Verfahrensgang

Sächsisches LSG (Urteil vom 30.09.1992)

KreisG Chemnitz-Stadt (Urteil vom 18.02.1992)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Chemnitz vom 30. September 1992 und das Urteil des Kreisgerichts Chemnitz-Stadt vom 18. Februar 1992 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt Altersübergangsgeld (Alüg) anstelle von Arbeitslosengeld (Alg).

Die am 7. Dezember 1935 geborene Klägerin war in der Zeit von 1971 bis zum 31. Dezember 1989 beim VEB G … in K … beschäftigt. Danach war sie selbständig tätig. Diese Tätigkeit (Herstellung von Weihnachtspyramiden aus Holz usw) gab sie zum 31. Dezember 1990 wieder auf.

Am 27. November 1990 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg; gleichzeitig erklärte sie, von der Möglichkeit Gebrauch machen zu wollen, Alüg zu beziehen. Das Arbeitsamt (ArbA) Zwickau bewilligte der Klägerin ab April 1991 Alg. Ihre Anträge auf Alüg bzw Umwandlung des Alg in Alüg lehnte das ArbA dagegen ab, weil die selbständige Tätigkeit der Klägerin seit dem 3. Oktober 1991 nicht beitragspflichtig gewesen sei (Bescheid vom 18. März 1991, Widerspruchsbescheid vom 15. November 1991).

Das Kreisgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. März 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1991 verpflichtet, der Klägerin Alüg ab 1. Juli 1991 zu bewilligen (Urteil vom 18. Februar 1992). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 30. September 1992). Das LSG hat angenommen, die Klägerin sei am 1. Januar 1991 aus einer beitragspflichtigen Beschäftigung ausgeschieden. Ihr komme die Regelung des § 249c Abs 8a Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zugute, der alle Fälle umfasse, in denen eine selbständige Tätigkeit vor dem 3. Oktober 1990 begonnen worden sei; die Vorschrift bringe nicht zum Ausdruck, daß solche Zeiten nur bis zum 2. Oktober 1990 die Beitragspflicht begründeten. Auch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Alüg nach § 249e AFG seien erfüllt.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 249c Abs 8a, 249e Abs 1 AFG. Sie ist der Auffassung, nach § 249c Abs 8a AFG seien nur vor dem 3. Oktober 1990 liegende Zeiten einer selbständigen Tätigkeit einer beitragspflichtigen Beschäftigung iS von § 249e Abs 1 AFG gleichgestellt. Der Wortlaut der Vorschrift sei insoweit eindeutig; auch aus den Gesetzesmaterialien lasse sich nichts für die vom LSG vertretene Ansicht herleiten. Bei der Einfügung der Vorschrift sei der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, daß nur Zeiten der selbständigen Tätigkeit in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) – also nur Zeiten vor dem 3. Oktober 1990 – gleichgestellt würden. Diese zeitliche Begrenzung der Fiktion des § 249c Abs 8a AFG bedeute daher, daß die davon erfaßten Arbeitslosen, die nach dem 3. Oktober 1990 noch selbständig tätig gewesen seien, an diesem Tage im Rechtssinne aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ausgeschieden seien, auch wenn sie ihre Tätigkeit erst später aufgegeben hätten. Ehemals selbständige Arbeitslose, die am 3. Oktober 1990 noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hätten, seien deshalb von jedem Anspruch auf Alüg ausgeschlossen, auch wenn sie ihre selbständige Tätigkeit später aufgegeben hätten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Chemnitz vom 30. September 1992 und das Urteil des Kreisgerichts Chemnitz-Stadt – Kammer für Sozialrecht – vom 18. Februar 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten und hat keine Anträge gestellt. Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet.

In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze liegen nicht vor. Die Berufung der Beklagten war statthaft (§ 143 SGG) und zulässig. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I 50) am 1. März 1993 war im Beitrittsgebiet die Anwendung der §§ 144 bis 149 SGG alter Fassung ausgeschlossen; als Sonderregelung fand Art 2 § 4 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (EntlG) vom 31. März 1978 (BGBl I 446), zuletzt geändert durch Art 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1274), auch in der Sozialgerichtsbarkeit Anwendung (vgl Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr 4 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 ≪BGBl II 889≫).

Nach Art 2 § 4 Abs 1 Satz 2 EntlG war die Berufung ua immer zulässig, wenn es um wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr ging. Da die Klägerin Alüg ab 1. Juli 1991 ohne eine zeitliche Begrenzung verlangt, stehen Leistungen jedenfalls für mehr als ein Jahr im Streit. Die Sondervorschriften für die Zulässigkeit der Berufung im Beitrittsgebiet gelten nach Art 14 Abs 1 des vorgenannten Gesetzes vom 11. Januar 1993 weiter, wenn – wie hier – die mündliche Verhandlung, auf die das anzufechtende Urteil ergeht, vor dem 1. März 1993 geschlossen worden ist.

In der Sache vermag der Senat der Rechtsauffassung der Vorinstanzen nicht zu folgen. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. März 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1991 ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Alüg ab 1. Juli 1991.

Der geltend gemachte Anspruch auf Alüg richtet sich nach § 249e AFG, einer durch den Einigungsvertrag für das Beitrittsgebiet geschaffenen Sonderregelung (Art 30 Abs 2 Einigungsvertrag iVm Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt II Nr 1 Buchstabe e), die nur für einen vorübergehenden Zeitraum eingeführt worden und mittlerweile – nach zweimaliger Verlängerung des Befristungszeitraumes in § 249e Abs 1 AFG – nicht mehr anwendbar ist, soweit Arbeitnehmer erst nach dem 31. Dezember 1992 aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ausscheiden.

Gemäß § 249e Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften (AFGuaÄndG) vom 21. Juni 1991 (BGBl I 1306), in Kraft ab 1. Juli 1991, gewährt die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitnehmern, die in der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1991 nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung von mindestens 90 Kalendertagen in dem in Art 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) ausgeschieden sind und in den letzten 90 Kalendertagen der Beschäftigung ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Gebiet hatten, Alüg nach Maßgabe der – in der Vorschrift – folgenden Absätze.

Die Klägerin erfüllt diese in § 249e Abs 1 AFG aufgestellten Voraussetzungen nicht. Sie hat zwar das 55. Lebensjahr vollendet (am 7. Dezember 1990) und anschließend ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben (Ende Dezember 1990). Sie ist jedoch nicht nach Vollendung des 55. Lebensjahres, also am 7. Dezember 1990, aus einer beitragspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmerin ausgeschieden, sondern aus einer Tätigkeit als Selbständige. Beitragspflichtige Arbeitnehmer sind nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Die Klägerin war vom 1. Januar bis 31. Dezember 1990 als Herstellerin von Weihnachtspyramiden ua tätig. Zur Qualifikation dieser Tätigkeit hat das LSG festgestellt, die Klägerin sei selbständig tätig gewesen, es habe an einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gefehlt. Diese – von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogene – Tatsachenfeststellung des LSG ist für den Senat bindend (§ 163 SGG).

Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsauffassung kann die selbständige Tätigkeit der Klägerin nach dem 2. Oktober 1990 auch nicht auf dem Weg über § 249c Abs 8a Satz 1 AFG einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt werden. Nach dieser Vorschrift, die durch das AFGuaÄndG eingefügt und am 1. Juli 1991 in Kraft getreten ist, gelten zwar Zeiten, in denen der Arbeitslose vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet mehr als kurzzeitig selbständig tätig war, als Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung. Das Gesetz begrenzt diese Gleichstellung für ehemals Selbständige jedoch ausdrücklich auf die Zeit bis einschließlich 2. Oktober 1990. Eine Auslegung der Vorschrift in dem Sinne, daß Zeiten einer selbständigen Tätigkeit auch nach dem 2. Oktober 1990 einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt werden, ist nicht zutreffend. Dies haben die Vorinstanzen verkannt. Weder die Entstehungsgeschichte des § 249e und des § 249c Abs 8a AFG noch die mit beiden Vorschriften verfolgten Zwecke rechtfertigen es, Personen wie der Klägerin, die das 55. Lebensjahr erst nach dem 2. Oktober 1990 vollendet und sodann ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben hat, in den Kreis der Anspruchsberechtigten für das Alüg einzubeziehen.

Zu diesem Ergebnis ist bereits der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in einer Entscheidung vom 8. Juli 1993 (7 RAr 92/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen) gekommen, bei der es ebenfalls um die Frage ging, ob Personen, die das 55. Lebensjahr erst nach dem 2. Oktober 1990 vollendet und sodann ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben haben, Anspruch auf Alüg haben. Dies hat der 7. Senat verneint. Denn die in § 249c Abs 8a AFG vorgesehene Gleichstellung einer selbständigen Tätigkeit mit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung wirke nur bis zum 2. Oktober 1990, dem Tag vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat nach eigener rechtlicher Prüfung an.

Das Alüg wurde eingeführt, um der mit der Umstellung auf marktwirtschaftliche Gegebenheiten im Beitrittsgebiet speziell für ältere Arbeitnehmer verbundenen schwierigen Arbeitsmarktlage unter sozialen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen (vgl Kessel, AuA 1991, 199; Dalichau, ZfSH/SGB 1991, 654, 660, 661). Die durch den Einigungsvertrag getroffene Regelung in § 249e AFG löste gleichzeitig die in der DDR mit der Verordnung über die Gewährung vor Vorruhestandsgeld (VogVO) vom 8. Februar 1990 (GBl I 42) eingeführte Vorruhestandsregelung ab. Nach § 2 Abs 1 VogVO hatten nur Arbeiter und Angestellte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen ab dem 5. Jahr vor Erreichen des Rentenalters Anspruch auf Vorruhestandsgeld (Vog); anspruchsverpflichtet waren die jeweiligen Betriebe, denen jedoch auf Antrag 50 vH des gezahlten Vog aus Mitteln des Staatshaushaltes erstattet wurden (§ 2 Abs 2 iVm § 6 VogVO). Ehemals Selbständige hatten nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs 1 VogVO hingegen keinen Anspruch auf Vog. Da die Vertragsparteien des Einigungsvertrages für den von der ungünstigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage im Beitrittsgebiet besonders betroffenen Personenkreis der älteren Arbeitnehmer eine Sonderregelung für erforderlich hielten, wurde das Alüg eingeführt. Ein entsprechender Ausgleich für ältere Selbständige war dagegen, wie auch Art 30 Abs 2 des Einigungsvertrages zeigt, nicht vorgesehen. In Art 30 Abs 2 des Einigungsvertrages ist ausdrücklich bestimmt, daß „Arbeitnehmer” im Beitrittsgebiet ein Altersübergangsgeld nach Vollendung des 57. Lebensjahres (für Frauen nach Vollendung des 55. Lebensjahres) für die Dauer von drei Jahren (bei Frauen fünf Jahren), längstens bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten können. Selbständige, die ihre Tätigkeit nach dem 2. Oktober 1990 aufgegeben haben, werden daher – wie dies der 7. Senat in der zitierten Entscheidung ebenfalls ausgeführt hat – vom Schutzzweck der durch den Einigungsvertrag geschaffenen Regelung des § 249e AFG nicht erfaßt und haben daher keinen Anspruch auf Alüg.

Daran hat sich auch durch die mit dem AFGuaÄndG eingeführte Bestimmung des § 249c Abs 8a AFG nichts geändert. Sie betrifft – wie schon aus dem Wortlaut der Vorschrift hervorgeht – ausdrücklich die Zeit vor dem 3. Oktober 1990, also gerade nicht die für den Anspruch auf Alüg nach § 249e AFG erhebliche Zeit nach dem 2. Oktober 1990. § 249e AFG ist insoweit hinsichtlich der in Abs 1 normierten Anspruchsvoraussetzung, daß das Ausscheiden des Arbeitnehmers in der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zu einem bestimmten Endtermin zu erfolgen hatte, auch nicht verändert worden. Daß eine Gleichstellung der Zeiten selbständiger Tätigkeit mit Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung über den 2. Oktober 1990 hinaus nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag, ergibt sich – abgesehen vom Wortlaut – auch aus dem Sinn und Zweck des § 249c Abs 8a AFG, wie er sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift einschließlich der Gesetzesbegründung erschließt. Die Gesetzesmaterialien zeigen, daß mit der Vorschrift, die erst aufgrund der Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung eingefügt worden ist, lediglich Zeiten einer selbständigen Tätigkeit, die noch in der DDR zurückgelegt wurden, den Zeiten einer die Beitragspflicht nach dem AFG begründenden Beschäftigung gleichgestellt werden sollten. Tragend für die Gleichstellung war dabei die Erwägung, daß die Tätigkeit der Selbständigen in der DDR mit der freien Tätigkeit eines Selbständigen in den alten Bundesländern nicht vergleichbar war. Der Gesetzgeber hielt deshalb eine bessere soziale Absicherung dieses Personenkreises im Fall der Arbeitslosigkeit für angebracht. Durch die Gleichstellungsregelung in § 249c Abs 8a AFG sollte den ehemals Selbständigen die Möglichkeit eröffnet werden, statt von Bedürftigkeit abhängiger Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe nunmehr Alg beziehen zu können (BT-Drucks 12/496 S 17 zu Nr 12 Buchst c). Ganz offenbar nicht beabsichtigt war es jedoch, diesem Personenkreis dieselben Ansprüche auf Alüg nach § 249e AFG einzuräumen wie Arbeitnehmern. Zum einen hätte dies der besonderen Zielrichtung des Alüg widersprochen, im Beitrittsgebiet für eine Übergangszeit eine Sonderregelung zu schaffen, die vom materiellen Ergebnis her die Situation gerade älterer „Arbeitnehmer” ähnlich berücksichtigt, wie das weggefallene Vog und gleichzeitig den notwendigen Personalabbau in vielen Betrieben erleichtert. Zum anderen ist § 249c Abs 8a AFG eine Sondervorschrift zu der im Arbeitsförderungsrecht allgemein gültigen Grundregel des § 168 Abs 1 AFG, die wegen ihres Ausnahmecharakters eng auszulegen und schon deshalb nicht der von den Vorinstanzen vorgenommenen – weiten – Interpretation zugänglich ist (so auch der 7. Senat in seiner Entscheidung vom 8. Juli 1993, aaO).

Inwieweit die Verwaltungspraxis der BA (vgl dazu Runderlaß 115/91 vom 18. Juli 1991, Seite 4 f, Ziff 3.3), wonach unter bestimmten Voraussetzungen – nämlich bei ehemals Selbständigen, die bis zum 3. Oktober 1990 (einschließlich) 55 Jahre alt geworden sind und später ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben haben – mit der dargestellten Rechtslage in Einklang zu bringen ist, kann der Senat – ebenso wie der 7. Senat des BSG – im vorliegenden Fall dahingestellt sein lassen. Denn die Klägerin hat erst nach dem 3. Oktober 1990 das 55. Lebensjahr vollendet, so daß ihr auch nach der von der Beklagten praktizierten Auslegung der §§ 249c Abs 8a und 249e AFG – wie im Widerspruchsbescheid vom 15. November 1991 ausgeführt worden ist – kein Anspruch auf Alüg zusteht.

Der Ausschluß der Klägerin von Ansprüchen auf Alüg unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat den Ausführungen des 7. Senats an. Es mag zwar aus der Sicht der Klägerin sozialpolitisch wünschenswert erscheinen, daß der Gesetzgeber auch Selbständige, die das 55. Lebensjahr erst nach dem 3. Oktober 1990 vollendet und sodann eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben haben, nachträglich bei der Gewährung von Alüg berücksichtigt hätte. Doch dies ist – wie dargestellt – nicht geschehen. Statt dessen hat er mit der Gleichstellungsregelung des § 249c Abs 8a Satz 1 AFG der besonderen Situation der ehemals Selbständigen im Beitrittsgebiet – allerdings zeitlich begrenzt bis 2. Oktober 1990 – Rechnung getragen, weil deren Tätigkeit mit einer Selbständigkeit westlicher Prägung nicht vergleichbar war. Zeiten selbständiger Tätigkeit ab 3. Oktober 1990 sind dagegen im gesamten Bundesgebiet beitragspflichtigen Beschäftigungen nicht mehr gleichgestellt.

Auf die Revision der Beklagten war daher die Klage unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172899

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