Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit (EU/BU); im Streit ist vornehmlich die Frage, ob er sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verwiesen werden kann.
Der 1941 geborene Kläger, der aus Kroatien stammt, erlernte dort von 1956 bis 1959 das Schmiedehandwerk und bestand die Abschlußprüfung. Seit 1961 arbeitete er in der Bundesrepublik Deutschland als Schmied, Former in einer Gießerei und als Hilfsarbeiter in einer Glashütte. Zuletzt war er von 1966 bis März 1977 als Hilfsschlosser in einer Reparaturwerkstatt mit der Demontage und Montage von Pumpen beschäftigt. Dabei wurde er nach der Lohngruppe 6 des Lohnrahmenabkommens für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens entlohnt. Seit Beendigung dieser Beschäftigung bezieht er Arbeitslosengeld bzw. seit Mai 1978 Arbeitslosenhilfe.
Die 1978 und 1983 gestellten Rentenanträge des Klägers blieben erfolglos. Seinen erneuten Antrag auf Gewährung von Rente wegen BU oder EU vom Mai 1989 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 1989 ab. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1989). Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Juni 1991). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 4. September 1992 zurückgewiesen. Der Kläger sei zwar durch die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Ihm seien nur noch körperlich leichte Arbeiten im Sitzen, Stehen und Umhergehen mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten bis zu 5, zeitweise auch 10 kg Gewicht in geschlossenen, regelrecht temperierten Räumen vollschichtig zumutbar. Damit könne er aber z.B. noch als Sortierer von Kleinteilen, Kontrollarbeiter, Wächter in einem Parkhaus oder als Bürohilfsarbeiter arbeiten. Diese Tätigkeiten seien ihm auch sozial zumutbar.
"Bisheriger Beruf" des Klägers sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hilfsschlosser. Die früher ausgeübte Facharbeitertätigkeit als Schmied sei nicht maßgeblich, weil der Kläger sich von ihr nicht ausschließlich aus Gesundheitsgründen gelöst habe. Bei der Tätigkeit als Hilfsschlosser habe es sich um eine qualifizierte Anlerntätigkeit gehandelt. Sie habe nach in einem anderen Verfahren erteilten Auskünften des Arbeitgebers von einer ungelernten, betriebsfremden und durchschnittlich begabten Kraft erst nach einer Einweisungszeit von 12 bis 18 Monaten erbracht werden können. Auch der dort gehörte berufskundliche Sachverständige habe diese Tätigkeit als echte Anlerntätigkeit bewertet, die für einen Berufsfremden eine Anlernzeit von mindestens 18 Monaten erfordere, hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer qualitativen Anforderungen aber unterhalb der an einen Facharbeiter gestellten Anforderungen liege. Die vom Arbeitgeber gewährte Entlohnung nach Lohngruppe 6 des Lohnrahmenabkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens bestätige diese Bewertung, weil sie gerade für diese Tätigkeit ausdrücklich vorgesehen sei. In der nächsthöheren Lohngruppe 7 würden bereits die Facharbeiter nach Abschluß ihrer Ausbildung entlohnt. Entsprechend dem vom Bundessozialgericht (BSG) erarbeiteten Vierstufenschema für die Arbeiterberufe sei der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen. Er besitze daher keinen Berufsschutz als Facharbeiter, sondern sei vielmehr voll auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung des § 1246 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend. Er gehöre mit seinem bisherigen Beruf wegen dessen qualitativer Anforderungen in den oberen Bereich der Gruppe mit dem Leitbild des Angelernten des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas. Zu demselben Ergebnis führe auch die Bewertung der Tätigkeit nach dem konkret anzuwendenden Tarifvertrag. Damit sei er entgegen der Ansicht des LSG nicht "voll auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar". Die Tätigkeiten in den untersten Vergütungsgruppen seien ihm vielmehr nicht zumutbar; um solche handele es sich aber bei den vom LSG aufgeführten Beispielen. Er dürfe nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf SozR 2200 § 1246 Nr. 143) nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale auszeichneten. Dies sei bei den vom LSG genannten Tätigkeiten nicht der Fall. Das LSG habe es im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG auch nicht für erforderlich gehalten, eine in Betracht kommende Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. September 1992 aufzuheben, das Urteil des SG Düsseldorf vom 14. Juni 1991 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juli 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 1989 zu verurteilen, ihm Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, ab 1. Juni 1989 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Das LSG habe den Kläger, der zuletzt eine qualifizierte Anlerntätigkeit ausgeübt habe, zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit Ausnahme der allereinfachsten verweisen können. Zu den ganz einfachen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gehörten z.B. einfache Hof-, Platz- und Gartenarbeiten, Botengänge, Reinigungs- und Putzarbeiten usw. Die vom LSG genannten Tätigkeiten wiesen hingegen Qualitätsmerkmale auf und seien daher sozial zumutbar.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit er EU-Rente begehrt, und mußte daher insoweit verworfen werden. Hinsichtlich dieses selbständigen Streitgegenstandes fehlt es an einer hinreichenden Revisionsbegründung gem § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG. Die Ausführungen zum Berufsschutz und zur fehlenden Benennung einer zumutbaren Tätigkeit beziehen sich ersichtlich allein auf den geltend gemachten Anspruch auf BU-Rente, für den sie nur von Bedeutung sein können.
Im übrigen ist die Revision zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Die berufungsgerichtlichen Feststellungen reichen für die abschließende Beurteilung, ob der Kläger einen Anspruch auf BU-Rente hat,
nicht aus. Es sind ergänzende Feststellungen zur Fähigkeit des Klägers, seinen bisherigen Beruf auszuüben, und ggf zu einer zumutbaren Verweisungstätigkeit erforderlich.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen BU richtet sich noch nach § 1246 RVO, denn der Rentenantrag ist bereits im Mai 1989 - also bis zum 31. März 1992 - gestellt worden und bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫; vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29).
Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs. 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Ausgangspunkt für die Prüfung der BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164). Nach diesen Grundsätzen ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß der bisherige Beruf des Klägers der eines Hilfsschlossers ist. Feststellungen des LSG, ob er diesen Beruf angesichts seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch ausüben kann, fehlen. Zwar ist aufgrund der Verweisung des Klägers auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes durch das LSG anzunehmen, daß es die Einsatzfähigkeit im bisherigen Beruf nicht als gegeben angesehen hat; die erforderlichen konkreten Feststellungen ersetzt dies jedoch nicht. Das Berufungsgericht hätte die körperlichen, geistigen und seelischen Anforderungen dieses Berufs genau feststellen und diese zu dem Restleistungsvermögen des Klägers in Beziehung setzen müssen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29). Hätten die Ermittlungen des LSG ergeben, daß der Kläger seinen bisherigen Beruf noch vollwertig ausüben kann, so läge keine BU vor (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 109). Das Revisionsgericht kann diese Feststellungen nicht selbst treffen (§ 163 SGG). Sie könnten nur dann unterbleiben, wenn der Kläger noch zumutbare Verweisungstätigkeiten verrichten könnte.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 138, 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 27, 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrige Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 mwN; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).
Nach diesen Kriterien ist der bisherige Beruf des Klägers der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters (oberer Bereich) zuzuordnen. Der Beruf des Hilfsschlossers ist nicht staatlich als Ausbildungsberuf anerkannt. Die vom LSG festgestellte Notwendigkeit einer (betrieblichen) Ausbildungs- bzw. Einweisungszeit von regelmäßig 12 bis 18 Monaten zum Erwerb des für die vollwertige Ausübung dieser Tätigkeit erforderlichen Wissens und Könnens liegt innerhalb des die Stufe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters kennzeichnenden zeitlichen Rahmens von drei Monaten bis zu zwei Jahren. Zur Begründung einer Facharbeiterqualifikation reicht sie nicht aus. Auch eine tarifliche Gleichstellung mit einer Facharbeitertätigkeit (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 123 m.w.N.) ist nicht gegeben. Die Tätigkeit als Hilfsschlosser war nach den Feststellungen des LSG im einschlägigen Tarifvertrag (Lohnrahmenabkommen in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens) in Lohngruppe 6 eingeordnet. Diese umfaßt Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Anlernausbildung in einem anerkannten Anlernberuf oder eine gleich zu bewertende betriebliche Ausbildung erfordern. Erst die nächsthöhere Tarifgruppe 7 enthält Facharbeitertätigkeiten.
Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 109, 132, 143). Dabei ist bisher offen geblieben, wo die Grenze zwischen diesen beiden Bereichen zu ziehen ist (so ausdrücklich im Urteil des 5. Senats vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 19/87 - ≪RV 1989, 192≫). Die Entscheidungen, in denen diese Differenzierung vorgenommen wird, befassen sich mit solchen Versicherten, deren Tätigkeit entweder gerade an der unteren Grenze der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters liegt (vgl. etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 109), also in jedem Fall dem unteren Bereich zuzuordnen ist, oder die sich angesichts der Qualität ihrer Tätigkeit als "Beamtendiensttuer" (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 132) oder einer Regelausbildung von zwei Jahren (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143) eindeutig an der oberen Grenze dieser Gruppe des Mehrstufenschemas befindet. In der Literatur wird zum Teil vorgeschlagen, dem oberen Bereich alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen Ausbildung von über einem Jahr bis zu zwei Jahren (vgl. Gleitze/Försterling SGb 1988, 426, 429; Schimanski SozSich 1988, 107, 109; KassKomm-Niesel, § 1246 RVO RdNr 18; Meyer GK-SGB VI § 43 RdNr 229) zuzuordnen; zum Teil wird dafür plädiert, den oberen Bereich bereits bei einer Regelausbildung von einem Jahr beginnen zu lassen (vgl. Ockenga/Weiler SGb 1991, 177, 179) oder diesen Bereich auf die Angelernten "unmittelbar unter der Facharbeitergruppe" zu beschränken (so Wilde/Schimmelpfeng-Schütte NZA 1989, 93, 97; zur Zuordnung und Verweisung der "Oberangelernten" S. auch Behn SozVers 1989, 150ff. und 179ff.).
Die Abgrenzung der beiden Bereiche der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters muß der sozialen Wirklichkeit, d.h. der realen Struktur der Anlerntätigkeiten entsprechen. Diese wird zunächst von der Gliederung der staatlich anerkannten Ausbildungsberufe bestimmt. In den aufgrund der Ermächtigung in § 25 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) erlassenen Ausbildungsordnungen finden sich (unter Einbeziehung der Stufenausbildungen) Ausbildungszeiten zwischen 12 und 42 Monaten. Abweichende Ausbildungszeiten finden sich im wesentlichen nur im Bereich der Berufsausbildung für Behinderte und in landesrechtlichen Regelungen für das öffentliche Gesundheitswesen. Im Bereich der Anlerntätigkeiten im Sinne der entsprechenden Stufe des Mehrstufenschemas sind als markante Grade die 12- und die 24-monatige Ausbildung zu erkennen, wobei die Ausbildungszeit von 24 Monaten die Regel darstellt (vgl. § 25 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 26 Abs. 6 BBiG). In Tarifverträgen finden sich ähnliche Regelungen (vgl. Schimanski SozSich 1988, 107, 112f. mit Beispielen). Nach Ansicht des Senats sind - dieser Struktur folgend - dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs-oder Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen.
Der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG voll wettbewerbsfähig eine Tätigkeit als Hilfsschlosser verrichtet, für deren Ausübung eine (betriebliche) Anlernzeit von jedenfalls mehr als einem Jahr erforderlich war. Gegenüber der Zuordnung dieser Tätigkeit in den oberen Bereich der Stufe des Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf des Angelernten haben die Parteien im Revisionsverfahren auch keine Bedenken mehr geäußert; der Kläger hat diese Zuordnung seines bisherigen Berufs vielmehr ausdrücklich geltend gemacht und die Beklagte hat insoweit keine anderen Vorstellungen geäußert. Unterschiedliche Auffassungen bestehen lediglich hinsichtlich der Anforderungen an für den Kläger sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten.
Als Angehöriger der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich kann der Kläger entgegen der Ansicht des LSG nicht schlechthin auf das allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden. Vielmehr scheiden zum einen ungelernte Tätigkeiten nur ganz geringen qualitativen Wertes aus; die zumutbaren Verweisungstätigkeiten müssen sich vielmehr durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 132 mwN, 140, 143). Solche Tätigkeiten werden in der Regel der Gruppe mit dem Leitbild des Angelernten (unterer Bereich) zuzurechnen sein; aber auch durch Qualitätsmerkmale herausgehobene ungelernte Tätigkeiten kommen hierfür in Betracht. Zum anderen folgt aus der Einschränkung der Verweisbarkeit, daß mindestens eine danach in Betracht kommende Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (vgl. BSG a.a.O.).
Ob die vom LSG aufgeführten Tätigkeiten ("Sortierer von Kleinteilen, Kontrollarbeiter, Wächter in einem Parkhaus, Bürohilfsarbeiter") den genannten qualitativen Anforderungen entsprechen, ist mangels tatsächlicher Feststellungen nicht zu beurteilen, denn Ausführungen über qualitätsrelevante Merkmale fehlen im Berufungsurteil völlig. Die von der Beklagten in der Revisionserwiderung vorgetragenen Tatsachen, für die Ausübung dieser Tätigkeiten bedürfe es einer kurzen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit, und die Tätigkeit als Bürohilfsarbeiter sei in der Gehaltsgruppe X oder IXb des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) eingestuft, können im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 163 SGG).
Für die konkrete Bezeichnung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit reicht es nicht aus, bestimmte Tätigkeiten zusammengefaßt als zumutbar zu bezeichnen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.), wie es das LSG getan hat. Erforderlich ist vielmehr die Benennung eines typischen Arbeitsplatzes mit der üblichen Berufsbezeichnung (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 98). Im einzelnen ist festzustellen, welche Anforderungen in gesundheitlicher und fachlicher Hinsicht diese berufliche Tätigkeit stellt, ob der Versicherte diesen Anforderungen nach seinem gesundheitlichen und geistigen Leistungsvermögen sowie seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 36, 68, 72, 98; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29) und ob er in der Lage ist, die Verweisungstätigkeit innerhalb einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig auszuüben (vgl. für Facharbeiter BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 23, 101, 102). Es ist also eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen sowie den Arbeitsablauf und typische Belastungssituationen einzuholen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8 und SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 32 m.w.N.). Dies kann durch Gutachten von berufskundlichen Sachverständigen aus der Praxis oder von arbeitswissenschaftlichen Instituten, die sich mit solchen Gutachten befassen (z.B. Universität Stuttgart-Hohenheim, Universität Siegen, Universität Dortmund, Technische Hochschule Darmstadt oder Gesamthochschule/Universität Kassel), geschehen. Auch gegen die - hier vom LSG angewandte - Beiziehung von Sachverständigengutachten aus früheren gleichgelagerten Verfahren und deren Verwertung im Wege des Urkundenbeweises bestehen keine Bedenken (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 33 m.w.N.). Bei einem medizinischen Sachverständigen jedoch können berufskundliche Kenntnisse nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden. Offenbar entspricht es der ständigen Praxis des LSG, den von ihm zum Sachverständigen ernannten Arzt in einer Formularanlage zur Beweisanordnung zu befragen, ob der Kläger noch verschiedene hinsichtlich ihres Anforderungsprofils nicht näher beschriebene Tätigkeiten ("Packer (in), Stanzer(in), Sortierer(in) von Kleinteilen… ") verrichten kann. Dies ist jedenfalls dann unzulässig, wenn nicht sichergestellt ist, daß der medizinische Sachverständige die für die Beantwortung erforderliche berufskundliche Sachkenntnis hat.
Bei der grundsätzlich durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten vorzunehmenden Prüfung, ob der Versicherte den gesundheitlichen und geistigen Anforderungen an die in Aussicht genommene Verweisungstätigkeit genügt, ist ggf auch zu untersuchen, ob er die erforderliche Umstellungsfähigkeit besitzt. Je weiter sich nämlich die in Aussicht genommene Verweisungstätigkeit von dem "bisherigen Beruf" entfernt, desto höhere Anforderungen stellt sie an die Umstellungsfähigkeit (vgl. etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 33, 38). Bei einem Versicherten, der - wie der Kläger - während seines gesamten Berufslebens nur körperliche Arbeit geleistet hat und sich bereits im mittleren Lebensalter befindet, kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, daß er sich z.B. auf die Verrichtung von "Bürohilfsarbeiten" umstellen kann. Es sind dann vielmehr entsprechende Ermittlungen (z.B. Durchführung psychologischer Eignungstests, vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 45) anzustellen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen