Entscheidungsstichwort (Thema)
rassisch Verfolgte. NS-Zeit. Ausbürgerung. deutsche Staatsbürgerschaft. Staatsangehörigkeit. Chile. Entschädigung. Rentenversicherung. Nachentrichtung. Beiträge. Wiedereinbürgerung. Antrag
Leitsatz (amtlich)
Ein in Chile lebender, während der NS-Zeit aus Deutschland ausgewanderter und „ausgebürgerter” Verfolgter war nicht nach Art. 2 § 49 a AnVNG (Art. 2 § 51 a ArVNG) nachentrichtungsberechtigt, wenn er nicht bis Ende 1975 einen Antrag auf Wiedereinbürgerung gestellt hatte (Abgrenzung zu BSG SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 60).
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 49a; ArVNG Art. 2 § 51a; AVG § 10; RVO § 1233; WGSVG § 10a; BEG §§ 16, 18; SGB X § 44; GG Art. 116
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. Februar 1993 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. November 1991 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen in der Rentenversicherung berechtigt ist.
Die 1926 als deutsche Staatsangehörige geborene Klägerin ist rassisch Verfolgte und hat eine Entschädigung wegen eines Ausbildungsschadens nach den §§ 116, 118 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) erhalten. Sie wanderte 1939 zunächst nach Shanghai, 1945 nach Chile, ihrem jetzigen Wohnsitzland, aus und erwarb 1960 die chilenische Staatsangehörigkeit. Mit einem am 17. Dezember 1975 bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin, sie nach Art. 2 § 49 a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) und nach § 10 a des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) zur Nachentrichtung von Beiträgen zuzulassen. Zur Begründung führte sie ua aus, ihr sei nach der 11. Verordnung (11. VO) zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl I 772) die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen worden; sie besitze seit ungefähr 1959 die chilenische Staatsangehörigkeit und habe daneben Anspruch auf Wiedereinbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG). Die Beklagte lehnte den Antrag auf Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 49 a AnVNG wegen fehlender deutscher Staatsangehörigkeit und den Antrag nach § 10 a WGSVG wegen der nicht erfüllten Vorversicherungszeit ab (Bescheide vom 16. Mai 1977, Widerspruchsbescheid vom 31. März 1978). Die hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil vom 26. Juli 1979).
Nachdem der Klägerin am 23. Juni 1986 auf einen im selben Jahre gestellten Antrag die Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland ausgehändigt worden war, beantragte sie am 3. Januar 1989 im Rahmen einer Überprüfung die Rücknahme der genannten Bescheide. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 1989 und Widerspruchsbescheid vom 23. August 1990 mit der Begründung ab, die Bescheide seien rechtmäßig gewesen, weil die Klägerin ungeachtet der späteren Wiedereinbürgerung im Zeitpunkt der Antragstellung nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besessen habe und daher damals nicht zur freiwilligen Versicherung nach § 10 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) als Voraussetzung für eine Nachentrichtung nach Art. 2 § 49 a AnVNG berechtigt gewesen sei.
In ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme der Bescheide vom 16. Mai 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1978 sie zur beantragten Nachentrichtung zuzulassen. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 27. November 1991 abgewiesen. Die Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Ausbürgerung, sondern durch den Erwerb der chilenischen Staatsbürgerschaft verloren. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und entsprechend dem von der Klägerin gestellten Hilfsantrag das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über die Rücknahme der Bescheide vom 16. Mai 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1978 neu zu entscheiden (Urteil vom 17. Februar 1993). Eine dem Hauptantrag entsprechende Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme dieser Bescheide sei wegen des hier anzuwendenden § 44 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – (SGB X) nicht möglich. Die Beklagte müsse aber unter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme der ursprünglichen Bescheide neu entscheiden, weil diese rechtswidrig seien. Die Klägerin habe im Zeitpunkt des Nachentrichtungsantrages die deutsche Staatsbürgerschaft besessen, weil sie diese weder durch die „Ausbürgerung” im Jahre 1941 noch durch den Erwerb der chilenischen Staatsbürgerschaft im Jahre 1960 verloren habe. Sie habe nämlich bei deren Erwerb das Fortbestehen der deutschen Staatsbürgerschaft nicht gekannt, und es sei nicht anzunehmen, daß sie sich bei Kenntnis dessen von der deutschen Staatsbürgerschaft abgewandt und die chilenische beantragt hätte. Vielmehr habe sie in ihrem Antrag auf Nachentrichtung zum Ausdruck gebracht, daß sie keine Einwände dagegen erhebe, von den deutschen Behörden als deutsche Staatsangehörige behandelt zu werden.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des Art. 2 § 49 a AnVNG iVm § 10 Abs. 1 AVG und des § 10 a WGSVG.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 17. Februar 1993 abzuändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 27. November 1991 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG hat es die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 6. Februar 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 1989 zu Recht abgelehnt, ihre früheren Bescheide nach § 44 SGB X zurückzunehmen und die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen zuzulassen. Denn die ursprünglichen Bescheide über die Ablehnung der Nachentrichtung vom 16. Mai 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 1978 waren nicht rechtswidrig.
