Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme. Anknüpfung an Sperrzeit bei Ablehnung. Anforderung an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung. Warnfunktion. Unwirksamkeit bei fehlender Angabe zum Sperrzeitbeginn
Leitsatz (amtlich)
1. Der Eintritt einer Sperrzeit bei Abbruch einer Maßnahme setzt in gleicher Weise eine Rechtsfolgenbelehrung voraus wie der Eintritt einer Sperrzeit bei deren Ablehnung.
2. Eine Rechtsfolgenbelehrung ist unwirksam, wenn sie nicht über den Beginn der drohenden Sperrzeit informiert.
Normenkette
SGB III § 159 Abs. 1 S. 2 Nrn. 4-5, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Februar 2021 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Mai 2020 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 6.8. bis 26.8.2019 wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit und die damit verbundene Minderung der Dauer seines Anspruchs auf Alg um 21 Tage.
Dem 1958 geborenen Kläger wurde von der Beklagten Alg für die Zeit vom 25.6.2018 bis 24.6.2020 bewilligt (Bescheide vom 10.8.2018, 30.8.2018, 8.10.2018 und 30.11.2018). Unter dem 24.7.2019 forderte die Beklagte den Kläger auf, an der vom 5.8.2019 bis 4.1.2020 von der T Akademie in C durchgeführten Maßnahme "Integration durch Praxis" teilzunehmen. Der Zuweisung war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, in der es auszugsweise heißt:
"Lehnen Sie ohne wichtigen Grund die Teilnahme an der umseitig angebotenen Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung ab, treten sie diese nicht an, brechen Sie die Maßnahme ab oder werden Sie wegen Ihres maßnahmewidrigen Verhaltens durch den Maßnahmeträger oder die Agentur für Arbeit aus der Maßnahme ausgeschlossen, tritt eine Sperrzeit ein (§ 159 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 SGB III). Sie dauert längstens zwölf Wochen. Die Sperrzeit dauert drei Wochen im Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens (§ 159 Abs. 4 Nr. 1 SGB III), sechs Wochen im Falle des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens (§ 159 Abs. 4 Nr. 2 SGB III). Ein versicherungswidriges Verhalten in diesem Sinne liegt vor, wenn Sie […]. Während der Sperrzeit ruht Ihr Anspruch auf Leistungen […], das heißt, Leistungen werden nicht gezahlt. Ihre Anspruchsdauer vermindert sich um die Tage einer Sperrzeit."
Zu Beginn der Maßnahme erschien der Kläger zwar bei dem Träger, weigerte sich aber, die vorgesehene "Teilnehmervereinbarung" zu unterzeichnen. Eine (weitere) Teilnahme des Klägers an der Maßnahme erfolgte daraufhin nicht.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte die Alg-Bewilligung wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme für die Zeit vom 6.8. bis 26.8.2019 auf. Insoweit ruhe der Alg-Anspruch; seine Dauer mindere sich um 21 Tage (Bescheide vom 11.9.2019, Widerspruchsbescheid vom 15.11.2019).
Das SG hat die angefochtenen Bescheide antragsgemäß aufgehoben (Gerichtsbescheid vom 19.5.2020). Eine Sperrzeit sei nicht eingetreten, weil es der Aufforderung der Beklagten zur Teilnahme an der Maßnahme an einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung gefehlt habe. Die diesbezüglichen Hinweise der Beklagten seien nicht konkret genug gewesen, sondern erschöpften sich in einer sinngemäßen Wiedergabe des Gesetzestexts.
Diese Entscheidung hat das LSG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 1.2.2021). Die rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung sei rechtmäßig, weil eine Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme eingetreten sei, die den Anspruch zum Ruhen gebracht habe. Sollte der Kläger dies nicht gewusst haben, falle ihm zumindest grob fahrlässige Unkenntnis zur Last. In dem Abbruch der Maßnahme ohne wichtigen Grund liege ein versicherungswidriges Verhalten. Der Kläger sei zuvor von der Beklagten auch ausreichend belehrt worden, soweit ein erstes Fehlverhalten und eine dreiwöchige Sperrzeit in Rede stehe. Ein konkretes Datum des Ruhenszeitraums könne in einer Rechtsfolgenbelehrung nicht angegeben werden, weil der Sperrzeitbeginn davon abhänge, wann die Maßnahme abgebrochen werde. Dies ergebe sich für den Adressaten hinreichend deutlich aus der von der Beklagten verwendeten Formulierung "brechen Sie die Maßnahme ab oder werden Sie wegen Ihres maßnahmewidrigen Verhaltens durch den Maßnahmeträger oder die Agentur für Arbeit aus der Maßnahme ausgeschlossen, tritt eine Sperrzeit ein".
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Eintritt einer Sperrzeit nach § 159 SGB III setze eine Rechtsfolgenbelehrung voraus, die erkennen lasse, wann die jeweilige Rechtsfolge eintrete. Entgegen der Ansicht des LSG sei der Beginn der Sperrzeit den Hinweisen der Beklagten nicht zu entnehmen gewesen. Zwar könne dieser im Vorfeld noch nicht kalendarisch bestimmt werden; es müsse aber deutlich werden, von welchem Ereignis er abhänge. Die dafür maßgebende Regelung des § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III sei jedoch von der Beklagten nicht erläutert worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Februar 2021 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Mai 2020 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie teilt die Rechtsauffassung des LSG.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist auch begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).
Das LSG hat der Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die Bescheide der Beklagten vom 11.9.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2019, mit denen der Eintritt einer Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, das Ruhen des Alg-Anspruchs vom 6.8. bis 26.8.2019 und die Minderung der Anspruchsdauer um 21 Tage festgestellt sowie die Alg-Bewilligung rückwirkend aufgehoben worden ist. Nach ständiger Senatsrechtsprechung bilden derartige Verwaltungsentscheidungen eine rechtliche Einheit (zuletzt BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 14/18 R - BSGE 128, 255 = SozR 4-4300 § 159 Nr 7, RdNr 11 mwN). Der Kläger greift die Bescheide vom 11.9.2019 zu Recht mit einer isolierten Anfechtungsklage an (§ 54 Abs 1 SGG). Aufgrund der zuvor mit den Bescheiden vom 10.8.2018, 30.8.2018, 8.10.2018 und 30.11.2018 erfolgten bindenden Bewilligung von Alg für den streitbefangenen Zeitraum bedurfte es keiner damit verbundenen Leistungsklage (vgl BSG vom 3.5.2018 - B 11 AL 2/17 R - BSGE 126, 25 = SozR 4-4300 § 159 Nr 6, RdNr 10; BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 14/18 R - BSGE 128, 255 = SozR 4-4300 § 159 Nr 7, RdNr 12).
Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
Als Rechtsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 6.8. bis 26.8.2019 kommt nur § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III in Betracht. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt (vgl nur BSG vom 21.3.1996 - 11 RAr 101/94 - BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 111 mwN).
An einer solchen wesentlichen Änderung der Verhältnisse fehlt es indes im streitbefangenen Zeitraum, weil insoweit - entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG - keine Sperrzeit eingetreten ist. Daher ist der klägerische Alg-Anspruch auch nicht zum Ruhen gekommen und seine Dauer hat sich nicht um 21 Tage vermindert.
Eine Sperrzeit setzt gemäß § 159 Abs 1 SGB III ein versicherungswidriges Verhalten voraus. Davon ist etwa auszugehen, wenn Arbeitslose sich weigern, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45 SGB III) teilzunehmen oder die Teilnahme an einer solchen Maßnahme abbrechen bzw durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen geben (§ 159 Abs 1 Satz 2 Nr 4, 5 SGB III). Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt; der Kläger ist nicht hinreichend über die Rechtsfolgen eines solchen Fehlverhaltens belehrt worden.
Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger - wie die Beklagte und das SG meinen - eine Ablehnung oder - wie das LSG meint - ein Abbruch der ihm von der Beklagten bewilligten Maßnahme "Integration durch Praxis" vorzuwerfen ist, denn in beiden Fällen gelten für den Eintritt einer Sperrzeit dieselben Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung.
Die Abgrenzung zwischen der Ablehnung und dem Abbruch einer Maßnahme, die sich abstrakt danach bestimmt, ob der Teilnehmer die Maßnahme zunächst angetreten hat, kann im Einzelfall schwierig sein (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 159 RdNr 336, Stand August 2020). Auch im vorliegenden Fall lassen die Feststellungen des LSG zwar erkennen, dass der Kläger zum Maßnahmebeginn bei dem Maßnahmeträger erschienen ist, aber nicht, ob er dort auch in den Kreis der Teilnehmer aufgenommen worden ist. Dagegen spricht, dass er sich bereits geweigert hat, die vom Maßnahmeträger vorgegebene "Teilnehmervereinbarung" zu unterzeichnen.
Wie das BSG bereits entschieden hat, setzt aber ohnehin auch der Eintritt einer Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme gemäß § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB III eine Rechtsfolgenbelehrung voraus, obwohl sich dies dem abweichend von § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB III gefassten Gesetzestext nicht unmittelbar entnehmen lässt (BSG vom 16.9.1999 - B 7 AL 32/98 R - BSGE 84, 270, 276 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19 S 98 f zu den ähnlich lautenden Vorgängervorschriften in § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 4 AFG; ebenso Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 159 RdNr 417, Stand September 2013; Kallert in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, 7. Aufl 2021, SGB III, § 159 RdNr 56; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 159 RdNr 358, Stand August 2020; Voelzke in Küttner, Personalbuch 2022, 29. Aufl 2022, Stichwort "Sperrzeit" RdNr 21; aA Scholz in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III, 7. Aufl 2021, § 159 RdNr 99). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Sperrzeittatbestand der Nr 5 knüpft inhaltlich und sprachlich unmittelbar an denjenigen der Nr 4 an; das in Nr 4 normierte Erfordernis einer Rechtsfolgenbelehrung erstreckt sich damit auch auf den Tatbestand der Nr 5. Zudem ändert sich die Schutzbedürftigkeit des Versicherten mit dem Eintritt in die Maßnahme nicht. An einer solchen - ordnungsgemäßen - Rechtsfolgenbelehrung fehlt es hier.
In einer seit Jahrzehnten gefestigten, ständigen Rechtsprechung (seit BSG vom 10.12.1981 - 7 RAr 24/81 - BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87) verlangt das BSG im Sperrzeitrecht, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Angebot oder einer Aufforderung der Arbeitsverwaltung zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Weigerung haben würde. Die Hinweise müssen also inhaltlich korrekt und erschöpfend sein. Erforderlich ist eine auf die aktuelle persönliche Situation des Adressaten zugeschnittene konkret-individuelle Information, auf deren Grundlage er eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen kann (so schon BSG vom 10.10.1978 - 7 RAr 55/77 - BSGE 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr 5 S 29). Dabei hat das BSG stets den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer sperrzeitbegründenden Obliegenheitsverletzung zu warnen (zuletzt Senatsurteil vom 27.6.2019 - B 11 AL 14/18 R - BSGE 128, 255 = SozR 4-4300 § 159 Nr 7, RdNr 17; vgl ferner etwa BSG vom 16.9.1999 - B 7 AL 32/98 R - BSGE 84, 270 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19 mit Hinweis auf BSGE 61, 289, 293 = SozR 4100 § 119 Nr 31 S 151). Deshalb kommt es nicht auf den bereits vorhandenen Kenntnisstand des Adressaten an, der sich darauf verlassen können soll, in jedem Einzelfall von der Bundesagentur für Arbeit umfassend informiert zu werden. Schließlich muss die Belehrung rechtzeitig erfolgen, sodass der Arbeitslose unmittelbar vor dem jeweiligen - potentiell versicherungswidrigen - Verhalten gewarnt ist, welche Konsequenzen dieses nach sich ziehen würde. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
Dieser Warnfunktion genügen Hinweise, die sich auf eine Vielzahl von Fällen denkbaren versicherungswidrigen Verhaltens beziehen, nicht. Erforderlich ist vielmehr eine auf die gegenwärtige individuelle Situation des Arbeitslosen bezogene Aufklärung (siehe zur nötigen Individualisierung der Rechtsfolgenbelehrung nur BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 14/18 R - BSGE 128, 255 = SozR 4-4300 § 159 Nr 7, RdNr 19). Ihm muss deutlich und unmissverständlich vor Augen geführt werden, welche Konsequenzen drohen, wenn er das ihm in engem zeitlichen Zusammenhang abverlangte Verhalten ohne wichtigen Grund verweigert. Daher reicht die Aushändigung eines allgemeinen Merkblatts oder einer Informationsbroschüre ebenso wenig aus wie die bloße (wörtliche oder sinngemäße) Wiedergabe des (notwendigerweise abstrakt-generellen) Gesetzestexts.
Nach diesen Maßstäben ist eine Rechtsfolgenbelehrung unvollständig (und damit nach den oben dargelegten Maßstäben unwirksam), die keinen Hinweis auf den Beginn einer drohenden Sperrzeit enthält (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen vom 8.5.2018 - L 11 AL 67/16 - info also 2018, 209 sowie diesem zustimmend Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 159 RdNr 461, Stand Mai 2019; Lüdtke/Schaumberg in Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, 3. Aufl 2019, § 159 RdNr 25; LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.6.2021 - L 11 AL 95/19 - info also 2022, 28). Schon 1981 hat das BSG für eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung ausdrücklich "die verständliche Aussage" verlangt, dass "der dem Arbeitslosen zustehende Anspruch auf Leistungen von dem Tage nach der Arbeitsablehnung an ganz erlischt" (BSG vom 10.12.1981 - 7 RAr 24/81 - BSGE 53, 13 = SozR 4100 § 119 Nr 18 - juris RdNr 26). Diese Rechtsprechung haben die für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate in der Folgezeit nie ausdrücklich aufgegeben. Auch in dem Senatsurteil vom 27.6.2019 (B 11 AL 14/18 R - BSGE 128, 255 = SozR 4-4300 § 159 Nr 7) ist insofern keine Abgrenzung erfolgt; in dieser Entscheidung hat sich der Senat mit der Belehrungspflicht hinsichtlich des Sperrzeitbeginns nicht auseinandergesetzt. Wenn das Urteil gleichwohl so verstanden werden kann, dass es sich dabei nicht um einen notwendigen Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung handelt, hält der Senat daran nicht fest.
Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch lässt sich eine Aufklärung, die zwar die Dauer einer möglichen Sperrzeit (und damit die Länge des Ruhenszeitraums), aber nicht deren Beginn (und damit die Lage des Ruhenszeitraums) benennt, nur als unvollständig bezeichnen. Denn sie gibt keine Antwort auf die Frage, für welche konkreten Tage der Zahlungsanspruch entfallen würde. Vor allem kann eine solche Rechtsfolgenbelehrung auch ihr Ziel, dem Arbeitslosen unmissverständlich zu vermitteln, welche Nachteile ein versicherungswidriges Verhalten für ihn haben kann, nicht in Gänze erreichen. Unmittelbare Rechtsfolge einer Sperrzeit ist gemäß § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III zunächst, dass der Alg-Anspruch für ihre Dauer ruht (eingehend hierzu und zu den weiteren Folgen Boecken, SGb 2020, 713). Dadurch gewinnt die zeitliche Lage einer Sperrzeit entscheidende Bedeutung für das Ausmaß der mit ihr verbundenen Sanktion (exemplarisch hierfür steht die Diskussion um den Beginn einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung; vgl nur BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 12/17 R - BSGE 125, 170 = SozR 4-4300 § 159 Nr 5 mwN). Weil die Sperrzeit kraft Gesetzes eintritt und unabhängig vom Bestehen eines Leistungsanspruchs kalendermäßig abläuft, ist es für den Arbeitslosen von praktischer und (nicht nur vor dem Hintergrund des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X) rechtlicher Bedeutung, im Vorhinein sicher erkennen zu können, für welche Zeit ihm seine Entgeltersatzleistung von der Beklagten aberkannt werden wird. Denn das Alg ist - wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang betont hat - eine "für bestimmte Kalendertage vorgesehene Versicherungsleistung", die in Bestand und Höhe von den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im jeweiligen Leistungszeitraum abhängt (BSG vom 17.12.2013 - B 11 AL 13/12 R - BSGE 115, 106 = SozR 4-4300 § 143a Nr 2, RdNr 21 mit zustimmender Anmerkung Söhngen in jurisPR-SozR 15/2014 Anm 2).
Diesem Ergebnis stehen auch keine unüberwindbaren Hindernisse im Hinblick auf die Verwaltungspraktikabilität entgegen. Das BSG hat es in der Vergangenheit stets genügen lassen, wenn der Beginn der drohenden Sperrzeit mit der Formulierung "vom Tag nach […] an" in Aussicht gestellt worden ist (zB BSG vom 10.12.1981 - 7 RAr 24/81 - BSGE 53, 13 = SozR 4100 § 119 Nr 18 - juris RdNr 26; BSG vom 18.9.1997 - 7 RAr 68/96 - SozR 3-4465 § 3 Nr 1 - juris RdNr 24; BSG vom 25.8.2011 - B 11 AL 30/10 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 22, RdNr 16). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, solange das sperrzeitbegründende Ereignis hinreichend konkretisiert worden ist. Denn nach dem oben Gesagten genügt es gerade nicht, den abstrakten Wortlaut des § 159 Abs 2 SGB III in der Rechtsfolgenbelehrung wiederzugeben. Vielmehr gilt es, das in Betracht kommende versicherungswidrige Verhalten so zu spezifizieren, dass der Empfänger verstehen kann, was damit gemeint ist und welche Folgen es nach sich ziehen würde.
Diesen Anforderungen wird die dem Kläger mit der Maßnahmezuweisung übersandte Rechtsfolgenbelehrung nicht gerecht. Anders als das LSG vermag der Senat der Formulierung "brechen Sie die Maßnahme ab oder werden Sie wegen Ihres maßnahmewidrigen Verhaltens durch den Maßnahmeträger oder die Agentur für Arbeit aus der Maßnahme ausgeschlossen, tritt eine Sperrzeit ein" keinen nachvollziehbaren Hinweis auf den Sperrzeitbeginn zu entnehmen. Vielmehr beschränkt sich die zitierte Aussage auf das "Ob" dieser Rechtsfolge. Ihr kann dagegen nicht entnommen werden, wann diese eintritt. Weder der Grundfall des § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III (Sperrzeitbeginn mit dem Tag nach der Ablehnung oder dem Abbruch) noch die im Gesetz geregelte Ausnahme (Sperrzeitbeginn im Anschluss an eine an diesem Tag laufende Sperrzeit) ist verständlich dargestellt (siehe zum Sperrzeitbeginn nur BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 14/18 R - BSGE 128, 255 = SozR 4-4300 § 159 Nr 7, RdNr 26).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Meßling Söhngen B. Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 15581858 |
BSGE 2024, 150 |