Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Kindergeldes. Verfassungsmäßigkeit. Rechtsweg. Zulässigkeit der Berufung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung der Berufungsausschlußnorm des § 27 Abs 2 BKGG kommt es auf die Verhältnisse an, die zur Zeit der Rechtsmitteleinlegung vorliegen und nicht die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittels (vgl BSG vom 17.5.1989 - 10 RKg 19/88 = BSGE 65, 84 = SozR 1200 § 30 Nr 17 mwN).

2. Die Zuweisung der Streitigkeiten über die Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes an die Sozialgerichtsbarkeit verstößt nicht gegen Art 33 Abs 5 GG.

3. Zur Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs 1 BKGG idF vom 22.12.1981.

 

Normenkette

BKGG § 27 Abs 1, § 10 Abs 1 Fassung: 1981-12-22; GG Art 33 Abs 5; SGG § 25 Abs 1; BKGG § 27 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 25.06.1991; Aktenzeichen L 13 Ar 27/83)

SG Köln (Entscheidung vom 11.08.1983; Aktenzeichen S 10 Ar 179/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Kürzung des Kindergeldes für das zweite und dritte Kind durch § 10 Abs 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) idF des Neunten Bundeskindergeld-Änderungsgesetzes (BKGG-ÄndG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1566) ab dem Monat Januar 1982.

Der Kläger, Vater von fünf Kindern, stand bis 1985 als Finanzbeamter in den Diensten des beklagten Landes und erhielt Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 11 sowie Kindergeld. Zum 1. Januar 1982 wurde das Kindergeld gemäß § 10 Abs 1 BKGG idF des 9. BKGG-ÄndG für das zweite und dritte Kind um je DM 20,-- monatlich herabgesetzt, so daß der Kläger in der Folgezeit einen entsprechend niedrigeren Kindergeldbetrag ausbezahlt erhielt. Seinen Antrag, ihm das Kindergeld weiter in der ungekürzten Höhe zu zahlen, weil die Kürzung verfassungswidrig sei, lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 21. März 1983, Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1983).

Auf die dagegen gerichtete Klage hat sich das Sozialgericht (SG) für sachlich unzuständig erklärt, soweit der Kläger gleichzeitig eine höhere Beamtenbesoldung begehrt hatte, und den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen; im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. August 1983).

Im Verfahren über die vom Kläger eingelegte Berufung haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) den Kindergeldanspruch des Klägers ab Januar 1983 außer Streit gestellt.

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 25. Juni 1991). Es ist davon ausgegangen, daß, entsprechend den Erklärungen der Beteiligten, die Entscheidungen über die Kindergeldansprüche des Klägers ab 1983 nicht Gegenstand des Rechtsstreits seien. Im übrigen hat es die Auffassung vertreten, daß § 10 Abs 1 BKGG idF des 9. BKGG-ÄndG zwar nicht den im Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 960 ff) aufgestellten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) an einen verfassungsmäßigen Familienlastenausgleich entspreche. Die Regelung sei jedoch gleichwohl nicht verfassungswidrig, da sich der Gesetzgeber damals an der seinerzeit aktuellen Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 43, 108) orientiert habe. Das 1982 gezahlte Kindergeld habe jedenfalls auch der steuerlichen Entlastung gedient, selbst wenn hiermit die Steuerfreiheit des Existenzminimums für Kinder nicht erreicht worden sei.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 33 Abs 5 Grundgesetz (GG), des § 126 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG), des Art 100 GG, des Art 3 Abs 1 GG und des Art 6 Abs 1 GG. Er macht geltend, die sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit sei nicht gegeben, weil es sich um einen Rechtsstreit aus dem Beamtenverhältnis handele, der gemäß § 126 BRRG den Verwaltungsgerichten zugewiesen sei; die Rechtswegzuweisung in § 27 Abs 1 BKGG sei insoweit verfassungswidrig. In der Sache hält er § 10 Abs 1 BKGG idF des 9. BKGG-ÄndG für nichtig, weil mit der Kürzung des Kindergeldes für das zweite und dritte Kind der verfassungsrechtlich geschützte Anspruch der Beamten auf angemessene Alimentation für Beamte mit Kindern entgegen der gemäß § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) verbindlichen Entscheidung des BVerfG vom 30. März 1977 (BVerfGE 44, 249) nicht mehr gewährleistet sei. Zumindest müßten die angefochtenen Bescheide wegen der Verfassungswidrigkeit der Norm aufgehoben und die vorenthaltenen Kindergeldbeträge nachgezahlt werden. Falls das Gericht sich trotz der zitierten Rechtsprechung des BVerfG an einer Entscheidung zu seinen Gunsten gehindert sehe, sei eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs 1 BKGG im Wege der konkreten Normenkontrolle gemäß Art 100 GG einzuholen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1991 aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 11. August 1983

1)

die Sache zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Köln zu verweisen,

hierzu hilfsweise: vorab das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 27 Abs 1 BKGG insoweit mit Art 33 Abs 5 GG und § 126 Abs 1 BRRG vereinbar ist, als die genannte Vorschrift auch dem an Beamte zu gewährenden Kindergeld die Eigenschaft einer "Streitigkeit in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit" beilegt und damit zur Entscheidung die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bestimmt;

2)

hilfsweise im Verhältnis zu dem Antrag gemäß Ziff 1):

a) festzustellen, daß die durch das 9. Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 22. Dezember 1981 erfolgte Kürzung des Kindergeldes für das zweite und dritte Kind, mindestens soweit von ihr Beamte betroffen sind, nichtig ist;

b) den Bescheid des Beklagten vom 21. März 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1983 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die ab 1. Januar 1982 vorgenommene Kürzung des dem Kläger zustehenden Kindergeldes für das zweite und dritte Kind des Klägers um je DM 20,-- monatlich rückgängig zu machen und die gekürzten Beträge mit Wirkung ab 1. Januar 1982 netto an den Kläger nachzuzahlen;

c) die nachzuzahlenden Beträge je vom Tage der Fälligkeit ab mit 2 vH über Bundesbankdiskont, mindestens mit 4 vH ab 7. Juni 1983 zu verzinsen;

hierzu hilfsweise: vorab das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob Art 1 Nr 2 des 9. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 22. Dezember 1991 mindestens insoweit nichtig oder jedenfalls wegen Verletzung des Art 33 Abs 5 GG verfassungswidrig ist, als von dieser Vorschrift über die Kürzung des Kindergeldes für das zweite und dritte Kind Beamte betroffen sind.

Das beklagte Land beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Die Revision des Klägers führt zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.

Zu Recht ist das LSG von der Zulässigkeit der Berufung gegen das Urteil des SG vom 11. August 1983 ausgegangen.

Die materiell-rechtliche Prüfung scheitert nicht an der Berufungsausschlußnorm des § 27 Abs 2 BKGG. Zwar betraf die Berufung im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts Kindergeld für bereits abgelaufene Zeiträume. Das steht ihrer Statthaftigkeit jedoch nicht entgegen. Es kommt auf die Verhältnisse an, die zur Zeit der Rechtsmitteleinlegung vorliegen und nicht die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittels (Bundessozialgericht <BSG> vom 17. Mai 1989, BSGE 65, 84, 85 = SozR 1200 § 30 Nr 17 mwN). Zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung begehrte der Kläger auch noch Kindergeld für die Zukunft.

Denn damals (1983) wirkte die Herabsetzung des Kindergeldes für das zweite und dritte Kind durch das 9. ÄndG-BKGG zum 1. Januar 1982 noch fort. Zum 1. Januar 1983 war zwar (durch das HBeglG 1983) insoweit die Einkommensabhängigkeit des den Sockelbetrag übersteigenden Kindergeldes eingeführt worden; der Höchstbetrag orientierte sich jedoch weiterhin an den Sätzen des § 10 BKGG idF ab 1. Januar 1982.

Der Kläger hat den Berufungsantrag auch nicht willkürlich eingeschränkt - wenn eine derartige Fallkonstellation überhaupt denkbar sein sollte (s aber BSG vom 7. Dezember 1983, SozR 1500 § 144 Nr 24). Die am 25. Juni 1991 im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG zwischen den Beteiligten zustande gekommene Einigung (Ausklammerung der Zeit ab 1. Januar 1983) war vielmehr schon deshalb sachgerecht, weil nach der in jene Zeit fallenden Neuregelung des Kindergeldanspruchs ab 1983 entsprechende neue Bescheide des beklagten Landes zu erwarten waren: Der Beschluß des BVerfG vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60) hatte § 10 Abs 2 BKGG idF des HBegleitG 1983 für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt; die danach erforderliche Neuregelung war erst am Tage vor der mündlichen Verhandlung verabschiedet worden und noch nicht in Kraft getreten (§ 44e BKGG wurde eingefügt durch das Steueränderungsgesetz 1991 vom 24. Juni 1991 - BGBl I 1322 -, in Kraft ab 28. Juni 1991). Entsprechend hat das BSG auch schon bisher Berufungen als weiterhin statthaft angesehen, wenn die Beklagte im Berufungsverfahren ein Teilanerkenntnis abgegeben hatte und dadurch nur noch ein abgelaufener Zeitraum streitig blieb (BSG vom 29. August 1959, SozR Nr 6 zu § 146 SGG; BSG vom 18. Januar 1978, SozR 1500 § 146 Nr 6; BSG vom 28. Februar 1978, SozR 1500 § 146 Nr 7).

Das LSG hat ferner zutreffend erkannt, daß für Streitigkeiten über Kindergeld gemäß § 27 Abs 1 BKGG iVm § 51 Abs 1 SGG die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist. Dies gilt auch dann, wenn das Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes gezahlt wird (vgl bereits den in einem Rechtsstreit zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluß des Senats vom 28. Februar 1985 - 10 BKg 5/84 -), was das BVerfG nicht beanstandet hat (BVerfG vom 30. März 1977, BVerfGE 44, 249, 270). Auch der Senat vermag in dieser Zuweisung an die Sozialgerichtsbarkeit keinen Verstoß gegen Art 33 Abs 5 GG zu sehen, so daß von einer Vorlage gemäß Art 100 GG an das BVerfG abzusehen war. Der Kläger verkennt, daß zwar im Rahmen des beamtenrechtlichen Anspruchs auf eine amtsangemessene Alimentation aus Art 33 Abs 5 GG das an den Beamten gezahlte Kindergeld zu berücksichtigen ist, jedoch nicht umgekehrt bei dem an alle Bürger auszuzahlenden Kindergeld die aus dem Beamtenrecht stammenden Sonderregelungen anzuwenden sind. Damit liegt gleichermaßen auch kein Widerspruch zur Regelung des § 126 Abs 1 BRRG vor, wonach für Klagen aus dem Beamtenverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.

In der Sache hat die Revision im Sinne einer Zurückverweisung Erfolg.

Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob nach Art 100 GG eine Entscheidung des BVerfG einzuholen ist.

Wie auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, hat der Kläger im Jahre 1982 Kindergeld in der nach § 10 Abs 1 BKGG idF des 9. BKGG-ÄndG vorgesehenen Höhe erhalten. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann jedoch nicht entschieden werden, ob der Kläger aus verfassungsrechtlichen Gründen Anspruch auf ein höheres Kindergeld hatte. Nur dann aber, wenn der Senat § 10 Abs 1 BKGG in der damaligen Fassung insoweit für verfassungswidrig hielte, als diese Vorschrift im vorliegenden Fall anzuwenden ist, hätte er das Verfahren auszusetzen, um die Entscheidung des BVerfG einzuholen (Art 100 Abs 1 Satz 1 GG; vgl BVerfG vom 24. Januar 1984, BVerfGE 66, 100; BVerfG vom 18. Juli 1984, BVerfGE 67, 239, wenn auch dort jeweils zu Fallkonstellationen, in denen das vorlegende Gericht eine verfassungswidrige Begünstigung der jeweiligen Kläger im Verhältnis zu anderen Personen gesehen hatte; vgl jedoch auch zB die Konkretisierung der Vorlagefrage durch das BVerfG bei der Vorlage des Senats zur Konkursausfallgeld-Umlagepflicht für kirchliche Körperschaften: BVerfG vom 13. Dezember 1983, BVerfGE 66, 1, 17).

Ob der Kläger aber im Jahre 1982 von Verfassungs wegen ein höheres Kindergeld hätte erhalten müssen, hängt einerseits von der Zahl seiner damals zu berücksichtigenden Kinder (hierzu fehlen Feststellungen des LSG), andererseits von seinem damaligen Steuersatz (auch dieser ist vom LSG nicht festgestellt) ab.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht legt der Senat die vom BVerfG in seinem Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60) eingehend begründete Auffassung zugrunde: Die Höhe des Kindergeldes muß zumindest gewährleisten, daß hierdurch - unter Umrechnung in einen fiktiven Kinderfreibetrag - das Existenzminimum für Kinder steuerfrei bleibt. Bezogen auf das streitige Jahr 1982, in dem es im Einkommensteuerrecht keinen Kinderfreibetrag gab (vgl BVerfGE 82, 60, 62), führt dies (in Anlehnung an BVerfGE 82, 60, 96) zur folgenden tabellarischen Gegenüberstellung:

Kinderzahl:

1

2

3 4 5

Gesamtkindergeld pro

Jahr nach § 10 BKGG

600

1800

4440 7320 10200

Umrechnung in Steuer-

freibetrag bei einem

Steuersatz von

30 %

2000

6000

14800 24400 34000

40 %

1500

4500

11100 18300 25500

56 %

1071

3214

7929 13071 18214

durchschnittliche

jährliche Sozialhilfe-

leistungen 1982

3816

7632

11448 15264 19080

Hieraus ist ersichtlich, daß die Kindergeldsätze des § 10 Abs 1 BKGG in der im Jahre 1982 geltenden Fassung in vielen Konstellationen nicht ausreichend bemessen waren, um den oben geschilderten verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen; jedoch bestehen bei drei und mehr berücksichtigungsfähigen Kindern und bei einem Steuersatz bis zu 30 % keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Entgegen der Auffassung des LSG läßt sich die Höhe des Kindergeldes für das Jahr 1982 nicht schon mit der Begründung rechtfertigen, § 10 Abs 1 BKGG sei in der damals geltenden Fassung deswegen "noch verfassungskonform" gewesen, weil sich der Gesetzgeber des 9. BKGG-ÄndG an der seinerzeit aktuellen Rechtsprechung des BVerfG (Beschluß vom 23. November 1976, BVerfGE 43, 108) orientiert habe. Das BVerfG ist zwar mit dem Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60 Leitsatz 2) ausdrücklich von seiner früheren Rechtsprechung abgewichen; dies ändert jedoch nichts daran, daß seine neuen Maßstäbe auch an Sachverhalte der Vergangenheit anzulegen sind - ebenso wie das BVerfG damit auch die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Kindergeldes in den Jahren 1983 bis 1985 beurteilt hat. Denn wenn die Änderung einer Rechtsprechung nicht auf geänderten rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen beruht, sondern auf der Kenntnis der "Unrichtigkeit" der bisherigen Rechtsprechung, so kommt ihr ohne weiteres auch Rückwirkung zu (vgl im Rahmen des Sozialrechts: BSG vom 25. Oktober 1984, BSGE 57, 209 = SozR 1300 § 44 Nr 13; BSG vom 30. Januar 1985, BSGE 58, 27 = SozR 1300 § 44 Nr 16).

Die oben angesprochenen fehlenden Feststellungen zu treffen, sieht sich der Senat außerstande. Das BSG ist keine Tatsacheninstanz (vgl § 163 SGG). Unentschieden kann bleiben, ob der Senat berechtigt wäre, den vom Kläger im Revisionsverfahren vorgelegten Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1982 (Bescheid des Finanzamts Bonn-Innenstadt vom 26. April 1984) seiner Beurteilung zugrunde zu legen (zur ausnahmsweisen Tatsachenfeststellung durch das Revisionsgericht vgl BSG vom 21. Februar 1985, BSGE 58, 49, 51 = SozR 1300 § 45 Nr 15; BSG vom 24. März 1988, SozR 2200 § 1241d Nr 14 S 44 und BSG vom 27. November 1991 - 9a RV 29/90 - sowie für die Verwaltungsgerichtsbarkeit BVerwG vom 28. Februar 1984, ZfSH/SGB 1984, 508, 509 mwN). Denn dieser Bescheid vermag keine endgültige Gewißheit über den sich aus ihm ergebenden Steuersatz (von 16,6 %) zu vermitteln, handelt es sich doch um einen gemäß § 164 Abgabenordnung vorläufigen Bescheid, der bis zur Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts bzw bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist noch der Änderung unterlag. Die Ermittlungen, die nötig wären, um jene verbleibende Ungewißheit zu beseitigen, überschreiten aber nach Auffassung des Senats den ihm im vorliegenden Fall gesetzten Rahmen für eigene Ermittlungen.

Die Verfassungswidrigkeit von § 10 BKGG idF des 9. BKGG-ÄndG folgt jedoch jedenfalls - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht aus der aus Art 33 Abs 5 GG zu folgernden beamtenrechtlichen Alimentationspflicht. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, daß das BVerfG in seinem Beschluß vom 29. Mai 1990 Art 33 Abs 5 GG als Prüfungsmaßstab für die Höhe des Kindergeldes von 1983 bis 1985 abgelehnt hat (BVerfGE 82, 60, 83), da dies auch darauf zurückgeführt werden könnte, daß die Kläger in den zu den damaligen Vorlagen führenden Ausgangsfällen sämtlich keine Beamten waren.

Der Kläger kann jedoch auch aus der Auffassung des BVerfG nichts herleiten, daß eine für verfassungswidrig erachtete Rechtslage, die sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen ergibt, grundsätzlich anhand jeder der betroffenen Normen zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden kann (BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60 Leitsatz 1). Zwar mag die Höhe des Kindergeldes auch hinsichtlich der beamtenrechtlichen Alimentationspflicht insoweit eine Rolle spielen, als diese Sozialleistung bei Bemessung der Höhe der beamtenrechtlichen Bezüge berücksichtigt werden kann (vgl BVerfG vom 30. März 1977, BVerfGE 44, 249, 268 ff). Eine Norm - hier: § 10 BKGG - ist jedoch nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil sie von ihrem Regelungsgegenstand her geeignet ist, dem Gesetzgeber durch ihre Änderung die Behebung eines - auch oder sogar in erster Linie durch eine andere Norm geschaffenen - verfassungswidrigen Zustands zu ermöglichen. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die Norm objektiv erkennbar dem Regelungsziel dient, das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist (BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60, 85). Dies ist im Verhältnis vom Kindergeldrecht zur beamtenrechtlichen Alimentationspflicht nicht der Fall.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667734

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge