Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Vergütungsanspruch des erstangegangenen Krankenhauses. konkludente stationäre Aufnahme. kurzzeitige Notfallbehandlung. zeitnahe Verlegung in ein anderes Krankenhaus. Mitteleinsatz von hoher Intensität. Fälligkeit. Datenübermittlung an die Krankenkasse
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. März 2021 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. Juli 2018 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 972,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2015 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1086,89 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Der bei der beklagten Krankenkasse (im Folgenden: KK) versicherte K wurde am 5.7.2015 um 16:44 Uhr notfallmäßig durch den Rettungsdienst mit Verdacht auf Schlaganfall in das nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus eingeliefert, dessen Rechtsträgerin die Klägerin ist (im Folgenden: Krankenhaus). Das Krankenhaus verfügt über eine neurologische Aufnahmestation mit einer zertifizierten Schlaganfallstation (Stroke Unit). K wurde dort ab 16:45 Uhr behandelt, indem schlaganfallspezifische diagnostische Maßnahmen eingeleitet wurden. Das Krankenhaus erkannte dadurch bei K ua einen akuten Hirninfarkt. Es leitete um 17:07 Uhr die Lysetherapie ein. K wurde um 17:45 Uhr zur kathetergestützten Entfernung des Blutgerinnsels (Thrombektomie) unter Fortsetzung der Lysetherapie in das Kreiskrankenhaus S verbracht. Das Krankenhaus stellte der KK die Fallpauschale DRG B70I (Apoplexie, ein Belegungstag) in Rechnung (1086,89 Euro). Die KK beglich zunächst die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), ein Prüfverfahren wegen primärer Fehlbelegung durchzuführen. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass kein Behandlungsplan über einen Zeitraum von einem Tag und einer Nacht im Krankenhaus bestanden habe. K sei prästationär behandelt worden. Die KK rechnete die gesamte geleistete Vergütung gegenüber der unstreitig entstandenen Forderung aufgrund stationärer Behandlung ihres Versicherten E auf.
Das Krankenhaus hat mit seiner Klage die Zahlung der Vergütung für den Behandlungsfall E in Höhe von 1086,89 Euro begehrt. Das SG hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die KK im Behandlungsfall E zur Zahlung von 114,02 Euro verurteilt. Die durchgeführten Maßnahmen im Behandlungsfall K seien als prä- oder vorstationäre Maßnahmen (§ 115a SGB V) abzurechnen gewesen. Nur insoweit habe kein Erstattungsanspruch bestanden und die KK nicht wirksam aufgerechnet. Das Krankenhaus hat dagegen Berufung und die KK Anschlussberufung eingelegt. Die KK hat die Anschlussberufung später zurückgenommen. Außerdem hat die KK die im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Widerklage im weiteren Verlauf als "nicht mehr beachtenswert" bezeichnet (Schriftsatz vom 24.6.2020). Das LSG hat die auf Zahlung weiterer 972,87 Euro nebst Zinsen gerichtete Berufung des Krankenhauses zurückgewiesen: Die Aufrechnung sei in Höhe von 972,87 Euro wirksam erfolgt. Das Krankenhaus habe keinen Anspruch auf die abgerechnete Fallpauschale. Ein dafür erforderlicher Behandlungsplan, K für die Dauer von mindestens einem Tag und einer Nacht vollstationär zu behandeln, habe nicht vorgelegen. Aus den im Krankenhaus maßgeblichen Vorgaben - dem "Pflegemanual Stroke Unit", dem Formblatt "Aufnahmekriterien Stroke Unit" und der Verfahrensanweisung "Verlegung zur Neurovaskulären Intervention" - folge der hier auch beachtete übliche Algorithmus der Untersuchungs- und Behandlungsplanung. Danach sei noch während der Abklärungsuntersuchung iS des § 2 Abs 4 des nordrhein-westfälischen Landesvertrags über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (LV-NRW) die Entscheidung zur Weiterbehandlung im Kreiskrankenhaus S aufgrund der Computertomographie-Angiographie (CT-A) getroffen worden. Vor diesem Hintergrund spreche weder die Behandlung auf der Schlaganfallstation noch die Einleitung der Lyse vor der Verlegung für den Beginn der vollstationären Behandlung. Im Übrigen habe die KK die hilfsweise erhobene Widerklage zurückgenommen (Urteil vom 24.3.2021).
Das Krankenhaus rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 39 und des § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG, § 17b KHG sowie des § 141 Abs 1 Nr 1 SGG. Es habe nicht nur eine Aufnahmeuntersuchung durchgeführt, sondern gemessen an der Intensität der therapeutischen Maßnahmen K auch vollstationär behandelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. März 2021 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. Juli 2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 972,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des klagenden Krankenhauses ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).
Im Revisionsverfahren ist noch ein Restanspruch von 972,87 Euro im Behandlungsfall E rechtshängig, nachdem das SG die KK zur Zahlung von 114,02 Euro verurteilt, die KK ihre Anschlussberufung in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 8.7.2020 zurückgenommen und das Krankenhaus in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den zunächst aufrechterhaltenen Klaganspruch von 1086,89 Euro um 114,02 Euro reduziert hat. Ebenfalls nicht mehr rechtshängig ist die von der KK hilfsweise erhobene Widerklage. Zu Recht ist das LSG auch davon ausgegangen, dass die KK im Schriftsatz vom 24.6.2020 die Rücknahme der Widerklage erklärte. Im Übrigen hat die KK hiergegen nicht hilfsweise eine Anschlussrevision innerhalb der Frist des § 202 Satz 1 SGG iVm § 554 Abs 2 Satz 2 ZPO eingelegt.
Zu Unrecht hat das LSG dagegen die Berufung des Krankenhauses gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, das die Klage in Höhe von 972,87 Euro abgewiesen hatte. Die Klage ist begründet (zur Zulässigkeit der echten Leistungsklage im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis vgl zB BSG vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; stRspr). Dem Krankenhaus steht der Restvergütungsanspruch für die Behandlung des Versicherten E zu (dazu 1.). Die Aufrechnungserklärung der KK mit einer vermeintlichen Gegenforderung aus dem Behandlungsfall K ist ins Leere gegangen. Das Krankenhaus hat Anspruch auf die in Höhe von 1086,89 Euro berechnete und von der KK gezahlte Fallpauschale nach DRG B70I (Apoplexie, ein Belegungstag) für die vollstationäre Behandlung des K (dazu 2.). Dem Krankenhaus steht auch der geltend gemachte Zinsanspruch zu (dazu 3.).
1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass das Krankenhaus aufgrund stationärer Behandlung des E gegen die KK einen fälligen und erfüllbaren Anspruch auf die Restvergütung in Höhe von 1086,89 Euro aus einem Anspruch von 2327,33 Euro hatte. Eine nähere Prüfung zur Höhe dieser Beträge erübrigt sich (vgl zur Zugrundelegung bei unstrittiger Berechnungsweise BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 26/18 R - juris RdNr 11 mwN). Der verbliebene Restanspruch ist aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung der KK zur Zahlung weiterer 114,02 Euro auf 972,87 Euro begrenzt.
2. Das erstangegangene Krankenhaus hatte auch in Höhe der verbliebenen 972,87 Euro einen Zahlungsanspruch auf die hier letztlich streitige, von der KK gezahlte Vergütung (Fallpauschalenvergütung nach § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 17b KHG, § 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG und der Fallpauschalenvereinbarung 2015; Fallpauschale DRG B70I, Apoplexie, ein Belegungstag) für die im Behandlungsfall K am 5.7.2015 erbrachten vollstationären Leistungen. Diesen Anspruch erfüllte die KK mit ihrer Zahlung. Die auf einen Erstattungsanspruch gestützte Aufrechnung geht damit mangels Gegenforderung ins Leere.
Nach § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V entsteht die Zahlungsverpflichtung einer KK bei einer vollstationären Krankenhausbehandlung unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch Versicherte, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) erfolgt, also abgesehen von Notfällen von dessen Versorgungsauftrag umfasst wird, und im Einzelfall iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; vgl BSG vom 9.4.2019 - B 1 KR 2/18 R - juris RdNr 9 mwN). Die zwischen den Beteiligten allein strittige Anspruchsvoraussetzung der erforderlichen Aufnahme in das Krankenhaus liegt vor. Das Krankenhaus führte hier nicht bloß eine Aufnahmeuntersuchung durch. Es behandelte K - wie abgerechnet - vollstationär. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen sind nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs gelten die Ausführungen unter 1. hier entsprechend.
a) Der Beginn der vollstationären Behandlung Versicherter setzt deren vorherige Aufnahme in das Krankenhaus voraus. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V sowie den Gesetzesmaterialien zu § 39 SGB V (vgl BT-Drucks 12/3608 S 82) und entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG. Als Aufnahme wird die organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses verstanden. Von einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Maßgeblich ist hierbei nicht die tatsächliche Behandlungsdauer im Krankenhaus, sondern die zur Zeit der Aufnahmeentscheidung auf Grundlage des hierbei getroffenen Behandlungsplans prognostizierte. Eine einmal auf Grundlage der Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhausversorgungssystem kann grundsätzlich nicht rückwirkend entfallen (vgl zum Ganzen BSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 11/20 R - BSGE 132, 137 = SozR 4-2500 § 109 Nr 85, RdNr 11 mwN).
Die Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und Ähnliches dokumentiert (vgl BSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 11/20 R - BSGE 132, 137 = SozR 4-2500 § 109 Nr 85, RdNr 12 mwN).
b) Die Aufnahmeentscheidung muss dabei weder ausdrücklich erklärt noch förmlich festgehalten werden. Dies gilt insbesondere bei Notfallbehandlungen. Insoweit hat der Senat bereits in seinem Schockraum-Urteil vom 18.5.2021 entschieden (vgl BSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 11/20 R - BSGE 132, 137 = SozR 4-2500 § 109 Nr 85, RdNr 14), dass ein Krankenhaus nicht bereits deshalb zwingend stationär behandelt, weil es den Patienten parallel zur Aufnahmeuntersuchung notfallmäßig mitbehandeln muss. Dies gilt auch dann, wenn von Beginn an kein ernsthafter Zweifel daran bestehen kann, dass der Notfallpatient überhaupt einer stationären Behandlung bedarf. Die einer Aufnahme in die stationäre Behandlung vorausgehende Aufnahmeuntersuchung dient der Klärung, ob eine Aufnahme des Versicherten gerade in dieses Krankenhaus erforderlich ist. Die hierzu vorgenommenen Untersuchungen begründen nicht zwingend bereits selbst die Aufnahme in das Krankenhaus. Dies folgt aus § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V, der anordnet, dass der Versicherte "nach Prüfung durch das Krankenhaus" aufzunehmen ist. Die Diagnostik ist nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V im Regelfall zunächst nur Teil der Prüfung der Aufnahme. Ergibt sich nach der Aufnahmeuntersuchung, dass eine Verweisung des Versicherten an ein anderes Krankenhaus oder die ambulante Weiterbehandlung medizinisch erforderlich und ausreichend ist, liegt keine stationäre Behandlung vor. Das Krankenhaus muss den Versicherten vielmehr umgehend einem anderen geeigneten Krankenhaus zur stationären Behandlung zuweisen, wenn sein eigener Versorgungsauftrag die erforderliche Behandlung des Versicherten nicht umfasst, oder es trotz Versorgungsauftrags tatsächlich nicht dazu in der Lage ist und ein geeignetes Krankenhaus in zumutbarer Zeit erreichbar ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Versicherter als Notfall mit einem Rettungswagen durch einen Notarzt in ein Krankenhaus eingeliefert wird. Hieran hält der Senat fest.
c) Der Senat hat im Schockraum-Urteil vom 18.5.2021 eine stationäre Aufnahme aber selbst dann verneint und grundsätzlich eine ambulante Notfallbehandlung angenommen, wenn die parallel zur Aufnahmediagnostik stattfindende Notfallbehandlung die personellen und sächlichen Ressourcen des Krankenhauses in hohem Maße beansprucht. Stationäre Behandlung hat der Senat nur ausnahmsweise angenommen, wenn zum Beispiel zur Herstellung der Transportfähigkeit eine Notoperation erforderlich ist, eine mehrstündige intensivmedizinische Behandlung stattfindet oder nicht einmal im Kern im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) abrechenbare Leistungen erbracht werden (vgl BSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 11/20 R - BSGE 132, 137 = SozR 4-2500 § 109 Nr 85, RdNr 17).
Der Senat gibt diese enge Auslegung des § 39 SGB V auf und lässt nunmehr für eine konkludente stationäre Aufnahme auch eine kurzzeitige Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus bei zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus ausreichen. Die konkludente stationäre Aufnahme eines Versicherten liegt bei seiner kurzzeitigen Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus und nachfolgender zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus dann vor, wenn der Einsatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen im erstangegangenen Krankenhaus eine hohe Intensität aufweist. Für die rechtliche Qualifizierung eines kurzzeitigen, aber intensiven Mitteleinsatzes als vollstationäre Behandlung ist es deshalb unerheblich, dass die Diagnostik auch der Feststellung dient, ob das Krankenhaus in der Lage ist, selbst die kurative Behandlung einzuleiten oder fortzusetzen. Unerheblich ist auch, ob einzelne Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen im EBM-Ä abbildbar sind.
Die Unterscheidung von ambulanter und kurzzeitiger stationärer Notfallbehandlung folgt aus Regelungssystematik und -zweck des § 39 Abs 1 iVm § 107 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB V. Ein Versicherter hat immer schon dann Anspruch auf eine stationäre Behandlung durch das ihn zuerst aufnehmende Krankenhaus (und dieses dann auch einen entsprechenden Vergütungsanspruch), wenn sein gesundheitlicher Zustand die sofortige Erbringung stationärer Leistungen gebietet. Dieser Anspruch hängt nicht von der ernsthaften Möglichkeit ab, dass das Krankenhaus die begonnene stationäre Behandlung alsbald abbrechen und den Versicherten verlegen muss.
Die Krankenhausbehandlung als ressourcenintensivste Form der Krankenbehandlung setzt einerseits das Vorhalten dieser Ressourcen voraus, wie § 107 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB V belegt. Andererseits müssen diese Ressourcen auch zum Einsatz gelangen oder ihr Einsatz sich zumindest aus einem Behandlungsplan ergeben, damit eine Krankenhausbehandlung vorliegt. Dies ist bei generalisierender Betrachtung dann der Fall, wenn der Versicherte mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Ist die im Rahmen der Aufnahme zu erwartende Verweildauer deutlich kürzer, muss sich der in dieser kurzen Zeit tatsächlich durchgeführte oder zumindest geplante Mitteleinsatz entsprechend verdichten.
Eine stationäre Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus liegt schon dann vor, wenn die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen den intensiven Einsatz von sächlichen und personellen Ressourcen erfordern. Die hohe Intensität kann sich auch aus dem Einsatz verschiedener und in ihrem engen zeitlichen und örtlichen Verbund nur stationär verfügbarer diagnostischer Maßnahmen ergeben. Dies setzt personelle und sächliche Ressourcen voraus, die ambulant nicht in gleicher Weise regelhaft verfügbar sind, wie sie insbesondere bei der Behandlung in einem Schockraum zum Einsatz kommen können. Dies setzt aber voraus, dass ein multidisziplinäres Team tatsächlich zusammenkommt und die dort vorhandenen besonderen apparativen Mittel auch in erheblichem Umfang einsetzt.
d) Auch im Fall einer zertifizierten Schlaganfallstation führt die dort durchgeführte Diagnostik und Behandlung und der kurzzeitige Verbleib auf der Station nicht in jedem Fall zur Annahme einer konkludenten stationären Aufnahme. Der Ort der Hand in Hand mit der Diagnostik durchgeführten Behandlung (zB Schockraum, sonstiger Behandlungsraum, Stationszimmer, Decision Unit) allein beinhaltet noch nicht zwingend eine konkludente Aufnahmeentscheidung des Krankenhauses. Er kann aber ein Indiz dafür sein. Entscheidendes Kriterium für eine konkludente stationäre Aufnahme bleibt die Intensität des Einsatzes der spezifischen Mittel des Krankenhauses.
Die Notfallbehandlung auf einer Schlaganfallstation dürfte danach im Regelfall eine stationäre Aufnahme begründen. Dies folgt aus der Struktur und Aufgabenstellung der Schlaganfallstation. Die Schlaganfallstation ist - jedenfalls wenn sie zertifiziert ist - durch ihre Möglichkeiten einer umfangreichen Diagnostik und mit daraus abzuleitenden Handlungsentscheidungen auf der Grundlage von hohem Fachwissen und Erfahrung geprägt (24 Stunden/7 Tage Untersuchungen mittels Computertomographie/ CT-A oder Magnetresonanztomographie/Magnetresonanzangiographie, Ultraschall-Untersuchung und Labor). Spezialisierte Diagnostik und Handlungsentscheidungen müssen sehr schnell erfolgen. Dies bedarf eines jederzeit verfügbaren Behandlungsteams aus erfahrenen Fachärzten und gut ausgebildeten Fachkräften. Eine zertifizierte Schlaganfallstation ist mit einer sonstigen Intensivstation vergleichbar. Dieser Verbund an sächlichem und personellem Mitteleinsatz ist unter Berücksichtigung des Zeitmoments nur in einer spezialisierten Einrichtung der stationären Versorgung zu gewährleisten. Werden diese Mittel in erheblichem Umfang tatsächlich benötigt und auch genutzt, liegt jedenfalls eine konkludente stationäre Aufnahme vor.
Der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des 6. Senats ab (BSG vom 11.9.2019 - B 6 KA 6/18 R - SozR 4-2500 § 76 Nr 5). Diese hat die Vergütung der Leistungen der Notfallambulanz aus der vertragsärztlichen Versorgung zum Gegenstand. Zwar stellt das Urteil auf die äußeren Merkmale einer Aufnahmeentscheidung auf der Basis eines Behandlungsplans ab (Einweisung auf eine bestimmte Station, Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen). Das Urteil verhält sich jedoch nicht zur konkludenten Aufnahmeentscheidung aufgrund eines intensiven Einsatzes der Mittel des Krankenhauses. Das Urteil ist vielmehr von einer eindeutig ambulanten Behandlung in der Notfallambulanz ausgegangen. Es weist insbesondere darauf hin, dass das dortige erstangegangene "Krankenhaus die für die stationäre Behandlung erforderlichen Fachdisziplinen - wie zB Neurologie bei Verdacht auf Schlaganfall - nicht vorhielt, sodass nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass das notwendige Fachwissen vorhanden war, um abschließend feststellen zu können, ob die Versicherten stationär zu behandeln waren".
e) Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze wurde K im klägerischen Krankenhaus nach den Feststellungen des LSG stationär behandelt. Mit seiner sofortigen Verbringung auf die zertifizierte Schlaganfallstation (Stroke Unit) des Krankenhauses und der Einleitung einer schnell aufeinander folgenden umfangreichen Untersuchung erfolgte eine konkludente Aufnahme in die stationäre Behandlung. Diese wurde durch die Überbrückungs-Lyse (Bridging-Lyse) noch im erstaufnehmenden Krankenhaus fortgesetzt. K wurde dort eine Minute nach seiner Einlieferung ab 16:45 Uhr auf der Schlaganfallstation behandelt, indem zunächst diagnostische Maßnahmen eingeleitet wurden (Blutuntersuchung, Ruhe-EKG, Erstellung von Schnittbildern des Kopfes mittels CT, Darstellung seiner Blutgefäße mittels CT-A, um einen Gefäßverschluss zu dokumentieren). Das Krankenhaus erkannte dadurch bei K ua einen akuten Hirninfarkt links im Bereich des Mediastromgebiets (Versorgungsgebiet der mittleren Hirnschlagader, Arteria cerebri media). Es leitete um 17:07 Uhr die Lysetherapie ein. Diese Maßnahmen waren nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch erforderlich und vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt. Etwas anderes hat auch die KK nicht vorgetragen.
f) Für zukünftige Abrechnungen von kurzzeitigen (voll)stationären Notfallbehandlungen mit Verlegung des Patienten in ein anderes Krankenhaus binnen weniger Stunden weist der Senat darauf hin, dass die Vergütung unter Berücksichtigung der Änderung seiner Rechtsprechung erst dann fällig wird, wenn aus den mit der Abrechnung mitgeteilten Daten der konkrete intensive Mitteleinsatz deutlich wird. Dies erfordert nach § 301 Abs 1 SGB V grundsätzlich mehr als die bloße Kodierung von Nummern des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) und Diagnosen des ICD-10-GM (vgl allgemein zur Ausgleichung des Informationsgefälles bei atypischen Lagen BSG vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R - BSGE 117, 82 = SozR 4-2500 § 109 Nr 40, RdNr 21). Der für eine konkludente Aufnahme in das Krankenhaus erforderliche intensive Mitteleinsatz ist daraus nicht ohne Weiteres ablesbar. Anders verhält es sich nur dann, wenn die kodierten OPS-Kodes untrennbar mit einem solchen intensiven Mitteleinsatz zumindest regelhaft verbunden sind. Ist es zu keinem intensiven Mitteleinsatz gekommen, muss der Behandlungsplan dargestellt und erläutert werden, dass er im Zeitpunkt des Behandlungsentschlusses noch Verwirklichungschancen hatte und warum es nicht zu seiner Durchführung kam.
3. Das Krankenhaus hat auch Anspruch auf Verzugszinsen nach Maßgabe des § 15 Abs 1 Satz 1 und 4 LV-NRW. Unter Berücksichtigung des übereinstimmenden Beteiligtenvorbringens in der mündlichen Verhandlung ist danach der 3.12.2015 der erste Tag des Zinsanspruchs.
Fundstellen