kinderfreibetrages, von dessen fehlender oder unvollständiger Ausnutzung der Anspruch auf KGZ abhänge, stehe die Tatsache, daß der Unterhalt des Sohnes der Klägerin in vollem Umfang durch Leistungen des Sozialhilfeträgers gedeckt werde und ein Unterhaltsrückgriff gegenüber der Klägerin nicht stattfinde, nicht entgegen. Eine andere Auslegung des § 11a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) iVm § 32 Abs 6 Einkommensteuergesetz (EStG) führe zu einem Zirkelschluß, der den grundsätzlichen Nachrang der Sozialhilfe mißachte.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des § 11a BKGG. Das LSG habe den Anspruch auf KGZ zu Unrecht bejaht, denn nach dem Steuerrecht stehe der Klägerin ein Kinderfreibetrag nicht zu.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. Januar 1995 und das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. September 1995 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) des Landschaftsverbandes Rheinland, der für den Unterhalt des Kindes Peter aufkommt, zutreffend verneint. Die zu seinen Gunsten für 1993 bestehende Abzweigung betrifft nur das Kg, nicht aber den KGZ. Mögliche Erstattungsansprüche des Sozialhilfeträgers begründen keine Verpflichtung zur Beiladung (vgl BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 7).
Die Rechtsfrage, ob ein Anspruch auf KGZ nach § 11a BKGG auch dann besteht, wenn der Unterhalt des Kindes in vollem Umfang durch Leistungen der Sozialhilfe sichergestellt wird, ist vom 10. Senat des Bundessozialgerichts durch Urteile vom 3. Dezember 1996 (10 RKg 12/95, 34/95 ua) beantwortet worden. Danach handelt es sich bei der Verweisung in § 11a Abs 1 BKGG auf § 32 Abs 6 Satz 1 EStG, wo die Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrages geregelt sind, um eine Rechtsgrundverweisung, durch die prinzipiell alle einschlägigen einkommensteuerrechtlichen Regelungen anzuwenden seien. Dies gelte auch für die Auslegung der Voraussetzung „außerstande sein, sich selbst zu unterhalten” in § 32 Abs 5 EStG. Sie sei im steuerrechtlichen Sinn nicht erfüllt, wenn ein Kind seinen Unterhalt aus Mitteln der Sozialhilfe bestreite und das Sozialamt von einer Rückforderung bei dem gegenüber dem Hilfeempfänger unterhaltsverpflichteten Steuerpflichtigen absehe. Der nunmehr für das Kg-Recht zuständige 14. Senat schließt sich insoweit der Auffassung des 10. Senats an.
KGZ steht der Klägerin nicht zu, weil ihr mangels Unterhaltsleistungen auch im Falle ihrer Steuerpflicht kein Steuerfreibetrag für Peter eingeräumt werden könnte.
Das vorliegende Verfahren unterscheidet sich von den bereits abgeschlossenen nur dadurch, daß das Kind Peter der Klägerin erst im streitbefangenen Jahr das 21. Lebensjahr vollendet hat. Dies hat grundsätzlich Bedeutung für den unterhaltsrechtlichen Rückgriff des Sozialhilfeträgers, auf den der 10. Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ≪BFH≫ (BFHE 181, 128) zum Kinderfreibetrag nach § 32 Abs 6 EStG abgestellt hat.
Dem Sozialhilfeträger, der volljährigen Kindern Hilfe zum Lebensunterhalt und zur Eingliederung gewährt, ist es in der Regel untersagt, von den Eltern einen sozialhilferechtlichen Kostenbeitrag zu verlangen, weil volljährige Kinder nicht mehr zur Einsatz- und Bedarfsgemeinschaft iS des § 28 BSHG der Eltern zählen. Unterhaltsrechtlich kann der Sozialhilfeträger die Eltern erst ab der Vollendung des 21. Lebensjahres nicht mehr in Anspruch nehmen. Nach § 91 Abs 3 Satz 1 BSHG (idF des 3. ÄndG zum BSHG vom 25. März 1974, BGBl I 777) soll der Träger der Sozialhilfe vor allem von der Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Eltern absehen, soweit einem Behinderten Eingliederungshilfe gewährt wird (die Regelung befindet sich nach der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993, BGBl I S 944 ≪FKPG≫ in § 91 Abs 2 Satz 2 BSHG). Danach ist der Übergang des Anspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen ausgeschlossen, wenn dies eine unbillige Härte bedeuten würde; sie liegt in der Regel bei unterhaltspflichtigen Eltern vor, soweit einem Behinderten nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe gewährt wird.
Der Sohn der Klägerin hatte zwar das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet, ein Unterhaltsrückgriff des Sozialhilfeträgers kam jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin ihrem Kind gegenüber wegen fehlender eigener Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig war. Sie erhielt für sich selbst und ihre weiteren im Haushalt lebenden Kinder fortlaufend Hilfe zum Lebensunterhalt, was ihre unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit ausschließt.
Die Leistung eines Unterhaltsbeitrags der Klägerin zugunsten ihres Sohnes Peter kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das ihr zustehende Kg für Peter an den Sozialhilfeträger abgezweigt wurde, der die Kosten seines Unterhalts trug. Nach § 48 Abs 1 Satz 3 iVm Satz 4 SGB I kann das Kg auch dann an die Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind Unterhalt gewährt, wenn der Kg-Berechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Die Abzweigung ist somit gerade nicht vom Bestehen einer Unterhaltspflicht abhängig. Fände die Abzweigung nicht statt, müßte der für die Klägerin zuständige Sozialhilfeträger das Kg bei der Klägerin als Einkommen anrechnen, ohne daß sich dies auf die Höhe der für ihre Lebensführung zur Verfügung stehenden Mittel auswirkte. Denn die Klägerin erhielte das Kg nicht zusätzlich zu den Leistungen, die ihr als Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden. Das Kg zählt vielmehr zu dem nach § 76 BSHG auf die Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnenden Einkommen (vgl BVerwGE 94, 326 = Buchholz 436.0 § 22 BSHG Nr 19). Das für Peter an den Sozialhilfeträger abgezweigte Kg kann deshalb nicht als Unterhaltsbeitrag der Klägerin angesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen