Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen der privaten Krankenversicherung. Krankenbehandlungskosten aufgrund vereinbarter Selbstbeteiligung. vorübergehender Mehrbedarf wegen eines unabweisbaren laufenden besonderen Bedarfs. grundsätzliche Zumutbarkeit des Wechsels in den Basistarif. fehlende Beratung durch den Grundsicherungsträger. Streitgegenstand
Leitsatz (amtlich)
Kosten von Krankenbehandlungen, die ein Empfänger von Arbeitslosengeld II aufgrund seiner privaten Krankenversicherung mit Selbstbeteiligung selbst zu bezahlen hat, können als Härtefallmehrbedarf vorübergehend vom Jobcenter zu übernehmen sein.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Zuschuss zum Versicherungsbeitrag bei einer privaten Krankenversicherung nach § 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II erstreckt sich nicht auf Aufwendungen zur medizinischen Versorgung, die in den Selbstbehalt von SGB II-Leistungsbeziehern fallen.
2. Selbstbehaltskosten bilden allerdings bis zum Zeitpunkt eines möglichen Wechsels in den Basistarif der privaten Krankenversicherung nach Beratung des Grundsicherungsträgers über diese Möglichkeit und die Folgen eines Verbleibs im Selbstbehaltstarif bis zur Höhe eines entsprechenden Aufwands in der gesetzlichen Krankenversicherung übergangsweise einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II.
Orientierungssatz
Vom Revisionsgericht ist als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu berücksichtigen, dass ein Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids als ursprünglicher Klagegenstand seinem Inhalt nach ungeachtet der Bezeichnung als "Änderungsbescheid" während des Klageverfahrens vollständig durch einen neuen Bescheid ersetzt und der neue Verwaltungsakt alleiniger Verfahrensgegenstand geworden ist, auch wenn das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Inhalt dieses neuen Verwaltungsaktes getroffen hat.
Normenkette
SGB 2 § 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; VAG § 12 Abs. 1c Sätze 5-6; SGB 2 § 21 Abs. 6 Sätze 1-2; SGB 1 § 14; SGG §§ 95, 96 Abs. 1; SGB 10 § 39 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. September 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Im Streit stehen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung von Krankenbehandlungskosten, die in den Selbstbehalt der privaten Krankenversicherung (PKV) der Klägerin gefallen sind.
Die 1978 geborene, bis zur krankheitsbedingten Berufsaufgabe selbstständig tätig gewesene Klägerin ist privat krankenversichert. Zunächst unterhielt sie einen Krankenversicherungsvertrag mit jährlichen Selbstbehalten von 750 Euro (2010) bzw 800 Euro (2011) bei monatlichen Beiträgen von 130,09 Euro (2010) bzw 165,70 Euro (2011) sowie zusätzlichen Beiträgen für die private Pflegeversicherung (PPV) von 19,69 Euro (2010) bzw 19,47 Euro (2011). 2012 wechselte sie in den Basistarif mit reduziertem Beitrag während der Dauer des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II ohne Selbstbeteiligung, wofür monatliche Gesamtbeiträge von 307,19 Euro anfielen.
Nach stationärer Krankenhausaufnahme im Juli 2010 beantragte die Klägerin Ende Juli 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Einschluss der Beiträge zur PKV und PPV. Im September 2010 legte sie ergänzend Rechnungen über medizinische Versorgungen aus 2010 vor, die aufgrund des Selbstbehalts nicht erstattet worden waren, und beantragte deren Übernahme in Höhe von 750 Euro.
Das beklagte Jobcenter bewilligte für den Zeitraum vom 1.8.2010 bis 31.1.2011 (unter Hinweis auf das ungeklärte Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einschluss des Zuschusses zur PKV und PPV in Höhe von zuletzt monatlich 1059,32 Euro bzw 1099,93 Euro (1.8.2010 bis 31.12.2010: Regelleistung 359 Euro, Unterkunft und Heizung 550,76 Euro, Krankenversicherung 129,87 Euro, Pflegeversicherung 19,69 Euro, Bescheid vom 1.9.2010 und zuletzt Änderungsbescheid vom 11.5.2011; 1.1. bis 31.1.2011: Regelleistung 364 Euro, Unterkunft und Heizung 550,76 Euro, Krankenversicherung 165,70 Euro, Pflegeversicherung 19,47 Euro, Bescheid vom 1.9.2010 und zuletzt Änderungsbescheid vom 11.5.2011). Die Übernahme von Behandlungskosten lehnte es dagegen ab, weil der Eigenanteil zur PKV von der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht umfasst sei (Bescheid vom 9.9.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 und Bescheid vom 2.11.2011). Übernommen würden bei einem Wechsel in den Basistarif die tatsächlichen Kosten bis zu einem Betrag von 287,72 Euro, jedoch sei "zu überlegen, wie wirtschaftlich der Wechsel in den Basistarif ist" (Schreiben vom 9.12.2011).
Die Klage auf Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 427 Euro für anteiligen Selbstbehalt im Jahr 2010 sowie von 800 Euro für Januar 2011 ist erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 20.6.2012 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 26.9.2013): Ansprüche nach § 26 Abs 2 SGB II bestünden nicht, weil die geltend gemachten Beträge keine Beiträge zur PKV, sondern Kosten seien, für die kein Kostenerstattungsanspruch bestehe. Ansprüchen nach § 21 Abs 6 Satz 1 SGB II stünde entgegen, dass der sich aus dem Selbstbehalt ergebende Bedarf nicht unabweisbar sei. Die Wahl eines Tarifs mit Selbstbehalt beruhe auf einem Gestaltungsrecht der Klägerin und könne durch einen Wechsel in den Basistarif ohne Selbstbehalt jederzeit geändert werden. Wegen der Vergleichbarkeit der Leistungen mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei ein solcher Wechsel auch dann zumutbar, wenn damit im Einzelfall Leistungsverschlechterungen verbunden seien.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Aus § 26 SGB II ergebe sich nicht, dass damit nur der reguläre monatliche Krankenversicherungsbeitrag gemeint sei. Nach § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) habe der Grundsicherungsträger den Beitrag zu zahlen, der auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) in der GKV aufzubringen sei. Wie er sich zusammensetze, also als Zuschuss in einer Summe oder zusammengesetzt aus einem niedrigen Versicherungsbeitrag und einem weiteren Beitrag bei Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, sei nicht vorgegeben. Im Hinblick auf ihre schwere Erkrankung sei es für sie vorteilhaft gewesen, einen qualitativ besser ausgestalteten Versicherungsschutz in der PKV zu haben.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. September 2013 und des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Juni 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 11. Mai 2011 zu verurteilen, sie hinsichtlich Krankenbehandlungskosten von 427,00 Euro für 2010 und von 800,00 Euro für Januar 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Ob der Klägerin Anspruch auf höheres Alg II wegen ungedeckter Krankenversorgungskosten zusteht, kann nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden. Zutreffend ist es zwar davon ausgegangen, dass solche Aufwendungen keine Beiträge iS von § 26 SGB II darstellen (dazu unter 2.). Jedoch kommt eine Berücksichtigung bis zur Höhe des entsprechenden Aufwands in der GKV als Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II übergangsweise bis zu dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem die Klägerin nach Beratung durch den Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den PKV-Basistarif und über die Folgen eines Verbleibs im Selbstbehaltstarif erstmals in den Basistarif wechseln konnte (dazu unter 3.). Ob eine solche Beratung erfolgt ist und die geltend gemachten Kosten in der GKV ebenso angefallen wären, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden, weshalb der Rechtsstreit zurückzuverweisen ist.
1. Gegenstand des Verfahrens ist (nur noch) der Bescheid vom 11.5.2011, mit dem der Beklagte während des schon laufenden Klageverfahrens nochmals (aber weiterhin vorläufig) eine vollständige Regelung über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.8.2010 bis 31.1.2011 getroffen und dabei die Übernahme der streitbefangenen Behandlungskosten wiederum abgelehnt hat. Dadurch ist der Bescheid vom 1.9.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 als ursprünglicher Klagegegenstand seinem Inhalt nach ungeachtet der Bezeichnung als "Änderungsbescheid" vollständig ersetzt worden (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ≪SGB X≫) und der Bescheid vom 11.5.2011 alleiniger Verfahrensgegenstand geworden (§ 96 Abs 1 SGG), was vom Revisionsgericht als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu beachten ist, obwohl das Berufungsgericht Feststellungen zum Inhalt dieses Bescheides nicht getroffen hat (zur Prüfung in der Revisionsinstanz fortwirkender Sachentscheidungsvoraussetzungen vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ Urteil vom 29.6.1995 - 11 RAr 57/94 - BSGE 76, 178, 180 = SozR 3-4100 § 58 Nr 7 S 30).
Zu entscheiden ist darüber im Hinblick auf die Vorläufigkeit der im Streit stehenden Bewilligung im Wege der Verpflichtungsklage auf Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 38 RdNr 16 mwN), dem Betrag nach begrenzt durch den erstinstanzlich gestellten Antrag, für das Jahr 2010 weitere 427 Euro und das Jahr 2011 weitere 800 Euro an Leistungen zu erhalten. Nicht Streitgegenstand ist dagegen nach dem Klagevorbringen die Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung, die von der Klägerin nicht infrage gestellt werden; insofern handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG bei den Verfügungen in Bezug auf die Regelleistung einerseits und die Unterkunfts- sowie Heizkosten andererseits um abtrennbare Verfügungen (zuletzt dazu zur alten und neuen Rechtslage BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 ≪vorgesehen≫, RdNr 11 mwN).
Eine weitergehende Begrenzung des Streitgegenstands auf einzelne Alg II-Bestandteile findet hingegen nicht statt. Insbesondere ist der Streitstoff nicht auf die Krankenbehandlungskosten der Klägerin beschränkt. Vielmehr bildet sowohl der hier in Betracht zu ziehende Anspruch auf Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II ebenso wie der Anspruch auf einen Zuschuss nach § 26 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung (ab 1.1.2011: Regelbedarf) abtrennbaren Streitgegenstand (zu § 21 Abs 6 SGB II: BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 18 vorgesehen, RdNr 12; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 19 vorgesehen, RdNr 10; zu § 26 SGB II: BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 10).
2. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass sich der Zuschuss zum Versicherungsbeitrag bei PKV nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II (hier in der am 1.1.2009 in Kraft getretenen und bis zum 31.3.2011 fortgeltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ≪GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378; im Folgenden: § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF) nicht auf Aufwendungen zur medizinischen Versorgung erstreckt, die in den Selbstbehalt von SGB II-Leistungsbeziehern fallen.
a) Soweit Bezieher von Alg II nicht versicherungspflichtig in der GKV sind - wie die Klägerin wegen ihres Status als PKV-Versicherte vor dem Alg II-Bezug (§ 5 Abs 5a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ≪SGB V≫, hier idF des GKV-WSG) - und auch nicht familienversichert sind, sondern für den Fall der Krankheit Versicherungsschutz bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen unterhalten, richten sich ihre Ansprüche zur Krankenversorgung seit Inkrafttreten des GKV-WSG gemäß § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF nach dem VAG in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des GKV-WSG. Demgemäß "gilt" in solchen Fällen § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG, wonach als Teil der in § 12 VAG getroffenen Vorschriften zur substitutiven Krankenversicherung Ansprüche ua gegenüber den SGB II-Trägern für den Fall begründet sind, dass SGB II-Leistungsbezieher die Mittel auch für einen nach § 12 Abs 1c VAG reduzierten Versicherungsbeitrag nicht selbst aufbringen können.
Hiernach bestimmt zunächst § 12 Abs 1a VAG (ebenfalls eingefügt durch das GKV-WSG), dass Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche eine substitutive Krankenversicherung betreiben (Verweis auf § 12 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 VAG idF des GKV-WSG), einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten haben, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den gesetzlich vorgegebenen GKV-Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V jeweils vergleichbar sind. Dessen Beitragshöhe ist durch § 12 Abs 1c Satz 1 VAG bei einem Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen dahin begrenzt, dass er den Höchstbeitrag der GKV nicht übersteigen darf. Zusätzlich vermindert er sich für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte, wenn allein durch die Zahlung des Beitrags ua nach § 12 Abs 1c Satz 1 VAG Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) entsteht (§ 12 Abs 1c Satz 4 Halbs 1 VAG). Besteht gleichwohl auch bei einem danach verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs 1c Satz 5 Halbs 1 VAG). Besteht hingegen Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags, ist zunächst die entsprechende Geltung von Satz 4 angeordnet (§ 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 1 VAG). Sodann heißt es weiter: Der zuständige Träger zahlt den "Betrag", der auch für einen Bezieher von Alg II in der GKV zu tragen ist (§ 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG).
b) Maßgebend für den hiernach von dem SGB II-Träger zu zahlenden "Betrag" ist schon nach Wortlaut und Systematik ausschließlich der Beitrag, den die hiernach anspruchsberechtigten Alg II-Bezieher ihrem Versicherungsunternehmen zu entrichten haben. Grundsicherungsrechtlich verweist darauf bereits die amtliche Überschrift von § 26 SGB II, wonach die Regelung seit der Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706, im Folgenden: GSiFoG) Ansprüche auf einen Zuschuss zu Versicherungs"beiträgen" begründet (vgl Art 1 Nr 1 Buchst d) GSiFoG). Ebenso knüpfen die gestaffelten Rechtsfolgen, auf die § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF verweist, gemäß § 12 Abs 1c Satz 4 und 6 VAG an die Höhe (ausschließlich) des PKV-Beitrags und die Möglichkeit an, ihn trotz Hilfebedürftigkeit aufbringen zu können. So werden die hier nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II aF ua einschlägigen Ansprüche im Fall von § 12 Abs 1c Satz 5 VAG nur ausgelöst, wenn auch bei einem nach § 12 Abs 1c Satz 4 VAG auf die Hälfte des Basistarifs reduzierten Beitrag weiterhin Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII besteht. Entsprechend richten sie sich darauf, dass sich der zuständige Träger im erforderlichen Umfang "beteiligt" (§ 12 Abs 1c Satz 5 Halbs 2 VAG), also den die Hilfebedürftigkeit auslösenden Teil des herabgesetzten Beitrags zahlt. Nicht anders kann vor diesem Hintergrund schon sprachlich der Bezugspunkt von § 12 Abs 1c Satz 6 VAG verstanden werden, der die Gruppe der Hilfebedürftigen betrifft, bei denen "unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags" Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII besteht. Das bestätigen schließlich auch die Materialien, wonach die Regelungen von § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG sicherstellen sollen, dass die Betroffenen durch die Zahlung des "Beitrags" zur PKV nicht überfordert werden (vgl BT-Drucks 16/3100 S 207).
c) In diese Richtung weist auch die Rechtsentwicklung von § 26 SGB II bis zur Neufassung durch das GKV-WSG. Bis dahin war der Anspruch auf SGB II-Leistungen bei PKV in § 26 SGB II selbst geregelt, nämlich in dessen Abs 2 Satz 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl 2954). Danach erhielten Bezieher von Alg II, die ua nach § 8 Abs 1 Nr 1a SGB V (in der durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführten und durch das GKV-WSG insoweit geänderten Fassung) von der Versicherungspflicht befreit waren, "einen Zuschuss zu den Beiträgen, die für die Dauer des Leistungsbezugs für eine Versicherung gegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit an ein privates Krankenversicherungsunternehmen gezahlt werden". Dieser Anspruch ist nach den Materialien nur deshalb aus dem SGB II herausgelöst worden, damit die Leistungen bei Hilfebedürftigkeit im Zusammenhang mit dem PKV-Basistarif aus Gründen der Rechtsklarheit im VAG konzentriert sind (vgl BT-Drucks 16/4247 S 60). Dass damit abweichend von der bis dahin geltenden Rechtslage ein Anspruch auf einen Zuschuss bei PKV auch für Aufwendungen im Rahmen von Selbstbehalten begründet werden sollte, kann danach nicht angenommen werden. Im Gegenteil verdeutlicht die frühere Regelung, dass der Zuschuss zur PKV nach § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG nur zu erbringen ist im Hinblick auf den Beitrag, den Bezieher von Alg II (unmittelbar) an ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu zahlen haben.
d) Bestätigt wird dies schließlich zuletzt durch die weitere Rechtsentwicklung mit der zum 1.4.2012 in § 26 SGB II eingefügten Neuregelung des Abs 4 (idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057). Hiernach gilt seither, dass der nunmehr in § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; im Folgenden: RBEG) verankerte, ansonsten aber inhaltlich unveränderte Zuschuss zur PKV "an das Versicherungsunternehmen zu zahlen ist, bei dem die leistungsberechtigte Person versichert ist". Damit soll ua das Beitragszahlungsverfahren bei privat krankenversicherten Leistungsbeziehenden nach dem SGB II vereinfacht werden (vgl BT-Drucks 17/7991 S 15 zu Nr 2). Das verdeutlicht ebenfalls, dass § 26 SGB II in der ansonsten unveränderten gesetzlichen Konzeption eine Rechtsgrundlage ausschließlich für die Beteiligung der SGB II-Träger an Versicherungsbeiträgen bildet, nicht hingegen für die Tragung von Krankenversorgungskosten im Rahmen vertraglich vereinbarter Selbstbehalte.
3. Selbstbehaltskosten bilden allerdings bis zum Zeitpunkt eines möglichen Wechsels in den PKV-Basistarif nach Beratung des Grundsicherungsträgers über diese Möglichkeit und die Folgen eines Verbleibs im Selbstbehaltstarif bis zur Höhe eines entsprechenden Aufwands in der GKV übergangsweise einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II.
a) Nach § 21 Abs 6 SGB II (für den Zeitraum vom 1.8.2010 bis 31.12.2010 idF des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010, BGBl I 671; ab dem 1.1.2011 inhaltlich deckungsgleich idF des RBEG) gilt in der Fassung seit dem 1.1.2011: Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2). So liegt es bei den im Streit stehenden Kosten der medizinischen Versorgung ausnahmsweise, solange es an einer ausreichenden Beratung des zuständigen Grundsicherungsträgers über die Möglichkeiten des Wechsels in den PKV-Basistarif gefehlt hat und der Wechsel deshalb zunächst unterblieben ist (dazu unter c) bis e) und soweit in der GKV Kosten in entsprechender Höhe angefallen wären (dazu unter f).
b) Grundsätzlich allerdings sind in einen Selbstbehalt fallende Kosten der medizinischen Versorgung nach dem mit der Einführung des PKV-Basistarifs verfolgten Regelungskonzept ab dem Zeitpunkt nicht mehr iS von § 21 Abs 6 SGB II unabweisbar, ab dem einem privat krankenversicherten Leistungsberechtigten der Wechsel in den PKV-Basistarif ohne Selbstbehalt zumutbar möglich ist; jedenfalls insoweit ist dem LSG zu folgen.
Mit der Einführung des Härtefallmehrbedarfs ist der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) getroffenen Vorgabe nachgekommen, im SGB II selbst sicherzustellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden (vgl BT-Drucks 17/1465 S 8). Damit soll gewährleistet werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind (BVerfG ebenda, RdNr 207 f).
Eine solche atypische Bedarfslage bildet die Belastung mit Krankenbehandlungskosten, die wegen eines Selbstbehalts nicht von der PKV getragen werden, dauerhaft nicht. Atypische Umstände im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 können nur bei Bedarfen bestehen, die nach dem SGB II in der Gesamtheit seiner Regelungen nicht zu decken sind (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207). So verhält es sich bei den Kosten der medizinischen Versorgung privat Krankenversicherter grundsätzlich ebenso wenig wie bei gesetzlich Krankenversicherten (vgl hierzu aus der Rspr des erkennenden Senats BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 23 f; aus der des 4. Senats BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 16 sowie vorgesehen für BSGE, RdNr 22). Flankiert von den dargelegten (vgl oben unter 2. a) Vorschriften zur Herabsetzung und Tragung der Beitragslast bei Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II oder SGB XII zielt das Regelungskonzept des SGB II vielmehr seit der Neuausrichtung durch das GKV-WSG in nicht zu beanstandender Weise darauf, nicht gesetzlich Krankenversicherten die notwendige und mit dem Versorgungsniveau in der GKV übereinstimmende medizinische Versorgung im Rahmen des Basistarifs in der PKV nach denselben Bedingungen grundsätzlich kostenfrei (von der in der GKV vorgegebenen Selbstbeteiligung also abgesehen) zu gewährleisten wie GKV-Versicherten.
Eine atypische Lage derart, dass ohne Inanspruchnahme medizinischer Hilfe auf eigene Kosten eine Beeinträchtigung des vom menschenwürdigen Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 Abs 1 GG umfassten Anspruchs auf eine ausreichende medizinische Versorgung (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 135; BSG Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, RdNr 31; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 33) drohen könnte, ist unter diesen Umständen bei einem Wechsel in den PKV-Basistarif ohne Selbstbehalt ausgeschlossen (ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014); und zwar entgegen ihrer Auffassung auch bei Krankheitsbildern wie dem der Klägerin, denn den gebotenen Standard muss auch die GKV gewährleisten (vgl zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit nur BVerfG Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Demgemäß hat der erkennende Senat bereits darauf erkannt, dass Alg II-Beziehern der Wechsel in den PKV-Basistarif zumutbar ist (BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 24).
c) Diese Rechtslage zutreffend einzuschätzen und deshalb schon aus eigener Initiative in einen PKV-Basistarif ohne Selbstbeteiligung zu wechseln, ist von den Betroffenen beim erstmaligen Angewiesensein auf existenzsichernde Leistungen indes regelmäßig nicht zu verlangen; diese vom LSG unausgesprochen zugrunde gelegte Annahme teilt der erkennende Senat nicht. Dagegen spricht bereits, dass der Verbleib im Selbstbehaltstarif aus Sicht von Alg II-Beziehern vielfach auch für den Grundsicherungsträger wirtschaftlicher erscheinen wird als der Übergang in den Basistarif (darauf zutreffend ebenso verweisend Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014). Das zeigt sich deutlich auch hier: Denn während sich die monatlichen Belastungen der Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 selbst bei voller Ausschöpfung der Selbstbehalte im Krankheitsfall aus Versicherungsbeiträgen (130,09 Euro bzw 165,70 Euro) und anteiligem monatlichem Selbstbehalt (62,50 Euro bzw 66,67 Euro) nur auf 192,59 Euro bzw 232,37 Euro beliefen, musste sie 2012 für den hälftigen Basistarif 287,72 Euro aufbringen, worauf nicht zuletzt der Beklagte mit Schreiben vom 9.12.2011 hingewiesen und dadurch mittelbar selbst Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Wechsels in den PKV-Basistarif geweckt hatte.
Weitere Unsicherheiten können sich aus der Frage ergeben, ob der regelmäßig höhere hälftige Beitrag im Basistarif bei einem Wechsel in diesen Tarif vom Grundsicherungsträger voll übernommen werden wird und der Wechsel deshalb eine Versorgung auf GKV-Niveau ohne eigene Mehrkosten gewährleistet. Zwar steht das nach der Rechtsprechung des BSG nunmehr fest (vgl BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1; dem folgend BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 22). Dass diese Kenntnis vorausgesetzt und Betroffenen deshalb schon aus eigenem Antrieb eine Änderung ihres Krankenversicherungsschutzes zugemutet werden kann, kann indes angesichts der schwer überschaubaren Rechtslage mit ihren Verweisen vom SGB II auf das VAG und von dort auf das SGB V sowie das Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) kaum angenommen werden (vgl zur Wendung "der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist" in § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 AVG und der hierdurch bewirkten Inbezugnahme von SGB V sowie SGB IV nur Krauß, ebenda RdNr 72 ff und RdNr 53).
d) Diese Kenntnislücke zu füllen, obliegt vielmehr dem zuständigen Grundsicherungsträger. Ihm erwächst auch insoweit aus dem Sozialrechtsverhältnis (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) zwischen den Hilfebedürftigen und den Leistungsträgern eine Verpflichtung zu Beratung und Hilfestellung, wie sie der erkennende Senat bereits in verschiedener Hinsicht angenommen hat (BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 17 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - RdNr 27). Denn solange sich den Betroffenen nicht aufdrängt, dass der Wechsel in den Basistarif vom Gesetzgeber trotz uU höherer Beitragslasten im Hinblick auf die damit verbundene Entlastung des Verwaltungsaufwands erwünscht ist und auch die höheren Beiträge voll übernommen werden, sind sie auf eine hinreichende Belehrung der Träger angewiesen, die sie in die Lage versetzt, Mehrkosten der medizinischen Versorgung zu vermeiden (zutreffend Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014). Dies gilt umso mehr, als die Schutzlücke für die Träger bei Antragstellung regelmäßig ohne Weiteres erkennbar ist - wie im Fall hier auch - und die Absicherung von Krankheitsrisiken elementare Schutzbedürfnisse betrifft, sodass Beratungspflichten ohnehin in gesteigerter Weise bestehen.
e) Solange es an einer solchen Beratung fehlt und ein Wechsel in den Basistarif daher (und nicht aus anderen Gründen, wie bei der Klägerin uU wegen erwarteter Versorgungsvorteile im ursprünglichen Tarif) noch unterblieben ist, bilden die wegen eines fortbestehenden Selbstbehalts in der PKV ungedeckten Kosten der medizinischen Versorgung einen besonderen Bedarf iS von § 21 Abs 6 SGB II. Prägend für ihn ist nach der Rechtsprechung des BSG, dass eine andere, weitergehende Bedarfslage vorliegt als bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 18 RdNr 20, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, in Fortführung der Ausgangsentscheidung des 7b Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - RdNr 17 zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN).
Ein solcher Mehrbedarf fällt an bei der Belastung durch Kosten der Krankheitsversorgung, die in der GKV oder nach einem Wechsel in den PKV-Basistarif vergleichbar nicht bestünden. Ohne Bedeutung dafür ist, ob dieser Bedarf nach der gesetzlichen Konzeption schon im Ansatz nicht bestehen dürfte oder ob er entstanden ist, weil der Grundsicherungsträger einer ihm obliegenden Beratungspflicht nicht nachgekommen ist und der Leistungsberechtigte daher von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Kostenentlastung (noch) keinen Gebrauch gemacht hat. Denn auch unter diesen Umständen ist der Zugang zu der gesetzlich vorgesehenen Form der Gesundheitsversorgung im Rahmen des Existenzminimums aus Gründen versperrt, die von dem Leistungsberechtigten nicht zu vertreten sind.
In dieser aus Sicht der gesetzlichen Konzeption ebenfalls atypischen Lage besteht ein Mehrbedarfsanspruch nach § 21 Abs 6 SGB II, soweit die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen. Fehlt es nämlich an der Beratung über den nach der Vorstellung des Gesetzgebers gegebenen Weg zur ausreichenden medizinischen Versorgung, dann kann einem Leistungsberechtigten nicht zugemutet werden, die Mittel für die dann auf andere Weise zu erlangenden Leistungen zur Krankenbehandlung aus dem Regelbedarf zu bestreiten oder hierfür ein Darlehen aufzunehmen. Insoweit liegt es ähnlich wie bei der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V, wo die rechtswidrige Leistungsversagung zur ansonsten nicht vorgesehenen Selbstbeschaffung berechtigt und einen Kostenerstattungsanspruch im System der GKV begründet (vgl dazu nur Hauck in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2013, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Jedenfalls bei Selbstbeschaffungen über einen Zeitraum von - wie hier - sechs Monaten handelt es sich dabei auch um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf (dazu eingehend S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 67 und 68; zur Frage, ob der Mehrbedarf regelmäßig und in kürzeren Abständen auftreten muss, siehe auch von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 42 sowie jüngst BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19 ≪vorgesehen≫, vorgesehen auch für BSGE, RdNr 17).
f) Begrenzt ist der Anspruch - vergleichbar auch insoweit der Situation in der GKV - im Hinblick auf das von der Klägerin geltend gemachte Interesse an einer im Vergleich zum GKV-Standard hochwertigeren Behandlung allerdings unter dem Gesichtspunkt der Unabweisbarkeit, wenn und soweit die Abrechnungen eine medizinische Versorgung betreffen, die vom Leistungskatalog des SGB V nicht umfasst war. Insoweit erstreckt sich der Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II nicht auf Kosten, die auch nach der Konzeption des SGB V von den Versicherten selbst zu tragen sind (so bereits BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 26).
4. Ob die Klägerin von dem Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den Basistarif und die Folgen des Verbleibs in einem Tarif mit Selbstbehalt beraten worden ist und ob die von ihr geltend gemachten Aufwendungen für medizinische Versorgungen angefallen sind, die in der GKV ebenso hätten beansprucht werden können, hat das LSG - nach seinem rechtlichen Standpunkt zu Recht - nicht geprüft, was im wieder eröffneten Berufungsverfahren festzustellen sein wird.
Sollte sich dabei ergeben, dass die Klägerin vom Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den PKV-Basistarif hinreichend beraten worden ist und/oder einzelne Kosten Versorgungen betreffen, auf die auch in der GKV kein Anspruch bestünde, kann weiter zu prüfen sein, ob danach grundsätzlich von ihr selbst zu tragende Aufwendungen der medizinischen Versorgung ausnahmsweise unter Beachtung der Maßstäbe zu krankheitsbedingten Mehrbedarfen bei GKV-Versicherten zu berücksichtigen sein können. Soweit gesetzlich Krankenversicherte einen Härtefallmehrbedarf wegen gesundheitsbedingter Aufwendungen geltend machen können, die vom Leistungskatalog des SGB V nicht umfasst sind, besteht ein solcher Anspruch für PKV-Versicherte nach Art 3 Abs 1 GG in gleicher Weise. In diese Richtung hat der erkennende Senat einen solchen Anspruch bejaht insbesondere für den Hygienemehrbedarf bei Aids-Erkrankung (BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3). Der 4. Senat des BSG hat erwogen, dass ein solcher Anspruch bestehen könnte, wenn dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises, aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen werden (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 16 sowie vorgesehen für BSGE, RdNr 22).
5. Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das LSG ebenfalls zu befinden haben.
Fundstellen
BSGE 2016, 7 |
WzS 2015, 285 |
FEVS 2016, 209 |
SGb 2015, 386 |
ZfF 2015, 258 |
info-also 2015, 274 |