Entscheidungsstichwort (Thema)
Durch Versorgungsausgleich begründete Rentenanwartschaften sind keine Beiträge iS von §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a
Orientierungssatz
Im Wege des Versorgungsausgleichs übertragene oder begründete Rentenanwartschaften sind keine mit Beiträgen "für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" belegte Zeiten im Sinne der §§ 1246 Abs 2a und 1247 Abs 2a RVO (Anschluß an BSG vom 31.5.1989 - 4 RA 4/88 = BSGE 65, 107). Die in §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a RVO vorausgesetzten Pflichtbeiträge muß der Versicherte vielmehr selbst geleistet haben.
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2a, § 1247 Abs 2a; BGB § 1587
Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 12.01.1990; Aktenzeichen S 8 J 142/86) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die 1929 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war während ihrer 36 Jahre bestehenden Ehe als Hausfrau tätig. Die 1949 geschlossene Ehe wurde 1985 geschieden. Der Klägerin wurden im Wege des Versorgungsausgleichs Rentenanwartschaften übertragen. Sie bezog nachehelichen Unterhalt, der durch den Tod des Ehemannes 1989 endete. Die Klägerin beantragte im Dezember 1985 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 4. März 1986; Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 1986).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Januar 1990). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin könne keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten. Seit wann dieser Zustand bestehe, lasse sich nicht mehr ermitteln. 1986 sei er noch nicht festgestellt worden. Auf keinen Fall könne angenommen werden, er sei bereits 1984 gegeben gewesen. Spätestens liege er aber seit Anfang Februar 1989 vor. Die Klägerin habe die Wartezeit von 60 Monaten 1984 bereits erfüllt gehabt. Der Versorgungsausgleich sei zwar erst 1985 durchgeführt worden, beziehe sich aber auch auf Zeiten vor 1985. Der Klägerin stehe Rente nicht zu, weil sie die Voraussetzungen der §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht erfülle. Bei ihr seien von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht mindestens 36 mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stünden die durch den Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften Pflichtbeiträgen nicht gleich.
Die Klägerin hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß ihre Anwartschaften Pflichtbeiträgen gleichzusetzen seien und daß eine andere Annahme dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (GG) widerspreche.
Sie beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines am 8. Februar 1989 eingetretenen Versicherungsfalles zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Sprungrevision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder wegen Erwerbsunfähigkeit.
Zu Recht hat das SG ausgeführt, daß von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin nicht mindestens 36 mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind, wie die §§ 1246 Abs 2a und 1247 Abs 2a RVO es voraussetzen. Im Wege des Versorgungsausgleichs übertragene oder begründete Rentenanwartschaften sind keine mit Beiträgen "für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" belegte Zeiten im Sinne der genannten Vorschriften. Dies hat der 4. Senat des BSG bereits durch Urteil vom 31. Mai 1989 (BSGE 65, 107 = SozR 2200 § 1246 Nr 166) entschieden. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat an.
Wie in dem genannten Urteil bereits ausgeführt ist, verfolgt die Neuregelung der Zugangsvoraussetzungen für die Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrente eine Verschärfung mit dem Ziel, die Lohnersatzfunktion dieser Renten zu stärken, dh die Leistung auf solche Versicherte zu beschränken, die bis zum Eintritt des Versicherungsfalles durch mit Beiträgen belegte Zeiten "für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" (§§ 1246 und 1247 RVO, jeweils Abs 2a) persönlich eine ausreichend enge Beziehung zum Kreis der pflichtversicherten Arbeitnehmer und Selbständigen geschaffen hatten (Begr/Reg/Entw BT-Drucks 10/325, S 60 Nr 6, aE, s dazu auch BVerfGE 75, 78, 98, 101 f; BSG SozR 5800 § 4 Nr 5 S 15 f). Diese vom Gesetz geforderte enge Beziehung zum Personenkreis der Pflichtversicherten ist aber nicht hergestellt, wenn und soweit Rentenanwartschaften des geschiedenen Ehegatten im Wege des Versorgungsausgleichs Versicherten übertragen worden sind, selbst wenn ihnen bei dem ausgleichspflichtigen Ehegatten Pflichtbeiträge zugrunde gelegen haben. Die in §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a RVO vorausgesetzten Pflichtbeiträge muß der Versicherte vielmehr selbst geleistet haben.
Eine Verletzung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen der Klägerin durch die in den §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a RVO getroffenen Neuregelungen ist nicht ersichtlich. Auch insoweit folgt der erkennende Senat den diesbezüglichen Darlegungen im BSG-Urteil vom 31. Mai 1989 aaO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen