Entscheidungsstichwort (Thema)
Steigerungsbetrag von 1,5% für Beschäftigte im Gesundheitswesen des Beitrittsgebietes. Rentenberechnung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Das Begehren, bei der Wertfestsetzung einer Altersrente nach dem SGB 6 einen besonderen (modifizierten) Steigerungsbetrag einzustellen, wie er im Rentenrecht der DDR für Beschäftigungszeiten im Gesundheits- und Sozialwesen vorgesehen war, entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage. Eine solche sach- und gleichheitswidrige Systemsprengung ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten.
Normenkette
SGB VI § 307a; SozPflVRV § 47; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; SGB VI § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, §§ 68, 67 Nr. 1; EinigVtr Art. 30 Abs. 5; SGB VI § 35
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Festsetzung eines höheren monatlichen Wertes ihres Rechts auf Altersrente aus dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil nach dem Recht der DDR bei der Berechnung der Altersrente für jedes Jahr ihrer Beschäftigung im Gesundheitswesen an ihren in den letzten 20 Kalenderjahren vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielten beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienst ein Steigerungsbetrag von 1,5 vH anzulegen, dieser also insoweit fiktiv um die Hälfte anzuheben war. Sie meint, dies müsse auch bei ihrer bundesversicherungsrechtlichen Altersrente erfolgen.
Die im Juni 1931 geborene Klägerin war von Oktober 1952 bis April 1974 in L.… im Bezirkskrankenhaus St.… als Fotolaborantin und wissenschaftliche Fotografin beschäftigt. Danach arbeitete sie in anderen Wirtschaftsbereichen. Auf Grund dieser Beschäftigungen war sie in der Sozialpflichtversicherung der DDR pflichtversichert. Ferner war sie der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten.
Die Überleitungsanstalt (ÜLA) Sozialversicherung erkannte der Klägerin ab 1. Juni 1991 Rechte auf eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung und auf eine Zusatzaltersrente aus der FZR zu (Bescheid vom 21. Juni 1991). Die Zuerkennung erfolgte in Anwendung von Vorschriften, die bis zum 2. Oktober 1990 Bestandteil des Rentenrechts der DDR waren und vom 3. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1991 als partielles und sekundäres Bundesrecht im Beitrittsgebiet nach Maßgabe des Einigungsvertrages (EinigVtr) vom 31. August 1990 weiter anzuwenden waren. Unter Zugrundelegung der Rentenformel in § 5 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (RentenVO) vom 23. November 1979 (GBl I S 401), und zwar in der Fassung der 4. RentenVO vom 8. Juni 1989 (GBl I S 229), ermittelte die ÜLA aus den letzten 20 Jahren (240 Kalendermonaten) vor Rentenbeginn einen monatlichen Durchschnittsverdienst von 551,00 DM. Ferner setzte sie für jedes der 22 Dienstjahre der Klägerin im Gesundheitswesen den besonderen Steigerungsbetrag von 1,5 vH und für jedes der 22 weiteren Versicherungsjahre sowie für jedes der fünf Jahre Zurechnungszeiten den allgemeinen Steigerungsbetrag von 1,0 vH an. Daraus ergab sich ein Gesamt-Steigerungsbetrag iS von § 5 Abs 2 Buchst b RentenVO von 60 vH des Durchschnittsverdienstes von 551,00 DM, also von 330,60 DM. Mit dem Festbetrag iS von § 5 Abs 2 Buchst a RentenVO von 210,00 DM (§ 19 der 4. RentenVO) belief sich die Sozialpflichtversicherungsrente (gerundet) auf 541,00 DM. Unter Zugrundelegung weiterer Erhöhungen durch das in der DDR zum 1. Juli 1990 in Kraft getretene Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) sowie durch die Dynamisierungen auf Grund der 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung (RAV) zum 1. Januar und 1. Juli 1991 belief sich der Wert des Rechts auf Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets schließlich auf 817,00 DM. Die Gesamtzeit der Zugehörigkeit zur FZR stellte die ÜLA mit 162 Monaten (13 1/2 Jahren) fest. Hierbei ermittelte sie ein in der FZR versichertes monatliches Durchschnittseinkommen von 50,00 DM, sodass sich hieraus ein Recht auf eine Zusatzaltersrente von 16,90 DM ergab. Unter Berücksichtigung der Erhöhungen durch das RAnglG und durch die 1. und 2. RAV belief sich die Zusatzrente am Ende auf 27,00 DM.
Ab 1. Januar 1992 wurden die beiden beitrittsgebietsrechtlichen Rechte auf Altersrenten kraft Überleitung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet durch das Recht auf eine Altersrente nach dem SGB VI mit einem Geldwert von 696,63 DM ersetzt, zu dem ergänzend noch ein Recht auf einen Auffüllbetrag in Höhe von 205,10 DM trat (Bescheid vom 27. November 1991). Das Recht auf diese Zusatzleistung bestand, weil der Wert der SGB VI-Rente mit 696,63 DM unter der Summe der bisherigen Rentenbeträge von insgesamt 844,00 DM (817,00 DM + 27,00 DM), die um 6,84 % auf 901,73 DM zu erhöhen waren, lag. Der Auffüllbetrag wurde bis 31. Dezember 1995 in unveränderter Höhe gezahlt.
Gegen die Abschmelzungen des Auffüllbetrages zum 1. Januar 1996 und 1. Juli 1996 legte die Klägerin jeweils erfolglos Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1996). Gegen die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs zum 1. Juli 2000 hat die Klägerin ebenfalls Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.
Die Klägerin beantragte im Januar 2000 eine Überprüfung ihrer bisherigen Rentenberechnung. Sie machte geltend, als frühere Mitarbeiterin des Gesundheitswesens der DDR habe sie Anspruch darauf, für jedes Beschäftigungsjahr im Gesundheitswesen einen besonderen Steigerungssatz von 1,5 vH zu erhalten. Den Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14. September 2000). Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2000).
Das SG hat die hiergegen gerichtet Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Mai 2001). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23. Januar 2002). Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin bestehe nicht. Das SGB VI sehe den geltend gemachten besonderen Steigerungssatz nicht vor. Die einschlägigen Regelungen des SGB VI, die ab 1. Januar 1992 im Wege der gesetzlichen Novation an die Stelle des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rentenrechts des Beitrittsgebiets getreten seien, seien nicht verfassungswidrig.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, die Nichtberücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes verletze Art 3 und 14 GG. Ihre zu DDR-Zeiten erworbenen Rentenanwartschaften unterfielen dem Eigentumsschutz des Art 14 GG. Durch Abschmelzen des Auffüllbetrages komme es zu einem Zurückbleiben der Rente hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung. Eine mit dem Rentensteigerungssatz von 1,5 vH aufgebesserte Rente sei dem bundesdeutschen Rentenrecht nicht fremd. Im Übrigen liege eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu den ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn (DR) sowie der Deutschen Post (DP) vor. Unter Zugrundelegung der Entscheidungen des erkennenden Senats vom 10. November 1998 (B 4 RA 25/98 R, B 4 RA 32/98 R, B 4 RA 21/98 R, B 4 RA 38/98 R und B 4 RA 43/98 R) habe der Gesetzgeber im 2. AAÜG-ÄndG geregelt, dass für Versicherte, die am 31. Dezember 1973 bereits zehn Jahre ununterbrochen bei der DR oder der DP beschäftigt gewesen seien, im Zeitraum vom 1. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 bei der Rentenberechnung ein Arbeitsverdienst bis zu 1.250,00 DM monatlich ohne Beachtung der Beitragszahlung zur FZR anrechnungsfähig sei. Es bestehe kein sachlicher Grund dafür, die Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialwesens der DDR von diesen Verbesserungen auszunehmen. Schließlich werde ein Verfahrensmangel der Vorinstanz gerügt. Das LSG habe nicht erwogen, den vorliegenden Rechtsstreit gemäß Art 100 GG dem BVerfG vorzulegen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2002 und des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2000 zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 27. November 1991 eine höhere Rente unter Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes von 1,5 vH nach Maßgabe des § 47 der Rentenverordnung der DDR vom 23. November 1979 für die Beschäftigungszeit im Gesundheitswesen der DDR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit zutreffenden Gründen zurückgewiesen.
Streitgegenstände sind die Begehren der Klägerin, die Beklagte unter Aufhebung ihrer ablehnenden Entscheidungen zu verpflichten, die bindend gewordene Rentenhöchstwertfestsetzung im Bescheid vom 27. November 1991 für Bezugszeiten ab 1. Januar 1992 zurückzunehmen und einen höheren Wert des Rechts auf Altersrente neu festzusetzen und entsprechende Beträge zu zahlen. Nicht im Streit ist die Abschmelzung des Auffüllbetrages ab 1. Januar 1996. Die Klägerin spricht diese Problematik zwar in ihrer Revisionsbegründung an, jedoch zeigt ua ihr schriftsätzlich mitgeteilter Sachantrag, dass sie die Abschmelzung nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen, dass ein solches Revisionsbegehren auch unzulässig wäre, weil es nicht Gegenstand des Berufungsurteils gewesen ist und ferner eine unzulässige Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 168 Satz 1 SGG) gewesen wäre. Ebenso wenig ist näher zu erläutern, dass ein solches Begehren auch in der Sache keinen Erfolg hätte haben können, weil die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Abschmelzung mit bindend gewordenem Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1996 zurückgewiesen hat.
Die in zulässiger Kombination erhobenen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen sind zulässig, aber nicht begründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Rücknahme des wertfestsetzenden Verwaltungsaktes im Bescheid vom 27. November 1991 besteht nicht.
Mit Wirkung zum 1. Januar 1992 waren die bisherigen Rechte auf eine Altersrente und eine Zusatzaltersrente nach dem Rentenrecht des Beitrittsgebiets kraft Gesetzes durch ein Recht auf eine Regelaltersrente nach dem SGB VI ersetzt worden; denn mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind die bis dahin nur nach Maßgabe des EinigVtr als sekundäres Bundesrecht inhaltlich (sachlich) noch weiter anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften der DDR (Art 9 Abs 2 und 4 EinigVtr ua iVm Anl 2 Kap VIII Sachgebiet F Abschn III Nr 6 bis 8) außer Kraft getreten und gemäß Art 8 EinigVtr durch die Überleitung der Vorschriften des SGB VI auf das Beitrittsgebiet (ggf ergänzt durch das Übergangsrecht des Art 2 RÜG oder durch die Vorschriften des Art 3 RÜG ≪“AAÜG”≫ in den Fällen eines – hier nicht einschlägigen – Zusatz- oder Sonderversorgungssystems) ersetzt worden (dazu: BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, BVerfGE 100, 1, 9 f, 13 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 3; so auch schon Urteil des Senats vom 27. Januar 1993, BSGE 72, 50, 56 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Die Fortschreibung des “Rentenrechts der DDR” in Art 2 RÜG bis zum 31. Dezember 1996, berührt nur rentennahe Zugangsrentner (vgl Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG), nicht aber Bestandsrentner wie die Klägerin. Den Wert des Rechts auf Regelaltersrente aus dem SGB VI für Bezugszeiten ab 1. Januar 1992 hat die Beklagte zutreffend unter richtiger Anwendung der Rentenformel des § 64 SGB VI festgesetzt. Daher war die Rentenhöchstwertfestsetzung im Bescheid vom 27. November 1991 rechtmäßig, sodass ein Anspruch auf Rücknahme dieses Verwaltungsaktes aus § 44 Abs 1 und 2 SGB X nicht besteht.
Das Begehren der Klägerin, ihr eine “höhere Rente” unter Berücksichtigung eines besonderen Steigerungsbetrages von 1,5 vH nach Maßgabe der RentenVO für die Beschäftigungszeiten im Gesundheitswesen der DDR zu gewähren, entbehrt jeglicher gesetzlicher Grundlage (vgl zur Einführung des besonderen Steigerungsbetrages in das Rentenrecht der DDR: Deter, Sonderrente für in der DDR ausgeübte Berufstätigkeit?, DRV 2002, 10 ff). § 47 RentenVO kann ihr Begehren für die Zeit ab 1. Januar 1992 schon deshalb nicht stützen, weil – wie dargelegt – die Vorschriften mit Ablauf des 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten sind. Die inhaltliche Nachbildung des § 47 RentenVO durch Art 2 § 35 RÜG ist ua schon deshalb ohne Bedeutung, weil die Klägerin als sog Bestandsrentnerin nicht vom Anwendungsbereich des Art 2 RÜG erfasst wird; so ist nicht weiter darauf einzugehen, dass Art 2 RÜG in den §§ 27 ff nur ein – parallel zum SGB VI – bestehendes Recht auf eine Rentenwertfestsetzung nach dem inhaltlich fortgeschriebenen Rentenrecht der DDR begründet, nicht aber eine Wertfestsetzung nach einer von der Klägerin im Ergebnis angestrebten neuen Rentenformel, die die Rentenformel (§ 64 SGB VI) mit einem mit ihr unvereinbaren Element aus der früheren Rentenformel der DDR (Art 2 § 28 iVm § 35 RÜG) verbinden würde (dazu sogleich).
Die für die Wertfestsetzung des Rechts auf Regelaltersrente allein maßgeblichen Vorschriften des SGB VI sehen den von der Klägerin geltend gemachten Steigerungsbetrag schlechthin – weil diesem Versicherungsrecht wesensfremd – nicht vor. Gemäß § 64 SGB VI ist der monatliche Wert des Rentenrechts (sog Monatsbetrag der Rente) rechnerisch das Produkt aus Zugangs- und Rentenartfaktor, Summe der Entgeltpunkte (EP) sowie aktuellem Rentenwert. Da die der Klägerin nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes zuerkannten Rechte auf Altersrenten durch ein einziges Recht auf Altersrente ersetzt worden sind, das als Recht auf Regelaltersrente iS des § 35 SGB VI gilt (§ 302 Abs 2 SGB VI) und weil die Klägerin Bestandsrentnerin war, hat die Beklagte einen Zugangsfaktor von 1,0 zu Grunde gelegt (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI). Der Rentenartfaktor für Altersrenten beträgt 1,0 (§ 67 Nr 1 SGB VI). Auch der aktuelle Rentenwert (§ 68 SGB VI) kann in keiner erdenkbaren Weise einen Bezug zu dem von der Klägerin geltend gemachten Steigerungsbetrag haben.
Den die individuelle – hier durch Bundesgesetz gleichgestellte – Vorleistung für die Versicherung bewertenden Rangwert, der technisch als Summe von EP dargestellt wird, hat die Beklagte zutreffend nach § 307a Abs 2 Satz 1 SGB VI ermittelt, und zwar aus dem in den letzten 20 Jahren vor Rentenbeginn erzielten und im Beitrittsgebiet versicherten Durchschnittseinkommen in der Sozialpflichtversicherung und FZR. Einen Steigerungsbetrag (oder Festbetrag) kennt diese Vorschrift nicht, erst recht keinen “Steigerungssatz” von 1,5 vH je Dienstjahr im Gesundheitswesen, der je Arbeitsjahr (§ 307a Abs 3 SGB VI) im Gesundheitsdienst anzusetzen wäre. Damit sieht § 307a SGB VI bei der Bewertung gleichgestellter Vorleistungen keine Honorierung fiktiver, dh tatsächlich nie erzielter Verdienste vor. Die pauschale Ermittlung der EP nach § 307a SGB VI ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so offensichtlich auch BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, BVerfGE 100, 104, 127 ff = SozR 3-2600 § 307b Nr 6; andernfalls wäre das Gebot einer Vergleichsberechnung nach § 307a SGB VI in den Fällen des § 307b SGB VI nicht verständlich; vgl ferner zur Verfassungsmäßigkeit des § 307a auch Urteil des Senats vom 24. März 1998, BSGE 82, 64, 70 ff = SozR 3-2600 § 307a Nr 11).
Dem SGB VI und damit auch der Rentenformel des § 64 SGB VI ist die DDR-rechtliche Rentenwertermittlung aus Festbetrag und Steigerungsbetrag (allgemeiner und besonderer) fremd. Im Übrigen kannte auch § 47 RentenVO keinen “Steigerungssatz”, sondern nur einen modifizierten Steigerungsbetrag. Letztlich läuft das Begehren der Klägerin darauf hinaus, dass sie die Einführung einer neuen Art der Geldwertbestimmung eines Rechts auf Rente aus dem SGB VI, also eine neue “Rentenformel” fordert; insoweit soll ein Berechnungselement der Rentenformel der DDR, der ein völlig anderes Rechtssystem zu Grunde lag, in die Rentenformel des § 64 SGB VI eingefügt werden. Hierfür gibt es im Bundesrecht keine Grundlage. Eine solche augenfällig sach- und gleichheitswidrige Systemsprengung ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten (oder erlaubt). Die von der Klägerin vergleichsweise herangezogenen knappschaftsversicherungsrechtlichen Regelungen über Rentenartfaktoren (§ 82 SGB VI) und EP (§§ 83, 85 SGB VI) beruhen auf höheren Beitrags-Vorleistungen und haben mit einem “Steigerungsbetrag” iS des DDR-Rechts nichts gemein.
Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG liegt nicht vor. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Berufungsurteil verwiesen (Umbruch S 15 f; Urteil des 4. Senats vom 10. November 1998, B 4 RA 25/98 R). Zusammenfassend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die in der Sozialpflichtversicherung der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften als solche bis zum Beitritt der DDR nicht unter den Schutz des GG fielen, da das GG im Gebiet der DDR nicht galt. Sie haben daher erst mit Herstellung der deutschen Einheit und nur durch und nach Maßgabe des EinigVtr Eigentumsschutz gemäß Art 14 Abs 1 GG erlangt (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, BVerfGE 100, 1, 32, 37 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 3). Soweit demnach in der DDR erworbene subjektive Rechte gegen den Staat oder seine Untergliederungen durch den EinigVtr nicht anerkannt worden sind, sind sie mit dem Untergang der DDR erloschen. Art 14 Abs 1 GG schützt nur subjektive vermögenswerte Rechte, nicht aber Berechnungselemente solcher Rechte. Der Geldwert der Anwartschaft, welche die Klägerin aus der Sicht des Art 30 Abs 5 EinigVtr am 30. Juni 1990 hatte, ist niemals unterschritten worden; schon ihre SGB VI-Rente für die hier allein streitigen Zeiten ab 1. Januar 1992 (anfänglich 696,63 DM) lag über den eigentumsgeschützten Anwartschaftswerten von 541,00 DM zuzüglich 16,90 DM.
Soweit die von der Klägerin in der DDR (aus der Sicht des Bundesrechts) erworbenen beiden Anwartschaften gemäß Art 30 Abs 5 EinigVtr unter den Schutz des Art 14 Abs 1 GG gelangt sind, ist dadurch der Klägerin auch nicht andeutungsweise die Rechtsmacht verliehen worden, vom Deutschen Bundestag die Einführung einer neuen “Rentenformel” zu verlangen.
Auch der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG, insbesondere eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu einem Teil der Bediensteten der DR und DP der DDR, liegt nicht vor. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Berufungsurteil Bezug genommen (Umbruch S 16 ff). Insbesondere liegen schon keine vergleichbaren Sachverhalte vor; denn die Bediensteten im Gesundheitswesen der DDR hatten keine vergleichbare Versorgung (dazu sogleich). Die Klägerin verkennt, dass für die Berechtigten der “Alten Versorgung” der DR und DP der DDR durch die Einfügung des Satzes 2 und 3 in § 256a Abs 2 SGB VI sowie Satz 2 und 3 in § 307a Abs 2 SGB VI auch ohne Mitgliedschaft in der FZR (vgl zur grundsätzlichen Regelung § 256a Abs 2 Satz 1 SGB VI) lediglich Beiträge (nach oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der DDR liegenden Verdiensten) als gezahlt gelten (ab 1. Januar 1974 begrenzt auf höchstens 1.250,00 DM), jedoch, wie der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 10. November 1998 klargestellt hat (stellv BSG SozR 3-2600 § 256a Nr 2 und 3), notwendig vorausgesetzt bleibt, dass diese Verdienste “nachgewiesen”, also real erzielt worden sind. Die Klägerin begehrt hingegen mit der gewünschten Einführung eines besonderen Steigerungssatzes von 1,5 vH die Berücksichtigung von fiktiven, von ihr nie erzielten Verdiensten und damit eine Besserstellung im Vergleich zu den Bediensteten der DR und DP. Sie selbst trägt nicht vor, dass ein Teil ihrer real im hier maßgeblichen 20-Jahres-Zeitraum erzielten Verdienste nicht berücksichtigt worden sind.
Vor allem aber unterscheidet sich die Rechtsstellung der Klägerin von derjenigen, welche die Berechtigten auf eine “Alte Versorgung” in der DR oder der DP hatten, grundsätzlich: § 47 der RentenVO sah für die dort genannten Mitarbeiter des Gesundheits- und Sozialwesens der DDR nur eine Modifikation des Steigerungsbetrages bei der Berechnung der Höhe der Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung durch Anhebung des nach § 5 Abs 1 Buchst a RentenVO maßgeblichen Durchschnittsverdienstes für die Zeiten des Gesundheitsdienstes um eine fiktive Hälfte vor. Demgegenüber waren für die “Alten Versorgungen” nach besonderen Vorschriften gesonderte Rechte und Ansprüche ausgestaltet, welche die Rechtsinhaber – falls es für sie günstiger war – statt ihrer Rechte auf Sozialpflichtversicherungs- und (ggf) FZR-Rente geltend machen konnten; erst ab etwa 1974 wurden die neuen Berechtigungen auf besondere Post- oder Eisenbahnversorgung nach Maßgabe tatsächlich erzielten Entgelts in die FZR integriert und dabei das beitragsfrei versicherte Entgelt auf 900,00 Mark begrenzt. Diesen Besonderheiten hat der EinigVtr in Art 9 Abs 2 iVm Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nrn 2 und 3 spezialgesetzlich und mit besonderen Maßgaben Rechnung getragen. Er hat sie nicht den Zusatz- und Sonderversorgungen, also nicht der Nr 9 am vorgenannten Ort, zugeordnet, sondern sie ausdrücklich als besondere Teile des Sozialversicherungsrechts des Beitrittsgebiets erhalten, sodass sie zB nach Maßgabe des RAnglG anzupassen waren (dazu schon BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 2 Nr 1 und Nr 3 Nr 1). Dadurch hatte der EinigVtr diese besonderen subjektiven vermögenswerten Rechte als Eigentum ausgestaltet. Die in § 47 RentenVO geregelte, staatliche Fürsorge ausdrückende Veränderung des Steigerungsbetrages des § 5 Abs 2 Buchst b RentenVO kam hierfür nach der von der DDR geschaffenen Sachlage von vornherein nicht in Betracht, weil es ein bloßes Berechnungselement des Rechtes auf Altersrente war. Dieses Recht war ua in seinem Geldwert von 541,00 DM, in dem der Steigerungsbetrag von 1,5 vH enthalten war, seit seiner Entstehung zum 1. Juni 1991 als Renteneigentum geschützt. Darin ist niemals eingegriffen worden.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG erweist sich damit als unbegründet und ist zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 924045 |
BuW 2004, 210 |
SozR 4-2600 § 64, Nr. 1 |
ZfSSV 2007 |