Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung der Rente nach Durchführung des Versorgungsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
Dem versorgungsausgleichsberechtigten Rentner steht höhere Rente frühestens mit Ablauf des Monats zu, in dem die Entscheidung des Familiengerichts wirksam wird (Anschluß an und Fortführung von BSG vom 11.2.1982 - 11 RA 8/81 = BSGE 53, 78 = SozR 2200 § 1304a Nr 2, BSG vom 7.9.1982 - 1 RA 61/81 = BSGE 54, 87 = SozR 7610 § 1587p Nr 1 und BSG vom 1.2.1983 - 4 RJ 75/81 = BSGE 54, 266 = SozR 7610 § 1587p Nr 2).
Normenkette
SGB 10 § 48 Abs. 1 S. 1; AVG § 83b Abs. 2, § 67 Abs. 1; RVO § 1304b Abs. 2, § 1290 Abs. 1; BGB § 1587b Abs. 2, § 1587 Abs. 2; FGG § 53g Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 02.08.1990; Aktenzeichen L 5 A 34/89) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 15.03.1989; Aktenzeichen S 10 A 176/88) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Altersruhegeldes (ARG).
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte der im Februar 1920 geborenen Klägerin seit Juni 1981 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sie ab 1. März 1985 in das ARG umwandelte (Bescheid vom 22. März 1985).
Auf den am 2. Dezember 1986 gestellten Scheidungsantrag wurde die im September 1948 geschlossene Ehe der Klägerin mit einem 1926 geborenen Justizbeamten durch insoweit rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - St. Goar vom 3. August 1987 geschieden. Auf die gegen die Entscheidung ua über den Versorgungsausgleich eingelegte Berufung des früheren Ehemannes der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz mit am 6. Juni 1988 rechtskräftig gewordenem Teilurteil nach § 1587b Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf dem Versicherungskonto der Klägerin Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 1.033,02 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. November 1986, zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des früheren Ehemannes bei dem beigeladenen Land begründet.
Mit dem streitigen Bescheid vom 11. August 1988 rechnete die BfA diese Anwartschaften ab 1. Juli 1988 auf das ARG der Klägerin an.
Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat die auf Gewährung von höherem ARG schon ab 1. Dezember 1986 gerichtete Klage durch Urteil vom 15. März 1989 abgewiesen. Die - vom SG zugelassene - Berufung der Klägerin hiergegen ist vom Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 2. August 1990 zurückgewiesen worden. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, das ARG könne aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Doppelbelastungen der Versichertengemeinschaft erst ab dem Zeitpunkt erhöht werden, in dem das "Rentenkonto" des Berechtigten durch gutgebrachte Beitragswerte einen höheren Wert erlangt habe. Da vor der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich dem Versicherungsträger Rentenwerte nicht zuflössen, könne das ARG für Zeiten davor nicht angehoben werden. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden (Hinweis auf BSG SozR 7610 § 1587p Nrn 1, 2, 3; SozR 2200 § 1304a Nrn 2, 3, 4, 6, 7).
Zur Begründung der - vom LSG zugelassenen - Revision trägt die Klägerin vor, im Interesse der materiellen Gerechtigkeit sei die erhöhte Rente ab dem Ende der Ehezeit iS von § 1587 Abs 2 BGB zu zahlen, auch wenn sie erst mit der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich fällig werde. Mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, die Versorgungsanwartschaften mit dem Ende der Ehezeit wertmäßig zur Hälfte auszugleichen, sei es nicht vereinbar, daß der Berechtigte das Risiko einer zeitlichen Verzögerung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich tragen und einen Rentenverlust hinnehmen müsse. Dafür gebe es keinen sachlich gerechtfertigten Grund. Schutzwürdige Interessen des Versicherungsträgers, des Ausgleichsverpflichteten und dessen Versorgungsträgers stünden dem nicht entgegen. Doppelbelastungen könnten durch oder entsprechend § 1587p BGB vermieden, Zinsverluste des Versicherungsträgers unter den Versorgungsträgern ausgeglichen werden. Durch die hinausgezögerte Leistung aus dem Versorgungsausgleich werde allein die Versichertengemeinschaft begünstigt.
Die Klägerin beantragt:
"1. Das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. August 1990 und das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15. März 1989 werden aufgehoben.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 11. August 1988 wird abgeändert und diese verurteilt, das ARG der Klägerin unter Berücksichtigung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Koblenz ab dem 1. Dezember 1986 zu zahlen."
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das beigeladene Land beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Diese Beteiligten halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß ihr höheres ARG aufgrund der durch das am 6. Juni 1988 rechtskräftig gewordene Teilurteil des OLG Koblenz nach § 1587b Abs 2 BGB begründeten Rentenanwartschaften erst ab 1. Juli 1988 zusteht.
Beurteilungsmaßstab ist § 48 Abs 1 Sätze 1 und 2 Nr 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X; BSG SozR 5750 Art 2 § 12b Nr 2). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Satz 1 aaO). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Satz 2 Nr 1 aaO). Diese Vorschrift ist anzuwenden, weil der Bescheid vom 22. März 1985, mit dem die BfA die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in das ARG umgewandelt hat, ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung und bindend (§ 77 SGG) geworden ist, also für die Klägerin und die BfA verbindlich ua die Höhe des ARG festgestellt hat. Die Bindungswirkung dieses Bescheides kann gemäß § 77 SGG nur durch Gesetz oder kraft gesetzlicher Ermächtigung durchbrochen werden. Eine gesetzliche Regelung, die ausdrücklich oder sinngemäß die Bindungswirkung eines Rentenbescheides durchbricht oder den Versicherungsträger dazu ermächtigt, unter Aufhebung des bindenden Bescheides eine höhere Rente für Zeiten vor Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu gewähren, also eine Spezialregelung iS von § 37 Satz 1 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) existiert nicht: Die rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften über die Rentenanwartschaften und Ansprüche früherer Ehegatten (§§ 83 ff - hier: § 83 Abs 2 Satz 1 - des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG) treffen keine Regelungen über die Durchbrechung der Bindungswirkung von Verwaltungsakten. Gleiches gilt für die dem familienrechtlichen Bereich zuzuordnenden § 1587 ff BGB (vgl BSG SozR 2200 § 1304a Nr 6; Nr 10) und für die das Verfahren vor den Familiengerichten betreffenden §§ 622 ff der Zivilprozeßordnung (ZPO) sowie der gemäß § 621a Abs 1 ZPO entsprechend anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG). Insbesondere kommt § 53g Abs 1 FGG, nach dem die Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, erst mit der Rechtskraft wirksam werden, nur rechtsgestaltende Wirkung im Blick auf ua das materiell-rechtliche Sozialrechtsverhältnis, nicht aber auf das Verwaltungsverfahren zu (BSG SozR 2200 § 1304a Nr 16; SozR 7610 § 1587p Nr 1). Deswegen kommt es für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch entscheidend darauf an, ob und ggf wann nach Erlaß des Bescheides vom 22. März 1985 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen iS von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist.
Keiner Darlegung bedarf, daß jedenfalls mit der Rechtskraft des Teilurteils des OLG Koblenz am 6. Juni 1988 eine wesentliche Änderung durch die Begründung höherer Rentenanwartschaften zugunsten der Klägerin eingetreten ist. Die BfA hat dementsprechend mit dem streitigen Bescheid vom 11. August 1988 höheres ARG nicht nur für die Zukunft, dh für die Zeit ab Erlaß dieses Bescheides, sondern unter Aufhebung des Bescheides vom 22. März 1985 auch rückwirkend bis zum 1. Juli 1988 gewährt. Damit hat die Klägerin die höhere Rente bis zum frühesten nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X vorgesehenen Zeitpunkt, nämlich dem der Änderung der Verhältnisse, erhalten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin bedeutet weder das Ende der Ehezeit iS von § 1587 Abs 2 BGB, das am 30. November 1986 eingetreten ist, noch das am 3. August 1987 insoweit rechtskräftig gewordene Scheidungsurteil des Amtsgerichts St. Goar eine im Blick auf den Bescheid vom 22. März 1985 "wesentliche Änderung" der Verhältnisse. Denn für den Verfügungssatz dieses Umwandlungsbescheides war es rechtlich unerheblich, daß die Klägerin im Zeitpunkt seines Erlasses verheiratet war. Erst mit Eintritt der Rechtskraft und damit der Wirksamkeit (§ 53g Abs 1 FGG) des Teilurteils des OLG Koblenz ist das rentenrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten umgestaltet worden; erst dadurch wurde der Wert ihres Rentenstammrechts um den Wert der zu Lasten der Versorgungsanwartschaften ihres früheren Ehemannes begründeten Rentenanwartschaften erhöht. Dies war die Voraussetzung dafür, daß sie materiell berechtigt war, gemäß § 67 Abs 1 Satz 1 AVG vom Ablauf des Monats Juni 1988 an, also ab 1. Juli 1988, von der Beklagten zu verlangen, den jetzt erhöhten Wert ihres Rentenstammrechts bei ihrem monatlichen ARG erhöhend zu berücksichtigen (vgl BSGE 53, 78 = SozR 2200 § 1304a Nr 2; SozR 7610 § 1587p Nr 1; jeweils mwN). Denn erst das wirksame Teilurteil des OLG Koblenz hat - über die Gestaltung des Versorgungsausgleichs zwischen den Eheleuten, der auf familienrechtlichem Gebiet liegt (BSG SozR 2200 § 1304a Nr 6) hinaus - auch das davon zu trennende Rentenrechtsverhältnis, näherhin das Rentenstammrecht der Klägerin gegenüber der BfA hoheitlich und rechtsbegründend (konstitutiv) verändert. Frühestens durch diesen Hoheitsakt hat die Klägerin eine rentenrechtliche Position erlangt, mit der die Entscheidung über die Höhe des ARG im Bescheid vom 22. März 1985 nicht mehr vereinbar war.
Auf einen früheren Zeitpunkt kann diese Änderung der rentenrechtlichen Verhältnisse nicht zurückbezogen werden. Zwar ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse auch bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs rechtliche Wirkungen für die Beurteilung von Umständen entfalten kann, die bereits zuvor in der Vergangenheit eingetreten sind oder hätten vorliegen müssen: So erlangt ab Durchführung des Versorgungsausgleichs durch Übertragung von Rentenanwartschaften sogar ein schon vor der Ehezeit eingetretener Versicherungsfall anspruchsbegründende Bedeutung (BSGE 53, 78 = SozR 2200 § 1304a Nr 2); ebenso sind der für die Wartezeit erforderlichen Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten (§§ 23 Abs 3, 24 Abs 3 Buchst a, 25 Abs 5 und Abs 7 Satz 3 AVG) die im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften gleichzusetzen (BSGE 61, 271 = SozR 2200 § 1304c Nr 1; SozR 2200 § 1304a Nr 13). Das bedeutet jedoch nur, daß Anspruchsvoraussetzungen, die nach allgemeinem Rentenversicherungsrecht schon vor der Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung hätten erfüllt sein müssen, nach Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs uU (vgl aber BSG SozR 2200 § 1246 Nr 166) als rechtzeitig erfüllt gelten können, wenn anderenfalls ein Leistungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger in der Zeit ab Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung schlechthin nicht entstehen oder erhöht werden könnte. Das BSG hat demgemäß in ständiger Rechtsprechung (BSGE 53, 78 = SozR 2200 § 1304a Nr 2; vgl ua auch BSGE 58, 59 = SozR 2600 § 96 Nr 1; SozR 2200 § 1304a Nr 10; SozR 7610 § 1587p Nrn 1 und 2; zum Rentenbeginn bei durch Beitragszahlung begründeten Anwartschaften BSG SozR 2200 § 1304a Nr 6; alle mwN) aufgezeigt, daß nach dem Gesamtkonzept der materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungen des Rentenversicherungsrechts, des BGB und des FGG die infolge des Versorgungsausgleichs entstandenen oder erhöhten Rentenanwartschaften zu einer - höheren - Rente erst ab dem der Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung folgenden Monat führen können (zustimmend das Schrifttum; stellvertretend: Bley/Udsching in: SGB/RVO-Gesamtkommentar, Bd 7, Anm 8 zu § 1304b RVO; Hoernigk/Jorks, Rentenversicherung, Bd 1, Anm 8d zu § 1304a RVO; Kaltenbach/Maier in: Koch/Hartmann, Das Angestelltenversicherungsgesetz, Anm II vor §§ 83 bis 83c; VDR-Kommentar, Anm 6.13 zu § 1304a RVO; Maier, Münchener Kommentar, Bd 5, 1. Halbband, 2. Aufl 1989, Anm 122 zu § 1587b; Schmeiduch in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl 1989, Anm 87 ff zu § 1587b; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, Bd 2, Stand: 1990, Anm V 2 A zu § 1304a RVO).
An dieser Rechtsprechung ist auch unter Würdigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art 3 Abs 1 und 2, 14 Abs 1, 20 Abs 1, Abs 2 Satz 2 und Abs 3 des Grundgesetzes - GG) entgegen der Ansicht des Hessischen LSG (Urteil vom 13. Dezember 1988 -L 2/J-153/83-, Der Streit 1989, 55 ff) und der Klägerin grundsätzlich festzuhalten:
Zwar ist der Klägerin einzuräumen, daß die gesetzliche Regelung des Versorgungsausgleichs darauf abzielt, den Ausgleichsberechtigten nach Möglichkeit zeitgleich mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils (§ 629d ZPO) unter den Schutz auch seines Anteils an den in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften zu stellen. Dazu sind in erster Linie verfahrensrechtliche Vorkehrungen (ua Verbundentscheidung nach § 623 Abs 1 ZPO; Beteiligung und Mitwirkung ua der Versicherungsträger im Verfahren um den Versorgungsausgleich nach § 53b Abs 2 FGG) getroffen worden. Das Ziel kann aber nicht erreicht werden, wenn es ua nicht zu einer Verbundentscheidung kommt, weil die Feststellung des auszugleichenden Wertes sich als schwierig gestaltet oder zwischen den früheren Eheleuten oder ua den Versicherungsträgern umstritten ist. In diesen Fällen bewirkt - wie im Fall der Klägerin - die Verzögerung einer wirksamen Entscheidung über den Versorgungsausgleich, daß der Ausgleichsberechtigte - höhere - Rentenansprüche erst später erwirbt. Das läuft - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - dem Zweck des Versorgungsausgleichs tendenziell entgegen und ist für den familienrechtlich Berechtigten insbesondere dann unbefriedigend, wenn - wie hier - die Verzögerung lediglich deswegen eintritt, weil nur über einen relativ geringen Teil des auszugleichenden Betrages gestritten wird. Es ist hier aber nicht darauf einzugehen, ob der Gesetzgeber in solchen Fällen zweckmäßig dadurch abhelfen könnte, daß er die Familiengerichte oder deren Rechtsmittelinstanz zu einer vorläufigen Regelung (vgl § 24 Abs 3 FGG) im Blick auf einen "unstreitigen" Teil des auszugleichenden Betrages verpflichtet. Denn das jetzt geltende Recht (BGB, ZPO, FGG) sieht das nicht vor. Eine Änderung des familienrechtlichen Versorgungsausgleichs bzw der zu seiner Regelung dienenden Vorschriften der ZPO oder des FGG ist dem Gesetzgeber vorbehalten.
Für die hier maßgeblichen rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften (§§ 89 ff AVG, § 48 SGB X) gibt es jedoch einen sachlich vertretbaren, dem Übermaßverbot genügenden Grund, dem das nicht gering einzuschätzende Interesse des ausgleichsberechtigten Rentners an einer erst ab Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich, jedoch auch für Zeiten davor auszuzahlenden Rentenerhöhung weichen muß:
Die früheren Ehegatten sollen nämlich durch die Ehescheidung grundsätzlich keine unverdienten wirtschaftlichen Vorteile zu Lasten Dritter, ua der Versichertengemeinschaften, erhalten, also keine Scheidungsfolgelasten auf Unbeteiligte abwälzen dürfen (vgl BSG SozR 2200 § 1304a Nr 10; SozR 5795 § 4 Nr 5). Müßte der Versicherungsträger - höhere - Rente auch für Zeiten vor Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zahlen, könnten die früheren Ehegatten aus dem Wert einer Anwartschaft zweifach Leistungen erhalten. Wenn und soweit nämlich beide früheren Eheleute Rente/Versorgung für Zeiten zwischen dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils und dem der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich beanspruchen können, erhält der Ausgleichsverpflichtete ohnehin die ihm aus seinen ungekürzten Anwartschaften zustehende Leistung, ohne daß im Regelfall eine spätere Teilrückforderung rechtlich möglich ist; sein Anspruch wird erst ab Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich gekürzt (vgl zB § 57 Abs 1 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes -BeamtVG-; § 83a Abs 4 Satz 2 AVG). Würde dem Ausgleichsberechtigten gleichwohl - höhere - Rente rückwirkend uU schon ab Rechtskraft des Scheidungsurteils gewährt, geschähe dies allein aus Mitteln Dritter, nicht aus dem Wert der von dem Ausgleichsverpflichteten erworbenen Anwartschaften.
Im Ergebnis gleichzuerachten ist der hier vorliegende Fall, daß - rückschauend vom Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich (Juni 1988) - nur der Ausgleichsberechtigte Rente beanspruchen konnte, so daß eine unverdiente Begünstigung der früheren Eheleute durch rückwirkende Rentengewährung scheinbar nicht eintreten kann. Hierbei bliebe jedoch außer Betracht, daß der Ausgleichverpflichtete, bei dem während der Dauer des familiengerichtlichen Verfahrens jederzeit ein Versorgungsfall hätte eintreten können, den wirtschaftlichen Vorteil eines Versorgungsschutzes in Höhe des ungekürzten Wertes seiner Versorgungsanwartschaft erlangt hat. Deswegen brauchte er keine finanziellen Mittel für eine Aufrechterhaltung der Höhe seiner Anwartschaft (vgl § 58 BeamtVG; § 83a Abs 6 AVG) oder zum Erwerb einer entsprechenden anderweitigen Sicherung aufzuwenden. Würde nun der Ausgleichsberechtigten rückwirkend Rente gewährt, wären die früheren Eheleute um einen mit ihren Anwartschaften nicht verdienten wirtschaftlichen Vorteil zu Lasten Dritter dauerhaft begünstigt.
Ein weiterer sachlich vertretbarer Grund, das wirtschaftliche Risiko aus einer Verzögerung des familienrechtlichen Verfahrens den früheren Eheleuten (nach den Vorgaben aus den familienrechtlichen Regelungen: regelmäßig den Ausgleichsberechtigten), nicht hingegen ua der Versichertengemeinschaft aufzuerlegen, ergibt sich daraus, daß es seinen Grund im Scheitern der Ehe hat. Im familiengerichtlichen Verfahren geht es nämlich um die Klärung von infolge der Scheidung der Ehe zu begründenden Ausgleichsansprüchen, die ihrerseits auf Entscheidungen der früheren Eheleute in ihrem persönlichen Verantwortungsbereich beruhen. Demgegenüber haben die weiteren Beteiligten kein erkennbares Eigeninteresse an der Gestaltung des familienrechtlichen Versorgungsausgleichs, abgesehen von der Abwehr einer rechtswidrigen Inanspruchnahme. Schon deshalb liegt das von der Klägerin angesprochene mißbräuchliche Verhalten eines Versicherungsträgers fern, das im übrigen geeignet wäre, ua Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung (Art 34 Satz 1 GG, § 839 BGB) auszulösen.
Schließlich hat das LSG zu Recht darauf hingewiesen, daß Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Gestaltung und Durchführung des Versorgungsausgleichs für alle Beteiligten eine besonders große Bedeutung haben. Diesen Rechtswerten kann in diesem unübersichtlichen und viele unterschiedliche Fallgestaltungen erfassenden Rechtsgebiet nur durch typisierende und generalisierende Regelungen Rechnung getragen werden. Dem genügt, daß der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich, der ein leicht feststellbarer Umstand ist, maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn oder die Erhöhung einer Rente ist, zumal dadurch in aller Regel unverdiente Vergünstigungen für die früheren Eheleute ausgeschlossen werden. Ob aus verfassungsrechtlichen Gründen anders zu entscheiden wäre, falls die Möglichkeit eines unverdienten Vorteils dadurch entfallen ist, daß der Ausgleichsverpflichtete ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene zwischen Scheidung und der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich stirbt, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Nach alledem hat die Beklagte der Klägerin höhere Rente ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt gewährt. Die Revision gegen das Urteil des LSG konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen