Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienhilfe. Familienkrankenhilfe. Familienversicherung. Familienkrankenversicherung. Familienpflegeversicherung. Vertriebener. Gleichstellung. Vorversicherung. Behinderung. Altersgrenze. behindertes Kind
Leitsatz (amtlich)
- Der Anspruch auf Familienkrankenhilfe nach § 205 Abs 3 S 4 RVO für behinderte Kinder über der Altersgrenze setzt ebenso wie die entsprechende Familienkrankenversicherung nach § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V voraus, daß das Kind bereits vor dem Überschreiten der Altersgrenze in den Versicherungsschutz für Familienangehörige einbezogen war (Fortführung von BSGE 49, 159 = SozR 2200 § 205 Nr 30).
- Bei anerkannten Vertriebenen, die im April 1988 das Vertreibungsgebiet verlassen und in Deutschland ihren ständigen Aufenthalt genommen haben, ist ein im Vertreibungsgebiet bestehender Familienversicherungsschutz für ein Kind nach § 90 Abs 1 BVFG dem Bestehen des deutschen Versicherungsschutzes gleichgestellt (Fortführung von BSGE 56, 39 = SozR 2200 § 165 Nr 72).
Normenkette
RVO § 205 Abs. 3 S. 4, § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a; SGB V § 10 Abs. 2 Nr. 4; BVFG § 90 Abs. 1, 3, § 100 Abs. 1; SGG § 162; ZPO § 562
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.12.1992; Aktenzeichen L 4 Kr 76/91) |
SG Heilbronn (Urteil vom 06.11.1990; Aktenzeichen S 2 Kr 970/89) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um Krankenversicherungsschutz für eine erwachsene, aber behinderte Tochter des Klägers.
Der aus Rumänien stammende Kläger zu 1) hält sich seit April 1988 in der Bundesrepublik Deutschland auf und ist als Vertriebener anerkannt (Vertriebenenausweis A). Wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld wurde er krankenversicherungspflichtig und Mitglied der Allgemeinen Ortskrankenkasse Heilbronn (AOK). Seine 1958 geborene Tochter kam mit ihm nach Deutschland und wurde ebenfalls als Vertriebene anerkannt. Sie ist von Geburt an geistig behindert und außerstande, sich selbst zu unterhalten.
Den Antrag auf Familienhilfe für die Tochter lehnte die AOK mit Bescheid vom 23. August 1988 und Widerspruchsbescheid vom 18. April 1989 ab, weil die Behinderung nicht zeitgleich mit einem Anspruch auf Familienhilfe vorgelegen habe. Die Altersgrenze für die Familienhilfe sei bereits überschritten gewesen, als die Tochter mit 30 Jahren in die Bundesrepublik gekommen sei.
Das Sozialgericht (SG) ist davon ausgegangen, der Kläger zu 1) habe für sich und gleichzeitig für seine von ihm vertretene Tochter (Klägerin zu 2) Klage erhoben. Im Urteil vom 6. November 1990 hat es den Bescheid der AOK aufgehoben und festgestellt, daß der Kläger bis 31. Dezember 1988 für seine Tochter Anspruch auf Familienhilfe habe und daß die Tochter ab 1. Januar 1989 familienversichert sei. Das (Landessozialgericht) LSG hat die Stadt Heilbronn als Sozialhilfeträger beigeladen und die Berufung der AOK mit Urteil vom 11. Dezember 1992 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Familienhilfe seien erfüllt. Insbesondere scheitere der Anspruch nicht daran, daß die Tochter erst als 30jährige nach Deutschland gekommen sei. § 90 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge – Bundesvertriebenengesetz (BVFG) enthalte die Gleichstellung von Vertriebenen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung mit den Berechtigten in der Bundesrepublik. Deshalb sei der Kläger zu 1) so zu behandeln, als habe er sein Erwerbsleben in der Bundesrepublik zugebracht. Dies entspreche der Rechtsprechung zu den Vorversicherungszeiten für die Rentnerkrankenversicherung (BSGE 56, 39 = SozR 2200 § 165 Nr 72). Im übrigen ergebe das vom SG ausgelegte rumänische Recht, daß der Kläger in Rumänien einen dem inländischen Krankenversicherungsschutz entsprechenden Schutz gehabt habe, der auch die Tochter erfaßt habe. Der Gleichstellungsgrundsatz des § 90 BVFG gelte auch für die Zeit ab 1. Januar 1989.
Die AOK hat Revision eingelegt. Während des Revisionsverfahrens ist die AOK mit anderen Kassen zur AOK Baden-Württemberg vereinigt worden; diese ist im Wege der Rechtsnachfolge an die Stelle der ursprünglichen Beklagten getreten. Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO), des § 10 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und des § 90 BVFG. Krankenversicherungsschutz für Kinder komme ohne Altersgrenze nur in Betracht, wenn er bereits vor der Altersgrenze nach den deutschen Vorschriften bestanden habe; § 205 RVO sei auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt, so daß die bis zum Überschreiten der Altersgrenze und danach in Rumänien lebende Tochter davon nicht erfaßt gewesen sei. Die Gleichstellung der rumänischen Versicherung scheitere am Fehlen ausdrücklicher Vorschriften iS des § 90 Abs 3 BVFG; daß diese notwendig seien, ergebe sich aus § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V und aus der Gesetzesbegründung zu § 54 Abs 1 Satz 3 SGB V. Deshalb sei die vom LSG zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Gleichstellungsgrundsatz überholt. Das SG habe den rumänischen Vorschriften zu Unrecht einen dem deutschen Recht vergleichbaren Familienhilfeanspruch entnommen. Für die Familienversicherung nach § 10 SGB V gelte nichts anderes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 11. Dezember 1992 und das Urteil des SG vom 6. November 1990 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Familienhilfe bzw das Bestehen der Familienversicherung kann durch den Stammversicherten (hier den Kläger zu 1) oder den Angehörigen im Wege der Anfechtungs- und Feststellungsklage geklärt werden (BSGE 72, 292 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2; BSG vom 29. Juni 1993 – 12 RK 13/93). Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß die Tochter des Klägers in dessen Krankenversicherung einbezogen ist.
Nach Abs 1 Satz 1 und 2 des § 205 RVO, der bis zum 31. Dezember 1988 gegolten hat, erhalten Versicherte Krankenpflege für ihre unterhaltsberechtigten Kinder, wenn diese sich gewöhnlich im Inland aufhalten, nicht anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege haben und ihr Gesamteinkommen sowie dasjenige des mit ihnen verwandten nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten des Versicherten bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Diese Voraussetzungen sind bei der Tochter des Klägers erfüllt. § 205 Abs 3 Satz 2 und 5 schließt grundsätzlich den Anspruch für diejenigen Kinder aus, die das 18., 23. bzw 25. Lebensjahr vollendet haben. Da die 1958 geborene Tochter des Klägers zum Zeitpunkt des Zuzugs in die Bundesrepublik im April 1988 diese Altersgrenzen bereits überschritten hatte, hängt die Entscheidung allein davon ab, ob Familienhilfe nach § 205 Abs 3 Satz 4 RVO zu gewähren ist. Nach dieser zum 1. Juli 1975, also vor Vollendung des 18. Lebensjahres durch die Tochter in Kraft getretenen Bestimmung besteht der Anspruch ohne Altersgrenze für Kinder, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Hierzu hat das BSG entschieden, daß Familienhilfe für Kinder ohne Altersgrenze nur dann in Betracht kommt, wenn sowohl das Kindschaftsverhältnis als auch die Behinderung bereits vor der Altersgrenze bestanden haben (BSGE 49, 159 = SozR 2200 § 205 Nr 30; BSG USK 82100; BSG USK 9042). Bei der Klägerin zu 2) traf dieses zu. Sie war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres unfähig, sich selbst zu unterhalten.
Die Beklagte und das LSG gehen zu Recht davon aus, daß darüber hinaus auch der Krankenversicherungsschutz vor der Altersgrenze vorgelegen haben muß (“Vorversicherung”). Maßgebend sind ähnliche Gründe, wie sie die Rechtsprechung veranlaßt haben, nur Kindschaftsverhältnisse und Behinderungen zu berücksichtigen, die bereits vor der Altersgrenze bestanden haben. Der Wortlaut von § 205 Abs 3 Satz 4 RVO (“Für Kinder … besteht der Anspruch ohne Altersgrenze”) spricht dafür, daß die Vorschrift nur dann angewandt werden darf, wenn der Versicherungsschutz für das Kind zu einem Zeitpunkt vor Erreichen der Altersgrenze gegeben war. In diesem Sinne hat auch der Gesetzgeber des SGB V die Regelung verstanden, denn nach § 10 Abs 2 Nr 4 Halbsatz 2 SGB V wird die Familienversicherung ohne Altersgrenze ausdrücklich von einer Vorversicherung des behinderten Kindes nach § 10 Abs 2 Nrn 1, 2 oder 3 SGB V abhängig gemacht. Die Begründung dazu läßt erkennen, daß eine Änderung des bisher geschützten Personenkreises nicht beabsichtigt war (BT-Drucks 11/2237 = BR-Drucks 200/88, jeweils S 161). Etwas anderes würde allenfalls gelten, wenn in § 205 Abs 3 Satz 4 RVO ausschließlich der Gedanke des allgemeinen Familienlastenausgleichs zum Ausdruck gekommen wäre, denn damit wäre die Voraussetzung einer Vorversicherung schwer vereinbar (zum Kindergeldanspruch für behinderte Kinder über der Altersgrenze ohne “Vorbezug” vgl BSGE 69, 191 = SozR 3-5870 § 2 Nr 16). Gegen eine Beurteilung als Leistung des Familienlastenausgleichs spricht jedoch, daß die Familienhilfe auf die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt ist und daß der nicht durch Altersgrenzen beschränkte Familienhilfeanspruch in einem Gesetz eingeführt wurde, das die Benachteiligung von Behinderten und nicht die Belastung der Familie ausgleichen sollte (Art 2 § 1 Nr 4 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975, BGBl I 1061). Aus § 10 Abs 2 Nr 4 Halbsatz 2 SGB V ergibt sich gleichzeitig, daß die Vorversicherung einen Versicherungsschutz als Familienangehöriger voraussetzt. Auch insoweit gilt für § 205 RVO nichts anderes.
Der Kläger hat Anspruch auf Familienkrankenhilfe für seine Tochter, weil er im erforderlichen Umfang vorversichert gewesen ist, bevor diese das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Zwar greift § 205 RVO zu seinen Gunsten nicht ein, weil diese Vorschrift nur Personen erfaßt, die sich im Geltungsbereich der RVO aufhalten, und dies beim Kläger vor April 1988 nicht der Fall war. Jedoch stellt § 90 Abs 1 BVFG Vertriebene in der Sozialversicherung den Berechtigten in der Bundesrepublik Deutschland gleich.
Dem steht der Gesetzesvorbehalt in Abs 3 des § 90 BVFG nicht entgegen, wonach das Nähere ein Bundesgesetz regelt. Das BSG hat von jeher und in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß § 90 Abs 1 BVFG die Rechtsstellung der Vertriebenen unmittelbar regelt und nicht nur einen Auftrag an den Gesetzgeber enthält. Deshalb konnten Vertriebene die Anwartschaftszeit in der Arbeitslosenversicherung auch dadurch erfüllen, daß sie im Vertreibungsgebiet im erforderlichen Umfang sozialversichert gewesen waren (BSGE 4, 102, 104 = SozR Nr 1 zu § 95 AVAVG; BSG vom 17. Oktober 1990 – 11 RAr 1/90). Ebenso hat das BSG hinsichtlich der Vorversicherungszeit für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld entschieden (BSGE 39, 162, 164 = SozR 2200 § 200a Nr 2). Nach der Rechtsprechung gilt § 90 Abs 1 BVFG auch für im Vertreibungsgebiet krankenversicherte Vertriebene hinsichtlich der Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner nach § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO, jetzt § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V (BSGE 56, 39 = SozR 2200 § 165 Nr 72). Diese Auslegung stützt sich auf die Entstehungsgeschichte des § 90 BVFG sowie auf das Fehlen abschließender spezialgesetzlicher Regelungen, die einen Rückgriff auf § 90 Abs 1 BVFG hätten ausschließen können. Die gleichen Gründe sprechen für einen Anspruch des Klägers auf Familienhilfe von dem Zeitpunkt an, als er nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Mitglied in der Krankenversicherung des Inlands geworden war. Die einzige Vorschrift im Recht der Krankenversicherung, die sich auf Vertriebene bezog, war § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst b RVO. Daß es sich dabei nicht um eine Gleichstellungsregelung iS des § 90 Abs 3 BVFG handelt, neben der die Anwendung des § 90 Abs 1 BVFG ausscheiden müßte, hat der Senat in der bereits erwähnten Entscheidung zur Rentnerkrankenversicherung ausgeführt (BSGE 56, 39, 44); die entsprechende Vorschrift im SGB V (§ 5 Abs 1 Nr 12) kann nicht anders ausgelegt werden. Das gilt auch für die erforderliche Vorversicherung im Rahmen eines Anspruchs auf Familienhilfe.
Andere Gleichstellungsregelungen haben jedenfalls bis zum Jahre 1993 den Anwendungsbereich des § 90 Abs 1 BVFG nicht eingeschränkt. Zwar gab es inzwischen zur Erfüllung der Vorversicherung bei Schwerpflegebedürftigkeit eine besondere Gleichstellungsvorschrift für Vertriebene (§ 54 Abs 1 Satz 3 SGB V idF des Art 1 Nr 27 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266; aufgehoben durch Art 4 Nr 4 des Pflege-Versicherungsgesetzes ≪PflegeVG≫ vom 26. Mai 1994, BGBl I 1014). Diese wurde jedoch erst mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingeführt, so daß daraus eine Änderung des Anwendungsbereichs des § 90 Abs 1 BVFG für die davorliegende Zeit nicht hergeleitet werden kann. In der Gesetzesbegründung wird allerdings ausgeführt, ohne § 54 Abs 1 Satz 3 SGB V fehle die nach § 90 Abs 1 BVFG zur Gleichstellung von Vertriebenen erforderliche bundesgesetzliche Regelung (BT-Drucks 12/3608 S 82); der Gesetzgeber scheint also von einem anderen Verständnis des § 90 Abs 1 BVFG auszugehen als das BSG. Falls mit dieser Äußerung die bisherige, seit Jahrzehnten ständige Rechtsprechung jedoch rückwirkend korrigiert werden sollte, hätte dieses deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Eine entscheidende Bedeutung bei der Anwendung des § 90 Abs 1 BVFG ist der Gesetzesbegründung zu § 54 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht beizumessen. Die Aufhebung des § 90 BVFG durch Art 1 Nr 30 Buchst b des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (≪KfbG≫ vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2094) spricht gegen den Willen zu einer rückwirkenden Korrektur, denn sie erfolgte nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern mit Wirkung zum 1. Januar 1993. Die Einführung des § 54 Abs 1 Satz 3 SGB V und die gleichzeitige Aufhebung des § 90 Abs 1 BVFG ist daher als Ersetzung einer allgemeinen durch eine besondere Gleichstellungsvorschrift aufzufassen. Ebensowenig wurde § 90 Abs 1 BVFG dadurch verdrängt, daß im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands für die Bürger der ehemaligen DDR Gleichstellungsregelungen wie etwa § 309 Abs 2 und Abs 5 SGB V getroffen wurden (eingefügt durch Anl I Kap VIII Sachgebiet G Abschn II Nr 1 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990, BGBl II 889 iVm Art 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990, BGBl II 885 bzw durch Art 6 Nr 5 des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991, BGBl I 1606). Da sie sich nicht nur auf Vertriebene oder Sowjetzonenflüchtlinge (vgl § 3 BVFG), sondern auf alle in der ehemaligen DDR Sozialversicherten beziehen, liegt in ihnen schon deshalb keine abschließende bundesgesetzliche Regelung iS des § 90 Abs 3 BVFG. Es handelt sich vielmehr um die Einlösung einer in Anl V Abschn VI Nr 5 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (BGBl II 537) gegebenen Zusage, die zum Vertriebenenrecht keinen Bezug hat.
Die rumänische Krankenversicherung des Klägers in der Zeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres durch die Tochter steht der Mitgliedschaft in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gleich. Das SG hat die Vorschriften des rumänischen Rechts unter Berücksichtigung von Stellungnahmen des Instituts für Ostrecht dahin ausgelegt, daß der Kläger für seine Tochter in Rumänien in gleicher Weise Anspruch auf Familienhilfe hatte, wie es in Deutschland der Fall gewesen wäre. Diese Feststellungen zum rumänischen Recht hat das LSG durch Bezugnahme auf das Urteil des SG übernommen (vgl BVerwG Buchholz 310 § 133 VwGO Nr 80), so daß die Auslegung des rumänischen Rechts nach § 162 SGG, § 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung für den Senat verbindlich ist (stRsp, vgl BSG SozR 3-5050 § 15 Nr 5). Zwar vertritt die Beklagte in der Revisionsbegründung eine andere Auffassung zum rumänischen Recht; sie hat aber nicht aufgezeigt, warum das LSG Anlaß gehabt hätte, von einer Übernahme der Feststellungen des SG abzusehen und die Rechtslage in Rumänien neu zu prüfen. Sie hat auch nicht dargelegt, daß das SG eine entscheidungserhebliche rumänische Rechtsnorm übersehen hätte, so daß das Revisionsgericht ausnahmsweise ausländisches Recht auslegen und anwenden dürfte (vgl BSG aaO). Die Auslegung des rumänischen Rechts durch die Vorinstanzen steht nicht im Widerspruch zu Vorschriften des Bundesrechts. Art 7 Abs 7 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien über Sozialversicherung vom 29. Juni 1973 (BGBl 1974 II 698, in Kraft seit 1. Oktober 1974, BGBl 1974 II 1227) bestimmt, daß die Vorschriften über Leistungsansprüche im Fall der Krankheit oder Mutterschaft (Art 7 Abs 1 bis 6) für Familienangehörige entsprechend gelten; durch das Zusatzabkommen vom 8. Juli 1976 (BGBl 1977 II 662) ist Art 7 Abs 7 des Abkommens nicht geändert worden.
Der durch § 205 RVO im Jahre 1988 begründete Familienhilfeanspruch hat mit dem 31. Dezember 1988 nicht geendet; er wird als Familienversicherung nach § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V fortgesetzt. Halbsatz 2 dieser Vorschrift steht dem nicht entgegen. Zwar hat die Behinderung der Klägerin zu 2) nicht zu einem Zeitpunkt vorgelegen, in dem sie nach § 10 Abs 2 Nrn 1, 2 oder 3 SGB V selbst versichert war. Eine bis zum 31. Dezember 1988 aus der Versicherung ihres Vaters für sie zu gewährende Familienhilfe nach § 205 RVO ist jedoch als “Versicherung” in diesem Sinne zu verstehen; die Familienversicherung nach § 10 SGB V setzt insofern die Familienhilfe des früheren Rechts nahtlos fort. Deshalb sind behinderte Kinder, für die vor dem 1. Januar 1989 ein Familienhilfeanspruch bestand, trotz Fehlens einer entsprechenden Übergangsvorschrift im Gesundheits-Reformgesetz (GRG) auch dann in die Familienversicherung einbezogen, wenn sie am Stichtag die Altersgrenze bereits überschritten hatten (so auch Ziff 2.4.2.4 Abs 3 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 9. Dezember 1988). Die sich sonst ergebende Schlechterstellung gegenüber behinderten Kindern, die erst nach dem Inkrafttreten des SGB V die Altersgrenze überschreiten, wäre nicht zu rechtfertigen. Wenn der Gesetzgeber in der Pflegeversicherung den Versicherungsschutz für behinderte Kinder durch eine eigene Übergangsvorschrift unter bestimmten Voraussetzungen auf Kinder ausgedehnt hat, die vor dem Inkrafttreten nicht versichert waren (Art 40 PflegeVG), während eine entsprechende Übergangsvorschrift zu § 10 Abs 2 Nr 4 Halbsatz 2 SGB V fehlt, so kann deswegen dem Anspruch auf Familienhilfe nach § 205 RVO die Berücksichtigung als Vorversicherung iS des § 10 Abs 2 Nr 4 Halbsatz 2 SGB V nicht versagt werden. Denn anders als die Familienpflegeversicherung hat die Familienkrankenversicherung nach § 10 SGB V einen Vorläufer, so daß im GRG eine ausdrückliche Regelung des Verhältnisses zur früheren Familienhilfe entbehrlich erscheinen konnte. Demgegenüber wäre der betreffende Personenkreis ohne Art 40 PflegeVG von der Pflegeversicherung ausgeschlossen.
Die gleichzeitig mit dem SGB V und in der Zeit danach in Kraft getretenen Änderungen des Vertriebenenrechts haben auf die einmal entstandene Familienversicherung der Klägerin zu 2) keinen Einfluß. Durch Art 38 GRG wurde § 90b BVFG über “Leistungen bei Krankheit” mit Wirkung vom 1. Januar 1989 an eingeführt. Seit dem 1. Januar 1993 ist § 90 BVFG aufgehoben; gleichzeitig wurde der bisherige § 90b zu § 11 BVFG (Art 1 Nr 10 und Nr 30 Buchst b KfbG). Die neuen Vorschriften gelten nicht für die Kläger, denn die anwendbare Fassung des BVFG richtet sich nach dem Zeitpunkt des Verlassens der Vertreibungsgebiete. § 100 Abs 1 BVFG in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung erklärt die früheren Vorschriften auf Personen iS der §§ 1 bis 3 BVFG nach Maßgabe hier unerheblicher weiterer Bestimmungen für anwendbar, wobei neue Stichtagsregelungen in den §§ 1 bis 3 BVFG sicherstellen, daß der Schutz des BVFG weiterhin für Personen gilt, die ihre frühere Heimat vor dem 1. Juli 1990 bzw vor dem 1. Januar 1993 verlassen haben. Der Sinn dieser Regelung kann nicht sein, daß eine bereits erfolgte Eingliederung in die deutsche Sozialversicherung für die Zukunft wieder aufgehoben wird.
Da das LSG den geltend gemachten Anspruch zu Recht bejaht hat, ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen