Entscheidungsstichwort (Thema)
Umwertung. Anpassung. Zusatzrentenversicherung. Bestandsrentner. Rentenüberleitung. Integrationsprinzip. Eingliederungsprinzip. Fremdrentenrecht. Aussiedler. Vertriebener. UdSSR. Eingruppierung. Sozialversicherungsabkommen DDR/UdSSR. Gleichbehandlung. Kriegsfolgenrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Es verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes, wenn nach dem Einigungsvertrag das Fremdrentengesetz auf Aussiedler, die vor der Wiedervereinigung ihren Wohnsitz in der DDR genommen hatten, nicht anzuwenden ist.
2. Aussiedler deutscher Volkszugehörigkeit aus der früheren UdSSR in die frühere DDR wurden jedenfalls bis zur Einführung der FZR über das Abkommen vom 24.5.1960 zwischen der UdSSR und der DDR voll in das Rentenversicherungssystem der DDR integriert.
3. Sie teilen damit auch hinsichtlich der Anpassung und Umwertung der Bestandsrenten ab 1.1.1992 nach § 307a SGB VI das rentenrechtliche Schicksal derjenigen, die mit ähnlichem Versicherungsverlauf schon immer im Beitrittsgebiet gewohnt und gearbeitet hatten.
Normenkette
SGB VI §§ 256a, 307a Abs. 1, 8; FRG §§ 1, 22; EinigVtr Anlage I Kap VIII H I Nr. 17; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 135a Abs. 2, Art. 143 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. September 1994 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt, ihre Regelaltersrente nach dem Fremdrentengesetz (FRG) neu zu berechnen.
Sie wurde im Jahre 1911 als Volksdeutsche in Baku (Aserbaidschan) geboren. Für die Zeit vom 18. Januar 1966 bis zu ihrer Aussiedlung in die frühere DDR im April 1975 bezog sie vom Sozialversicherungsträger der UdSSR eine Altersrente. Mit Bescheid vom 16. Juni 1975 bewilligte ihr der FDGB Stadtvorstand Dresden (Verwaltung der Sozialversicherung) ab 1. Mai 1975 eine Bergmannsaltersrente in Höhe von 270,60 Mark der DDR monatlich und berücksichtigte dabei ua insgesamt 38 Jahre einer versicherungspflichtigen Tätigkeit in der früheren UdSSR, davon 9 Jahre im Bergbau.
Aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts (Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI) erteilte die Beklagte den Bescheid vom 27. November 1991 über die Umwertung und Anpassung der Rente. Der Gesamtzahlbetrag zum 1. Januar 1992 betrug DM 953,43.
Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin mit dem Ziel, die Rente unter Berücksichtigung des FRG ab 1. Januar 1992 neu zu berechnen, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1993, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. September 1993, Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 22. September 1994). Das LSG hat ausgeführt, die Rente der Klägerin sei zutreffend nach § 307a Abs. 1 SGB VI angepaßt und umgewertet worden. Die Anwendung des FRG und auch des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) sei bei Vertriebenen, die ihren Wohnsitz vor der Wiedervereinigung im Gebiet der ehemaligen DDR genommen hätten, nach dem Einigungsvertrag (EinigVtr) ausgeschlossen. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mit Vertriebenen, die in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor dem 3. Oktober 1990 aussiedelten, sei nicht festzustellen. Denn Aussiedler aus der UdSSR seien in beiden deutschen Staaten rentenrechtlich so gestellt worden, als hätten sie die ausländischen Beschäftigungszeiten im jeweiligen Rentensystem zurückgelegt. Die Eingliederung der Klägerin in das Rentensystem der DDR rechtfertige es, auf sie die allgemeinen für alle Bürger der DDR geltenden Überleitungsvorschriften anzuwenden. Eine „Diskriminierung” der Aussiedler in die DDR sei nicht erkennbar,
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin: Die vom LSG beschriebene Gleichbehandlung sei nur formaler Art. Tatsächlich bestehe zwischen Aussiedlern im Beitrittsgebiet und solchen in der alten Bundesrepublik Deutschland ein erheblicher Unterschied im Zahlbetrag der Rente. Nur diese beiden Personengruppen seien miteinander vergleichbar und nicht Aussiedler und Rentner des gleichen Territoriums. Nach DDR-Recht sei nur Einkommen bis zu monatlich 600 Mark der DDR für die Höhe der Rente berücksichtigt worden. Wäre sie in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist, wären die Zeiten in der UdSSR nach der Qualifikation bewertet und Ausfall- und Ersatzzeiten rentensteigernd berücksichtigt worden. Diese Ungleichbehandlung durch EinigVtr Anlage 1 Kap VIII H I Nr. 17 und 19, die durch das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) und das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz verlängert worden sei, sei willkürlich. Für sie sei die Ausreise in die frühere DDR nur „zweite Wahl” gewesen, sie wäre lieber in die Bundesrepublik Deutschland gegangen, wenn ihr dies aufgrund der beiden in den Jahren 1972 und 1974 gestellten Anträge durch die UdSSR gestattet worden wäre. Sie sei mit der Einreise in die frühere DDR Statusdeutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geworden. Die Ungleichbehandlung der Rußland-Deutschen, je nachdem ob sie vor dem 3. Oktober 1990 in den Westen oder Osten Deutschlands ausgereist seien, werde auf politischer Ebene durchaus gesehen und sei in bestimmten Bereichen, zB hinsichtlich der Ansprüche nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG – vgl § 249g AFG) bereits abgebaut worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß.
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. September 1994 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. September 1993 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 27. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 1993 zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 1992 eine höhere Altersrente unter Beachtung der Vorschriften des Fremdrentengesetzes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. September 1994 zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Umwertung und Anpassung der laufenden Altersrente der Klägerin ab 1. Januar 1992 ist rechtmäßig nach § 307a SGB VI erfolgt (1). Die von der Klägerin in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungs- und Beitragszeiten können nicht nach den Vorschriften des FRG anerkannt und bewertet werden (2). Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung i.S.des Art. 3 Abs. 1 GG mit Aussiedlern aus der UdSSR, die vom FRG begünstigt sind, weil sie insbesondere vor dem 3. Oktober 1990 in der Bundesrepublik Deutschland ansässig wurden, ist damit nicht verbunden (3).
Zu 1):
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 1991 über die Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 307a Abs. 1 bis 8 SGB VI (eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch Art. 1 Nr. 132 RÜG vom 25. Juli 1991 ≪BGBl I 1606≫, geändert mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch Art. 1 Nr. 26 Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz ≪RÜ-ErgG≫ vom 24. Juni 1993 ≪BGBl I 1038≫), werden die laufenden Renten (Bestandsrenten), die nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes gewährt wurden, nicht nach den allgemeinen Regeln des SGB VI (zB nach § 248, § 252a, §§ 254b ff insbesondere § 256a SGB VI) neu berechnet. Sie werden stattdessen auf der Grundlage des bei den Sozialversicherungsträgern vorhandenen Datenmaterials in einem maschinellen Verfahren umgewertet (§ 307a Abs. 8 Satz 1 SGB VI), indem für den Monatsbetrag der Rente persönliche Entgeltpunkte (Ost) ermittelt werden. Entscheidend für die Höhe der neu berechneten Rente sind dabei vier Faktoren, die bereits nach dem Rentenrecht des Beitrittsgebietes die Gesamthöhe der Rente mitbestimmt hatten und dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit des Rentenversicherungsrechts der Bundesrepublik Deutschland weitgehend entsprechen: das sog „beitragspflichtige Durchschnittseinkommen”, dh der in den letzten 20 Kalenderjahren vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielte beitragspflichtige monatliche Durchschnittsverdienst (vgl § 5 Abs. 1 Buchst a Rentenverordnung der DDR vom 23. November 1979 – RentV-DDR –, GBl DDR I 401), die Anzahl der Jahre versicherungspflichtiger Tätigkeit (vgl § 5 Abs. 1 Buchst b RentV-DDR) und eventuell Leistungen aufgrund einer Zugehörigkeit und Beitragszahlung zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (– FZR – vgl § 20 Abs. 1 DDR-Verordnung über die Freiwillige Zusatzversicherung der Sozialversicherung – FZRV – vom 17. November 1977 ≪BGl DDR I 395 ≫, § 14 der Ersten Durchführungsbestimmung zur FZRV vom 17. November 1977 – GBl DDR I 400). Zudem trägt § 307a Abs. 4 SGB VI den Besonderheiten der knappschaftlichen Rentenversicherung Rechnung und ordnet die ermittelten Entgeltpunkte für knappschaftliche Zeiten diesem Versicherungszweig zu – mit der Folge, daß der Berechnung dieses Rentenanteils der höhere Rentenartfaktor nach § 82 Nr. 1 SGB VI zugrunde gelegt wird. Die so ermittelten persönlichen Entgeltpunkte entsprechen bei vergleichbarem Versicherungsleben „in etwa” denjenigen eines vergleichbaren Rentners in den alten Bundesländern und der relativen Position des Rentners im Einkommensgefüge (BT-Drucks 12/405 zu Nr. 126 ≪§ 307a≫ S 135).
Eine individuelle Neuberechnung war dagegen bei vier Millionen Bestandsrentnern allein schon aus verwaltungstechnischen Gründen nicht möglich (s dazu BT- Drucks 12/4810 zu Nr. 22 ≪§ 307a≫ S 26) und wurde deshalb nur in den Ausnahmefällen des § 307a Abs. 9 bis 11 SGB VI, die hier aber nicht einschlägig sind, vorgesehen. Nach § 307a Abs. 8 Satz 3 SGB VI ist jedoch auf Antrag eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob die der Rentenberechnung zugrundeliegenden Daten (dh die Bestandsdaten der Sozialversicherung der DDR) der Sach- und Rechtssage entsprechen; an den Grundsätzen der Umwertung der Bestandsrenten ändert sich damit aber nichts (s auch BSG vom 8. November 1995 – 13/4 RA 19/94 –, zur Veröffentlichung bestimmt). Wesentlich ist bei diesem auf dem Datenbestand nach DDR-Rentenrecht aufbauenden Verfahren, daß die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Versicherungsverläufe nicht nochmals geschrieben werden und sämtliche durch das sozialistische Gesellschaftssystem verursachten Vergünstigungen oder Benachteiligungen einzelner Berufsgruppen und gesellschaftlicher Schichten beibehalten werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, weder die Bestandsrentner noch die Inhaber von Rentenanwartschaften in die sozialen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland vor dem 3. Oktober 1990 zu integrieren.
Diese Grundsätze der Umstellung sind bereits im Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Staatsvertrag) vom 18. Mai 1990 (BGBl II 537) enthalten (Art. 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3) und wurden von der frei gewählten Volkskammer im Rentenangleichungsgesetz (RAnglG-DDR) vom 28. Juni 1990 (GBl DDR I 495) übernommen (vgl § 10). Sie waren Leitlinie für das nach dem EinigVtr vom 31. August 1990 (BGBl II 889) in Aussicht gestellte Überleitungsgesetz zum SGB VI (Art. 30 Abs. 5), weil auf das am 30. Juni 1990 geltende Rentenrecht der DDR Bezug genommen wurde. Sie bedeuteten eine Abkehr von den Prinzipien, die der Rentenberechnung für die Berechtigten nach dem FRG zugrunde lagen. Nach § 22 FRG in der bis 30. Juni 1990 geltenden Fassung wurden die nach den §§ 15 und 16 anerkannten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten nach den Bruttojahresarbeitsentgelten (je nach Leistungstgruppe) der in der Bundesrepublik Deutschland oder im früheren Reichsgebiet beschäftigten Arbeiter und Angestellten bewertet, Dies führte zur vollen Integration der Berechtigten (einschließlich der Flüchtlinge aus der früheren DDR) in die sozialen Strukturen der alten Bundesrepublik, Bereits mit der sich anbahnenden Wiedervereinigung bestand dafür kein Bedürfnis mehr. Konsequent ist bereits in Art. 23 § 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag vom 25. Juni 1990 (BGBl II 518) geregelt worden, daß das Fremdrentenrecht für rentenrechtliche Zeiten, die im Gebiet der DDR nach dem 18. Mai 1990 zurückgelegt worden sind, keine Anwendung findet und ebenso für Zeiten vor dem 18. Mai 1990 dann nicht, wenn zu diesem Zeitpunkt ein gewöhnlicher Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes zum Staatsvertrag, also der Bundesrepublik Deutschland, (zB in der DDR), vorgelegen hat. Mittlerweile ist § 22 FRG mehrfach geändert worden. In der für den hier streitigen Zeitraum ab 1. Januar 1992 maßgeblichen Fassung durch Art. 14 Nr. 20 des RÜG vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) werden nur noch die Entgeltpunkte für die Zeiten vor dem 1. Januar 1950 nach den Anlagen 1 bis 16 des FRG ermittelt. Für den anschließenden Zeitraum erfolgt durch den Verweis auf § 256b Abs. 1 Satz 1 SGB VI die Eingruppierung in die Qualifikations- und Wirtschaftsgruppen und Bereiche der Anlagen 13 und 14 zum SGB VI, also die Lohn- und Gehaltsstrukturen der ehemaligen DDR (BT-Drucks 12/405, AI 6, S 115; BT-Drucks 12/826, A I 5, S 5). Ob sich die Klägerin bei Berechnung ihrer Rente nach dieser Fassung des FRG besserstehen würde, ist fraglich. Denn nach Art. 6 § 4 Abs. 6 und 7 FANG (idF ab 1. Januar 1992 durch Art. 15 RÜG) sind Entgeltpunkte Ost zu ermitteln, bzw es erfolgt nach § 22 Abs. 4 FRG wenigstens eine Absenkung um 30 vH.
Sämtliche nach den damaligen Angaben der Klägerin in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten wurden im Rentenbescheid des FDGB-Stadtvorstandes Dresden vom 16. Juni 1975 berücksichtigt, einschließlich der neun Jahre ihrer Tätigkeit über Tage im Bergbau. Grundlage war der Vertrag vom 24. Mai 1960 zwischen der DDR und der UdSSR über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens (Zustimmungsgesetz vom 10. August 1960 mit Bekanntmachung des Vertrages, GBl DDR I Nr. 453), in dessen Art. 4 Satz 1 es heißt, daß bei der Festsetzung der Renten und Unterstützungen die Beschäftigungszeiten (Versicherungszeiten), die auf dem Territorium beider Vertragspartner zurückgelegt wurden, darunter auch Beschäftigungszeiten für die Gewährung von Renten zu vergünstigten Bedingungen und in vergünstigten Höhen, im vollen Umfang berücksichtigt werden. Nach Art. 5 Abs. 1 gewährt der Wohnsitzstaat die Rente nach seinen gesetzlichen Bedingungen. Wenn nach der Übersiedlung (Art. 5 Abs. 3 Satz 1), wie im Falle der Klägerin, nicht mehr gearbeitet wird, werden die Renten gemäß Art. 5 Abs. 5 nach dem durchschnittlichen Einkommen berechnet, das ein Werktätiger mit einer entsprechenden Qualifikation und Tätigkeit des Landes, in das er übergesiedelt ist, zum Zeitpunkt der Rentengewährung erzielt. Nach Art. 17 Abs. 1 gilt der Vertrag für vor seinem Inkrafttreten zurückgelegte Versicherungszeiten (Beschäftigungszeiten).
Diese Regelungen verschafften Aussiedlern in die DDR hinsichtlich der Ansprüche gegen den dortigen Rentenversicherungsträger etwa die gleiche Rechtsposition wie das FRG Personen, die in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland umgesiedelt waren, gegenüber den Rentenversicherungsträgern der Bundesrepublik. Damit wurde die Klägerin voll in das Rentenversicherungssystem der DDR integriert; sie teilt seitdem das rentenrechtliche Schicksal derjenigen, die mit ähnlichem Versicherungsverlauf schon immer im Beitrittsgebiet gewohnt und gearbeitet hatten. Ihre Rente ist eine im Sinne des § 307a Abs. 1 Satz 1 SGB VI „nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes berechnete Rente” und unterliegt damit der pauschalen Umwertung und Anpassung. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vertrag vom 24. Mai 1960 nach Art. 12 EinigVtr iVm Art. 3 des EinigVtr-Gesetzes vom 18. September 1990 (BGBl II 885) auch nach dem 3. Oktober 1990 weiterhin Anwendung findet (vgl dazu Rechtsverordnung der Bundesregierung vom 3. April 1991 – BGBl II 614), da § 307a Abs. 1 Satz 1 SGB VI auf einen abgeschlossenen Tatbestand Bezug nimmt. Die Berechnung selbst ist korrekt erfolgt, einschließlich der Ermittlung des Monatsteilbetrages aus der knappschaftlichen Rentenversicherung mit einem Rentenartfaktor für die Altersrente von 1,3333.
Die nach dem Vertrag vom 24. Mai 1960 anrechenbaren Versicherungszeiten der Klägerin reichen nur bis zum Jahre 1966. Deshalb hatte der Senat nicht darüber zu entscheiden, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn möglicherweise eine vollkommene Integration in das Rentenversicherungssystem der DDR nicht stattgefunden hätte, weil bei der Anwendung des Vertrages vom 24. Mai 1960 die seit dem 1. Juli 1968 bestehende freiwillige Versicherung auf Zusatzrente bei der Sozialversicherung (Verordnung vom 15. März 1968 – GBl DDR II 154 – idF der ab 1. März 1971 in Kraft getretenen Verordnung über die Verbesserung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung und der Leistungen der Sozialversicherung bei Arbeitsunfähigkeit vom 10. Februar 1971, BGl DDR II 121) unberücksichtigt blieb – dh die aus der UdSSR in die DDR Ausgesiedelten nicht so behandelt wurden, als seien sie der FZR beigetreten bzw als hätten sie entsprechende Beiträge geleistet. Die Rentenüberleitungsvorschriften des § 256a Abs. 2 und 3 SGB VI und des § 307a Abs. 2 SGB VI gewähren aber nur dann eine mit dem Rentenrecht der alten Bundesrepublik etwa vergleichbare Leistung, wenn ab 1. März 1971 auch Beiträge zur FZR geleistet wurden.
Zu 2):
Im EinigVtr sind nach Anlage I Kap VIII H I Nr. 17 das FRG (in der im BGBl III 824-2 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert nach Maßgabe des Art. 85 durch Art. 15 des Gesetzes vom 18. Dezember 1989 – BGBl I 2261; 1990, 1337), sowie nach Anlage I Kap VIII H I Nr. 19 das FANG (in der im BGBl III, 824-3 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 18. Mai 1990 – BGBl I 986) vom Inkrafttreten als Bundesrecht im Beitrittsgebiet gemäß Art. 8 EinigVtr ausgenommen. Diese Regelungen sind nach Art. 45 EinigVtr iVm Art. 1, Art. 10 EinigVtr-Gesetz vom 23. September 1990 (BGBl II 885, 1360) am 29. September 1990 als Bundesrecht in Kraft getreten und nach dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht.
Die Revision verweist auf die Regelungszusammenhänge des EinigVtr bei dem Kriegsfolgenrecht, zB beim Flüchtlingshilfegesetz (EinigVtr Anlage I Kap II D I Nr. 1), sowie dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und dem Lastenausgleichsgesetz. Die beiden letztgenannten Gesetze sind zwar im Beitrittsgebiet in Kraft getreten, jedoch mit Maßgaben, die bewirken, daß Aussiedler, die vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet den ständigen Aufenthalt begründet haben, von ihrer Anwendung ausgeschlossen sind (EinigVtr Anlage I Kap II D III Nr. 1 Buchst a; EinigVtr Anlage I Kap II D III Nr. 4 Buchst a). Aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber bei einzelnen Leistungsgesetzen, die zB an den Status als Vertriebener anknüpfen, Ausnahmen zugelassen hat (zB § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB V idF des Art. 1 Nr. 27 Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2266≫; § 249g AFG, eingefügt durch das Gesetz vom 21. Juni 1991 ≪BGBl I 1306≫), und selbst im BVFG für Einzelleistungen die Maßgabe des EinigVtr zurückgenommen hat (vgl § 102 BVFG idF des Art. 1 Nr. 40 des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2094≫).kann nur gefolgert werden, daß es der Gesetzgeber im übrigen bei den Regelungen des EinigVtr belassen will. Das bestätigen, wie auch die Revision einräumt, die Änderungen des FRG und des FANG durch die Art. 14 und 15 RÜG, die stets den Personenkreis mit ständigem Wohnsitz im Beitrittsgebiet vor dem 3. Oktober 1990 ausklammern (vgl für die Rentenversicherung die Änderungen und Ergänzungen des § 4 FANG durch Art. 15 Ziff 2 RÜG).
Zu 3):
Der Gesetzgeber hat durch den mit EinigVtr Anlage I Kap VIII H I Nr. 17 bewirkten Ausschluß der Klägerin von den „Vergünstigungen” des FRG nicht in verfassungsrechtlich geschützte Positionen eingegriffen. Durch den EinigVtr garantiert und damit eigentumsrechtlich geschützt war allenfalls der laufende Rentenzahlbetrag, der individuell der Klägerin durch die Rentenbescheide zugesprochen wurde. Soweit der Gesetzgeber die darüber hinaus begehrte Besserstellung nach dem FRG ausgeschlossen hat, verstößt er jedenfalls nicht gegen den Eigentumsschutz des An 14 Abs. 1 GG.
Der Ausschluß des FRG durch EinigVtr Anlage I Kap VIII H I Nr. 17 bewirkte bei dem in die frühere DDR Ausgesiedelten zunächst wegen der nach DDR-Recht bereits erfolgten Eingliederung in das dortige Rentensystem eine Gleichbehandlung mit den Bürgern des Beitrittsgebietes, die hier ihr ganzes Arbeitsleben gearbeitet hatten. Gleiches gilt für die Einbeziehung der Klägerin in die Regelung des § 307a SGB VI. Der damit erreichte Rechtsfrieden entspricht der Zielrichtung des Gleichheitsgebotes des Art. 3 Abs. 1 GG.
Mit Blick auf die Leistungen nach dem FRG idF vor dem 1. Januar 1992 könnte sich allerdings im Ergebnis insoweit eine Ungleichbehandlung mit solchen deutschen Volkszugehörigen ergeben, die in die Bundesrepublik vor dem Beitritt der DDR ausgesiedelt waren. Wegen der oben dargelegten Rechtslage ab 1. Januar 1992, die aus sachlichen Gründen zu einem Abbau der Leistungen nach dem FRG geführt hat, ist dies indessen seitdem nicht mehr der Fall.
Nach Art. 143 Abs. 1 GG (eingefügt durch Art. 4 des EinigVtr) kann das Recht im Beitrittsgebiet längstens bis zum 31. Dezember 1992 von den Bestimmungen des GG abweichen, soweit und solange infolge der unterschiedlichen Verhältnisse die völlige Anpassung an die grundgesetzliche Ordnung noch nicht erreicht werden kann. Dem Gesetzgeber ist also eine Übergangsfrist eingeräumt, die er hier noch nicht voll ausgeschöpft hat. Dabei kann – wie im Falle der Novellierung des FRG – die Anpassung auch in der Weise geschehen, daß eine Absenkung der vor der Wiedervereinigung erbrachten Leistungen nach dem FRG erfolgt (dh konkret der Abschlag bei den Entgeltpunkten und die Einstufung nach den Lohn- und Einkommensverhältnissen der früheren DDR).
Zutreffend stellt die Revision die Regelung des EinigVtr Anlage I Kap VIII H I Nr. 17 in den Gesamtzusammenhang des Kriegsfolgenrechts (vgl Art. 120 GG). Hier räumt Art. 135a GG mit der Ausdehnung auf die Verhältnisse nach der Wiedervereinigung durch dessen Abs. 2 (eingefügt durch Art. 4 des EinigVtr) dem Gesetzgeber ein weites Ermessen ein, ob und in welchem Umfange er für Kriegsfolgeschäden einsteht, die nicht von den Staatsorganen der Bundesrepublik Deutschland verursacht worden sind (vgl mwN BVerfGE 84, 90, 125 f). Auch wenn das FRG nicht unmittelbar unter den Anwendungsbereich des Art. 135a GG fällt, hat der Gesetzgeber bei der Verwirklichung der deutschen Einheit vor allem im Bereich von Leistungsgesetzen, deren Leistungsansprüche nicht auf einer eigenen Beitragsleistung beruhen und aus Steuermitteln oder mit den Beiträgen anderer Versicherter finanziert werden müssen, einen ähnlich weiten Gesetzgebungsspielraum. Denn auch hier sind außergewöhnliche soziale Aufgaben zu bewältigen, Lasten zu tragen und Prioritäten bei begrenzten Finanzmitteln zu setzen (vgl BVerfGE 41, 193, 200 f; BSGE 74, 184, 194 = SozR 3-8570 § 11 Nr. 1).
Im übrigen hat das LSG zutreffend hervorgehoben, daß nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur dann vorliegt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zur anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (zB BVerfGE 55, 72, 88; 84, 348, 359). Solche Unterschiede bestehen allein schon wegen der unterschiedlichen Lebensläufe nach der Aussiedlung, die jeweils zu einer Integration in verschiedene Rechtssysteme geführt hatten, Deren Zusammenführung steht dann im Gesamtkontext des EinigVtr. Dabei ist es dem Gesetzgeber durchaus erlaubt, bei einem komplexen Sachverhalt, wie der Angleichung der Rechtssysteme durch den EinigVtr und das RÜG, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität zu typisieren und zu generalisieren (BVerfGE 26, 265, 275 f; 44, 283, 288; 71, 39, 50).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist weder EinigVtr Anlage I Kap VIII H I Nr. 17 noch § 307a SGB VI mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu beanstanden. Das gewählte pauschalierende Umrechnungs- und Umwertungsverfahren und die Übernahme des Rechts der DDR bezüglich der Eingliederung der Aussiedler verstoßen nicht gegen das GG. Eine Vorlage der von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG ist deshalb nicht angezeigt,
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 168 |
Breith. 1997, 53 |