Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. März 1979 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Familienhilfeberechtigung der Klägerin für ihren selbständig tätigen Ehemann.
Die Klägerin ist Angestellte in einem Steuerberaterbüro und freiwilliges Mitglied der Beklagten. Ihr Mann war bis Ende 1975 ebenfalls als Angestellter tätig. Seither ist er selbständiger Versicherungsvertreter mit eigener Agentur und betreibt außerdem einen Modellbahn-Service. Mit diesen beiden selbständigen Tätigkeiten ist er voll beschäftigt. Nach den Einkommenssteuerbescheiden des zuständigen Finanzamts hatte die Klägerin in den Jahren 1976 und 1977 Einkünfte von jährlich DM 31.584,– bzw. 37.089,–, ihr Mann dagegen erlitt Verluste von DM 15.070,– bzw. 12.272,–. Mit Bescheid vom 3. November 1977 teilte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 14. Juli 1977 – 3 RK 80/75 – mit, sie habe seit dem 1. Juli 1977 keinen Familienhilfeanspruch für ihren Ehemann. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat ausgeführt: Auch nach Einführung einer Einkommensgrenze durch § 205 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) n.F. bestehe kein Grund dafür, Gewerbetreibende und andere Betriebsunternehmer, die der Versicherungspflicht nach § 165 RVO nicht unterliegen, in den Kreis der über die beitragsfreie Familienhilfe geschützten Personen einzubeziehen. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des Senats vom 14. Juli 1977, die sich über den zu entscheidenden Fall des Ehegatten-Arbeitnehmerverhältnisses hinaus grundsätzlich mit der Frage des familienhilfegeschützten Personenkreises beschäftigt habe, sei daran festzuhalten, daß Personengruppen, die das Gesetz von der kostenpflichtigen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließe, auf die eigene Vorsorge verwiesen seien und nicht über § 205 RVO den kostenfreien Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen könnten. Als selbständig Gewerbetreibender habe der Ehemann der Klägerin deshalb nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 RVO lediglich die Möglichkeit gehabt, der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beizutreten.
Mit der – zugelassenen – Sprungrevision rügt die Klägerin Verletzung des § 205 RVO. Wenn ihr Mann sich in freier Entfaltung seiner Persönlichkeit und nach dem Grundrecht der freien Berufswahl und der freien Berufsausübung entschlossen habe, Handelsvertreter zu sein, und wenn diese Tätigkeit zunächst nichts abwerfe, so könne es ihr nicht verwehrt sein, von der gesetzlichen Möglichkeit der Familienhilfe Gebrauch zu machen. Es sei nicht einzusehen, daß der selbständige Ehegatte nicht über seinen Versicherungsbeiträge entrichtenden Ehegatten in den Genuß der Familienhilfe kommen solle. Bei dem Urteil dem Senats vom 14. Juli 1977 handele es sich schon von der besonderen Fallgestaltung her, die eine wesentlich andere als in ihrem Fall gewesen sein um eine Einzelfallentscheidung, die nicht auf Fälle allgemeiner Art erstreckt werden könne.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin stand für ihren Ehemann in der Zeit vom 1. Juli 1977 bis 31. Dezember 1978 keine Familienhilfe zu.
Rechtsgrundlage des Familienhilfeanspruchs ist § 205 RVO. Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte für ihren unterhaltsberechtigten Ehegatten und ihre unterhaltsberechtigten Kinder unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen ohne zusätzliche Beitragsleistung Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, Krankenhilfe und sonstige Hilfe unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang wie sie selbst. Der Ehemann der Klägerin gehörte jedoch in der streitigen Zeit nicht zu dem von dieser Vorschrift erfaßten, über die beitragsfreie Familienhilfe geschützten Kreis von Familienangehörigen; denn er war als Selbständiger voll beschäftigt. Für auf diese Weise tätige Familienangehörige aber steht einem Versicherten keine Familienhilfe zu. Das hat der Senat bereits in seinem vom SG angeführten Urteil vom 14. Juli 1977 – 3 RK 80/75 – (BSGE 44, 142 = SozR 2200 § 205 RVO Nr. 13) entschieden und ausführlich begründet. Diesem Urteil lag allerdings ein etwas anderer Sachverhalt zugrunde als dem vorliegenden Fall. Dennoch handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um eine Einzelfallentscheidung. Der Senat hat den mit diesem Urteil entschiedenen Rechtsstreit vielmehr zum Anlaß genommen, um grundsätzlich klarzustellen, daß einem Versicherten für Familienangehörige, die als Selbständige voll beschäftigt sind, kein Familienhilfeanspruch zusteht. Er hat insoweit im Anschluß an seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BSGE 14, 135, 191 209 123, 127; 32, 13; SozR 2200 § 205 Nr. 8) darauf hingewiesen, daß das Recht der Sozialversicherung von dem Grundsatz der Solidarität der kraft Gesetzes zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossenen Arbeitnehmer beherrscht wird. Es handelt sich mithin bei der Krankenversicherung der RVO als einem feil der Sozialversicherung dem Grunde nach um eine Arbeitnehmerversicherung. Das fegt nicht nur aus der geschichtlichem Entwicklung, sondern läßt sich auch der gegenwärtigen gesetzlichen Systematik entnehmen. Nach ihr werden von der sozialen Krankenversicherung grundsätzlich nur abhängig Beschäftigte erfaßt. Das zeigen hinsichtlich der Pflichtversicherten insbesondere die § 165, 165a, 165b RVO. Auch die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung – sei es in der Form des freiwilligen Beitritts, sei es als Weiterversicherung – stellt hauptsächlich auf ein zumindest früheres abhängiges Beschäftigungsverhältnis ab (siehe §§ 176a, 176b, 313 Abs. 1 RVO). Der Kreis derjenigen, die nicht abhängig beschäftigt und dennoch pflichtversichert sind, ist als Ausnahme in § 166 RVO enumerativ aufgezählt. Er umfaßt einen Personenkreis, der seiner Schutzwürdigkeit wegen in die Versicherungspflicht einbezogen worden ist. Allerdings hat der Gesetzgeber dieses Prinzip der Solidargemeinschaft der abhängig Beschäftigten zu Gunsten gewisser anderer Personenkreise durchbrochen. Diese Tatsache ändert jedoch nichts an der genannten Grundstruktur der sozialen Krankenversicherung. „Gewerbetreibende und andere Betriebsunternehmer”, deren jährliches Gesamteinkommen 75% der für Jahresbezüge in der Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt, haben dagegen nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 RVO lediglich die Möglichkeit, der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beizutreten. Sie können sich mithin frei entscheiden, ob sie sich für den Fall der Krankheit durch einen derartigen Beitritt in der sozialen Krankenversicherung versichern wollen oder es vorziehen, die Mitgliedschaft in einem der zahlreichen privaten Krankenversicherungsunternehmen zu erwerben, oder aber ob sie sich für den Fall der Krankheit überhaupt nicht versichern wollen mit der Folge, daß sie die ihnen durch eine Krankheit erwachsenden Kosten dann in vollem Umfang selbst zu tragen haben. Denjenigen voll beschäftigten Selbständigen schließlich, deren jährliches Gesamteinkommen die genannte Grenze überschreitet, ist die soziale Krankenversicherung verschlossen; sie sind darauf angewiesen, sich – falls sie das für nötig erachten – bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen gegen Krankheit zu versichern (vgl. BSGE 44, 144, 145).
Diese Ausführungen zeigen, daß sich der Senat in dem genannten Urteil vom 14. Juli 1977 über den damals zu entscheidenden Einzelfall hinaus mit der Frage befaßt hat, ob Versicherte auch für Familienangehörige, die als Selbständige voll beschäftigt sind, Familienhilfe beanspruchen können. Der Senat hat diese Frage verneint; denn Personengruppen, die das Gesetz von der – kostenpflichtigen – Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließt, sind für den Krankheitsfall auf die eigene Vorsorge verwiesen. Diese Personengruppen genießen nicht über § 205 RVO den – kostenfreien – Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung, weil andernfalls die im wesentlichen versicherungspflichtigen Kassenmitglieder auch diese beitragsfreie Mitversicherung aus den Mitteln der Versichertengemeinschaft tragen müßten und damit von der kostenpflichtigen Versicherungspflicht ausgeschlossene Personen zu Lasten der Solidargemeinschaft aller Versicherten eigen kostenfreien Versicherungsschutz erhielten. Auch das hat der Senat bereits in dem Urteil vom 14. Juli 1977 dargelegt (vgl. BSGE 44, 145).
Dem steht die durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 (KVKG, BGBl. I 1069) mit Wirkung vom 1. Juli 1977 (Art 2 § 17 KVKG) erfolgte Änderung des § 205 Abs. 2 Satz 1 RVO (Art 1 § 1 Nr. 18 Buchst a KVKG) nicht entgegen. Mit dieser dem Senat bei seiner Entscheidung vom 14. Juli 1977 bereits bekannten Gesetzesänderung wurde lediglich der über die beitragsfreie Familienhilfe geschützte Kreis von Familienangehörigen dahin eingeschränkt, daß diejenigen Familienangehörigen, deren regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen eine bestimmte Grenze überschreitet, nun nicht mehr zu diesem Kreis gehören. Die Änderung des Gesetzes betrifft mithin den über die beitragsfreie Familienhilfe geschützten Kreis von Familienangehörigen. Personengruppen, die gleich der Gruppe der vollbeschäftigten Selbständigen ohnehin nicht über § 205 RVO den kostenfreien Schutz der gesetzlichen Notversicherung genießen, die also nicht zu dem insoweit geschützten Kreis von Familienangehörigen gehören, werden mithin von dieser Gesetzesänderung nicht erfaßt.
Wenn sich also ihr Ehemann, wie die Klägerin ausgeführt hat, seinerzeit „in freier Entfaltung seiner Persönlichkeit und nach dem Grundrecht der freien Berufswahl und der freien Berufsausübung” entschloß, künftig als vollbeschäftigter Selbständiger eine Versicherungsagentur und einen Modellbahn-Service zu betreiben statt weiterhin als Angestellter zu arbeiten, so konnte er sich nach eigener freier Entscheidung entweder in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig weiterversichern (§ 313 RVO) oder dieser Versicherung freiwillig beitreten (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 RVO), oder er konnte auch die Mitgliedschaft bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen erwerben Tat er nichts dergleichen, so ging er das Risiko ein, im Krankheitsfall für die Arzt-, Arzneimittel- und sonstigen damit verbundenden Kosten selbst aufkommen zu müssen; denn eine kostenfreie Mitversicherung im Wege der Familienhilfe über seine weiterhin als Angestellte arbeitende Ehefrau kam für ihn nicht mehr in Betracht.
Nach alledem ist das zutreffende Urteil des SG zu bestätigen; die dagegen eingelegte Revision der Klägerin muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
BSGE, 247 |
USK, 8004 |
Breith. 1981, 104 |