Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankengeld am Beginn der Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Die Satzung einer Krankenkasse kann für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen.
- Da die frühere Satzungsregelung die freiwillig versicherten Selbständigen nach der Rechtsprechung des BSG gleichheitswidrig bevorzugte, war der Krankenversicherungsträger dazu ermächtigt, diese Satzungsregelung, die nicht mit höherrangigem Recht in Einklang stand, mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen.
- Der satzungsgemäße Ausschluss von Krankengeld ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit widerspricht nicht Verfassungsrecht, insbesondere verstößt die Neuregelung weder gegen den Schutz des Eigentums noch gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Normenkette
SGB V § 44 Abs. 2, § 242; GG Art 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der 1950 geborene Kläger, selbstständiger Handelsvertreter, war seit 1984 bei der beklagten AOK freiwillig krankenversichert. Entsprechend dem Inhalt der Satzung hatte er einen Krankengeldanspruch (Krg-Anspruch) “ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit” (AU) gewählt. Die 1997 in Kraft getretene Satzung der Beklagten (im Folgenden: Satzung aF) sah für selbstständig Erwerbstätige mit freiwilliger Krankenversicherung nur noch entweder keinen oder einen Krg-Anspruch ab Beginn der dritten oder wahlweise ab Beginn der siebten Woche der AU vor (§ 14 Abs 2 Satz 2 Satzung aF). § 14 Abs 3 Satzung aF regelte folgenden Bestandsschutz: “Soweit aufgrund bisheriger Satzungsbestimmungen in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 ein Krankengeldanspruch vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit begründet wurde, bleibt dieser Anspruch bestehen, es sei denn, es wird ein abweichender Antrag gestellt.” Nach aufsichtsbehördlichen Beanstandungen strich die Beklagte § 14 Abs 3 Satzung aF zum 1. Januar 2004 (vom Landesversicherungsamt am 17. Dezember 2003 genehmigte Satzungsänderung). Deshalb stellte die Beklagte fest, der Kläger sei ab 1. Januar 2004 nicht mehr mit Krg-Anspruch ab Beginn einer AU, sondern erst ab Beginn der dritten Woche der AU zu einem Beitragssatz von 18,3 % versichert. Er könne alternativ Versicherungsschutz ohne Krg-Anspruch mit einem Beitragssatz von 12,7 % oder mit Krg-Anspruch ab Beginn der siebten Woche einer AU mit einem Beitragssatz von 13,9 % wählen (Bescheid vom 17. Dezember 2003; Widerspruchsbescheid vom 30. März 2004).
Mit seiner Klage hat der Kläger festzustellen begehrt, dass er weiterhin mit Krg-Anspruch ab Beginn der AU freiwillig krankenversichert sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen: § 242 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe nur einen erhöhten Beitragssatz erlaubt, nicht aber zusätzlich noch die Bestandsschutzregelung des § 14 Abs 3 Satzung aF. Vertrauensschutz habe diese rechtswidrige Satzungsbestimmung nicht begründen können (Urteil vom 20. Mai 2005).
Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung von Art 14 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) und einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Da § 14 Abs 3 Satzung aF nicht gegen § 242 SGB V und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verstoßen habe, greife die Aufhebung der Bestandsschutzregelung unverhältnismäßig in sein Eigentum ein. Zudem habe er billigerweise mit der Aufhebung der erst 1997 eingeführten Bestandsschutzregelung nicht zu rechnen brauchen. Da er nach ihrer Einführung an Asthma erkrankt sei, bestehe für ihn seitdem kaum die Möglichkeit, zu akzeptablen Bedingungen eine private Zusatzversicherung abzuschließen oder Rücklagen zu bilden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20. Mai 2005 zu ändern sowie unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 17. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2004 festzustellen, dass der Kläger über den 31. Dezember 2003 hinaus mit Anspruch auf Krankengeld ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 14 Abs 3 der Satzung der Beklagten in der ab 1997 geltenden Fassung krankenversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass seine freiwillige Krankenversicherung mit einem Krg-Anspruch entsprechend § 14 Abs 3 der Satzung aF der Beklagten fortgeführt wird. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht festgestellt, dass der Kläger ab 1. Januar 2004 mit einem Krg-Anspruch ab der dritten Woche einer AU versichert ist. Das entspricht § 14 Abs 2 Satz 2 der Satzung, der grundsätzlich für selbstständig Erwerbstätige mit freiwilliger Krankenversicherung einen Krg-Anspruch ab Beginn der dritten Woche der AU vorsieht. Auf die Fortgeltung des § 14 Abs 3 Satzung aF, der einen Bestandsschutz für Altfälle regelte, in denen ein Krg-Anspruch von Beginn der AU an begründet wurde, kann sich der Kläger dagegen nicht berufen. Der Satzungsgeber hat diese Bestimmung mit Wirkung vom 1. Januar 2004 aufgehoben, ohne gegen Gesetzes- (dazu 1.) und Verfassungsrecht (dazu 2.) zu verstoßen.
1. § 44 Abs 2 SGB V ermächtigte den Satzungsgeber, § 14 Abs 3 Satzung aF zum 1. Januar 2004 mit Wirkung für die Zukunft zu streichen. Danach kann die Satzung für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krg ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen. Diese Bestimmung, von deren Verfassungsmäßigkeit der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeht (vgl BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 7; BSGE 76, 1, 4 = SozR 3-2500 § 45 Nr 1 S 4; im Ergebnis ebenso BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 2 RdNr 9), lässt satzungsrechtlich wegen der geringeren Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter (vgl BSGE 70, 13, 18 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6), die typischerweise bei Eintritt einer Arbeitsverhinderung den Wegfall des Arbeitseinkommens aus eigenen Mitteln jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum überbrücken können (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4; BSGE 76, 1, 5 = SozR 3-2500 § 45 Nr 1 S 6), sogar den völligen Ausschluss des Krg-Anspruchs zu. Erst recht ermächtigt sie den Krankenversicherungsträger dazu, Satzungsregelungen, die nicht mit höherrangigem Recht in Einklang stehen, mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen. So lag es hier.
§ 14 Abs 3 Satzung aF bewirkte eine gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, BVerfGE 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21; vgl auch zuletzt Senat, Urteil vom 21. Februar 2006 – B 1 KR 11/05 R –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Senat, Urteil vom 30. Mai 2006 – B 1 KR 19/05 R –, zur Veröffentlichung vorgesehen) ist es zwar von Verfassungs wegen nicht stets geboten, dass eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen erzielt wird. Für unterschiedliche Leistungen an Versicherte mit gleicher Beitragsbelastung muss aber ein hinreichender sachlicher Grund bestehen. Daran fehlt es.
Die noch § 14 Abs 3 Satzung aF unterfallenden freiwillig versicherten Selbstständigen erhielten bei Wahl des erhöhten Beitragssatzes Krg “ab Beginn der AU”, während die übrigen freiwillig versicherten Selbstständigen, die Versicherungsschutz mit möglichst kurzer Karenzzeit gewählt hatten, bei Zugrundelegung des gleichen erhöhten Beitragssatzes nur Anspruch auf Krg ab Beginn der dritten Woche der AU hatten. Abgesehen von den Fällen einer sehr langen Zeit der AU, bei der die dreiwöchige Karenz die Leistungsdauer nur verschiebt (vgl Senat, BSGE 76, 93, 97 = SozR 3-2500 § 242 Nr 2 S 6), bedeutete dies, dass regelmäßig eine in wesentlicher Hinsicht gleiche Gruppe von freiwillig Versicherten mit gleichem Beitragssatz unterschiedliche Leistungen beanspruchen konnte. Zudem war die Laufzeit der Regelung nicht etwa auf einen überschaubaren Übergangszeitraum begrenzt, sondern knüpfte dauerhaft allein an den Fortbestand der freiwilligen Versicherung an, soweit nichts Abweichendes beantragt wurde. Diese Ungleichbehandlung war in der Sache nicht gerechtfertigt. Schon die Einführung einer Bestandsschutzregelung war rechtlich nicht geboten, ihre Erstreckung auf einen unübersehbaren Zeitraum unverhältnismäßig. Es fehlte bereits an einer Grundlage für das Vertrauen in den Fortbestand der alten Satzungsregelung, an die Bestandsschutz hätte anknüpfen können.
Die bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten freiwilligen Mitglieder mussten – jedenfalls solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war – seit jeher (vgl bereits § 215 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung idF vom 19. Juli 1911, RGBl I 509, 550) damit rechnen, dass der Versicherungsträger von seiner ihm gesetzlich speziell für das Krg eingeräumten Befugnis ggf auch zu ihren Ungunsten Gebrauch macht, autonomes Recht zu setzen und dabei sogar den Anspruch auf Krg mit Wirkung für die Zukunft vollständig auszuschließen. Daran knüpft auch die Regelung in § 44 Abs 2 SGB V an (vgl Begründung zum Entwurf der Bundesregierung des Gesundheits-Reformgesetzes ≪GRG≫, BT-Drucks 11/2237 S 180 “Zu § 43 … Zu Absatz 2”). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann generell kein Schutz des Vertrauens darauf anerkannt werden, dass das Satzungsrecht für alle Zukunft unverändert so bestehen bleiben wird, wie es bei der Begründung der freiwilligen Mitgliedschaft bestand (vgl BSGE 42, 244, 246 = SozR 2200 § 213 Nr 2 S 7; BSG, Urteil vom 4. November 1992 – 1 RK 12/92; BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 11). Schließlich gingen solchen Bestandsschutzregelungen, wie sie § 14 Abs 3 Satzung aF enthielt, typischerweise Satzungsregelungen voraus, die abweichend von den Vorgaben des Gesetzesrechts für freiwillige Mitglieder unterschiedliche, nach dem Beginn des Krg-Anspruchs gestaffelte, erhöhte Beitragssätze vorsahen (zur Unzulässigkeit vgl Senat, BSGE 76, 93 = SozR 3-2500 § 242 Nr 2 mwN). Die Beseitigung von gegen Gesetzesrecht verstoßenden Satzungsregelungen auf der Grundlage des § 44 Abs 2 SGB V kann aber erst recht keine rechtliche Verpflichtung erzeugen, Bestandsschutzregelungen zu schaffen, wenn schon gesetzmäßiges Satzungsrecht kein Vertrauen in seinen Fortbestand zu begründen vermag.
2. Entgegen der Auffassung der Revision widerspricht die Aufhebung des § 14 Abs 3 Satzung aF mit Wirkung vom 1. Januar 2004 nicht dem Verfassungsrecht, insbesondere verstößt die Neuregelung weder gegen den Schutz des Eigentums noch gegen das Rechtsstaatsprinzip.
a) Die Satzungsänderung zum 1. Januar 2004 hat die Eigentumsrechte des Klägers (Art 14 Abs 1 GG) nicht verletzt. Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit freiwillig versicherte Kassenmitglieder auf Grund der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen einer Anwartschaft auf Krg überhaupt eine durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG geschützte sozialversicherungsrechtliche Position erwerben (vgl grundsätzlich bejahend Senat SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 9 unter Hinweis auf Senat, Vorlagebeschluss vom 10. Dezember 1991 – 1/3 RK 9/90 – SGb 1992, 508, betreffend das Wiederaufleben des Krg-Anspruchs eines Pflichtversicherten; offen gelassen von BVerfG SozR 3-2500 § 47 Nr 8 und BVerfGE 97, 378 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7; vgl allgemein zur Erfassung sozialversicherungsrechtlicher Positionen durch die Eigentumsgarantie zuletzt Senat, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 1 KR 4/05 R – RdNr 13 mwN – zur Veröffentlichung vorgesehen). Zweifel an der Eigentumsqualität einer Anwartschaft freiwillig Versicherter auf Krg könnten daraus erwachsen, dass der Gesetzgeber – wie dargelegt – diese Anwartschaft mit Blick auf die geringere Schutzbedürftigkeit Selbstständiger verfassungskonform zur Disposition des Satzungsgebers gestellt hat. Er kann sie – auch im Wege der Satzungsänderung – mit Wirkung für die Zukunft gesetzeskonform (vgl oben) vollständig beseitigen. Es könnte mithin fraglich erscheinen, ob der Gesetzgeber dieser Anwartschaft auf Krg überhaupt eine existenzsichernde Funktion unter Berücksichtigung der typischerweise anderweitig vorhandenen Vorsorgemöglichkeiten freiwillig Versicherter beimisst.
Geht man trotz dieser Bedenken vom Schutz der Anwartschaft freiwillig Versicherter auf Krg durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG aus, hat die Beklagte indes mit ihrer Satzungsregelung für die freiwilligen Mitglieder nicht in verfassungswidriger Weise in die Rechtsposition des Klägers eingegriffen.
Nach der Rechtsprechung des Senats ergibt sich in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums aus der Bestimmung von dessen Inhalt und Schranken (BVerfGE 53, 257, 292 = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 58, 81, 109 = SozR 2200 § 1255a Nr 7; BVerfGE 74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2; 75, 78, 97 = SozR 2200 § 1246 Nr 142; BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 9 mwN). Die Inhalts- und Schrankenbestimmung ist nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers. Er kann grundsätzlich auch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche beschränken und umgestalten (BVerfGE 74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2; BVerfG SozR 3-2500 § 47 Nr 8 S 19; BVerfGE 97, 378, 385 ff = SozR 3-2500 § 48 Nr 7 S 31 ff; vgl auch Senat, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 1 KR 4/05 R, RdNr 18 mwN zur grundsätzlichen Veränderbarkeit sozial-versicherungsrechtlicher Positionen), wobei ihm eine beträchtliche Gestaltungsfreiheit zusteht. Denn in sozialversicherungsrechtlichen Positionen ist von vornherein in gewissen Grenzen die Möglichkeit von Änderungen angelegt. So hat die Rechtsprechung des BVerfG herausgestellt, dass selbst derjenige, welcher als Pflichtversicherter der GKV beitritt, von Beginn an nicht erwarten darf, die gesetzlichen Vorschriften über die Leistung bestünden auf Dauer unverändert fort und er werde bei notwendigen Änderungen besser gestellt sein als andere Pflichtversicherte. Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind Solidargemeinschaften auf Dauer, die sich im Laufe der Zeit vielfachen Veränderungen anpassen müssen. Wer Mitglied einer so geprägten Gemeinschaft ist, erwirbt nämlich nicht nur die damit verbundenen Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken (BVerfGE 69, 272, 314 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 135). Erst recht gilt dies für sozialversicherungsrechtliche Positionen, die der Gesetzgeber – wie hier – von Anfang an zur Disposition des Satzungsgebers gestellt hat.
Aber selbst wenn man es als erforderlich ansähe, dass auch bei einschränkenden Änderungen satzungsrechtlicher Positionen legitimierende Gründe gegeben sind (vgl zur Reform eines gesetzlich ausgestalteten Rechtsgebiets BVerfGE 31, 275, 290; BSG SozR 3-2500 § 47 Nr 3 und BSG, Urteil vom 4. November 1992 – 1 RK 12/92 –), genügt die Satzungsänderung – Aufhebung des § 14 Abs 3 Satzung aF – den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Gesetzliche Regelungen iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (vgl BVerfGE 31, 275, 290; 36, 281, 293; 58, 81, 121 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 18). Solche liegen hier vor.
Dem Satzungsgeber ging es bei seiner Neuregelung – wie dargelegt – darum, rechtmäßig mit der Bestandsschutzregelung eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung zu beseitigen. Dies war zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich, belastete die Betroffenen nicht übermäßig und war auch nicht unzumutbar. Die Aufhebung der Übergangsregelung in § 14 Abs 3 Satzung aF entzog dem Kläger zudem die Anspruchsberechtigung auf Krg nicht vollständig, sondern schränkte sie nur ein und passte sie den Vorgaben der Gesetzeslage an.
b) Die Satzungsänderung verstößt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG). Die Satzungsänderung wirkte allein für die Zukunft, sodass die Prüfmaßstäbe anzulegen sind, die für die sog unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung gelten. Ein solcher Fall liegt vor, wenn – wie hier – eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet (BVerfGE 101, 239, 263; BVerfGE 69, 272, 309 f = SozR 2200 § 165 Nr 81, S 132; BVerfGE 51, 356, 362 = SozR 2200 § 1233 Nr 12 mwN) oder wenn eine Norm künftige Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht (BVerfGE 79, 29, 45 f; BVerfGE 72, 141, 154 = SozR 2200 § 1265 Nr 78).
Die von der Verfassung für eine solche rechtliche Ausgestaltung gezogene Grenze wurde beim Wegfall der Bestandsschutzregelung des § 14 Abs 3 Satzung aF nicht überschritten. Das durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gesicherte Vertrauen wird bei der unechten Rückwirkung nämlich nur enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Berechtigte nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (BVerfGE 69, 272, 309 = SozR aaO mwN; BSGE 69, 76, 79 f = SozR 3-2500 § 59 Nr 1 S 4 mwN; Senat, Urteil vom 13. September 2005 – B 1 KR 4/05 R – RdNr 21 mwN). Ein schützenswertes Vertrauen in die dauerhafte Aufrechterhaltung der verfassungswidrigen Satzungsregelung konnte beim Kläger aber – wie ausgeführt – nicht entstehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
KrV 2007, 29 |
SGb 2006, 660 |