Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Arbeitslosenhilfe. Anwartschaftszeit. Vorfrist. Erwerbsunfähigkeitsrente. Zeitrente. Beschäftigung, beitragspflichtige. Gleichstellungszeiten. Herstellungsanspruch, sozialrechtlicher. Gleichheitssatz. Eigentum. Arbeitslosengeld-Anwartschaft
Leitsatz (amtlich)
Es ist verfassungsrechtlich nichts zu beanstanden, daß der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit nicht anwartschaftsbegründend, für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ist.
Normenkette
AFG § 104 Fassung: 1984-10-15, § 105a Fassung:1982-11-04, § 107 Fassung: 1989-12-22, § 134 Fassung: 1990-06-25; GG Art. 3, 14
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 28.06.1994; Aktenzeichen L 1 Ar 27/92) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 17.03.1992; Aktenzeichen S 9 Ar 40/91) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 1994 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) bzw Arbeitslosenhilfe (Alhi) aufgrund einer Arbeitslosmeldung und eines Antrags vom 5. September 1990.
Zuvor war er seit 1968 bei der Firma P. A. W. A. tätig, hat jedoch aus gesundheitlichen Gründen nur bis 29. Mai 1986 gearbeitet. Danach wurde ihm das Entgelt bis zum Bezug von Krankengeld (Krg) – 11. Juli 1986 bis 7. Februar 1988 – fortgezahlt. Mit Bescheid vom 3. Juli 1988 bewilligte die Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz (LVA) Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) auf Zeit (21. Oktober 1987 bis 30. April 1989). Der Antrag des Klägers auf Weiterzahlung der EU-Rente wurde abgelehnt; die hiergegen und gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wurde zurückgenommen. Ob das Arbeitsverhältnis des Klägers trotz Rentenzahlung über den 31. Juli 1988 fortbestand, wurde zwischen Kläger und Arbeitgeberin streitig, nachdem diese auf der Arbeitsbescheinigung für die Beklagte (vom 13. September 1990) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 1988 angegeben hatte.
Die Beklagte lehnte die Zahlung von Alg ab, weil der Kläger nicht innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor Arbeitslosmeldung mindestens 360 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden bzw gleichgestellte Zeiten zurückgelegt habe. Auch ein Alhi-Anspruch bestand nach Ansicht der Beklagten nicht, weil der Kläger nicht innerhalb eines Jahres vor Arbeitslosmeldung Alg bezogen bzw mindestens 150 Kalendertage an Beschäftigungs- oder gleichgestellten Zeiten aufweise (Bescheid vom 5. Oktober 1990; Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1990).
Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 17. März 1992; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 28. Juni 1994). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, innerhalb der Rahmenfrist des § 104 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) – 5. September 1987 bis 4. September 1990 – sei der Kläger weder beschäftigt gewesen, noch habe er mindestens 360 Kalendertage an nach § 107 AFG gleichgestellten (für das Alg anwartschaftsbegründenden) Zeiten zurückgelegt. Es bestehe auch kein Anspruch auf Alhi, da er innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor Arbeitslosmeldung (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG) weder beschäftigt gewesen sei noch gemäß § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG für mindestens 240 Kalendertage Leistungen der Sozialversicherung wegen ua Erwerbsunfähigkeit (EU) zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes bezogen habe. Schließlich könne er nicht mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (wegen möglicherweise fehlender Beratung durch die LVA) so gestellt werden, als ob er sich unmittelbar nach Ende des Rentenbezugs der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) helfe der Herstellungsanspruch über eine unterbliebene persönliche Arbeitslosmeldung und fehlende Verfügbarkeit nicht hinweg.
Mit der Revision rügt der Kläger, § 104 AFG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß die dreijährige Rahmenfrist um die Zeit eines Zeitrentenbezugs zu verlängern sei. Es verstoße gegen Art. 14 Grundgesetz (GG), wenn ein Alg-Anspruch durch Rentenbezug verlorengehe. Im übrigen hätte die LVA darauf hinweisen müssen, daß Leistungen der Beklagten früher hätten beantragt werden müssen. Daß dies nicht geschehen sei, sei der Beklagten zuzurechnen. Er (der Kläger) müsse deshalb so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn er den Antrag auf Alg nach Auslaufen der Zeitrente gestellt hätte; dann wären die Voraussetzungen der Anwartschaftszeit zu bejahen gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Alg, hilfsweise Alhi zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, für die vom Kläger begehrte Verlängerung der Rahmenfrist im Falle eines Zeitrentenbezugs fehle die Rechtsgrundlage. Die Begründung eines Anspruchs auf Alg bzw Alhi über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch scheitere an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫); der Kläger hat weder einen Anspruch auf Alg (§ 100 AFG) noch auf Alhi (§ 134 AFG idF des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. Juni 1990 – BGBl II 518).
Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 1990 gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) hat weder für die Zeit ab Antragstellung noch für einen davorliegenden Zeitraum – dann unter Anwendung des § 134 AFG in früheren Fassungen – Erfolg.
Der Anspruch auf Alg scheitert an § 104 AFG (idF des Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 15. Oktober 1984 – BGBl I 1277). Danach hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (Abs. 1 Satz 1). Zeiten einer Beschäftigung, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, dienen allerdings nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (Abs. 1 Satz 2). Die Rahmenfrist geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (Antragstellung, Verfügbarkeit, Arbeitslosmeldung) erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten (Abs. 2). Die Rahmenfrist selbst beträgt drei Jahre; sie reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (Abs. 3).
Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat der Kläger seit 30. Mai 1986 nicht mehr gearbeitet und seit 11. Juli 1986 kein Arbeitsentgelt, sondern Krg bzw EU-Rente erhalten. Seine Arbeitgeberin hat darüber hinaus spätestens seit 1. August 1988 kein Dispositionsrecht als Arbeitgeberin mehr beansprucht; sie sah sich nicht einmal weiter an den Arbeitsvertrag gebunden. Selbst der Kläger bestand erst nach Beantragung des Alg und Arbeitslosmeldung auf dem rechtlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, ohne daß allerdings ein Anspruch auf Entgeltzahlung streitig geworden oder Arbeitsunfähigkeit bescheinigt gewesen wäre.
Unter diesen Umständen hat der Kläger eine beitragspflichtige (entgeltliche) Beschäftigung (§ 168 Abs. 1 Satz 1 AFG in der jeweils geltenden Fassung) vor dem 5. September 1990 spätestens seit 1. August 1988 nicht mehr ausgeübt, weil es an einer für das Beschäftigungsverhältnis erforderlichen Eingliederung in den Betrieb – wenn auch nur in Form einer tatsächlichen Entgeltzahlung – oder an einem Anspruch auf Weiterzahlung des Entgelts trotz nicht erbrachter Arbeitsleistung (§§ 323, 615 Bürgerliches Gesetzbuch) fehlt (hierzu insgesamt: BSGE 73, 90, 93 ff mwN = SozR 3-4100 § 101 Nr. 4; 73, 126, 127 ff mwN = SozR 3-4100 § 101 Nr. 5; vgl auch BSG, Urteil vom 24. Januar 1995 – 8 RKn 3/93 –, unveröffentlicht). Innerhalb der drei Jahre (5. September 1987 bis 4. September 1990) vor Arbeitslosmeldung, die für den Kläger den günstigsten Zeitpunkt zur Fixierung der „fließenden” Rahmenfrist (vgl hierzu BSGE SozR 3-4100 § 134 Nr. 8) darstellt, liegen somit keinesfalls 360 Kalendertage mit beitragspflichtiger Beschäftigung. Ob das Arbeitsverhältnis rechtlich über den 31. Juli 1988 hinaus fortbestand, ist insoweit ohne Bedeutung.
Der Kläger weist auch nicht die notwendige Anzahl von Kalendertagen an gleichgestellten Zeiten (§ 107 AFG idF des Gesetzes zur Anpassung von Eingliederungsleistungen für Aussiedler und Übersiedler vom 22. Dezember 1989 – BGBl I 2398) auf. Er hat vielmehr nur bis 7. Februar 1988, also weniger als 360 Kalendertage, Krg bezogen. Ob es sich um Krg-Bezugszeiten handelte, für die nach § 186 AFG Beiträge zu zahlen waren (§ 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst a AFG) – insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß für diesen Zeitraum rückwirkend EU-Rente bewilligt worden war (vgl hierzu: BSG SozR 3-4100 § 186 Nr. 1; BSG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 12 RK 51/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) – bedarf deshalb keiner Entscheidung. Entgegen der Ansicht des Klägers muß die Zeit des EU-Rentenbezugs (bis 30. April 1989) wegen des unzweideutigen Gesetzeswortlauts in die dreijährige Rahmenfrist eingerechnet werden; eine „Aufschubzeit” ist nicht vorgesehen. Hierfür spricht nicht zuletzt, daß der Gesetzgeber in § 107 AFG einen anderen Weg zur „Überbrückung” von Beschäftigungslücken gewählt hat, indem er bestimmte Zeiten denen einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt hat. Hierunter fällt indes die des EU-Rentenbezugs nicht, gleichgültig, ob in Form der Rente auf unbestimmte Zeit oder der Zeitrente (BSG, Urteil vom 11. Januar 1989 – 7 RAr 14/88 –, DBlRspr Nr. 3488a zu § 107 AFG). § 107 AFG ist auch nicht analog anwendbar, da es an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt (BSG a.a.O.). Obwohl der Gesetzgeber den Kreis der durch die Vorschrift Begünstigten mehrfach erweitert hat, ist eine Gleichstellung der EU-Rentenbezieher für das Alg nicht erfolgt. Es existiert vielmehr in § 134 Abs. 3 Satz 1 AFG ausschließlich für die Gewährung von Alhi ein entsprechender Gleichstellungstatbestand (vgl zum früheren Rechtszustand § 134 Abs. 3 AFG aF iVm § 3 Satz 1 Nr. 1 Alhi-Verordnung vom 7. August 1974 – BGBl I 1929). Dies läßt nur den Schluß zu, daß der Gesetzgeber § 107 AFG bewußt anders gestaltet hat.
Erfüllt mithin der Kläger nicht die Voraussetzungen der Anwartschaft nach § 104 AFG, so ergibt sich nichts anderes aus § 105a AFG (idF des Sozialgesetzbuchs – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten – vom 4. November 1982 – BGBl I 1450). Danach hat Anspruch auf Alg auch, wer die in den §§ 101 bis 103 AFG genannten Voraussetzungen allein deshalb nicht erfüllt, weil er wegen einer nicht nur vorübergehenden Minderung seiner Leistungsfähigkeit keine längere als kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann, wenn weder Berufsunfähigkeit (BU) noch EU iS der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden ist. Die Feststellung, ob BU oder EU vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. § 105a AFG enthält allerdings, wie bereits der Wortlaut der Vorschrift verdeutlicht, lediglich eine beschränkte gesetzliche Fiktion (vgl BSGE 73, 90, 93 = SozR 3-4100 § 101 Nr. 4). Sie erfaßt insbesondere nicht die Erfüllung der Anwartschaftszeit und Arbeitslosmeldung, sondern setzt sie voraus.
Der Kläger kann schließlich nicht mit Hilfe des sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl zu diesem Institut und seinen rechtlichen Grenzen: BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2 mwN; Urteil des Senats vom 30. März 1995 – 7 RAr 22/94 – mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen) so gestellt werden, als ob er einen Antrag auf Alg bei entsprechender Arbeitslosmeldung zu einem früheren Zeitpunkt gestellt hätte. Bereits in der zitierten Entscheidung des Senats vom 11. Januar 1989 ist ausführlich dargelegt, daß über eine fehlende Arbeitslosmeldung (§§ 100, 105 AFG) angesichts ihrer Funktion ebensowenig hinweggesehen werden kann wie über eine fehlende Verfügbarkeit (§ 103 AFG) des Arbeitslosen (vgl hierzu auch BSG SozR 3-4100 § 134 Nr. 14 mwN). Die Meldung der Arbeitslosigkeit soll der Beklagten den Leistungsfall zur Kenntnis bringen. Dies ist erforderlich, weil die sachgerechte Vermittlung in Arbeit Vorrang vor der Gewährung von Leistungen hat (§ 5 AFG). Kann das Arbeitsamt vor Kenntnis der Arbeitslosigkeit seiner Pflicht zur Arbeitsvermittlung aber nicht nachkommen, so ergibt sich hieraus zugleich die Unverzichtbarkeit der Arbeitslosmeldung für den Leistungsanspruch und die Berechnung der Rahmenfrist (§ 104 AFG). Es bedarf deshalb keiner Prüfung, ob die LVA vorliegend überhaupt Beratungspflichten verletzt hat und ein Fehlverhalten der Beklagten zuzurechnen wäre. Ein Alg-Anspruch kann jedenfalls hieraus nicht resultieren.
Daß dem Kläger ein Alg-Anspruch nicht zusteht, verstößt nicht gegen die Verfassung. Insoweit beruft sich der Kläger zu Unrecht auf Art. 14 GG. Zwar unterfallen (bereits entstandene) Alg-Ansprüche und „-Anwartschaften” (Rechtsstatus vor Entstehung des Alg-Anspruchs) dem Eigentumsschutz (vgl BVerfGE 72, 9, 18 ff = SozR 4100 § 104 Nr. 13; BSGE 43, 128, 130 f = SozR 4100 § 100 Nr. 1); indessen ergibt sich die konkrete Reichweite dieses Schutzes erst aus der vom Gesetzgeber vorzunehmenden Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Eigentumsschutz iS des Art. 14 GG setzt also eine gesetzlich anerkannte Rechtsposition voraus (BVerfGE 83, 201, 208 f; Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl 1995, Art. 14 RdNrn 14 ff mwN). Erst ein Eingriff in diese bestehende schutzfähige Position durch eine spätere, andere Regelung kann einen Verstoß gegen Art. 14 GG beinhalten (Urteil des Senats vom 4. Oktober 1994 – 7 KlAr 1/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 14 RdNr. 21). Der Kläger hat schon mangels Antrags und Arbeitslosmeldung vor dem 5. September 1990 keinen Alg-Anspruch erworben, und seine früher erworbene Rechtsposition unterlag ungeachtet der Erfüllung der Anwartschaft jederzeit den in § 104 AFG formulierten Voraussetzungen.
Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wird nicht dadurch verletzt, daß § 107 AFG nicht den Bezug von EU-Rente auf Zeit erfaßt (vgl das zitierte Urteil des Senats vom 11. Januar 1989). Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kennt insoweit eine „großzügige oder strenge Prüfung” (vgl BVerfGE 88, 87, 96 ff mwN; BSG, Beschluß vom 2. Februar 1995 – 11 RAr 21/94 –, unveröffentlicht; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 3 RdNrn 15 ff mwN). Die strenge Prüfung ist vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen, nicht nur verschiedene Sachverhalte, unterschiedlich behandelt werden (BVerfGE 55, 72, 88 f; 88, 5, 12; BSGE 58, 134, 142 = SozR 2200 § 385 Nr. 14), und zwar auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (BVerfGE 88, 87, 96). Eine unterschiedliche Behandlung ist hierbei nur gerechtfertigt, wenn nach Art und Gewicht entsprechende Unterschiede bestehen (BVerfGE 63, 255, 262; 88, 5, 12); die unterschiedliche Behandlung und der sie rechtfertigende Grund müssen zudem in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 82, 126, 146 ff).
Diesem strengen Prüfungsmaßstab hält die Regelung des § 107 AFG stand. § 107 AFG normiert Gleichstellungstatbestände, bei denen davon ausgegangen werden kann, daß der Betroffene weder für einen begrenzten Zwischenzeitraum noch endgültig aus dem Kreis der Erwerbstätigen und damit aus der Solidargemeinschaft der Beitragszahler ausgeschieden ist. In Fällen des EU-Rentenbezugs ist diese Annahme indes gerade nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber ist deshalb nicht gezwungen, den EU-Rentenbezug einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichzustellen. Dies gilt um so mehr, als bei Gewährung von EU-Rente auf Zeit weder ein bereits entstandener Alg-Anspruch zwangsläufig entwertet wird (vgl § 125 Abs. 2 AFG) noch eine Alg-Anwartschaft, wie gerade der vorliegende Fall zeigt. Hätte sich nämlich der Kläger unmittelbar nach Beendigung des EU-Rentenbezugs arbeitslos gemeldet und einen Alg-Antrag gestellt, hätte er die Anwartschaftszeit des § 104 AFG erfüllen können. Darüber hinaus wird in § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG zumindest bei Verlust des Alg-Anspruchs oder der -Anwartschaft ein Alhi-Bezug ermöglicht.
Der Kläger hat gleichwohl keinen Anspruch auf Alhi. Er hat nicht innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist), Alg bezogen oder mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden bzw Zeiten zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG). Wie bereits ausgeführt, liegen innerhalb der Vorfrist weder Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung noch gleichgestellte Zeiten nach § 107 AFG.
§ 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG greift nicht ein. Danach ist eine vorherige Beschäftigung zur Begründung des Anspruchs auf Alhi ua nicht erforderlich, wenn der Arbeitslose innerhalb der Vorfrist für mindestens 240 Kalendertage wegen EU Leistungen der Sozialversicherung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen hat und diese Leistungen nicht mehr bezieht, weil die für ihre Gewährung maßgebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr vorliegt. Der Kläger hat jedoch innerhalb der Jahresfrist vor Arbeitslosmeldung keine EU-Rente mehr bezogen. Für eine Verlängerung der Vorfrist ist wegen des eindeutigen Wortlauts der Regelung kein Raum.
Mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Kläger schon wegen fehlender Arbeitslosmeldung vor dem 5. September 1990 keinen Alhi-Anspruch erworben haben. Dies ist im Hinblick auf Art. 14 GG unbedenklich, weil der Alhi-Anspruch nicht von der Eigentumsgarantie erfaßt wird (BSGE 73, 10, 17 = SozR 3-4100 § 118 Nr. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen