Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.03.1990) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. März 1990 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anrechnung einer Kindererziehungszeit iS des § 1251a der Reichsversicherungsordnung (RVO) für ein Enkelkind.
Die Klägerin ist die Großmutter des am 5. September 1967 geborenen Kindes S. W. Mutter des Kindes ist die Beigeladene. Die Klägerin bewohnte im ersten Lebensjahr des Enkelkindes die Hauptwohnung im eigenen Zweifamilienhaus, die damals in erster Ehe verheiratete Beigeladene die Nebenwohnung im unteren Stockwerk. Die Beigeladene war ab Anfang November 1967 wieder ganztägig erwerbstätig. Pflege und Betreuung des Kindes wurden von der Klägerin (mit)übernommen.
Die Klägerin beantragte im Februar 1988 – im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens – die Vormerkung der Kindererziehungszeit für das Kind S. W. zu ihren Gunsten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 1. September 1987; Widerspruchsbescheid vom 18. März 1988). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Oktober 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 29. März 1990) und hat im wesentlichen unter Anführung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausgeführt: Die natürliche Betrachtungsweise eines Pflegekindschaftsverhältnisses lasse es nicht zu, daß Mutter und Großmutter nebeneinander und gleichzeitig ein zweifaches Familienband mit dem Kind unterhielten. Wenn ein Kind mit seiner Mutter und seinen Großeltern zusammenlebe, so sei die Familiengemeinschaft des Kindes mit der Mutter enger als die mit den Großeltern. Das Kind befinde sich in Familiengemeinschaft mit der Mutter und nicht mit den Großeltern.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die elterliche Sorge sei von deren Ausübung zu trennen. Nicht nur in den extremen und seltenen Fällen, in denen sich die leibliche Mutter überhaupt nicht um das Kind kümmere oder gar eine Pflegebestellung durch das Vormundschaftsgericht erfolgt sei, nehme eine Pflegemutter die Stellung der leiblichen Mutter ein und sei die erste Bezugsperson für das Kind. In Fällen wie denen der Klägerin seien die Rollen der Mutter und der Großmutter vertauscht.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichtes Mannheim vom 12. Oktober 1988 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Zeit vom 1. Oktober 1967 bis 30. September 1968 als Kindererziehungszeit iS der Vorschrift des § 1251a RVO vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beigeladene sei bis zum 31. Oktober 1967 nicht berufstätig gewesen, habe ihr Kind selbst gestillt und sei zumindest in der Zeit vor dem 1. November 1967 Hauptbezugsperson für ihr Kind gewesen.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die von der Klägerin geltend gemachte Kindererziehungszeit steht ihr nicht zu.
Wie der Senat bereits im Urteil vom 12. September 1990 – 5 RJ 45/90 – (SozR 3 1200 § 56 Nr. 1) entschieden hat, können Großmüttern als Pflegemütter ihrer Enkelkinder Kindererziehungszeiten nach den §§ 1251a Abs. 3 Satz 1, 1227a Abs. 3 RVO iVm § 56 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) nur angerechnet werden, wenn die Beziehungen der Kinder zu ihren Müttern gelöst sind. In Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist der Senat davon ausgegangen, daß Mutter und Großmutter iS der für das Pflegeverhältnis notwendigen Verbundenheit der Kinder mit Eltern nicht nebeneinander ein zweifaches Familienband mit dem Kind gleichzeitig unterhalten können (so bereits BSGE 12, 35, 37f; 19, 106, 107; Urteil vom 10. Februar 1983 – 5b RJ 56/81 –; vgl auch BSGE 25, 109, 111; 30, 28, 29f). Mit Urteil vom 28. November 1990 – 5 RJ 64/89 – hat der Senat diese Rechtsprechung bestätigt, dort in einem Fall, in dem die geforderten Voraussetzungen – anders als hier – vorlagen.
Die Klägerin jedoch hat ihrem Enkelkind gegenüber Erziehungsleistungen erbracht, ohne daß die Beziehungen des Kindes zu seiner Mutter gelöst waren. Wie das LSG festgestellt hat, wohnten die Klägerin, das von ihr betreute Kind und dessen Mutter, die Beigeladene, im selben Haus. Die Mutter des Kindes war ganztägig berufstätig, ohne daß die Beziehungen zu ihrem Kind darüber hinaus gelockert oder gar aufgehoben gewesen wären.
An diese von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ist das Revisionsgericht gebunden (§ 163 SGG). Die Voraussetzungen, unter denen der Klägerin Kindererziehungszeiten angerechnet werden könnten, weil sie ihr Enkelkind betreut hat, liegen damit nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen