Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungszeiten. Höchstdauer der Berücksichtigung von Schul- und Hochschulausbildungszeiten als Anrechnungszeiten. Bindungswirkung eines Vormerkungsbescheides im Kontenklärungsverfahren. Aufhebung von Vormerkungen im Rentenverfahren. Begrenzung des Gesamtleistungswertes. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
- Die im Vormerkungsbescheid festgestellten Tatbestände von Ausbildungs-Anrechnungszeiten sind rechtserheblich und bleiben bindend, solange und soweit sie nicht durch Verwaltungsakt (ganz oder teilweise) aufgehoben werden.
- Der Rentenversicherungsträger ist verpflichtet, bei Erlass des Rentenbescheides zu prüfen und zu entscheiden, ob die im Bescheid festgestellten Tatbestände noch mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen.
- Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den “begrenzten” Gesamtleistungswert für Ausbildungs-Anrechnungszeiten sowie die hierzu ergangenen Übergangsregelungen bestehen nicht.
Normenkette
SGB VI § 263 Abs. 3 Fassung: 1994-07-26, Abs. 3 Fassung: 1996-09-25, § 252 Abs. 4 Fassung: 1993-06-24, § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 66 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 72 Abs. 1, 3, §§ 74, 149 Abs. 5; SGB VI Anl. 18; AVG § 32a Abs. 2, § 36 Abs. 1 Nr. 4, § 104 Abs. 3; RVO § 1259 Abs. 4b, § 1325 Abs. 2, § 1255a; RRG 1992 F: 1991-07-25; WFG Art. 1 Nr. 11 Buchst. a aa Fassung: 1996-09-25; SGG § 77; SGB X §§ 31, 33 Abs. 1, § 39 Abs. 2, § 48 Abs. 1 S. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. April 2002 und des Sozialgerichts Köln vom 27. Oktober 2000 aufgehoben. Die Rentenhöchstwertfestsetzung im Bescheid vom 11. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1999 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Rentenhöchstwert unter Berücksichtigung von 107 Kalendermonaten Ausbildungs-Anrechnungszeiten bei der Gesamtleistungsbewertung neu festzustellen und verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 1. Juni 1999 entsprechend höhere Beträge zu zahlen.
Die Verlautbarung im Bescheid vom 11. März 1999, “ggf entgegenstehende Bescheide über die Anerkennung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten werden hiermit aufgehoben”, wird aufgehoben.
Im Übrigen werden die Klagen ab- und die Berufung zurückgewiesen.
Die Revision wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt einen höheren Wert seines Rechts auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer Ausbildungs-Anrechnungszeiten.
Der am 14. Mai 1934 geborene Kläger besuchte nach Vollendung seines 16. Lebensjahres bis zum 2. März 1954 die Oberschule. Nach seinem Abitur studierte er an der Fakultät für Elektrotechnik, Fachrichtung Nachrichtentechnik, und schloss das Studium im November 1960 mit dem Diplom ab. Immatrikuliert war er von Oktober 1954 bis Dezember 1960 an der Technischen Universität B.….
Für die Zeit von Oktober 1960 bis Dezember 1973 leistete er freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die Zeit danach, bis Mai 1999, ist mit Pflichtbeiträgen belegt.
Mit Vormerkungsbescheid vom 23. April 1991 stellte die Beklagte gemäß § 104 Abs 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten für die Beteiligten “verbindlich” bis 31. Dezember 1984 fest, und zwar 47 Monate Schulausbildung (14. Mai 1950 bis 2. März 1954) und 60 Monate Hochschulausbildung (18. Oktober 1954 bis 30. September 1959); den nachfolgenden Zeitraum vom 1. Oktober 1959 bis 14. November 1960 bezeichnete sie als “begrenzte Hochschulausbildung”. Der Vormerkungsbescheid enthielt den Hinweis, über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten werde erst bei Feststellung einer Leistung entschieden.
Auf seinen Antrag gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11. März 1999 die Regelaltersrente ab 1. Juni 1999 in Höhe von 3.286,22 DM; dabei legte sie die Zeit vom 14. Mai 1951 bis 2. März 1954 und vom 18. Oktober 1954 bis 31. Oktober 1956 (insgesamt 60 Monate) als Anrechnungszeit wegen Schul- bzw Hochschulausbildung zu Grunde; den Schulbesuch vor Vollendung des 17. Lebensjahres vom 14. Mai 1950 bis 13. Mai 1951 sowie die Zeit vom 1. November 1956 bis 30. September 1960 berücksichtigte sie nicht bei den Ausbildungs-Anrechnungszeiten. Der Bescheid enthielt die Erklärung, “ggf entgegenstehende Bescheide über die Anerkennung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten werden hiermit aufgehoben”. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1999 mit der Begründung zurück: Sämtliche nachgewiesenen Anrechnungszeiten seien berücksichtigt; die Berechnung entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Auch die Entgeltpunkte für die Ausbildungszeiten seien korrekt ermittelt worden; die Übergangsregelung des § 263 Abs 3 SGB VI bestimme, dass bei Beginn einer Rente nach dem 31. Dezember 1996 bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung für Zeiten beruflicher und schulischer Ausbildung die in der Anlage 18 genannten Entgeltpunkte anzuwenden seien; bei einem Rentenbeginn ab 1. Juni 1999 sei an Stelle von 0,0625 Entgeltpunkten nach den Änderungen durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (≪WFG≫ BGBl I S 1461), das am 1. Januar 1997 in Kraft getreten sei, ein Wert von 0,0678 Entgeltpunkten zu Grunde zu legen. Anrechnungszeiten für Zeiten schulischer Ausbildung würden erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres berücksichtigt; auch sei die Höchstdauer der zu Grunde zu legenden Anrechnungszeiten wegen Ausbildung von 84 auf 36 Kalendermonate begrenzt worden. Durch die Übergangsregelung des § 252 Abs 4 SGB VI werde eine gleitende Abschmelzung der zuvor geregelten Höchstdauer bewirkt.
Das SG hat die Klage, mit der sich der Kläger gegen die durch das WFG geänderten, nach seiner Auffassung verfassungswidrigen Regelungen der §§ 58 Abs 1 Nr 4, 263 Abs 3 und 252 Abs 4 SGB VI gewandt hatte, durch Urteil vom 27. Oktober 2000 abgewiesen. Das LSG hat durch Urteil vom 19. April 2002 die Berufung zurückgewiesen und ua ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung von insgesamt 107 Kalendermonaten. Der Vormerkungsbescheid vom 23. April 1991 habe insoweit keine Regelung getroffen. Die vom Kläger für verfassungswidrig gehaltenen Vorschriften seien hinsichtlich der zeitlichen und rechnerischen Bewertung als Einheit anzusehen und somit keiner isolierten Betrachtung zugänglich. Bereits durch das Rentenreformgesetz (RRG) 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) seien die Zeiten der Anrechnung für Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung auf insgesamt sieben Jahre begrenzt worden. Die damals eingeführte Übergangsregelung des § 252 Abs 4 SGB VI idF bis zum 31. Dezember 1996 sei durch das WFG nochmals geändert worden. Dasselbe gelte für die Bewertung dieser Zeiten. Insoweit habe § 263 Abs 3 SGB VI in der bis zum Inkrafttreten des WFG geltenden Fassung übergangsrechtlich eine günstige Gesamtleistungsbewertung vorgesehen. Die durch das WFG geänderten Vorschriften seien jedoch verfassungsgemäß. Art 14, 3, 20 GG würden nicht verletzt. Anrechnungszeiten seien nicht beitragsbezogen, sie beruhten überwiegend auf staatlicher Gewährung. Vor diesem Hintergrund wirke sich die durch die Übergangsvorschriften abgemilderte Kürzung einer nicht beitragsäquivalenten Vergünstigung nicht unverhältnismäßig aus. In diesem Zusammenhang sei auch die Nachentrichtungsmöglichkeit nach § 207 Abs 1 SGB VI zu beachten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision begehrt der Kläger einen höheren Wert seines Rechts auf Regelaltersrente, und zwar unter Berücksichtigung von insgesamt 107 Kalendermonaten Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung ohne Wertbegrenzung nach § 74 Satz 2 SGB VI. Er macht geltend, §§ 74 Satz 2, 58 Abs 1 Nr 4, 252 Abs 4, 263 Abs 3 SGB VI jeweils idF des WFG verstießen gegen Art 14, 3 und 20 GG und trägt vor: Es sei davon auszugehen, dass die sog beitragsfreien Ausbildungs-Anrechnungszeiten von den Versicherten mitfinanziert würden. Sie beruhten daher nicht ausschließlich auf staatlicher Gewährung. Eine Stufung des Eigentumsschutzes je nach Art der Zeiten sei mit Einführung der Gesamtleistungsbewertung nicht mehr möglich. Der personale Bezug sei seit dieser Zeit durch die persönliche Arbeitsleistung des Versicherten gewahrt. Denn die Bewertung dieser Zeiten folge grundsätzlich der einkommensbezogenen Beitragsleistung. Wegen der – zu unterstellenden – Eigenleistung unterfielen die Anrechnungszeiten daher ebenso wie die Beitragszeiten dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG. Die wertmäßige und zeitliche Begrenzung der schulischen Anrechnungszeiten führe zu einer Nivellierung der vom Gesetzgeber geforderten beitragsbezogenen Bewertung der “beitragsfreien” Zeiten. Die Übergangsregelungen der §§ 252 Abs 4 und 263 Abs 3 SGB VI verstießen zudem gegen den aus Art 14 Abs 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Er erhalte bezogen auf den Rentenbeginn zum 1. Juni 1999 465,58 DM weniger an Rente; dies sei eine Kürzung von 12,4 %. Die Minderung resultiere aus dem geringeren Rangwert. Die finanzielle Sicherung der gesetzlichen Rentenversicherung könne nicht dazu führen, dass die Rechte der einzelnen Versicherten außer Betracht blieben. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor. Denn Versicherte, die zu einem früheren Zeitpunkt ihre Rente bereits mit dem 63. Lebensjahr bezogen hätten, hätten eine wesentlich geringere Kürzung hinzunehmen gehabt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. April 2002 und das Urteil des SG Köln vom 27. Oktober 2000 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1999 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Wert der Regelaltersrente unter Berücksichtigung von insgesamt 107 Kalendermonaten Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung und Bewertung der Ausbildungs-Anrechnungszeiten ohne Wertbegrenzung nach § 74 Satz 2 SGB VI festzustellen und ihm entsprechend höhere Beträge ab 1. Juni 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Gehe man von der im Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 1999 – B 4 RA 11/99 R – vertretenen Rechtsauffassung aus, so habe der Kläger bereits vor Inkrafttreten der Änderungen durch das RRG 1992 sowie derjenigen durch das WFG ein Anwartschaftsrecht im Sinne eines vermögenswerten subjektiven öffentlichen Rechts auf zukünftige Teilhabe an den Einnahmen des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nach Eintritt des Versicherungsfalls erworben. Der Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG biete jedoch grundsätzlich keinen Schutz gegen Gesetzesänderungen. Vielmehr müssten notwendige Anpassungen vorgenommen werden können. Der Gesetzgeber habe – nach der Rechtsprechung des BVerfG – bei Eingriffen in Rentenanwartschaften eine erhebliche Gestaltungsfreiheit. Eingriffe in Anwartschaften durch Kürzungen infolge Änderungen durch das WFG seien zum Erhalt der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geeignet und zur Erreichung des Ziels auch erforderlich gewesen. Es sei das gesetzgeberische Ziel, die Beitragsäquivalenz der Rente zu stärken. Eine unzumutbare Belastung für den betroffenen Personenkreis sei damit nicht verbunden gewesen. Die beitragsfreien Ausbildungszeiten hätten im Rahmen des Art 14 Abs 1 GG einen minderen Schutz als die Beitragszeiten. Im Übrigen seien die Ausführungen des Senats im Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 1999 nicht auf die hier streitigen Ausbildungs-Anrechnungszeiten übertragbar.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist teilweise begründet.
Das mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) gegen die Rentenhöchstwertfestsetzung und mit der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) auf Festsetzung eines höheren Wertes seines Rechts auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von 107 (statt 60) Kalendermonaten Ausbildungs-Anrechnungszeiten ohne Begrenzung des Gesamtleistungswertes sowie mit der (unechten) Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) verfolgte Begehren des Klägers auf Zahlung entsprechend höherer monatlicher Beträge (Einzelansprüche aus dem Stammrecht) hat teilweise Erfolg. Die vorinstanzlichen Entscheidungen sind dementsprechend abzuändern. Die Festsetzung des Rentenhöchstwertes durch die Beklagte im Bescheid vom 11. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1999 ist rechtswidrig. Sie verstößt gegen § 64 SGB VI, verletzt dadurch das Recht des Klägers auf richtige Feststellung des Wertes seines Rechts bei Rentenbeginn und ist daher insoweit aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung entsprechend höherer Beträge zu verurteilen; ebenso ist auf die weitere Anfechtungsklage die inhaltlich zu unbestimmte Aufhebungsentscheidung der Beklagten, “ggf entgegenstehende Bescheide über die Anerkennung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten werden hiermit aufgehoben”, aufzuheben. Die Revision ist insoweit begründet (1.). Im Übrigen, soweit der Kläger mit der Anfechtungs- und unechten Leistungsklage die Berücksichtigung der Ausbildungs-Anrechnungszeiten mit einem “unbegrenzten” Gesamtleistungswert und auch insoweit die Zahlung entsprechend höherer monatlicher Beträge begehrt, sind die Klagen unbegründet, sodass die Revision insoweit keinen Erfolg hat (2.).
Die Beklagte hat den Rentenhöchstwert unzutreffend festgestellt. Bei der Festsetzung des Rangwertes (Summe der Entgeltpunkte bei Beginn der Rente) hat sie nämlich die (Teil-)Rangstellenwerte für die Ausbildungs-Anrechnungszeiten entgegen §§ 66 Abs 1, 71, 72 SGB VI unrichtig, zu niedrig ermittelt und damit den Gesamtleistungswert für die beitragsfreien Zeiten, der sich aus dem Durchschnittswert an Entgeltpunkten aller im belegungsfähigen Zeitraum entrichteten Beiträge (§ 72 Abs 1 SGB VI) bei Rentenbeginn ergibt, unzutreffend gebildet. Denn sie hat nicht nur eine zu geringe (60 statt 107) Anzahl von Kalendermonaten als beitragsfreie Ausbildungs-Anrechnungszeiten zu Grunde gelegt (a), sondern hierdurch auch eine überhöhte Anzahl von belegbaren Kalendermonaten, die bei der Bestimmung des Rangstellenwertes für beitragsfreie Zeiten erheblich sind (§ 72 Abs 1 und 3 SGB VI), fehlerhaft berücksichtigt (b).
a) Gemäß den rechtserheblichen Feststellungen im Vormerkungsbescheid vom 23. April 1991, an die die Beklagte gebunden ist, hatte der Kläger 107 Kalendermonate an “Ausfallzeiten” wegen Ausbildung, und zwar (ua) für die Zeiten vom 14. Mai 1950 bis 2. März 1954 und vom 18. Oktober 1954 bis 30. September 1959 auf der Grundlage des bis 31. Dezember 1991 geltenden § 36 Abs 1 Nr 4 AVG. Unerheblich ist, dass diese Zeiten im Vormerkungsbescheid als sog Ausfallzeiten und nicht als Anrechnungszeiten bezeichnet wurden. Denn der Begriff “Anrechnungszeit” ist im RRG 1992 (§ 58 SGB VI) an die Stelle des Ausdrucks Ausfallzeit getreten (vgl § 300 Abs 4 Satz 2 SGB VI; BSG SozR 3-2600 § 252 Nr 2 S 9); er bezeichnet den Tatbestand einer beitragsfreien Zeit, wie denjenigen der Ausbildungs-Anrechnungszeit wegen Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung. Unerheblich ist ferner, dass der Vormerkungsbescheid gemäß § 104 Abs 3 AVG vor Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 ergangen ist. Denn die Beklagte hat die Ausbildungs-Anrechnungs-(Ausfall-)Zeiten im Bescheid vom 23. April 1991 für den og Zeitraum durch Verwaltungsakt “für die Beteiligten verbindlich” festgestellt. Im Übrigen sind § 104 Abs 3 Satz 1 und 2 AVG und § 149 Abs 5 Satz 1 und 3 SGB VI in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung inhaltsgleich. Die Feststellungen im Vormerkungsbescheid sind somit bindend; sie sind bis zum Erlass des hier angegriffenen Rentenbescheides nicht aufgehoben worden.
aa) Der Vormerkungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Sein Sinn und Zweck erschöpft sich nicht in der abstrakten Feststellung von Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten ohne jegliche Beziehung zur späteren Rentenwertfeststellung. Vielmehr trifft der Vormerkungsbescheid auf der Grundlage des bei seinem Erlass geltenden Rechts Feststellungen über Tatbestände einer rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung, die grundsätzlich in den späteren Rentenbescheid und damit in den Rentenwert eingehen (vgl hierzu BSGE 56, 165, 171 f = SozR 1300 § 45 Nr 6; BSGE 58, 49, 51 = SozR 1300 § 45 Nr 15; vgl hierzu entsprechend BVerwG Buchholz 232 § 116a BBG Nr 9). Im Interesse der Versicherten wird hierdurch Klarheit über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Zeiten rentenversicherungsrechtlicher Relevanz geschaffen (vgl BSGE 56, 165, 172 = SozR 1300 § 45 Nr 6; BSGE 58, 49, 51 = SozR 1300 § 45 Nr 15; BSGE 49, 258, 261 f = SozR 2200 § 1251 Nr 75; BSGE 42, 159, 160 = SozR 2200 § 1251 Nr 24). Durch den Vormerkungsbescheid werden also rechtserhebliche Tatbestände von beitragsfreien Zeiten für die jeweiligen Bezugsmonate verbindlich festgestellt mit der Folge, dass diese Zeiten als sog beitragsfreie Zeiten im Leistungsfall grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Sind allerdings derartige Zeiten durch Verwaltungsakte verbindlich abgelehnt worden, so sind diese Negativentscheidungen ebenfalls bindend mit der Folge, dass diese Zeiten bei Eintritt des Leistungsfalls bei der Rentenwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen sind.
Verbindlich festgestellt wird nach alledem im Vormerkungsbescheid sowohl der Rechtscharakter der rentenrechtlichen Zeit (hier der beitragsfreien Ausbildungs-Anrechnungszeit) als auch deren zeitlicher Umfang und damit, ob ein behaupteter Anrechnungstatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Vormerkungsbescheides geltenden materiellen Recht erfüllt ist, sodass die Möglichkeit besteht, dass er rentenrechtlich relevant werden kann (vgl BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 f; BSG, Urteile vom 29. April 1997 und vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 25/96 – und – 4 RA 56/96). Nicht hingegen ist Gegenstand eines Vormerkungsbescheides, worauf in dem Vormerkungsbescheid vom 23. April 1991 und auch in der diesem zu Grunde liegenden Ermächtigungsnorm des § 104 Abs 3 AVG hingewiesen, die abschließende Entscheidung über die Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten (vgl auch insoweit der gleich lautende § 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI; vgl hierzu auch BSG SozR 3-2200 § 1325 Nr 3 S 6).
bb) Dementsprechend hat die Beklagte in dem Vormerkungsbescheid nach § 104 Abs 3 AVG unter Hinweis auf den beigefügten Versicherungsverlauf und die darin enthaltenen Daten die Zeiten bis 31. Dezember 1984 verbindlich als Tatbestände rechtserheblicher Zeiten festgestellt. Im Versicherungsverlauf hatte sie die Zeit vom 14. Mai 1950 bis 2. März 1954 (47 Monate) als Zeit der Schulausbildung und die Zeit vom 18. Oktober 1954 bis 31. Dezember 1956 (27 Monate) sowie vom 1. Januar 1957 bis 30. September 1959 (33 Monate) als Zeit der Hochschulausbildung sowie als “begrenzte Hochschulausbildung” die Zeit vom 1. Oktober 1959 bis 14. November 1960 vorgemerkt. Eine am Empfängerhorizont orientierte Auslegung (§ 133 BGB) ergibt somit, dass die Tatbestände von Ausbildungs-Anrechnungszeiten in dem genannten Zeitraum vorliegen und bei dem Wert der Rente in einem künftigen Leistungsfall grundsätzlich rentenversicherungsrechtlich relevant sind.
cc) Die im Vormerkungsbescheid enthaltenen einzelnen Verwaltungsakte mit den og Regelungen über Rechtscharakter und zeitlichen Umfang der rentenrechtlichen Vorleistung “Ausbildung” sind nach § 77 SGG in der Sache für die Beteiligten bindend geworden. Der Kläger konnte somit davon ausgehen, dass diese Verwaltungsakte Bestand haben, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben werden oder sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigen (§ 39 Abs 2 SGB X).
aaa) An einem die Vormerkungen insoweit aufhebenden Verwaltungsakt fehlt es, weil die Anfechtungsklage gegen die Aufhebungsentscheidung der Beklagten Erfolg hat; dieser Verwaltungsakt war mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig, sodass offen bleiben kann, ob er sogar nichtig war. Die Beklagte hat zwar noch hinreichend verdeutlicht, sie wolle Vormerkungen von Tatbeständen von Anrechnungszeiten aufheben. Die Erklärung im Rentenbescheid vom 11. März 1999, “ggf entgegenstehende Bescheide über die Anerkennung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten werden hiermit aufgehoben”, ist zwar eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar, dass eine Aufhebungsentscheidung ergehen sollte; ihr Inhalt ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und unzweideutig, was die Beklagte geregelt hat. Er bestimmt nicht konkret, welche früheren Verwaltungsakte mit welchen Tatbeständen von Ausbildungs-Anrechnungszeiten ab wann und in welchem Umfang aufgehoben werden sollen. Der Hinweis, ggf entgegenstehende Bescheide werden hiermit aufgehoben, lässt schon offen, ob überhaupt ein Verwaltungsakt bzw mehrere Verwaltungsakte mit diesem Regelungsgehalt ergangen sind. Demgemäß ist auch nicht erkennbar, welche Tatbestände von Ausbildungs-Anrechnungszeiten bei dem Rentenwert zu berücksichtigen sind. Insoweit bleibt es dem Adressaten überlassen, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen. Die Beklagte wäre jedoch verpflichtet gewesen, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (vgl BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 und Urteile des Senats vom 29. April 1997 und vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 25/96 – und – 4 RA 56/96).
bbb) Die Verwaltungsakte über die Tatbestände der Ausbildungs-Anrechnungszeit haben sich auch nicht ganz oder teilweise auf andere Weise unmittelbar “kraft Gesetzes” erledigt. Zwar wurde der Umfang der Ausbildungs-Anrechnungszeiten durch das RRG 1992 zum 1. Januar 1992 und ein weiteres Mal zum 1. Januar 1997 durch das WFG geändert. Die jeweiligen Höchstdauerregelungen sind jedoch keine sich selbstvollziehenden Gesetze, die bindende Verwaltungsakte außer Kraft setzen. Vielmehr erfordern sie eine Umsetzung durch Verwaltungsakt über das, was im Einzelfall zwischen Rentenversicherungsträger und Versicherten konkret verbindlich gelten soll. Aus den jeweiligen Gesetzestexten ergibt sich zudem nicht ohne weiteres, welche der bereits festgestellten Ausbildungs-Anrechnungszeiten materiell-rechtlich als beitragsfreie Zeiten in den Rentenwert einfließen sollen; auch der Formulierung in der Übergangsregelung des § 252 Abs 4 SGB VI lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, welche (etwa bei Gesetzeskonkurrenzen) die am “weitesten zurückliegenden Kalendermonate” insoweit sind. § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI stellt demgemäß klar, dass (auch) bei Gesetzesänderungen die mit der materiellen Rechtslage nicht mehr übereinstimmenden Feststellungen im Vormerkungsbescheid über Tatbestände rentenrechtlicher Relevanz mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben sind. § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI verdrängt insoweit als lex specialis auch § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X.
ccc) Da somit in dem die Regelaltersrente bewilligenden Bescheid vom 11. März 1999 die im Vormerkungsbescheid bindend festgestellten Tatbestände von Ausbildungs-Anrechnungszeiten von der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt wurden, ist die Rentenhöchstwertfestsetzung in dem Rentenbescheid rechtswidrig und damit aufzuheben. Bei der Bestimmung des Rentenhöchstwertes sind für die Vorleistungsbewertung daher anstatt der 60 Kalendermonate jedenfalls 107 Kalendermonate als Ausbildungs-Anrechnungszeiten zu berücksichtigen und bei dem Wert des Rechts auf Rente zu Grunde zu legen, dh bei dem Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGB VI) als dem Produkt aus dem Rangwert (Summe der Entgeltpunkte aus Beitrags- und beitragsfreien Zeiten), dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert bei Beginn der Rente (Fälligkeit des ersten Einzelanspruchs aus dem Stammrecht).
b) Der Vorleistungswert für die Ausbildungs-Anrechnungszeiten wurde bei dem Gesamtleistungswert darüber hinaus – unabhängig von der pauschalen Anrechnungszeit von 45 Monaten – dadurch rechtswidrig verringert, dass eine überhöhte Anzahl an belegbaren Kalendermonaten zu Grunde gelegt worden ist. Denn der für die beitragsfreien Zeiten maßgebliche Rangstellenwert folgt bei der hier maßgeblichen Grundbewertung (§ 72 SGB VI) aus dem Verhältnis der Summe der Entgeltpunkte aus Beitrags- und Berücksichtigungszeiten zur Anzahl der Kalendermonate im belegungsfähigen Gesamtzeitraum, die mit Beitragszeiten oder Berücksichtigungszeiten belegt oder Versicherungslücken sind (§§ 71, 72 Abs 2 und 3 SGB VI). Die beitragsfreien Ausbildungs-Anrechnungszeiten bleiben als nichtbelegungsfähig außer Betracht und mindern nicht den Durchschnittswert des bei der Bestimmung der Rangstellenwerte für beitragsfreie Zeiten bei Beginn der Rente maßgeblichen “Gesamtleistungswertes”. Wird also – wie hier – eine zu hohe Anzahl von belegbaren Kalendermonaten zu Grunde gelegt, so verringert sich der Gesamtleistungswert.
Die Beklagte ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass der sich bei Beginn der Rente ergebende Gesamtleistungswert (§ 71 Abs 1 SGB VI) gemäß § 74 Satz 1 und 2 SGB VI auf 0,0625 Entgeltpunkte pro Kalendermonat begrenzt wird und nach der Übergangsregelung des § 263 Abs 3 SGB VI (iVm der Anlage 18) einen Wert von 0,0678 pro Kalendermonat nicht übersteigen darf. Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Begrenzungsregelungen verfassungsgemäß.
a) Gegen den Gesamtleistungswert als solchen wendet sich der Kläger nicht. Der Senat hat auch bereits entschieden, dass die gesetzliche Neuregelung über die Bewertung der beitragsfreien Zeiten mit dem og Durchschnittswert an Entgeltpunkten aller im belegungsfähigen Zeitraum “entrichteten Beiträge” (§ 72 Abs 1 SGB VI) verfassungsgemäß ist. Die Regelung hat zur Folge, dass die echten Versicherungslücken als Divisor in die Durchschnittsbewertung einfließen, damit das Prinzip der Gesamtäquivalenz stärken und eine größere Beitragsgerechtigkeit herbeiführen (vgl BSGE 78, 138, 142 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1; vgl hierzu auch BSG SozR 3-2600 § 263 Nr 1 S 7). Legitimierende Gründe für die Änderung der Bewertung dieser beitragsfreien Zeiten waren neben der Konsolidierung der gesetzlichen Rentenversicherung die Stärkung des “Äquivalenzprinzips”. Die Neugestaltung der Bewertung sog beitragsfreier Zeiten beseitigte systemwidrige Vergünstigungen, die mit den Grundprinzipien des 1957 völlig neu gestalteten Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung, wie sich im Laufe der Zeit herausgestellt hatte, im Widerspruch standen. Die Entgeltpunkte derjenigen Versicherten, die während ihres Erwerbslebens nur in geringem (zeitlichen) Umfang Beitragszeiten erlangt hatten und somit erhebliche Versicherungslücken aufwiesen, wurden nunmehr in Bezug gesetzt zum gesamten übrigen Erwerbsleben.
b) Der Kläger beanstandet allein die Begrenzung des Rangstellenwertes der beitragslosen Ausbildungs-Anrechnungszeiten auf zunächst 75 vH des individuell ermittelten Gesamtleistungswertes und in einem weiteren Schritt auf 0,0625 Entgeltpunkte pro Kalendermonat (0,75 Entgeltpunkte pro Kalenderjahr) gemäß § 74 Satz 1 und 2 SGB VI (aa) sowie die Begrenzung in der Übergangsregelung des § 263 Abs 3 SGB VI (iVm der Anlage 18) idF des WFG, durch die die im RRG 1992 zunächst vorgesehene Begrenzung der Ausbildungs-Anrechnungszeit auf 0,0708 Entgeltpunkte pro Kalendermonat abgelöst und durch eine solche von 0,0678 pro Kalendermonat ersetzt wurde (bb). Diese Regelungen sind jedoch verfassungsgemäß.
aa) Bis zum Inkrafttreten des SGB VI zum 1. Januar 1992 hatte der damals 60jährige Kläger zwar ein eigentumsgeschütztes Anwartschaftsrecht im Sinne einer auf den kalenderjährlich durch Beitragszeiten erworbenen Entgeltpunkten (Rangstellenwerten) beruhenden prozessualen Rangstelle, ergänzt um Mindestrangstellenwerte für beitragsfreie Ausbildungs-Anrechnungszeiten; diese hatten am 31. Dezember 1991 nach § 32a Abs 2 AVG grundsätzlich einen gesetzlich zugewiesenen Rangstellenwert von 90 Werteinheiten (0,9 Entgeltpunkte) pro Kalenderjahr. Mit diesem sich aus den einzelnen Rangstellenwerten ergebenden Rangwert erlangte der Kläger bei Eintritt des Leistungsfalls das Recht auf entsprechende Teilhabe an den Einnahmen des Rentenversicherungsträgers nach dem zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Nettodurchschnittsentgelt der dann Beiträge Leistenden (vgl Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 1999 – B 4 RA 11/99 R). In diese vom Schutz des Art 14 Abs 1 GG erfasste “Gesamtrechtsposition” (vgl hierzu BVerfGE 53, 257, 289 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 58, 81, 109 = SozR 2200 § 1255a Nr 7) ist durch die Neubewertung der Ausbildungs-Anrechnungszeiten infolge der “begrenzten” Gesamtleistungsbewertung durch das RRG 1992 bezogen auf das Anwartschaftsrecht rückwirkend (bezogen auf das Vollrecht zukunftsgerichtet) durch Neuordnung und Neubewertung der Vorleistung “Ausbildung” eingegriffen worden. Der Eingriff war jedoch im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit (vgl hierzu entsprechend BVerfGE 58, 81, 111 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7) eine zulässige Änderung von Inhalt und Schranken.
Durch das RRG 1992 wurde die Bewertung der Ausbildungs-Anrechnungszeiten, die 1957 als rentenversicherungsrechtlich relevante Vorleistung eingeführt worden waren, systemkonform neu bestimmt. Sie wurde in ein angemessenes Verhältnis zu dem Wert der Vorleistung durch Arbeit gesetzt. Wie ausgeführt, wurden nach dem am 31. Dezember 1991 geltenden § 32a Abs 2 AVG die Ausbildungs-(Ausfall-)Anrechnungszeiten grundsätzlich mit 90 Werteinheiten (nach dem SGB VI: 0,9 Entgeltpunkte pro Kalenderjahr) bewertet und damit mit einem Wert unterhalb des Durchschnittseinkommens sämtlicher Versicherten. Hierdurch war bereits zum Ausdruck gebracht worden, dass eine “Ausbildungszeit” einen geringeren Wert hat als eine entgeltliche Beschäftigung auf der Basis des Durchschnittseinkommens. Dieser Gedanke liegt auch der Neubewertung der Ausbildungs-Anrechnungszeiten durch das RRG 1992 zu Grunde. Denn Zeiten einer Ausbildung sind volkswirtschaftlich gesehen (zunächst) und auch für die gesetzliche Rentenversicherung nicht unmittelbar von Wert, da diese Zeiten die Produktivität der Wirtschaft nicht direkt steigern. Bedeutung erlangt die Ausbildung ggf erst später durch die infolge beruflicher Qualifikation höhere Produktivität des Unternehmens, bei dem der Ausgebildete beschäftigt ist; dies führt regelmäßig zu höheren Beitragszahlungen des Arbeitgebers. Daher ist die Begrenzungsregelung des § 74 SGB VI – insoweit nicht abgeändert durch das WFG – die nach Beendigung des Übergangszeitraums (§ 263 Abs 3 SGB VI) einen Höchstwert von 0,0625 Entgeltpunkten pro Kalendermonat bzw von 0,75 Entgeltpunkten pro Kalenderjahr für die Ausbildungs-Anrechnungszeit vorsieht, nicht zu beanstanden. Er entspricht dem Mindestwert für eine rentenrechtlich erhebliche Vorleistung, nämlich demjenigen bei einer Beschäftigung mit geringem Arbeitsentgelt (§ 262 Abs 1 SGB VI). Mithin orientiert sich die Bewertung für die rentenversicherungsrechtliche Vorleistung der beitragsfreien Zeit “Ausbildung” an dem Mindestwert für eine entgeltliche Beschäftigung. Unter Berücksichtigung des mit der Neuregelung verfolgten Zwecks und der beabsichtigten Konsolidierung der gesetzlichen Rentenversicherung sind die Änderungen im Hinblick hierauf geeignet und erforderlich.
bb) Bei der Neugestaltung des Systems der Bewertung sog beitragsfreier Vorleistungen und der sich daraus ergebenden Modifikation der geschützten Anwartschafts-Teilhabe-Rechtsposition durch Einführung des sog “begrenzten” Gesamtleistungswertes bei den Ausbildungs-Anrechnungszeiten hat der Gesetzgeber – ohne dass es im Hinblick auf die sachlich angemessene und auch aus finanziellen Erwägungen im öffentlichen Interesse liegende Neustrukturierung der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RRG 1992 einer solchen verfassungsrechtlich bedurft hätte – mit § 263 Abs 3 SGB VI eine Übergangsregelung geschaffen, durch die die Begrenzungsregelung für Rentenzugänge bis 2004 abgemildert worden ist. Es ist nicht erkennbar, dass diese unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit getroffene Übergangsregelung im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums im Hinblick auf die systemkonforme Fortentwicklung der Vorleistungsbewertung “Ausbildung” unverhältnismäßig sein könnte und hierdurch unter Berücksichtigung der og Art der indirekten Vorleistung “Ausbildung” und ihrer Bedeutung für die gesetzliche Rentenversicherung die Grenze der Zumutbarkeit überschritten wurde.
Diese Übergangsregelung mit ihrem schonenden “Abschmelzungsprogramm” ist durch das WFG ab 1. Januar 1997 geändert worden. § 263 Abs 3 SGB VI iVm der Anlage 18 hat den Übergangszeitraum von 2004 nunmehr auf das Jahr 2000 verkürzt mit der Folge, dass die Ausbildungs-Anrechnungszeiten am 1. Juni 1999 statt mit 0,0708 Entgeltpunkten pro Kalendermonat mit 0,0678 Entgeltpunkten zu bewerten waren. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch insoweit nicht.
Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt. Die Grundentscheidung des RRG 1992, die Vorleistung “Ausbildung” systemkonform neu zu bewerten, ist, wie ausgeführt, verfassungsgemäß; einer Übergangsregelung hätte es insoweit nicht bedurft. Infolgedessen stellt sich allein die Frage, ob aus Gründen des Vertrauensschutzes gegen die Verkürzung des Übergangszeitraums durch das WFG und die damit einhergehende geringere, gegenüber der endgültigen Regelung allerdings höhere Bewertung der Ausbildungs-Anrechnungszeiten durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Dies ist nicht der Fall.
Die Abänderung einer befristeten Übergangsvorschrift vor Ablauf der vorgesehenen Frist zu Lasten des Berechtigten ist zwar unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur unter besonderen Voraussetzungen möglich (vgl hierzu BVerfGE 102, 68, 97 f). Solche besonderen Voraussetzungen liegen hier jedoch vor. Gesetzgeberisches Ziel war auch bei den Änderungen durch das WFG eine Verbesserung der finanziellen Situation der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich ua durch Leistungen in die neuen Bundesländer gegenüber der Situation bei Verabschiedung des RRG 1992 im Jahre 1989 verschlechtert hatte (vgl ua zur finanziellen Situation der Sozialleistungsträger nach der Wiedervereinigung: Beschluss des BVerfG vom 3. Februar 2004 – 1 BvR 249/97 – und BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2). Dieser Gemeinwohlbelang überwiegt gegenüber den Interessen des – in gleicher Weise und mithin nicht gleichheitswidrig – betroffenen Personenkreises der Zugangsrentner ab 1. Januar 1997. Diesem Personenkreis war seit dem RRG 1992 bekannt, dass die Vorleistung “Ausbildung” nur noch mit einem Wert von bis zu 0,75 Entgeltpunkten pro Kalenderjahr zu bewerten ist. Diese (Grund-)Regelung ist durch das WFG nicht geändert worden. Sie hat nach wie vor Bestand. Die hierzu aus Billigkeit ergangene Übergangsregelung ist auch nicht gänzlich entfallen. Sie besteht lediglich abgeschwächt weiter fort. Erkennbar war dem betroffenen Personenkreis auch, dass der für die Flexibilität der gesetzlichen Rentenversicherung besonders bedeutsame Zeitraum von fünf Jahren (§ 154 SGB VI), in dem die jeweilige Bundesregierung ua die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage der aktuellen Schätzung der mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung in dem Rentenversicherungsbericht darzustellen und ggf einer sich hieraus ergebenden “Planungsverpflichtung” nachzukommen hatte, im Januar 1997 bereits abgelaufen war. Wenn also im Rahmen der Bündelung von Gesetzesänderungen zur Erhaltung der im öffentlichen Interesse liegenden Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung das Interesse am Fortbestand der aus Gründen der Billigkeit getroffenen Übergangsregelung zurücktritt gegenüber dem Interesse an der Änderung dieser Regelung, so bestehen hiergegen keine Bedenken. Dieser Gemeinwohlbelang hat Vorrang vor den nicht nachhaltigen oder ganz entwertenden Änderungen für die nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern nach gleichem Maßstab Betroffenen.
- Die Revision hat in dem im Tenor ausgesprochen Umfang Erfolg; die Beklagte ist verpflichtet, den Rentenhöchstwert unter Berücksichtigung von 107 Kalendermonaten Ausbildungs-Anrechnungszeiten ab 1. Juni 1999 neu festzustellen und dem Kläger entsprechend höhere Beträge ab diesem Zeitpunkt zu gewähren (§§ 130, 131 Abs 3 SGG); ferner ist die Erklärung über die Aufhebung ggf entgegenstehender Bescheide aufzuheben. Im Übrigen ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen.
- Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
NZS 2005, 157 |
SGb 2004, 356 |
SozR 4-2600 § 149, Nr.1 |