Die von der Klägerin im Rahmen der Überprüfung begehrte Nachentrichtung richtete sich noch nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht, weil auch für die begehrte Neubescheidung eines rechtswidrig abgelehnten Antrags auf Beitragsnachentrichtung, die sich nach § 44 Abs. 2 SGB X richtet, grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse maßgebend sind, wie sie im Zeitpunkt der Antragstellung bestanden (BSGE 62, 143, 145, 146 = SozR 5750 Art. 2 § 28 Nr. 5). Voraussetzung für den hiernach noch anzuwendenden, am 1. Januar 1992 außer Kraft getretenen Art. 2 § 49 a AnVNG (Art. 2 § 51 a Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ≪ ArVNG ≫) war ua, daß der Antragsteller zur freiwilligen Versicherung nach dem ebenfalls mit diesem Zeitpunkt außer Kraft getretenen § 10 Abs. 1 AVG (§ 1233 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) berechtigt war. Dieses Recht stand Personen zu, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des AVG (der RVO) hatten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AVG, § 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO) sowie Deutschen iS des Art. 116 Abs. 1 GG, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AVG, § 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO). Das Recht zur freiwilligen Versicherung mußte, wenn es das Nachentrichtungsrecht nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG (Art. 2 § 51 a Abs. 2 ArVNG) begründen sollte, spätestens bei Ablauf der in dieser Vorschrift genannten Antragsfrist (31. Dezember 1975) gegeben sein. Entstand das Recht erst nach Ablauf dieser Frist, vermochte es das Nachentrichtungsrecht nicht mehr zu begründen (Urteil des erkennenden Senats vom 22. Mai 1985 – SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 60 mwN).
Die seit 1945 bis heute dauernd in Chile wohnhafte Klägerin hat die nach § 10 Abs. 1 Satz 2 AVG (§ 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO) erforderliche Voraussetzung, Deutsche iS von Art. 116 Abs. 1 GG zu sein, erst nach dem 31. Dezember 1975 erfüllt, nämlich frühestens mit Stellung ihres Antrages auf Wiedereinbürgerung, spätestens mit der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 23. Juni 1986.
Die Klägerin gehört zu den Verfolgten, denen durch die 11. VO zum Reichsbürgergesetz die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wurde. Diese VO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wegen ihres unerträglichen Widerspruchs zur Gerechtigkeit von Anfang an als nichtig zu erachten (BVerfGE 23, 98, 106, 107; 54, 53, 68). Die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen sind grundsätzlich in Art. 116 Abs. 2 GG geregelt. Nach dieser Verfassungsnorm sind frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge auf Antrag wieder einzubürgern (Satz 1). Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben (Satz 2). Nach der Auslegung durch das BVerfG bedeutet diese Regelung für in der NS-Zeit „ausgebürgerte” Verfolgte, die im Ausland geblieben sind, keinen Antrag auf Wiedereinbürgerung gestellt und ihre zunächst bestehengebliebene deutsche Staatsangehörigkeit aus einem anderen Rechtsgrund, insbesondere durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (§ 17 Nr. 2, § 25 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes ≪RuStAG≫) verloren haben, daß sie unter den (erleichterten) Voraussetzungen des Art. 116 Abs. 2 GG die Wiedereinbürgerung herbeiführen können. Für im Ausland lebende „ausgebürgerte” Verfolgte, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch einen anderen Rechtsgrund, insbesondere nicht durch Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit verloren und einen Wiedereinbürgerungsantrag nicht gestellt haben, liegt die Bedeutung des Art. 116 Abs. 2 GG darin, daß die Bundesrepublik Deutschland sie – unbeschadet des Umstandes, daß sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren haben – nicht als Deutsche betrachtet, solange sie nicht durch Wohnsitzbegründung oder Antragstellung sich auf ihre deutsche Staatsbürgerschaft berufen (BVerfGE 23, 98, 108; 54, 53, 70). Dementsprechend hat der erkennende Senat in dem genannten Urteil vom 22. Mai 1985 (SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 60) die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 AVG bei einem im Ausland lebenden „ausgebürgerten” Verfolgten bejaht, der im Zeitpunkt der Beantragung der Nachentrichtung zwar noch nicht wieder eingebürgert war, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung jedoch vor diesem Zeitpunkt gestellt hatte. Hat aber ein im Ausland lebender „ausgebürgerter” Verfolgter seinen Willen, deutscher Staatsangehöriger zu sein, weder durch Wohnsitzbegründung (Art. 116 Abs. 2 Satz 2 GG), noch durch Antragstellung (Art. 116 Abs. 2 GG) zum Ausdruck gebracht, kann die wegen Nichtigkeit der „Ausbürgerung” bestehenbleibende deutsche Staatsbürgerschaft für den deutschen Hoheitsbereich im Rechtsverkehr nicht geltend gemacht werden; der Verfolgte kann sich dann gegenüber der Bundesrepublik Deutschland auf die deutsche Staatsbürgerschaft nicht berufen (BVerfGE 54, 53, 70, 71). Nach dieser Rechtsprechung des BVerfG unterscheidet Art. 116 Abs. 2 GG nicht zwischen Rechten und Pflichten und kann daher nicht dahin ausgelegt werden, daß ohne Wohnsitzbegründung und ohne Antragstellung die Bundesrepublik Deutschland zwar die sich aus der Staatsangehörigkeit folgenden Pflichten noch nicht geltend machen, der Betroffene aber seine daraus herzuleitenden Rechte bereits wahrnehmen darf (BVerfGE 54, 53, 71).
Ob die Klägerin zu dem Personenkreis der „ausgebürgerten” Verfolgten gehört, der die zunächst bestehengebliebene deutsche Staatsangehörigkeit durch einen anderen Rechtsgrund, wie etwa den Erwerb der chilenischen Staatsangehörigkeit, verloren hat oder – wie das LSG annimmt – zu dem Personenkreis, der die deutsche Staatsangehörigkeit nicht wegen § 17 Nr. 2, § 25 RuStAG verloren hat, kann dahinstehen. Selbst wenn man zu ihren Gunsten der Auffassung des LSG folgt, durfte sie im Zeitpunkt der Stellung des Nachentrichtungsantrags, spätestens am 31. Dezember 1975, nicht als deutsche Staatsangehörige behandelt werden. Denn sie hatte bis zu diesem Zeitpunkt weder ihren Wohnsitz in Deutschland genommen, noch – wie in dem Fall, der dem genannten Urteil des Senats vom 22. Mai 1985 (SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 60) zugrunde lag – vor Ablauf der Nachentrichtungs-Antragsfrist einen Antrag auf Wiedereinbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG gestellt.
Nach den Feststellungen des LSG ist der förmliche Antrag auf Wiedereinbürgerung erst im Jahre 1986, also über zehn Jahre nach Stellung des Nachentrichtungsantrages, von der Klägerin gestellt worden. Dieser Antrag konnte nicht bewirken, daß sie bereits im Jahre 1975 wie eine deutsche Staatsbürgerin zu behandeln war. Ihr Ende 1975 gestellter Nachentrichtungsantrag kann nicht als Antrag auf Wiedereinbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG ausgelegt werden. Allerdings müssen nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 54, 53, 71) bei Erklärungen eines Verfolgten zu seiner deutschen Staatsbürgerschaft die Behörden und Gerichte berücksichtigen, daß sie möglicherweise aus Gründen, die in der Beziehung des Verfolgten zu dem Land liegen, in dem er nach der „Ausbürgerung” Aufnahme gefunden hat, zurückhaltend formuliert und nicht als „förmlicher” Antrag gefaßt sind. An einen Antrag nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG sind deshalb keine übermäßig strengen Anforderungen zu stellen. Jedoch muß nach der genannten Entscheidung des BVerfG der Wille des Betroffenen, Deutscher zu sein, hinreichend zum Ausdruck kommen, damit dem Erfordernis der Rechtssicherheit Rechnung getragen wird, der bei Staatsangehörigkeitsverhältnissen im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die der Besitz oder Nichtbesitz der Staatsangehörigkeit nach sich ziehen, besonderes Gewicht zukommt.
Dem Nachentrichtungsantrag der Klägerin kann lediglich entnommen werden, daß sie ihren Anspruch auf Wiedereinbürgerung kannte und daß sie möglicherweise annahm, daß bereits dieser Anspruch zur Erlangung des Nachentrichtungsrechts ausreichte. Dagegen enthält der Nachentrichtungsantrag nicht die erkennbare Willenserklärung, aufgrund dieses Antrages wieder eingebürgert zu werden und damit nicht nur die Rechte einer deutschen Staatsbürgerin zu erlangen, sondern auch deren Pflichten auferlegt zu bekommen. Hierfür spricht auch, daß sie den „förmlichen” Antrag auf Wiedereinbürgerung erst zehn Jahre später stellte; denn wenn sie seinerzeit die Wiedereinbürgerung gewollt hätte, hätte sie Schritte unternommen, um die Wiedereinbürgerung schneller herbeizuführen. Das lange Hinausschieben des „förmlichen” Wiedereinbürgerungsantrags kann auch nicht mit der Vermeidung von Nachteilen gerechtfertigt werden, die durch eine Entscheidung der Klägerin für die deutsche Staatsangehörigkeit in ihrer Beziehung zu Chile hätte eintreten können. Der Verfassungsgeber hat es nämlich als zumutbar erachtet, daß der Betroffene solche Nachteile in Kauf nimmt. Die Entscheidungsfreiheit wurde ihm gerade auch wegen solcher möglicher Nachteile eingeräumt. Er kann sie nur dadurch vermeiden, daß er sich auf die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr beruft (BVerfGE 54, 53, 72).
Da somit die Voraussetzungen für eine Nachentrichtung nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG (Art. 2 § 51 a ArVNG) nicht erfüllt sind, scheitert auch der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Nachentrichtung nach § 10 a WGSVG; denn die nach Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift erforderliche Vorversicherungszeit von mindestens 60 Kalendermonaten hätte die Klägerin nur über eine Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 49 a AnVNG (Art. 2 § 51 a ArVNG) erfüllen können.
Der Revision der Beklagten war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen