Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. August 1995 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Beigeladenen die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit/Kindergeldkasse wendet sich gegen ihre Verurteilung, der klagenden Stadt einen von dieser als Sozialhilfeträgerin vorgeleisteten Betrag von 55 DM zu erstatten.
Die Klägerin zahlte dem Beigeladenen und seiner Familie seit Jahren Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Von der Beklagten bezog dieser laufend Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG), und zwar zuletzt für zwei Kinder zusammen 180 DM Kindergeld (Kg) und 95 DM Kg-Zuschlag (KgZ) monatlich, was bei den Sozialhilfezahlungen durch entsprechende Kürzungen berücksichtigt wurde. Durch das Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 ≪StÄndG 1992≫) vom 25. Februar 1992, das am 29. Februar 1992 in Kraft getreten ist (BGBl I, 297), erhöhte sich der Anspruch rückwirkend zum 1. Januar 1992 auf zusammen 200 DM Kg und 130 DM KgZ (Art 1 Nr 21 b bb, Art 25 Nr 1, Art 40 Abs 2 StÄndG 1992). Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) informierte die Beklagte die Klägerin während des Gesetzgebungsverfahrens mit Hilfe eines Terminplanes über die vorgesehenen Auszahlungsdaten der Differenzbeträge, wonach für Empfänger mit der Endziffer 4 – wie dem Kläger – der 25. März 1992 vorgesehen war; eine Erstattung des Differenzbetrages sei nur bei Empfängern mit den Endziffern 0 – 3 möglich, da bei diesen die gesamte Nachzahlung erst im Mai erfolgen werde. Gleichwohl berücksichtigte die Klägerin die erhöhten Kg-Leistungen bei der laufenden Sozialhilfe erst ab April und meldete mit Schreiben vom 3. März 1992 bei der Beklagten einen unbezifferten Erstattungsanspruch ab 1. Januar 1992 an. Die Beklagte erstattete der Klägerin lediglich die Differenz für Januar und Februar 1992; ab März 1992 zahlte sie die erhöhten Leistungen an den Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 22. Mai 1992 verlangte die Klägerin auch die Erstattung des Differenzbetrages von 55 DM für März 1992, da sie die Kg- und KgZ-Erhöhung erst ab April 1992 durch Sozialhilfekürzung habe berücksichtigen können und rechtzeitig Erstattungsanzeige gemacht habe. Durch Schreiben vom 27. Mai 1992 lehnte die Beklagte die Erstattung ab, da sie ihre Leistungen rechtzeitig entsprechend der Fälligkeitsregelung des § 20 Abs 1 BKGG an den Beigeladenen erbracht habe.
Sozialgericht (SG) und LSG haben der Klage stattgegeben (Urteile vom 10. November 1994 bzw 25. August 1995). Das LSG hat einen Erstattungsanspruch der Klägerin aus § 103 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auch für den Monat März 1992 bejaht. Der Sozialhilfeanspruch des Beigeladenen sei im März 1992 durch den erhöhten Kg-Anspruch in Höhe von 55 DM „nachträglich” iS des § 103 Abs 1 SGB X entfallen. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt ihrer eigenen Leistung (25. März 1992) auch schon über die Leistung der Klägerin informiert gewesen, so daß der Anspruch des Beigeladenen auf Kg gemäß § 107 Abs 1 SGB X bereits erfüllt gewesen sei. Da auch der Erstattungsanspruch aus § 104 SGB X erfüllt sei, könne dessen Verhältnis zu § 103 SGB X offenbleiben. Die objektiv rechtzeitige Leistung der Beklagten sei nicht erheblich; vielmehr sei entscheidend gewesen, daß aus der Sicht der Klägerin zum 1. März 1992 nicht mit Sicherheit absehbar gewesen sei, daß die Beklagte ihre Verpflichtung noch im März 1992 erfüllen würde. Zudem benötige die Klägerin – wie dem Senat bekannt sei – mindestens sieben Werktage Vorlauf, damit die Sozialhilfe den Berechtigten rechtzeitig zum Monatsanfang zur Verfügung stehe; zu diesem Zeitpunkt sei das StÄndG 1992 aber noch nicht einmal verkündet gewesen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 103 und 104 SGB X iVm § 20 Abs 1 BKGG in seiner bis zum 31. Dezember 1995 gültigen Fassung (aF). § 103 Abs 1 SGB X sei nicht anwendbar, da zum Zeitpunkt der Leistung Ansprüche gegen mehrere Träger bestanden hätten. Hinsichtlich eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X müsse es auf ihre objektiv rechtzeitige Leistung, nicht auf die gegenteilige subjektive Vorstellung der Klägerin ankommen. Andernfalls werde der vom Gesetzgeber für die Beklagte und die an der Zahlung beteiligten Stellen (Zentralamt, Bundespost, Kreditinstitute) gewünschte Rationalisierungseffekt im Kindergeldverfahren unterlaufen, weil mit Erstattungsansprüchen der Sozialhilfeträger in größerem Umfang zu rechnen sei. Der Klägerin sei durch ihren schriftlichen Hinweis aber auch bekannt gewesen, daß die Auszahlung noch im Monat März 1992, also rechtzeitig, erfolgen würde. Schließlich hätte die Klägerin die Auszahlung unter Rückzahlungsvorbehalt stellen oder das erhöhte Kg zu einem späteren Zeitpunkt auf die Sozialhilfe anrechnen können. Mangels Beiladung beruhe das Urteil des LSG auch auf einem wesentlichen Verfahrensfehler.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. August 1995 und des Sozialgerichts Köln vom 10. November 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. SG und LSG haben der erhobenen Leistungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der Erstattungsanspruch ist nach § 104 Abs 1 SGB X begründet. Die Vorschrift des § 103 Abs 1 SGB X, die die Vorinstanzen für einschlägig halten, scheidet als Rechtsgrundlage hingegen aus.
Die vom LSG versäumte notwendige Beiladung ist im Revisionsverfahren nachgeholt worden (§ 168 Satz 2 2. Halbsatz SGG) und führt, da der Beigeladene nicht darauf hingewirkt hat, nicht zur Zurückverweisung nach § 170 Abs 2 Satz 2 SGG (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 169, RdNr 3).
Nach § 103 Abs 1 SGB X gilt: Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit er vor Kenntnis von der Leistung des anderen Leistungsträgers nicht bereits selbst geleistet hat. Diese Vorschrift kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, weil der Anspruch auf die gewährte Sozialhilfe nicht nachträglich entfallen ist. Die Gewährung von Sozialhilfe knüpft an das Bestehen einer aktuellen Notlage an (§§ 4, 5 BSHG). Diese aktuelle Notlage wird durch die nachträgliche Erbringung einer anderen Sozialleistung nicht rückwirkend behoben. Der Gesetzgeber könnte dies mit der Regelungstechnik der Fiktion zwar formal bestimmen, hat dies in vorliegendem Zusammenhang aber nicht getan. Wie die Entstehungsgeschichte des § 103 SGB X zeigt, sollte die Vorschrift allein den Fall erfassen, daß konkurrierende Ansprüche gegen zwei institutionell gleichrangige Sozialleistungsträger vorgelegen haben und der Gesetzgeber diese Konkurrenz in der Weise gelöst hat, daß er einer Leistung ausdrücklich den Vorrang eingeräumt hat. Ausgangspunkt für die Regelung des § 103 SGB X war § 183 Reichsversicherungsordnung (RVO), der mit Wirkung ab 1. Januar 1989 durch Art 5 Nr 2 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) aufgehoben worden ist (Hauck-Haines, SGB X/3, Stand Juli 1996, § 103 RdNrn 8, 9). § 183 RVO löste das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Anspruch auf Krankengeld und Berufsunfähigkeitsrente (Abs 5) bzw Erwerbsunfähigkeitsrente oder Altersruhegeld (Abs 3) in der Weise auf, daß vom Tage der Zubilligung der letztgenannten Leistungen der Anspruch auf Gewährung von Krankengeld endete. Da die Rentenversicherungsträger die Voraussetzungen des Anspruchs auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente aufgrund des aufwendigen Verwaltungsverfahrens in der Regel erst nach Eintritt des die Fälligkeit des Anspruchs begründenden Versicherungsfalls feststellen können, die Arbeitsunfähigkeit hingegen feststeht, kommt es häufig zu einer nachträglichen Kumulation von Leistungen der Krankenversicherung (Fortzahlung des Krankengeldes) und der Rentenversicherung (Nachzahlung der Rente mit Wirkung ab Eintritt des Versicherungsfalls). Für diese Konstellation bestimmt § 103 SGB X, daß der in diesem Sinne vorleistende Träger der Krankenversicherung von dem letztlich leistungspflichtigen Träger der Rentenversicherung die Erstattung der durch die Zahlung des Krankengeldes ersparten Aufwendungen verlangen kann. Dies gilt in allen vergleichbaren Konstellationen, in denen das Gesetz beim Zusammentreffen zweier Leistungen den vollständigen oder teilweisen nachträglichen Wegfall der zuerst erbrachten Leistung anordnet. § 103 SGB X soll sicherstellen, daß der schneller entscheidende und leistende Träger, dessen Nichtzuständigkeit sich nachträglich herausstellt, vom später entscheidenden, aber eigentlich zuständigen Träger dasjenige erstattet verlangen kann, was dieser infolge der Vorleistung erspart hat.
Die Regelung des § 104 Abs 1 SGB X besagt demgegenüber: Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne daß die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (Satz 1). Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (Satz 2). § 104 SGB X ist an die Stelle des zum 1. Juli 1983 durch Art II § 3 Nr 1 des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl I S 1450) aufgehobenen § 1531 RVO getreten. Diese Vorschrift normierte allein Erstattungsansprüche zwischen Trägern der Sozialhilfe und Trägern der Sozialversicherung. § 104 SGB X gilt deshalb ebenfalls im Verhältnis zwischen einem mit Leistungen eingetretenen Sozialhilfeträger, einem Träger der Jugendhilfe oder Träger der Kriegsopferfürsorge einerseits und einem Träger der Sozialversicherung oder einem sonstigen vorrangigen Träger (zB Bundesanstalt für Arbeit, Versorgungsverwaltung) andererseits, wenn und soweit der Vorleistende erkennbar auf eine eigene Verbindlichkeit leistet (anderenfalls § 102 SGB X). Es handelt sich um die Fälle des institutionellen Nachrangs bzw der „Systemsubsidiarität” (Eichenhofer in Wannagat, SGB X/3, Stand Oktober 1996, § 104 RdNr 5; Bley DOK 1981, 143, 149). Daneben gilt § 104 SGB X ausnahmsweise auch bei institutioneller Gleichrangigkeit zweier Träger, wenn und soweit die Vorleistung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung als subsidiär festgelegt worden ist, also in Fällen der „Einzelfallsubsidiarität” (BSGE 57, 146 = SozR 1300 § 103 Nr 2; BSGE 58, 119 = SozR 1300 § 104 Nr 7; BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSG, Urteil vom 29. April 1997 – 8 RKn 29/95 – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; Eichenhofer aaO RdNr 6; Hauck/Haines aaO § 104 RdNr 15 ff; Schellhorn, GK SGB X/3, § 104 RdNr 22 ff; Schroeder-Printzen SGB X, 3. Aufl 1996, § 103 RdNr 8 und § 104 RdNr 6; Bley aaO). Hierzu zählen zB Erstattungsansprüche der Bundesanstalt für Arbeit, die eine Vorleistung in Form der – wie die Sozialhilfe nur bei Bedürftigkeit zu gewährenden und daher von der Leistungsart her nachrangigen – Arbeitslosenhilfe (§ 134 Abs 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫) erbracht hat, gegenüber einem anderen Träger der Sozialversicherung. Schließlich gilt § 104 SGB X ungeachtet der institutionellen Gleichrangigkeit der Träger und der Gleichrangigkeit der Leistungsarten, wenn der Gesetzgeber die Anwendung des an sich einschlägigen § 103 SGB X ausgeschlossen und die Anwendung des § 104 SGB X ausdrücklich angeordnet hat, wie zB in § 18 Abs 4 des Gesetzes zur Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG), § 71b Bundesversorgungsgesetz (BVG) und § 38 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG). Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich die Erstattungspflicht unter institutionell gleichrangigen Trägern grundsätzlich nach § 103 SGB X und die Erstattungspflicht unter institutionell verschiedenrangigen Trägern nach § 104 SGB X beurteilt. Unter institutionell gleichrangigen Trägern richtet sich die Erstattungspflicht nur ausnahmsweise statt nach § 103 Abs 1 SGB X nach § 104 Abs 1 SGB X, wenn der Gesetzgeber dies speziell angeordnet hat oder die in Vorleistung erbrachte Einzelleistung aufgrund ihrer Ausgestaltung (zB Anknüpfung an die Bedürftigkeit des Berechtigten) gegenüber der anderen Sozialleistung nachrangig ist (Eichenhofer aaO RdNr 11; Hauck/Haines aaO RdNr 15; Schellhorn aaO RdNrn 22 – 26).
Erstattungsansprüche von Sozialhilfeträgern gegen andere Leistungsträger richten sich somit in Fällen wie dem vorliegenden nach § 104 SGB X. Es ist insoweit nicht danach zu differenzieren, ob der vorrangig verpflichtete Leistungsträger eine Nachzahlung oder eine laufende Leistung zu erbringen hat. Die in § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X angeordnete Ausnahmeregelung, nach der diese Vorschrift nicht anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen (und statt dessen unmittelbar auf § 103 Abs 1 SGB X zurückzugreifen ist), trifft auf Nachzahlungen von Sozialleistungen ebenfalls nicht zu. Dem Berechtigten ist aufgrund einer konkreten Bedürfnislage Sozialhilfe gewährt worden. An dieser Bedürfnislage ändert sich nachträglich nichts, wenn dem Berechtigten zu einem späteren Zeitpunkt eine andere Sozialleistung zufließt. Im Falle der Auszahlung einer solchen Nachzahlung an den Berechtigten verbessert sich seine Einkommens- bzw Vermögenslage nur mit Wirkung für die Gegenwart und die Zukunft, nicht aber rückwirkend für die Vergangenheit. Da dem Berechtigten die Leistung damals, in der konkreten Bedürfnislage, tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hat, fällt der vom Sozialhilfeträger befriedigte Anspruch auf die Sozialhilfe nicht nachträglich ganz oder teilweise weg, wie es § 103 Abs 1 SGB X aber verlangt.
Mit dieser Rechtsansicht weicht der Senat allerdings von einer Entscheidung des 10. Senats des BSG ab. Dieser hat in seinem Urteil vom 3. April 1990 – 10 RKg 29/89 – (SozR 3-5870 § 11a Nr 1) die Auffassung vertreten, im Falle der Nachzahlung eines KgZ (§ 11a BKGG aF) an einen Berechtigten, der im fraglichen Zeitraum Sozialhilfe bezogen hat, sei der Anspruch auf Sozialhilfe aufgrund der Anrechnungsfähigkeit des KgZ (§ 76 Abs 1 BSHG) und der daraus resultierenden Verringerung der Bedürftigkeit des Berechtigten nachträglich teilweise entfallen. Der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen die Kindergeldkasse richte sich daher hinsichtlich dieser Nachzahlung nach § 103 Abs 1 SGB X. Nur soweit es um die laufende Zahlung eines vorläufigen KgZ nach § 11a Abs 8 BKGG aF gehe, könne für den Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers § 104 Abs 1 SGB X herangezogen werden. Diese Abweichung zwingt jedoch nicht zur Anfrage beim 10. Senat, ob er an seiner Rechtsansicht festhalte, und nicht zur Anrufung des Großen Senats (§ 41 SGG), da, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, die Klage sowohl unter Heranziehung des § 103 Abs 1 SGB X als auch bei Anwendung des vom erkennenden Senat für einschlägig erachteten § 104 Abs 1 SGB X begründet ist und sich insofern die differierenden Rechtsansichten im konkreten Fall nicht unterschiedlich auswirken.
Die Voraussetzungen des § 104 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X sind erfüllt. Der Beigeladene besaß für den gesamten in Betracht zu ziehenden Zeitraum (1. Januar bis 31. März 1992) nebeneinander einen Anspruch auf Sozialhilfe gegen die Klägerin sowie einen Anspruch auf Kg und KgZ gegen die Beklagte. Da Sozialhilfe nur insoweit zu zahlen ist, als der Berechtigte nicht über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen verfügt (§§ 2 und 76 BSHG) und Kg als Einkommen anspruchsmindernd auf die Sozialhilfe anzurechnen ist (BSG SozR 3-5870 § 11a Nr 1; BVerwGE 60, 18 = Buchholz 436.0 § 86 BSHG Nr 2; BVerwGE 94, 326 = Buchholz 436.0 § 22 BSHG Nr 19; BVerwG ZfSH/SGB 1986, 218; Piel ZfSH/SGB 1986, 386), besteht ein Vorrang des Kg- und KgZ-Anspruchs gegenüber dem Sozialhilfeanspruch „Systemsubsidiarität”, § 2 BSHG). Es handelt sich somit um einen Erstattungsanspruch eines Sozialhilfeträgers gegen einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger, der nach § 104 SGB X zu beurteilen ist.
Die Leistung der Klägerin war auch rechtmäßig (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 104 SGB X, vgl BSGE 58, 119, 123 = SozR 1300 § 104 Nr 7; BSGE 70, 186, 195 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSG SozR 3-1300 § 104 Nr 8; Schroeder-Printzen aaO § 104 RdNr 9). Der Sozialhilfeanspruch des Beigeladenen für die Monate Januar bis März 1992 bestand dem Grunde nach und auch in der bewilligten Höhe. Er war aufgrund der Tatsache, daß dem Beigeladenen jeweils zum Monatsanfang tatsächlich nur 275 DM statt 330 DM Kg und KgZ zur Verfügung gestanden haben, in diesen Monaten um jeweils 55 DM höher als bei einer Zahlung von Kg und KgZ in der aus dem StÄndG 1992 vom 25. Februar 1992 sich ergebenden Höhe. Für den Monat März 1992 gilt dabei nichts anderes, da Kg und KgZ für diesen Monat zum 1. März 1992 noch nicht gezahlt waren und der Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, der – in der Praxis regelmäßig monatlich – im voraus (vgl §§ 5 Abs 1 und 22 Abs 3 BSHG) zu erbringen ist (Schulte/Trenk-Hinterberger, Sozialhilfe, 2. Aufl 1986 S 363; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl 1993, § 4 RdNrn 41, 46; Schoch, Sozialhilfe, S 71, 72), nicht schon zu diesem Zeitpunkt um 330 DM statt 275 DM verringert war. Dies war erst mit der Entscheidung der Beklagten über die Gewährung des erhöhten Kg und KgZ (Bescheid vom 19. März 1992) der Fall.
Die Gewährung der Sozialhilfe für März 1992 ist in Höhe von 55 DM auch nicht deshalb rechtswidrig, weil vor Beginn des Bezugszeitraums, dem 1. März 1992, das StÄndG 1992 mit der Neuregelung von Kg und KgZ vom Gesetzgeber verabschiedet (25. Februar 1992), mit der Bekanntgabe im BGBl (28. Februar 1992) in Kraft getreten war und der neue Kg- und KgZ-Anspruch des Beigeladenen damit feststand. Zwar sind bei der Berechnung eines Sozialhilfeanspruchs auch gesicherte, alsbald realisierbare Forderungen anspruchsmindernd zu berücksichtigen (BSGE 70, 186, 195 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BVerwG NJW 1983, 2954, 2955; BVerwGE 21, 208, 212 jeweils mwN). Die Klägerin hätte daher den höheren Kg- und KgZ-Anspruch von 330 DM für März 1992 bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruchs des Beigeladenen für diesen Monat berücksichtigen müssen, wenn ihr die Erhöhung im Zeitpunkt der Berechnung bekannt gewesen wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Da die Sozialhilfe rechtzeitig vor Monatsbeginn berechnet und angewiesen werden muß, konnte die Klägerin damit nicht bis zum 28. Februar 1992 warten, sondern war gehalten, dies im Laufe des Februar 1992 zu tun. Zur Zeit der Anweisung der Sozialhilfeleistung für März 1992, also jedenfalls vor dem 28. Februar 1992, konnte sie aber den zu diesem Zeitpunkt noch ungewissen, weil gesetzlich noch nicht bestehenden neuen Kg- und KgZ-Anspruch des Beigeladenen nicht anspruchsmindernd ansetzen. Daß die Klägerin für die Überweisung einen Vorlauf von mindestens sieben Werktagen benötigt, hat das LSG, von der Beklagten unangegriffen, festgestellt.
Die Beklagte hat ihre vorrangige Leistungspflicht in der gesetzlichen Höhe von 330 DM in allen drei Monaten nicht iS des § 104 Abs 1 Satz 2 SGB X „rechtzeitig” erfüllt. „Rechtzeitig” erbracht waren lediglich Teilleistungen des Kg und KgZ in Höhe von monatlich 275 DM. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grunde eine Behörde eine Leistungsverpflichtung „verspätet” erfüllt. Insbesondere ist es nicht entscheidend, ob der Behörde Verschulden vorzuwerfen ist. Es reicht aus, wenn – wie hier – ein erhöhter Sozialhilfeanspruch darauf zurückzuführen ist, daß der Gesetzgeber eine auf die Sozialhilfe anzurechnende Sozialleistung erst mit rückwirkender Kraft anhebt und der zuständige Träger die Leistung erst nach Bekanntgabe der neuen gesetzlichen Grundlage im BGBl überhaupt gewähren konnte. Von daher hat die Beklagte ihre grundsätzliche Erstattungspflicht für die Monate Januar und Februar 1992, hinsichtlich derer die Erhöhung ebenfalls erst im März 1992 hatte zur Verfügung gestellt werden können (Bescheid vom 19. März 1992), im Ergebnis zu Recht nicht bezweifelt.
Eine iS des § 104 Abs 1 Satz 2 SGB X „nicht rechtzeitige” Zahlung des erhöhten Kg und KgZ liegt aber auch bezüglich des Monats März 1992 vor. Die Beklagte kann sich der Erstattungsverpflichtung nicht mit dem Hinweis auf § 20 Abs 1 BKGG aF entziehen, wonach Kg und KgZ in Zweimonatszeiträumen zu zahlen und die Leistung nur innerhalb dieser Frist zu erbringen war, die Beklagte also berechtigt gewesen wäre, Kg und KgZ für März/April 1992 auch erst am letzten Tag der Frist (30. April 1992) zu zahlen. Die Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung iS des § 104 Abs 1 Satz 2 SGB X hängt nicht von der Fälligkeit der Leistung oder dem Verzug der Behörde ab. Entscheidend ist allein die Übereinstimmung der Anspruchs- bzw Bezugszeiträume. Dieses Verständnis entspricht der Zweckbestimmung des Erstattungsrechts: die Vermeidung zweckidentischer Doppelleistungen für gleiche Bezugszeiträume und die nachträgliche Entlastung des rechtmäßig vorleistenden Trägers durch den vorrangig zuständigen Träger. „Rechtzeitig” bedeutet also nur, daß der Anspruch zu Beginn des jeweiligen Leistungszeitraums, für den er gesetzlich vorgesehen ist, auch erfüllt wird, so daß keine Notlage im Sinne des Sozialhilferechts eintreten kann. Mit dieser Auslegung des Begriffes der „rechtzeitigen” Erfüllung der Leistungsverpflichtung iS des § 104 Abs 1 Satz 2 SGB X steht der Senat allerdings im Gegensatz zu Äußerungen des 7. Senats des BSG, wie der Revision einzuräumen ist. In seinen Urteilen vom 19. März 1992 – 7 RAr 26/91 – (BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4) und 25. Januar 1994 – 7 RAr 42/93 – (SozR 3-1300 § 104 Nr 8) hat dieser Senat die Auffassung vertreten, eine laufende Leistung sei ungeachtet übereinstimmender Leistungszeiträume iS des § 104 Abs 1 Satz 2 SGB X vom vorrangig verpflichteten Leistungsträger dann „rechtzeitig” erbracht, wenn er die ihm vom Gesetz- oder Verordnungsgeber eingeräumten Zahlungstermine oder Zahlungsfristen einhalte. Ein Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers scheide in solchen Fällen aus. Die Bundesanstalt für Arbeit erfülle den Anspruch auf das wöchentliche Arbeitslosengeld (§ 114 Satz 1 AFG) rechtzeitig, wenn sie es nach Ablauf des in der Regel zwei Wochen betragenden Zahlungszeitraumes (§ 122 Satz 1 AFG iVm § 4 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit vom 15. Dezember 1978, Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit ≪ANBA≫ 1979, 409) überweise. Sie handele ferner rechtzeitig, wenn sie die grundsätzlich monatlich zu zahlenden Fahrkosten für Teilnehmer an einer Rehabilitationsmaßnahme (§ 56 Abs 3 Nr 4 AFG), wie in § 58 Abs 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (RehaAnO) vom 31. Juli 1975 (ANBA S 994) vorgesehen, jeweils zum 20. des Anspruchsmonats auszahle.
Trotz dieser Ausführungen war der erkennende Senat an seiner Entscheidung nicht gehindert. Eine Divergenz, die zur Anrufung des Großen Senats führen kann, liegt nicht vor. Die Ausführungen des 7. Senats waren für seine Entscheidung nicht tragend (vgl BSGE GrS 51, 23, 25). Sie waren vielmehr lediglich rechtliche Hinweise an die Tatsacheninstanz, welche nachzuholenden Feststellungen nach der Rückverweisung des Rechtsstreits entscheidungserheblich sein könnten. Der 7. Senat hat ausreichende Tatsachenfeststellungen zu zahlreichen rechtlichen Gesichtspunkten vermißt. Er hat es insbesondere für möglich gehalten, daß der Sozialhilfeträger in jenen Fällen zu Unrecht eingetreten ist, weil wegen der laufenden Leistungserbringung durch das Arbeitsamt keine Hilfebedürftigkeit bestanden hat. Aus den Ausführungen des 7. Senats läßt sich danach nicht herleiten, daß er trotz einer Notlage, die infolge einer erst nachträglichen – wenn auch rechtlich so spät zulässigen – Leistung aufgetreten ist, einen Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers versagen würde.
Den Erstattungsanspruch über 55 DM hat die Klägerin gegenüber der Beklagten rechtzeitig iS des § 104 Abs 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB X geltend gemacht. Als das Schreiben vom 3. März 1992 bei der Beklagten einging, hatte diese die Erhöhung für März/April 1992 noch nicht gezahlt. Das Geld ist erst nach Mitte März 1992 zur Zahlung angewiesen worden. Damit steht zugleich fest, daß der Erstattungsanspruch hinsichtlich der Nachzahlung von Kg und KgZ auch unter Heranziehung des § 103 Abs 1 SGB X (BSG SozR 3-5870 § 11a Nr 1) begründet gewesen wäre, der in seinem letzten Halbsatz eine mit der Regelung in § 104 Abs 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB X inhaltsgleiche Tatbestandsvoraussetzung aufweist und weitere Voraussetzungen nicht enthält.
Der Erstattungsanspruch ist auch durchsetzbar. Er übersteigt mit 55 DM die Bagatellgrenze von „voraussichtlich weniger als 50 DM” (§ 110 SGB X) und ist mit dem Schreiben vom 3. März 1992 innerhalb der Ausschlußfrist von zwölf Monaten nach Ablauf des Bezugszeitraumes (§ 111 SGB X) wirksam geltend gemacht worden.
Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die Klägerin die Sozialhilfe für März 1992 bei deren Anweisung (also jedenfalls vor dem 28. Februar 1992) mit Blick auf das kurz vor dem Abschluß stehende Gesetzgebungsverfahren zum StÄndG 1992 von vornherein um 55 DM hätte kürzen und dadurch die Doppelleistung der 55 DM hätte vermeiden können, ist, wie oben ausgeführt, zu verneinen. Die Frage, ob die Klägerin den Betrag von 55 DM als Darlehen (vgl § 15b BSHG) hätte gewähren können, kann dahingestellt bleiben. Da dies in ihrem Ermessen gestanden hätte, hat sie mit der vollen Leistung der Sozialhilfe als Zuschuß nicht rechtswidrig gehandelt. Deshalb liegt auch keine rechtswidrige Überzahlung der Sozialhilfe für März 1992 vor, die mit nachfolgenden Sozialhilfezahlungen hätte verrechnet werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen