Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertriebener. vertriebener Verfolgter. Vorversicherungszeit. Wohnsitz. Wohnsitzverlegung. Zehn-Jahres-Frist. Krankenversicherung der Rentner. Rentenantrag. Rentenantragstellung. Rentenbeginn
Leitsatz (amtlich)
Ein vertriebener Verfolgter (§ 20 WGSVG) ist nicht nach § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V in der Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig, wenn er seinen Wohnsitz erst nach Rentenantragstellung ins Inland verlegt hat.
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 1 Nrn. 11-12; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 30. September 1992 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der Kläger ist 1917 in der Karpato-Ukraine geboren und 1977 nach Israel ausgewandert, dessen Staatsangehöriger er ist 1983 stellte er einen Antrag auf Rente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), der zur Bewilligung von Altersruhegeld für die Zeit vom 1. Februar 1983 an führte (Bescheid vom 18. Januar 1989). Da sich der Kläger in Israel aufhielt, zahlte die BfA die Leistung nur zum Teil aus (Auslandsrente). Seit dem 5. April 1989 befindet sich der Kläger in Deutschland, wo sein Aufenthalt zunächst für sechs Monate geduldet, dann aber genehmigt wurde; seit seiner Ankunft wird ihm das Altersruhegeld ungekürzt gewährt (Inlandsrente).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Mai 1989 (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1989) verneinte die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse die Mitgliedschaft des Klägers in der KVdR. Das Sozialgericht (SG) hat diese Entscheidung mit Urteil vom 21. September 1990 bestätigt. Die Berufung des Klägers hatte insoweit Erfolg, als das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 30. September 1992 die Mitgliedschaft in der KVdR vom 1. August 1991 an festgestellt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei nach § 5 Abs 1 Nr 12 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ab dem genannten Zeitpunkt versicherungspflichtig. Die Vorschrift erfasse seither auch vertriebene Verfolgte iS des § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) und damit den Kläger. Ein Wohnsitz in Deutschland ab April 1989 sei nicht zweifelhaft. Der Kläger erfülle auch die Voraussetzung der Wohnsitzverlegung in das Inland innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Stellung des Rentenantrags. Durch dieses Erfordernis sollten nach der Entstehungsgeschichte und nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur solche Rentner von der KVdR ausgeschlossen werden, die trotz zehnjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik eine ausreichende Vorversicherungszeit nicht zurückgelegt hätten. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) früher das Recht zum freiwilligen Beitritt für Rentner nur bei einem Zuzug innerhalb der Beitrittsfrist bejaht (BSG SozR 2200 § 176 Nr 3); die Entstehung der Versicherungspflicht lasse sich aber mit einem freiwilligen Beitritt nicht vergleichen. Auch die Tatsache, daß der Kläger die Rente bereits bezogen habe, als der Zugang zur KVdR auf die vertriebenen Verfolgten ausgedehnt worden sei, stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, weil Übergangsvorschriften zu der am 1. August 1991 in Kraft getretenen Gesetzesänderung fehlten.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V. Die Vorschrift greife nur ein, wenn der Vertriebene die Rente beantrage, nachdem er (innerhalb von zehn Jahren zuvor) seinen Wohnsitz nach Deutschland verlegt habe.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 30. September 1992 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 21. September 1990 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger ist entgegen der Ansicht des LSG nicht Pflichtmitglied in der KVdR geworden. Im Revisionsverfahren ist dieses nur noch für die Zeit ab August 1991 zu entscheiden, weil der Kläger gegen das Urteil des LSG keine Revision eingelegt hat, so daß es rechtskräftig ist, soweit es die Versicherungspflicht des Klägers für die vorherige Zeit verneint hat.
Die Beteiligten und das LSG gehen zutreffend davon aus, daß der Kläger nicht bereits nach der allgemeinen Vorschrift über die Versicherungspflicht in der KVdR (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V; früher § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) Mitglied der Beklagten geworden ist. Danach sind Personen versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren. Da die Versicherungspflicht keine Beschäftigung und keine selbständige Tätigkeit voraussetzt, gilt § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nach § 3 Nr 2 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) nur für Personen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Inland haben. Von den danach erforderlichen vier Voraussetzungen: Wohnsitz im Inland, Rentenanspruch, Rentenantrag und Vorversicherungszeit erfüllt der Kläger insbesondere die Vorversicherungszeit nicht, denn er war weder selbst noch als Familienangehöriger in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Zwar sind nach § 90 Abs 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) Krankenversicherungszeiten, die in einem Vertreibungsgebiet zurückgelegt wurden, bei Vertriebenen auf die Vorversicherungszeit anzurechnen (Urteile des BSG vom 8. November 1983 – 12 RK 52/82 und 12 RK 58/82; vgl auch BSGE 56, 39 = SozR 2200 § 165 Nr 72; BSG USK 83202). Der Kläger ist jedoch nicht als Vertriebener anerkannt; er wäre im übrigen auch durch § 10 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 Nr 2 BVFG in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung von der Vergünstigung des § 90 BVFG ausgeschlossen. Die Gleichstellung von vertriebenen Verfolgten mit Vertriebenen durch § 20 Abs 1 WGSVG gilt nur für die Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG), nicht aber die des SGB V, um dessen Vorschriften es hier geht.
Neben dem Grundtatbestand der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V enthält das Gesetz in § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V (früher § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst b RVO, eingefügt mit Wirkung ab 1. Juli 1977 durch Art 1 § 1 Nr 1 Buchst a des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes ≪KVKG≫ vom 27. Juni 1977, BGBl I 1069) eine Sonderregelung für Vertriebene. Danach werden als Rentner oder Rentenantragsteller auch diejenigen versichert, die zu den in § 1 oder § 17 Abs 1 FRG genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in den Geltungsbereich der RVO bzw des SGB (seit 1. Januar 1992: in das Inland) verlegt haben. Mit Wirkung vom 1. August 1991 wurde § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V durch Art 6 Nr 1 des Rentenüberleitungs-Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) geändert, so daß sich die Sonderregelung für Vertriebene seither auf die in § 17a FRG oder § 20 WGSVG genannten Personen erstreckt.
Nach § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V ist der Kläger nicht Mitglied der KVdR geworden. Zwar gehört er nach den Feststellungen des LSG zum Personenkreis des § 20 WGSVG. Er hat auch seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik, so daß § 3 Nr 2 SGB IV einer Mitgliedschaft nicht entgegensteht. Der Kläger hat den Wohnsitz im Inland aber nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Rentenantrag begründet. Ebenso wie die in § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V vorausgesetzte Vorversicherungszeit nicht erst nach Stellung des Rentenantrags erfüllt werden kann, muß auch der Wohnsitz ins Inland verlegt worden sein, bevor der Rentenantrag gestellt wird.
Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V. Hätte der Gesetzgeber die Vorschrift so verstanden wissen wollen, wie das LSG sie ausgelegt hat, dann hätte sie etwa lauten müssen: “… es sei denn sie hätten ihren Wohnsitz mehr als zehn Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt.” Für die Vorgängervorschrift (§ 165 Abs 1 Nr 3 Buchst b RVO) war ursprünglich eine Fassung vorgeschlagen, die auf jede zeitliche Beschränkung verzichtete (§ 165 Nr 3c in BT-Drucks 8/166 S 4: “… und ihren Wohnsitz in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt haben”). In den Ausschußberatungen wurde die Vergünstigung mit Hilfe der Zehn-Jahres-Frist “präzisiert” (BT-Drucks 8/338 S 60).
Außerdem wird die Ansicht des LSG dem systematischen Verhältnis des § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V zum Grundtatbestand des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nicht gerecht. Der Aufbau der Sondervorschrift für Vertriebene (Nr 12) ist derselbe wie beim Grundtatbestand (Nr 11): In Nr 11 wird innerhalb einer persönlichen Rahmenfrist von der erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung von einer bestimmten Mindestdauer verlangt. In Nr 12 wird zwar auf eine derartige Vorversicherungszeit verzichtet, aber stattdessen innerhalb einer allgemeinen Rahmenfrist von zehn Jahren vor Stellung des Rentenantrags die Wohnsitzverlegung ins Inland vorausgesetzt. Die übrigen drei Voraussetzungen sind gleich: Wegen § 3 Nr 2 SGB IV muß der Wohnsitz oder der ständige Aufenthalt im Inland sein, es muß ein Rentenanspruch bestehen und der Versicherte muß die Rente beantragt haben.
Soweit das Gesetz für die Versicherungspflicht in der KVdR eine Vorversicherungszeit verlangt (Nr 11), endet die Rahmenfrist, innerhalb deren die erforderliche Mitgliedschaftszeit zurückgelegt sein muß, nach allen bisherigen Fassungen des Gesetzes mit dem Tage des Rentenantrags. Ursprünglich setzte die Mitgliedschaft in der KVdR lediglich die Berechtigung zum Bezug einer Rente, aber keine Vorversicherungszeit voraus (§ 4 Abs 1 des Gesetzes über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 24. Juli 1941, RGBl I 443). Seit der erstmaligen Einführung einer Vorversicherungszeit durch das Gesetz über die KVdR vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500, hier: Art 1 Nr 1 Buchst a) knüpft die Versicherungspflicht nicht mehr allein an den Rentenanspruch, sondern zusätzlich an die Stellung des Rentenantrags an; die Unsicherheit über das Bestehen des Anspruchs während des Rentenverfahrens wird mit Hilfe der Formalversicherung von Rentenantragstellern überbrückt (früher § 315a Abs 1 Satz 1 RVO, jetzt § 189 Abs 1 Satz 1 SGB V). Da seitdem die Versicherung grundsätzlich am Tage der Stellung des Rentenantrags beginnt (§ 306 Abs 2 RVO; § 186 Abs 9 SGB V), muß die Rahmenfrist für eine eventuelle Vorversicherungszeit mit diesem Tage enden. Die Festlegung des Endes der Rahmenfrist auf den Tag des Rentenantrags gilt noch heute, denn die Grundregeln über Versicherungspflicht und Versicherungsbeginn sind seit 1956 gleichgeblieben; die späteren Gesetzesänderungen betrafen ausschließlich die Vorversicherungszeit. Diese ist durch das Finanzänderungsgesetz 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259, Art 1 § 1 Nr 1 Buchst a) zunächst abgeschafft, aber durch das KVKG im Jahre 1977 in erweiterter Form wieder eingeführt worden. Das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477, Art 1 § 5 Abs 1 Nr 11) hat die Rahmenfrist neu geregelt, und das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266, Art 1 Nr 1) hat die anrechenbaren Mitgliedschaftszeiten neu umschrieben.
Die Übergangsvorschriften zu den genannten Gesetzesänderungen unterstreichen die Maßgeblichkeit des Rentenantrags für die Vorversicherungszeit. Bei Einschränkungen des in der KVdR versicherten Personenkreises gelten die Neuregelungen nach dem entsprechenden Übergangsrecht (Art 2 § 1 Abs 1, § 2 KVKG; Art 56 Abs 1 und 2 GRG; Art 33 § 14 GSG) nicht für diejenigen Versicherten, die beim Inkrafttreten der Neuregelung in der KVdR bereits versichert sind, weil sie entweder eine Rente beziehen oder einen Rentenantrag gestellt haben, oder die während einer Übergangsfrist noch einen Rentenantrag stellen. Im Ergebnis wird sowohl bei der Wahrung des Besitzstands als auch beim Aufschub des Inkrafttretens der Neuregelung auf den Zeitpunkt des Rentenantrags abgestellt.
Ebenso wie beim Grundtatbestand der Nr 11 die Rahmenfrist mit dem Rentenantrag endet, ist dieses bei der zehnjährigen Rahmenfrist der Nr 12 der Fall. Es reicht daher nicht aus, daß der Wohnsitz erst nach der Rentenantragstellung ins Inland verlegt wird. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt des Rentenantrags sowohl in § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V als auch in Nr 12 der Vorschrift ist sachgerecht. Damit wird der Zugang zur KVdR auf Personen beschänkt, die zu diesem Zeitpunkt, dh in der Regel bei Abschluß des Erwerbslebens, bestimmte Voraussetzungen in Bezug auf die deutsche gesetzliche Krankenversicherung erfüllen. Zu ihr muß nach dem Grundtatbestand (Nr 11) durch die Vorversicherungszeit auch bisher schon eine ausreichende Verbindung bestanden haben. Weil Vertriebene diese Voraussetzung nur schwer erfüllen können, wird in der Sondervorschrift (Nr 12) eine frühere Verbindung in der Form der Mitgliedschaft nicht verlangt. Stattdessen müssen die dort genannten Personen jedoch bis zum Rentenantrag wenigstens ihren Wohnsitz ins Inland verlegt haben, um so eine Verbindung zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, wenn nicht durch Mitgliedschaft, so doch durch Zuzug in ihren räumlichen Zuständigkeitsbereich herzustellen. Fehlt es im Zeitpunkt der Rentenantragstellung sowohl an der Vorversicherungszeit der Nr 11 als auch an der Wohnsitznahme im Inland nach Nr 12, so sieht das Gesetz die Begründung der Versicherungspflicht von Rentnern und Rentenantragstellern, die für die Krankenversicherung in der Regel ungünstige Risiken darstellen, in der zudem beitragsgünstigen KVdR nicht mehr als gerechtfertigt an. Die Nr 12 enthält auch in anderer Hinsicht keine unbeschränkte Vergünstigung für die darin genannten Vertriebenen. Nach dieser Vorschrift ist von der KVdR nicht nur ausgeschlossen, wer den Wohnsitz erst nach dem Rentenantrag ins Inland verlegt, sondern auch, wer dieses mehr als zehn Jahre vor dem Rentenantrag getan hat. Denn selbst nach einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt kann die Vorversicherungszeit verfehlt werden, und zwar auch dann, wenn während der gesamten Zeit des Inlandsaufenthalts eine Mitgliedschaft in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Die in der Gesamtregelung zum Ausdruck gekommene Bedeutung des Stichtags der Rentenantragstellung schließt es aus, durch Erfüllung der Vorversicherungszeit nach Nr 11 oder durch Wohnsitznahme im Inland nach Nr 12 noch nach dem Stichtag die Versicherungspflicht in der KVdR begründen zu können. Aus ähnlichen Erwägungen heraus hat der Senat in seinem Urteil vom 23. Oktober 1987 (SozR 2200 § 176 Nr 3) zum früheren Recht entschieden, daß ein damals innerhalb eines Monats nach Zustellung des Rentenbescheids zulässiger Beitritt zur freiwilligen Versicherung ausgeschlossen war, wenn der Rentner bei Rentenbewilligung und bis zum Ablauf der Beitrittsfrist einen Wohnsitz im Inland noch nicht begründet hatte.
Diesem Ergebnis kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Zeitpunkt des Rentenantrags habe im Vergleich zu den übrigen Voraussetzungen der KVdR keine oder eine nur untergeordnete Bedeutung. Zwar ist die KVdR in erster Linie eine Versicherung für Rentenbezieher, so daß der eigentliche Grund für die Bedeutung des Rentenantrags bei der Entstehung der Versicherungspflicht lediglich darin liegen mag, daß nach § 1290 RVO (jetzt: § 99 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫) die Rentenzahlung ohne ihn regelmäßig nicht beginnen kann. Die dem Rentenbezug untergeordnete Bedeutung des Rentenantrags wird vor allem deutlich, wenn der Beginn der KVdR an den Rentenantrag nicht anknüpfen kann, weil die Rente ausnahmsweise ohne Antrag gezahlt wird – beispielsweise, wenn der Rentenversicherungsträger eine frühere Rentenablehnung von Amts wegen berichtigt (BSG SozR Nr 4 zu § 315a RVO; BSGE 39, 235 = SozR 2200 § 315a Nr 1) oder wenn die Witwenrente für das Sterbevierteljahr gewährt wird (LSG Nordrhein-Westfalen Breith 1980, 832). Rentenzahlungen ohne Rentenantrag gab es nach § 30 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung (vgl Art 15 Abschn B Nr 8 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261) auch für Vertriebene, die im Herkunftsland bis zum Zuzug in die Bundesrepublik von einem ausländischen Sozialversicherungsträger eine Rente oder entsprechende Leistung erhalten hatten (vgl Berger, SozVers 1974, 232, 233). Aus diesen atypischen Fällen kann jedoch nicht geschlossen werden, daß der Zeitpunkt des Rentenantrags für Vorversicherungszeit und Wohnsitzverlegung ins Inland allgemein außer Betracht zu bleiben hat. Erst recht ergibt sich daraus kein Grund, die Erfüllung dieser Voraussetzungen noch nach dem Beginn des Rentenbezugs und nach dem Erlaß des Rentenbescheids zuzulassen.
Der Kläger des vorliegenden Verfahrens kann demnach nicht in der KVdR versicherungspflichtig werden. Er hat seinen Wohnsitz im April 1989 bis Inland verlegt. Demgegenüber hatte er bereits 1983 den Rentenantrag gestellt und damit eine entsprechende Festlegung des Rentenbeginns bewirkt. Auch die Rentenbewilligung durch den Bescheid vom 18. Januar 1989 lag vor der Wohnsitzbegründung im Inland. Bei dieser Fallgestaltung braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Zuzug ins Inland nach dem Rentenantrag, aber vor Rentenbescheid und Rentenbeginn unschädlich sein könnte. Das nach dem Wohnsitzwechsel ins Inland an die BfA gerichtete Begehren, nunmehr die Inlandsrente auszuzahlen, und die daraufhin von der BfA veranlaßte Auszahlung der ungekürzten Rente sind nicht als neuer Rentenantrag und neuer Rentenbeginn aufzufassen (zur ähnlichen Frage eines erneuten Rentenbescheids vgl schon BSG SozR 2200 § 176 Nr 3 aE). Andernfalls hätte es der Rentner in der Hand, die Zugangsvoraussetzungen zur KVdR durch Wegzug ins Ausland und Rückkehr ins Inland zu erfüllen. Schließlich kann der Zugang des Klägers auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 30 FRG begünstigt werden: Zwar begründete diese Vorschrift die Versicherungspflicht von Vertriebenen in der KVdR unabhängig vom Zeitpunkt des Rentenantrags; diese Fälle unterscheiden sich aber vom Fall des Klägers dadurch, daß der Kläger nicht unmittelbar aus dem Vertreibungsgebiet nach Deutschland gekommen ist, sondern während der letzten sechs Jahre vor dem Rentenantrag bzw während der letzten zwölf Jahre vor dem Zuzug ins Inland seinen Lebensmittelpunkt in Israel hatte.
Da die Beklagte und das SG die Versicherungspflicht des Klägers zu Recht verneint haben, ist das Urteil des LSG aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil durch Zurückweisung der Berufung des Klägers wiederherzustellen. Diese Entscheidung konnte der Senat auch ohne Beiladung der BfA treffen. Zwar haben die für eine notwendige Beiladung des Rentenversicherungsträgers sprechenden Gründe durch dessen eigene Beitragstragungspflicht nach § 249a SGB V seit dem 1. Januar 1992 zusätzliches Gewicht bekommen (zur Notwendigkeit der Beiladung nach bisherigem Recht: BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 2). Bei einer endgültigen Ablehnung der Krankenversicherungspflicht als Rentner werden die Rechte des Rentenversicherungsträgers mit der vorliegenden Entscheidung jedoch nicht berührt (vgl BSGE 69, 138 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6; BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1 jeweils mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen