Beteiligte
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für die Revisionsinstanz zu erstatten.
Gründe
I
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, dem Kläger im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) mit dem Arzneimittel P. zu gewähren und ihm die Kosten für die Selbstbeschaffung jenes Präparats zu erstatten.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger wurde seit dem Jahre 1974 wegen einer erektilen Dysfunktion behandelt. Den Antrag des von ihm konsultierten Urologen vom Juli 1994 auf Zusage der Kostenübernahme für eine SKAT mit P. -Injektionen bei gefäßbedingter erektiler Dysfunktion lehnte die Beklagte mit dem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 18. August 1994 und Widerspruchsbescheid vom 9. November 1994 ab. Nach erstinstanzlicher Abweisung der Klage (Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10. Januar 1996) hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Beklagte mit Urteil vom 22. Januar 1998 verurteilt, dem Kläger SKAT unter vertragsärztlicher Verordnung des Arzneimittels P. als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren sowie die Kosten für die Anschaffung des Arzneimittels laut Arztverordnung vom 14. Mai 1996 und Apothekenquittung vom 13. September 1996 in Höhe von DM 767,43 (Packung zu 15 Ampullen) zu erstatten.
Es hat insoweit – unter Bezugnahme auf sein früheres, ebenfalls zusprechendes Urteil in einem Parallelfall (Urteil vom 14. März 1996 - L 2 Kn 36/95 -, veröffentlicht in MesoB 190/10) – ausgeführt, der Kläger könne als Versicherter unter Vorlage des Krankenscheins bzw der Krankenversichertenkarte von den Vertragsärzten „an sich und in der Regel” ärztliche Behandlungen unmittelbar fordern. Halte jedoch die Kasse – im vorliegenden Fall auf Antrag – als die aus dem Krankenversicherungsverhältnis eigentlich verpflichtete Stelle die Erbringung einer Leistung als Sachleistung für rechtswidrig, so sei sie auch zuständig, die Leistung abzulehnen. Bei dem Kläger bestehe eine Krankheit in Form eines regelwidrigen Körperzustands (erektile Dysfunktion), deren Behandlung jedenfalls zur Linderung der daraus entstehenden Beschwerden (Impotenz) notwendig sei. Die Kohabitationsfähigkeit eines erwachsenen Mannes sei Bestandteil seines regelrechten – gesunden – Körperzustandes. Ihre Ursache habe die erektile Dysfunktion des Klägers in einer arteriellen Durchblutungsstörung der Penisschwellkörper. Die von der Krankheit ausgehenden Beschwerden seien nach den Regeln der ärztlichen Kunst einer Linderung durch die SKAT zugänglich. Die SKAT sei keine sog neue Behandlungsmethode, auf die nur unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch als vertragsärztliche Versorgung bestehe. Dies werde durch die Auskunft des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung” des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 4. Dezember 1997 an das LSG bestätigt. Hinweise auf nicht beherrschbare Gesundheitsgefahren unter Anwendung von SKAT beständen nicht. Das Medikament P. solle zwar nach Herstellerangabe nur zur Therapie der „chronisch arteriellen Verschlußkrankheiten im Stadium III und IV” eingesetzt werden. Es sei jedoch im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit auch für die SKAT anwendbar; arzneimittelrechtlich sei es ohne Auflagen hinsichtlich seines therapeutischen Anwendungsbereichs zugelassen. Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit sprächen nicht gegen das vom LSG gefundene Ergebnis. Die SKAT unter Verwendung des Injektionsmittels P. sei die allein geeignete und somit auch wirtschaftliche Behandlungsmethode. Kostengünstigere Hilfsmittel ständen nicht zur Verfügung. Ein Behandlungsversuch mit einem Vakuum-Pumpensystem sei gescheitert.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 27 Abs 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach Satz 4 dieser Vorschrift seien Leistungen nur dann zu gewähren, wenn die Zeugungsfähigkeit eines Mannes oder die Empfängnisfähigkeit einer Frau hergestellt werden sollten; damit sei ihre Leistungspflicht ausgeschlossen, wenn ausschließlich eine erektile Dysfunktion behandelt werden solle und es dabei nicht zugleich um die Herstellung der Zeugungsfähigkeit bei einem Kinderwunsch gehe. Hilfsweise macht sie geltend, daß die Behandlung einer erektilen Dysfunktion nicht von einem Anspruch auf notwendige Krankenbehandlung iS des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V umfaßt werde. Zum einen stelle die auf dem natürlichen Verfall der Kräfte beruhende nachlassende Physis im fortgeschrittenen Lebensalter keinen Krankheitszustand iS der gesetzlichen Krankenversicherung dar; zum anderen ende der begrenzte Versorgungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung dort, wo der private Lebensbereich prägend in den Vordergrund trete. Bei der erektilen Dysfunktion – einem Symptom mit vielfältigen denkbaren Ursachen – gehe es um Funktionsstörungen, deren Auftreten für den Einzelnen subjektiv von unterschiedlichem Gewicht sei und deren Überwindung mit Arzneimitteln der selbstverantwortlichen Entscheidung überlassen werden müsse; das liege außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem falle das Arzneimittel P. unter die Regelung der Nr 17.1 Buchst f der Arzneimittel-Richtlinien idF bis September 1998, da es ein Mittel sei, das ausschließlich der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz diene. Nach der Neufassung der entsprechenden Regelung der Arzneimittel-Richtlinien (BAnz vom 29. September 1998, Nr 182, S 14491) dürften „Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion” generell nicht mehr verordnet werden. Diese Änderung sei insbesondere im Hinblick auf das seit Oktober 1998 zugelassene Potenzmittel „V. ” erfolgt; die entsprechenden Einschränkungen ergäben sich jedoch bereits aus der gesetzlichen Regelung des SGB V.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1998 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10. Januar 1996 zurückzuweisen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, daß sein Antrag von vornherein auf die Gewährung der SKAT unter Verwendung eines hierfür geeigneten Arzneimittels gerichtet war; er hat ferner die Klage auf Erstattung der Kosten für die Selbstbeschaffung des Arzneimittels P. hinsichtlich einer Eigenbeteiligung von DM 8,- zurückgenommen und insoweit auf die Rechte aus dem Urteil des LSG verzichtet.
Im übrigen beantragt er unter näherer Darlegung,
die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuß „Arzneimittel”, Unterlagen zum Beschluß des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu Nr 17.1 Buchst f der Arzneimittel-Richtlinien vom 3. August 1998 beigezogen, ferner den Aufsatz I. Schroeder-Printzen/J. Schroeder-Printzen/Weidner/Ringert, Urologe ≪A≫, 33 - 1994 -, 252-256, die Studie „Männliche Sexualität und Alter”, Ergebnisse der Kölner epidemiologischen Untersuchung an 8.000 Männern, Arbeitsgruppe: Männergesundheit der Urologischen Universitätsklinik Köln, sowie eine Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Berlin, vom 15. Juli 1999.
II
Die Revision der Beklagten ist in dem noch streitigen Umfang unbegründet.
Dem Kläger stehen die SKAT als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung unter Verwendung eines hierfür geeigneten Arzneimittels sowie der Erstattungsanspruch im noch geltend gemachten Umfang zu. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommene Klarstellung seines Antrags stellt keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung (§ 168 Satz 1, § 99 Abs 1 SGG) dar. Vielmehr war sein Antrag von vornherein so auszulegen. Seinem Vorbringen ist weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren zu entnehmen, daß ihm – außerhalb des geltend gemachten Erstattungsanspruchs – nur an der Behandlung mit dem Arzneimittel P. und nicht auch einem wirkstoffgleichen gelegen war.
Die beim Kläger bestehende arterielle Durchblutungsstörung der Penisschwellkörper ist eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung; die Krankenbehandlung in Form der SKAT (ärztliche Behandlung und Arzneimittelversorgung) ist – auch unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes – notwendig, um die Beschwerden zu lindern (1). Ohne Belang ist, daß die Behandlung nicht bezweckt, die Zeugungsfähigkeit des Klägers herzustellen (2). Ein Ausschlußgrund nach § 34 Abs 1 SGB V oder nach einer Verordnung gemäß § 34 Abs 2, 3 oder 4 SGB V steht dem Anspruch des Klägers ebenfalls nicht entgegen (3). Dem Anspruch kann auch nicht die Regelung der Nr 17.1 Buchst f der Arzneimittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (AMRL) entgegengehalten werden – weder aufgrund der bis zum 29. September 1998 geltenden Fassung (4) noch aufgrund der ab dem 30. September 1998 geltenden Änderung aufgrund des Beschlusses vom 3. August 1998 (5) oder aufgrund der Neufassung, deren Inkrafttreten für den 1. April 1999 vorgesehen war (6). Dem Kläger steht schließlich – ausnahmsweise – ein Erstattungsanspruch für die Selbstbeschaffung des Präparats „P. ” am 13. September 1996 zu, obwohl dieses nicht für den Anwendungsbereich SKAT zugelassen war (7). Jedenfalls von dem Zeitpunkt an, zu dem ein Arzneimittel zur Durchführung der SKAT zugelassen wurde, besteht jedoch kein Anspruch mehr auf Versorgung mit einem hierfür nicht zugelassenen Arzneimittel (8).
(1) Die erektile Dysfunktion, unter der der Kläger leidet, ist eine Krankheit iS des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 27 Abs 1 Satz 1, § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ ist unter Krankheit ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder – zugleich oder ausschließlich – Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vgl BSG vom 13. Februar 1975, BSGE 39, 167, 168 mwN – schwangerschaftsverhütende Mittel bei medizinischer Indikation –; BSG vom 20. Oktober 1972, BSGE 35, 10, 12 – Kiefer- oder Zahnstellungsanomalie –; BSG vom 28. April 1967, BSGE 26, 240, 242 f – Einengung der Zeugungsfähigkeit; entsprechend auch die Begründung zu § 27 SGB V im Entwurf zum Gesundheits-Reformgesetz ≪GRG≫, BT-Drucks 11/2237, S 170). Ein derartiger regelwidriger Körperzustand liegt beim Kläger in Form der mangelnden Erektionsfähigkeit des Penis vor.
Der entgegengesetzten Ansicht der Beklagten vermag der Senat nicht zu folgen. Soweit die Beklagte allgemein und uneingeschränkt die Meinung vertritt, daß die auf dem natürlichen Verfall der Kräfte beruhende nachlassende Physis im fortgeschrittenen Lebensalter keinen Krankheitszustand iS der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle (so die Revisionsbegründung unter – unzutreffender – Bezugnahme auf Höfler in: Kasseler Komm, § 27 SGB V, RdNrn 13 f, Stand: 1993; ohne weitere Änderung auch die Neubearbeitung, Stand: 1998), steht dem zum einen höchstrichterliche Rechtsprechung entgegen. Das BSG hat bereits entschieden, daß als Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung solche Regelwidrigkeiten nicht ausgeschlossen sind, die auf einen Alterungsprozeß zurückzuführen sind (BSG vom 12. Oktober 1988 - 3/8 RK 28/87, NZA 1989, 287, 288; dort zur Argumentation, altersbedingte Wirbelsäulenveränderungen könnten nicht verschiedenartige Beschwerden zu „derselben Krankheit” verklammern, die zur Aussteuerung aus dem Krankengeldanspruch führt). So ist auch bei Alterserscheinungen wie der Minderung des Seh- und Hörvermögens und ähnlichen Erscheinungen unbestritten, daß insoweit die gesetzliche Krankenversicherung einzustehen hat (Höfler, aaO RdNr 14 mwN). Im vorliegenden Fall kann jedoch dahinstehen, ob altersbedingte Veränderungen generell „Krankheiten” iS der gesetzlichen Krankenversicherung sind (s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S 384k mwN - Stand: 1983). Denn die beim Kläger bereits seit dem Jahre 1974 bekannte erektile Dysfunktion kann zum anderen – ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des LSG – auch in der streitbetroffenen Zeit nicht als altersbedingte und erst recht nicht als alterstypische Minderung der Physis angesehen werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen weisen nach, daß auch im Alter des Klägers (von im streitigen Zeitraum 58 bis 62 Jahren) ein erheblicher Teil der Männer sexuell aktiv ist (so werden im siebten Lebensjahrzehnt bei über einem Viertel der Männer Kohabitationsfrequenzen von ein- bis mehrmals pro Woche berichtet: I. Schroeder-Printzen/J. Schroeder-Printzen/Weidner/Ringert, Urologe ≪A≫ 33 - 1994 -, 252, 253; von Einschränkungen der erektilen Funktion haben im Rahmen der ersten deutschen Studie zum Thema „Männliche Sexualität und Alter” nur 34 % der Befragten dieser Altersgruppe berichtet: Engelmann ua, „Männliche Sexualität und Alter”, Ergebnisse der Kölner epidemiologischen Untersuchung an 8.000 Männern, Veröffentlichung in Vorbereitung). Selbst wenn man also „altersbedingte” Veränderungen (generell oder nur solche, die keine lebenswichtigen Funktionen einschränken) aus dem Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausklammern wollte, könnte dies nicht zur Verneinung des Leistungsanspruchs des Klägers führen. Denn in diesem Sinne altersbedingt kann der Verlust solcher Körperfunktionen nicht sein, die bei der entsprechenden Altersgruppe nicht generell fehlen, vielmehr bei einem erheblichen Teil noch vorhanden und also auch nicht alterstypisch sind. Von daher wird der Kern der Problematik mit einer Argumentation verfehlt, wonach pauschal die „üblichen” Folgen des Alters im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Leistungsansprüchen führen (so aber Kummer in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, S 624). Mag unter dem Gesichtspunkt, daß regelwidrig nur ein Zustand sei, „der von dem für das Lebensalter typischem abweicht” (so wörtlich § 3 Abs 1 Satz 2 Schwerbehindertengesetz ≪SchwbG≫), gerechtfertigt sein, das „Nachlassen” von Libido und Potenz als „physiologisch” und nicht „pathologisch” zu bezeichnen (s Rösner/Raddatz, MedSach 1996, 173, 176), so ist demgegenüber ein Verlust der Potenz auch noch im Alter des Klägers im hier maßgeblichen Zusammenhang regelwidrig.
An dem Verständnis der erektilen Dysfunktion als Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung ändert sich nichts dadurch, daß dieser Befund, wie die Beklagte ebenfalls vorträgt, ein Symptom mit vielfältigen denkbaren Ursachen darstelle, die durch die SKAT nicht angegangen würden. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V reicht für einen Anspruch auf Krankenbehandlung aus, daß damit Krankheitsbeschwerden gelindert werden können. Das trifft besonders auf Fälle der vorliegenden Art zu, in denen die Ursachen der Krankheit mit ihren Beschwerden nicht oder nicht in einer den Verhältnissen angemessenen und dem Patienten zumutbaren Weise geheilt werden können (s dazu Näheres weiter unten).
Unerheblich ist ferner die Argumentation der Beklagten, daß der begrenzte Versorgungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung dort ende, wo der private Lebensbereich prägend in den Vordergrund trete; die Überwindung der erektilen Dysfunktion, die für den Einzelnen subjektiv von unterschiedlichem Gewicht sei, müsse der selbstverantwortlichen Entscheidung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung überlassen werden. Die gesetzliche Regelung, insbesondere in § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V, läßt keinen Raum für entsprechende Erwägungen. Es handelt sich im vorliegenden Fall jedenfalls nicht um eine Verhaltensweise oder einen Zustand, der als persönliche Eigenart nicht der ärztlichen Behandlung bedarf (Senatsurteil vom 28. Februar 1980, BSGE 50, 47, 48 f) und dem Bereich der individuellen Unterschiede im Leitbild eines gesunden Menschen zuzurechnen wäre. Es geht im vorliegenden Verfahren weder darum, eine im physiologischen Bereich vorhandene sexuelle Potenz (wie auch immer) zu steigern, noch darum, ein Defizit im Vergleich mit einer Idealnorm auszugleichen (s Höfler in: Kasseler Komm, § 27 SGB V RdNr 34, Stand: 1998), sondern darum, die nicht mehr bestehende Erektionsfähigkeit als normale Körperfunktion jedenfalls zeitweise (kasuell, situativ) wiederherzustellen.
Bestätigt wird die rechtliche Beurteilung des Senats durch die sozialmedizinische Praxis. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz”, 1996, S 111, bewerten die „Impotentia coeundi bei nachgewiesener erfolgloser Behandlung und nicht altersbedingt” mit einem Grad der Behinderung/MdE-Grad von immerhin 20 (s auch Izbicki/Neumann/Spohr, Unfallbegutachtung, 9. Aufl 1992, S 280 f für die Unfallversicherung und das vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger herausgegebene Werk „Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung”, 5. Aufl 1995, S 563 zur erektilen Dysfunktion). Dementsprechend haben die Spitzenverbände der Krankenkassen mit dem Beschluß vom 7. März 1994 (BAnz Nr 84 vom 4. Mai 1994, S 4730) Hilfsmittel zur Anwendung bei erektiler Dysfunktion in das Hilfsmittelverzeichnis (§ 128 SGB V) aufgenommen. Auch die Unfallversicherungsträger fassen die erektile Dysfunktion – jedenfalls bei organischer Schädigung der Potenz – bei Arbeitsunfallverletzten als „durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden” iS des § 26 Abs 2 Nr 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) auf und übernehmen die Behandlung ua mit dem Präparat V. (HVBG-Rundschreiben VB 12/99 vom 21. Januar 1999).
Die so beschriebene Krankheit ist auch behandlungsbedürftig. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn ein regelwidriger Körperzustand mit ärztlicher Hilfe und Aussicht auf Erfolg behoben, mindestens aber gebessert oder vor Verschlimmerung bewahrt werden kann oder wenn ärztliche Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu lindern (BSG vom 20. Oktober 1972, BSGE 35, 10, 12 mwN - Kiefer- oder Zahnstellungsanomalie). Im vorliegenden Fall wird jedenfalls die Voraussetzung der Linderung der Krankheitsäußerungen (Beschwerden) durch ärztliche Behandlung (hier: in Form der SKAT) erfüllt, selbst wenn die erektile Dysfunktion durch diese Therapie nicht gänzlich und auf Dauer beseitigt werden kann. Damit ist auch gleichzeitig die entsprechende Voraussetzung nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V erfüllt: Die erektile Dysfunktion ist nach geltendem Recht eine behandlungsbedürftige Krankheit, die jedenfalls dann (symptomatisch) behandelt werden muß, wenn die Ursache (Grundkrankheit) nicht angegangen werden kann. Dies ist nicht nur der Fall bei einer erektilen Potenzstörung zB als Folge einer ausgedehnten Operation im kleinen Becken (etwa der Operation eines Rektumkarzinoms mit Anus praeter, hierzu Jonas, Deutsche Medizinische Wochenschrift 109 - 1984 -, 1662) oder nach Querschnittslähmung (hierzu Madersbacher, Rehabilitation 31 - 1992 -, 147, 149); nichts anderes kann bei den ebenfalls denkbaren Ursachen gelten, etwa bei den sog Zivilisationskrankheiten Arteriosklerose und Diabetes mellitus vom Typ 2 oder bei psychischen Störungen von Krankheitswert (s te Breuil/Harland, V.: Hilfe bei Potenzproblemen, 1998, S 13 ff).
Die Behandlung mit der SKAT entspricht auch den Erfordernissen des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V). Nach § 12 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V müssen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Darüber hinausgehende Leistungen dürfen weder beansprucht noch erbracht werden. Auf der Grundlage der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen sich hieraus jedoch keine Bedenken gegen die Entscheidung des LSG ableiten.
Anhaltspunkte dafür, daß die arterielle Durchblutungsstörung des Penisschwellkörpers, auf der die erektile Dysfunktion des Klägers beruht, entweder selbst vorrangig behandelbar ist oder wiederum auf eine vorrangig behandelbare Grundkrankheit zurückzuführen ist (s hierzu BSG vom 5. Juli 1995, BSGE 76, 194, 201), fehlen. Den Feststellungen des LSG ist ferner zu entnehmen, daß Behandlungsalternativen für die beim Kläger bestehende erektile Dysfunktion (Erektionsring oder Vakuum-Pumpensystem als Hilfsmittel; operative Vorgehensweise) in seinem Falle ungeeignet oder wegen sehr hoher Kosten und Komplikationsgefahren abzulehnen sind und damit die SKAT unter Verwendung eines Injektionsmittels die allein geeignete Behandlungsmethode ist.
Offenlassen kann der Senat, ob mit dem ab Oktober 1998 (zeitlich nach der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) zugelassenen Arzneimittel V. eine wirtschaftlichere (und weniger belastende) Behandlungsmethode als die SKAT mit einem hierfür geeigneten Injektionspräparat zu Gebote steht. Die hierdurch möglicherweise entstandene neue Sachlage ist im Revisionsverfahren unbeachtlich (s § 163 SGG; allg vgl BGH vom 9. Juli 1998, BGHZ 139, 214, 220 ff).
Bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit ist die schon im Zusammenhang mit dem Krankheitsbegriff vorgetragene Argumentation der Revision unerheblich, daß es sich bei der erektilen Dysfunktion um ein subjektiv höchst unterschiedlich erlebtes Symptom handele, bei dem „der private Lebensbereich prägend in den Vordergrund” trete. Zwar ist in der Tat aus dem oa Wirtschaftlichkeitsgebot abzuleiten, daß es nur Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dem Versicherten das „Notwendige” zu verschaffen, nicht jedoch eine maximale Bedürfnisbefriedigung zu ermöglichen. Hierauf kommt es jedoch im vorliegenden Verfahren nicht an. Weder im geltend gemachten Rahmen der Erstattungsforderung noch für die begehrte Entscheidung dem Grunde nach wird darüber gestritten, mit welcher Häufigkeit der Kläger die SKAT beanspruchen kann (vgl hierzu Hamburgisches OVG vom 2. März 1990 - Bf IV 43/89 = NJW 1991, 941 im Rahmen der Sozialhilfe). Insoweit ist davon auszugehen, daß die spezifische Anwendungsmethode der SKAT ganz im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes eine Gewähr dafür bietet, diese Behandlungsform nicht über das notwendige Maß hinaus einzusetzen. Beim Einsatz der SKAT wird schließlich auch der Forderung Rechnung getragen, daß eine Krankheit mit der Folge der Leistungspflicht der Krankenkasse erst dann bestehen kann, wenn die körperlichen oder geistigen Funktionen über eine bestimmte Bandbreite individueller Verschiedenheit hinaus in einem so beträchtlichen Maße eingeschränkt sind, daß ihre Wiederherstellung der Mithilfe des Arztes bedarf (BSG vom 10. Juli 1979, BSGE 48, 258, 265 sowie BSG vom 18. November 1969 - 3 RK 24/68 - = DOK 1970, 173).
Die Argumentation der Beklagten mag ihren Platz in einer rechtspolitischen Erörterung haben, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber Leistungen der Krankenversicherung zur Behebung einer erektilen Dysfunktion generell ausschließen sollte; aus dem geltenden Recht folgt ein solcher Ausschluß nicht.
(2) Der Vorschrift des § 27 Abs 1 Satz 4 SGB V kann entgegen der Meinung der Beklagten nicht entnommen werden, daß die SKAT als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Hiernach gehören zur Krankenbehandlung
„auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war.”
Dies ist lediglich eine klarstellende Regelung. Ein Leistungsausschluß für die Behandlung anderweitiger Gesundheitsstörungen im Zusammenhang der Sexualität kann ihr von vornherein nicht beigemessen werden. Die Regelung ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG zu der Empfängnisunfähigkeit zu sehen. Das BSG hatte entschieden, daß ein von der Versicherten ohne medizinische Indikation bewußt und gewollt herbeigeführter Zustand der Unfruchtbarkeit keine Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung ist, während die schicksalhafte Unfruchtbarkeit einer im geburtsfähigen Alter stehenden Frau eine der ärztlichen Behandlung zugängliche Krankheit sein kann (BSG vom 12. November 1985, BSGE 59, 119, 121 f). § 27 Abs 1 Satz 4 SGB V stellt in Übereinstimmung damit klar, daß Leistungen zur Herstellung (oder Wiederherstellung) der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit nur unter den dort genannten Voraussetzungen von den Krankenkassen übernommen werden dürfen (Begründung zum Entwurf des SGB V, BT-Drucks 11/2237 S 170 zu § 27; s auch Hauck in Hauck/Haines, SGB V § 27 RdNr 7 Stand: VI/99).
(3) Ein Ausschlußgrund für die vom Kläger begehrte Behandlung ergibt sich ferner nicht aus § 34 SGB V.
Arzneimittel zur Durchführung der SKAT gehören nicht zu den in § 34 Abs 1 SGB V genannten Bagatellarzneimitteln, für die die Versorgung gemäß § 31 SGB V bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist. Eine Verordnung nach § 34 Abs 2 SGB V (erweiterte Bagatellarzneimittelliste) ist bisher nicht ergangen.
Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs 3 SGB V mit Wirkung ab 1. Juli 1991 erlassene Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel vom 21. Februar 1990 (BGBl I 301) enthält ebenfalls keinen Ausschluß entsprechender Arzneimittel. Damit kann dahinstehen, ob der Verordnungsgeber eine entsprechende Regelungsbefugnis besäße.
(4) Dem Anspruch auf die SKAT als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung stand – ebenfalls entgegen der Meinung der Beklagten – die Regelung der Nr 17.1 Buchst f der aufgrund des § 92 Abs 1 Nr 6 SGB V beschlossenen AMRL in der bis zum 29. September 1998 geltenden Fassung vom 31. August 1993 (BAnz S 11155), zuletzt geändert am 23. Februar 1996 (BAnz S 4802), nicht entgegen. Hiernach durften nicht verordnet werden:
„Mittel, die ausschließlich der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienen sollen”.
Ungeachtet der Diskussion über die Rechtsnatur jener Richtlinien erfaßt bereits der Wortlaut der Regelung nicht den Einsatz eines Arzneimittels mit der Wirkungsweise von P. im Rahmen der SKAT. Denn hierbei geht es weder um „Anreizung” noch um „Steigerung” der sexuellen Potenz, sondern vielmehr darum, die nicht mehr vorhandene Erektionsfähigkeit (kasuell/situativ) bei bestehendem sexuellem Verlangen (Libido) wiederherzustellen. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.
Im übrigen verbietet sich eine Anwendung der Ausschlußregelung in dem von der Beklagten vertretenen Sinn auch nach einer der Ermächtigungsnorm konformen Auslegung. Denn § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ermächtigt jedenfalls nicht dazu, im Rahmen der AMRL die Behandlung bestimmter Krankheiten oder Krankheitssymptome zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen. Nach § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V beschließen die Bundesausschüsse (also der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen und der Bundesausschuß der Zahnärzte und Krankenkassen: § 91 Abs 1 SGB V)
„die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie.”
Nach Satz 2 dieser Vorschrift sollen die Bundesausschüsse
„insbesondere Richtlinien beschließen über die … 6. Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung und häuslicher Krankenpflege”.
§ 92 Abs 2 SGB V regelt hierzu ferner:
„Die Richtlinien nach Abs 1 Satz 2 Nr 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Festbeträge nach § 35 so zusammenzustellen, daß dem Arzt der Preisvergleich und die Auswahl therapiegerechter Verordnungsmengen ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:
- Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind
- Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
- Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie der Arzneimittelhersteller und der Berufsvertretungen der Apotheker ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen sind auch Stellungnahmen von Sachverständigen dieser Therapierichtungen einzuholen. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.”
Die Abs 3 und 3a des § 92 SGB V treffen verfahrens- und prozeßrechtliche Regelungen für die Erstellung und Anfechtung der Regelungen der AMRL.
Bereits die bestehende Rechtsprechung des BSG behandelt die AMRL zwar – anders als die Revision meint – nicht als bloßes „Verwaltungsbinnenrecht”. Den vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen erstellten Richtlinien kommt vielmehr, wie der 1. und der 6. Senat des BSG im Ergebnis übereinstimmend entschieden haben, Normqualität in dem Sinne zu, daß sie nicht nur innerhalb des Leistungserbringer-, sondern auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind (BSG, 1. Senat, vom 16. September 1997, SozR 3-2500 § 92 Nr 7; BSG, 6. Senat, vom 20. März 1996, BSGE 78, 70, beide zu den nach § 98 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V ergangenen Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ≪NUB-RL≫; s ferner BSG vom 18. März 1998, BSGE 82, 41, 47 f zu den Bedarfsplanungs-Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 9 SGB V). Diese Rechtsprechung hat der 1. Senat des BSG ausdrücklich auch auf die AMRL erstreckt (Urteil vom 9. Dezember 1997, BSGE 81, 240, 242 – Diätnahrungsmittel –). Er hat jedoch gleichzeitig (aaO) betont, daß die Ermächtigung des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V sich nur auf den Erlaß von Vorschriften zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung bezieht und dem Bundesausschuß nicht die Befugnis gibt, selbst Inhalt und Grenzen des Arzneimittelbegriffs festzulegen (BSGE aaO mwN). Gleichermaßen ist der Bundesausschuß nicht ermächtigt, den im vorliegenden Fall erheblichen Begriff „Krankheit” in § 27 Abs 1 SGB V hinsichtlich seines Inhalts und seiner Grenzen selbst zu bestimmen.
Eine hiernach unzulässige Einschränkung des Krankheitsbegriffs wäre es jedoch, wenn die AMRL (hier: noch in der bis 29. September 1998 geltenden Fassung) die „erektile Dysfunktion” (Impotenz) als regelwidrigen Körperzustand (s oben) aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließen wollten. Eine derartige Leistungseinschränkung läßt sich dem geltenden Krankenversicherungsrecht des SGB V nicht entnehmen. Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn man auf die Auffassung abstellt, es sei nicht zulässig, daß der Bundesausschuß in den AMRL einen verbindlichen Ausschluß bestimmter Gruppen von Arzneimitteln aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung regelt; dies sei dem Gesetz- oder Verordnungsgeber vorbehalten.
Im übrigen ist auch der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht von einem entsprechenden Regelungsinhalt der Nr 17.1 Buchstabe f AMRL (Fassung bis zum 29. September 1998) ausgegangen. Dies ergibt sich daraus, daß er für die Neufassung dieser Regelung (hierzu unter 5) zunächst die Formulierung ins Auge gefaßt hatte:
„Folgende Mittel dürfen … nicht verordnet werden: … Mittel, die ausschließlich der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienen sollen. Dies gilt auch für Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, die gegenüber der herkömmlichen Injektions- und Hilfsmitteltherapie, insbesondere wegen der damit verbundenen Mißbrauchsmöglichkeiten, unwirtschaftlich sind.”
(Entwurffassung laut Anhörungsschreiben des Bundesausschusses nach § 92 Abs 3a SGB V vom 26. Juni 1998).
Es sei darauf hingewiesen, daß die Regelungen nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen für die NUB-RL von vornherein einen weiteren Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum (BSG, 1. Senat, vom 16. September 1997, BSGE 81, 73, 85) einräumen als die oben zitierten Vorschriften zu den AMRL (s dazu BSG, 6. Senat, vom 20. März 1996, BSGE 78, 70, 76 f). Es bliebe im übrigen zu entscheiden, ob nicht dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen im Falle der AMRL auch für Wirtschaftlichkeitsfragen deshalb allenfalls ein stark eingeschränkter Entscheidungsspielraum zukommen kann, weil der Verordnungsgeber nach § 34 Abs 3 SGB V ebenfalls legitimiert ist, das Wirtschaftlichkeitsgebot für Arzneimittel näher umzusetzen. Selbst wenn jedoch auch § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 iVm Abs 2 SGB V die „Rechtsgrundlage für eine inhaltliche Interpretation des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12.” SGB V enthielte (so zu § 92 SGB V allgemein Hess in: Kasseler Komm, § 92 SGB V RdNr 2, Stand: 1998), so kann Gegenstand entsprechender Regelungen nicht die gesetzessystematisch vorrangige Entscheidung sein, ob beim Versicherten eine vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckte behandlungsbedürftige Krankheit besteht (§ 11 Abs 1 Nr 4 iVm § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V).
(5) Damit aber beantwortet sich auch die Frage, ob der Anspruch des Klägers auf Gewährung der SKAT über den 29. September 1998 hinaus durch die ab dem Folgetage geltende Neufassung der Nr 17.1 Buchst f der AMRL (Beschluß des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 3. August 1998, BAnz Nr 182 vom 29. September 1998, S 14491) eingeschränkt wird. Die hierdurch in die AMRL aufgenommene Regelung (Leistungsausschluß auch für „Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion” sowie der „Mittel, die ≪insoweit ist die Einschränkung ‚ausschließlich’ der zuvor geltenden Fassung weggefallen≫ der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienen”) ist jedenfalls im hier entscheidungserheblichen Umfang nicht durch die Ermächtigung in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V gedeckt und damit für den Senat unbeachtlich, welche Rechtsnatur auch immer man den Richtlinien beimißt.
Die Neufassung verweigert unterschiedslos jegliche Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Arzneimitteln und schließt damit auch die SKAT von der Verordnungsfähigkeit aus. Die hierfür gegebene Begründung (dem Senat liegen insoweit die ihm vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen zur Verfügung gestellten Materialien, insbesondere die „Erläuterungen zur Beschlußvorlage des Arbeitsausschusses ‚Arzneimittel’ ≪Nr 17.1 f≫”, ein Protokollauszug zur Sitzung des Bundesausschusses vom 3. August 1998 sowie die Presse-Mitteilung des Vorsitzenden des Bundesausschusses vom 3. August 1998 vor) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Im einzelnen gilt folgendes:
Zur Begründung der Neufassung wird angeführt, die erektile Dysfunktion könne nicht als solche grundsätzlich bereits als Krankheit iS des Leistungsrechts des SGB V bezeichnet werden. Sie trete bei ca 10 % der männlichen Bevölkerung auf und habe ihre Ursachen nur teilweise in einer anderen Krankheit, deren Behandlung Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sein könne. Bei Beurteilung der erektilen Dysfunktion träten Zweifel auf, in welchen Fällen es sich um einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit handele, mit der daraus resultierenden Behandlungsbedürftigkeit. Es könne nicht eindeutig entschieden werden, ob symptomatisch wirkende Arzneimittel, welche situativ vom Betroffenen zur Herstellung oder Unterstützung „normaler” Körperfunktionen in Situationen mit sexuellen Stimulationen eingesetzt würden, als Arzneimittel verstanden werden könnten, die zur gezielten Krankheitsbehandlung eingesetzt würden. Es sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, solche Arzneimittel, welche erst durch eine Entscheidung im privaten Bereich der Sexualität ihre gegebene Anwendungsmöglichkeit erfahren, um die durch verschiedene Ursachen begründbaren und unterschiedlich erheblichen Störungen situationsbedingt überwinden zu helfen, als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Dieser Argumentation, die unterschiedslos alle Fälle erektiler Dysfunktion pauschal von der Krankenbehandlung ausschließt, kann nicht zugestimmt werden. Sie überschreitet die dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen allenfalls zustehenden Beurteilungsspielräume im Bereich des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Dies wäre nur dann unschädlich, wenn der Bundesausschuß hierdurch (deklaratorisch) in den Richtlinien einen Ausschluß regeln würde, der im Ergebnis bereits von Gesetzes wegen gälte. Dies ist aber nicht der Fall.
Oben unter (1) ist bereits ausgeführt, daß auf der Grundlage des geltenden Rechts die beim Kläger vorliegende erektile Dysfunktion eine behandlungsbedürftige (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 33 SGB V) Krankheit ist. Ihr Ausschluß von den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung steht auch im Widerspruch zur bisherigen Rechtsanwendung, wie bereits aus dem Beschluß der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 7. März 1994 zur Aufnahme ua der Vakuumpumpe (als Nr 99.27.02) in das Hilfsmittelverzeichnis (§ 128 SGB V) hervorgeht (BAnz Nr 84 vom 4. Mai 1994, S 4730, 4731). Hierin heißt es:
„Neben Operationen zur Wiederherstellung der arteriellen Blutversorgung oder der Entfernung von Venen, die das Blut schnell aus dem Penis abfließen lassen, haben sich als Behandlungskonzepte der erektilen Dysfunktion auch der operative Einsatz von Penisimplantaten sowie die intrakavernöse Injektion (Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie = SKAT) bewährt.
Als Alternative zu operativen Maßnahmen und längerfristiger Anwendung von SKAT kommt die symptomatische Behandlung erektiler Dysfunktion mittels Vakuum-Erektionssystemen in Betracht …”
Der Beschluß des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 3. August 1998 wird, soweit ersichtlich, auch nicht von der Überzeugung getragen, daß die bisher schon teilweise von den Krankenkassen übernommene Behandlung einer erektilen Dysfunktion durch die SKAT überhand genommen habe. Vielmehr steht dieser Beschluß im Zusammenhang mit der – zum 1. Oktober 1998 erfolgten – bevorstehenden Zulassung des Arzneimittels V. in Deutschland. Die Befürchtungen, damit würde eine „Lifestyle-Droge”, die das Leben lediglich angenehmer mache, jedoch keine Heilung bewirke, die gesetzliche Krankenversicherung ausbluten (Krimmel, Deutsches Ärzteblatt 95 - 1998 -, C-1107 f), es werde sich insbesondere ein Schwarzmarkt an von den Versicherten nicht persönlich gebrauchten Tabletten entwickeln (s „bw” in: Der Kassenarzt 36/1998, 22; allg zur Wirtschaftlichkeit bei der Möglichkeit einer Weitergabe eines Arzneimittels: BSG, 1. Senat, vom 5. Juli 1995, BSGE 76, 194, 201 f und 6. Senat vom 18. Oktober 1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8), mögen nachvollziehbar sein. Der Senat kann jedoch offenlassen, ob diese Erwägungen es nach geltendem Recht rechtfertigen, eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich V. zu verneinen. Denn die Gesichtspunkte tragen jedenfalls bei der im vorliegenden Verfahren streitigen SKAT nicht.
Im übrigen hatte der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in seiner Sitzung vom 26. Juni 1998 zunächst die bereits oben (zu 4) zitierte Fassung der Nr 17.1 Buchst f AMRL ins Auge gefaßt, die die SKAT als „herkömmliche Injektionstherapie” ausdrücklich vom Verordnungsausschluß ausnehmen wollte. Auch dies deutet darauf hin, daß die Bedenken, die anläßlich der Einführung des Arzneimittels V. zum generellen Ausschluß entsprechender Arzneimittel geführt haben (Beschluß des Bundesausschusses vom 3. August 1998), für die SKAT nicht gelten.
Vom Arbeitsausschuß „Arzneimittel” des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen wird zur Begründung der Neuregelung in Nr 17.1 Buchst f AMRL ferner das Argument herangezogen (Erläuterungen zu seiner Beschlußvorlage, Stand: 29. Juli 1998), das Wirtschaftlichkeitsgebot sei bei Arzneimitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion
„nicht anwendbar …, da sich der private und intime Lebenssachverhalt einschließlich der damit verbundenen subjektiven Entscheidungen, welche erst die Situation bedingen, in der (eine erektile Dysfunktion) auftritt, einer Regelung in Richtlinien im Hinblick auf Abgrenzungen zu Indikationen, Graden der Behandlungsbedürftigkeit, Altersgrenzen, Anwendungshäufigkeit uä völlig entzieht. Schon der mittelbare Versuch, in Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, ‚sexuelle Verhaltensmodelle’ für den ‚wirtschaftlichen’ Gebrauch entsprechender Arzneimittel vorzusehen, verstieße gegen die Würde der Person, wie sie durch das Grundgesetz geschützt ist und auch Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zukommt.”
Dem ist entgegenzuhalten, daß man aus Art 1 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) zwar keinen Anspruch auf eine umfassende medizinische Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung herleiten kann; aber wenn ein derartiger Anspruch – einfachrechtlich – gewährleistet wird, entspricht das dem Grundsatz der Menschenwürde eher als erhebliche Lücken in diesem Bereich, die Personen mit geringem Einkommen im Gegensatz zu Begüterten nicht schließen können.
Die für die Neufassung der AMRL genannten Gesichtspunkte vermögen allenfalls – soweit nicht von vornherein unschlüssig – dem Gesetzgeber als Begründung für ein (bislang nicht ersichtliches) Gesetzesvorhaben zu dienen, in einer die Grundnorm des § 27 SGB V einschränkenden Weise die Behandlung der erektilen Dysfunktion aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung von vornherein auszuschließen; ähnliches wurde in § 28 Abs 2 Satz 6 SGB V (idF durch Art 1 des Gesetzes vom 8. Mai 1998, BGBl I 907 mit Wirkung vom 1. Januar 1999) hinsichtlich der kieferorthopädischen Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, vorgenommen, ebenso in § 30 Abs 1a SGB V idF durch Art 2 Nr 7 des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1. November 1996 hinsichtlich der Einschränkung des Anspruchs auf Versorgung mit Zahnersatz für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1978 geboren sind (diese Regelung wurde mit der Neufassung des § 30 SGB V durch Art 1 Nr 3 des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 ≪BGBl I 3853≫ wieder aufgehoben).
In ähnlicher Weise obläge es dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob er die Behandlung von Gesundheitsstörungen, die nach der herkömmlichen Begriffsbestimmung als „Krankheit” iS des § 27 Abs 1 SGB V zu verstehen sind, auf Kosten der solidarisch haftenden Versichertengemeinschaft deshalb untersagen will, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnung nicht überprüfbar ist.
(6) Nach der neuen Fassung der AMRL, die am 1. April 1999 in Kraft treten sollte, jedoch durch einstweilige Verfügung hieran gehindert wurde (LG Hamburg vom 31. März 1999 - 315 O 143/99 ua, s MedR 1999, 268), würde im Ergebnis nichts anderes gelten. Die obigen Ausführungen zu Nr 17.1 Buchst f der alten Fassung betreffen die neue Fassung (im Entwurf unter Nr 8.3 zum Stichwort „Potenzmittel”) gleichermaßen.
Der Senat sieht keinen Anlaß, sich zu Nr 41 AMRL in der neuen Fassung zu äußern. Hiernach soll (idF des Entwurfs) die Verordnung von Arzneimitteln über ihren zugelassenen Anwendungsbereich hinaus (nur) im Rahmen eines individuellen Heilversuchs und mit Zustimmung der Krankenkasse möglich sein.
Nach allem steht dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung der SKAT unter Verwendung eines hierfür geeigneten Arzneimittels zu, wie es (als Arzneimittel) inzwischen für die SKAT auch arzneimittelrechtlich für diese Indikation zugelassen ist (zB C. s auch unten zu 8).
(7) Dem geltend gemachten Erstattungsanspruch für die Selbstbeschaffung des Präparats „P. ” am 13. September 1996 könnte grundsätzlich entgegenstehen, daß jenes Präparat arzneimittelrechtlich nicht zur Verwendung bei der SKAT zugelassen ist, sondern nur mit der Indikation „chronische arterielle Verschlußkrankheit im Stadium III und IV” (a). Daß mit dieser Indikation nicht zugleich die Verwendung zur SKAT bei erektiler Dysfunktion infolge einer arteriellen Durchblutungsstörung der Penisschwellkörper umfaßt ist, ergibt sich aus der vom Senat eingeholten Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 15. Juli 1999. Die hieraus folgende rechtliche Problematik braucht der Senat jedoch nicht abschließend zu entscheiden, da dem Kläger jedenfalls aus den besonderen Gründen des Einzelfalls der geltend gemachte Erstattungsanspruch zusteht (b).
(a) Der Senat kann offenlassen, ob die Verwendung des Präparats P. zur SKAT arzt- oder arzneimittelrechtlich verboten ist:
Die Arzneimittelzulassung wird nicht generell, sondern jeweils für bestimmte Anwendungsgebiete erteilt. Dies hat seinen Grund darin, daß Gegenstand der Prüfung bei der Zulassung ua ist, ob das Arzneimittel bei den mit dem Zulassungsantrag angegebenen Anwendungsgebieten (§ 22 Abs 1 Nr 6 Arzneimittelgesetz ≪AMG≫) angemessen wirksam ist (§ 24 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AMG); darüber hinaus erfolgt keine Prüfung. Die zuständige Bundesoberbehörde (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: § 77 Abs 1 AMG) ist in ihrer Entscheidung insoweit vom Antrag abhängig; sie kann kein anderes oder zusätzliches Indikationsgebiet zulassen, als beantragt wurde. Bei einer Erweiterung der Anwendungsgebiete ist eine neue Zulassung zu beantragen (§ 29 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AMG). Diese Beschränkung gilt zunächst nur für diejenigen, die Arzneimittel in den Verkehr bringen (§ 21 Abs 3 AMG), insbesondere für den pharmazeutischen Unternehmer. Dieser handelt zumindest ordnungswidrig, wenn er Anwendungsgebiete auf der Packungsbeilage unrichtig angibt (§ 97 Abs 2 Nr 5 iVm § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 6 AMG; nach Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Komm, Stand: 1998, § 25 AMG RdNr 49 bringt der pharmazeutische Unternehmer bei Nennung von Anwendungsgebieten, die im Zulassungsbescheid nicht aufgeführt sind, insoweit ein Arzneimittel ohne Zulassung in Verkehr, was nach § 96 Nr 5 AMG strafbar ist).
Soweit ersichtlich, wird der Arzt jedoch überwiegend in seiner Entscheidung, ob er ein zugelassenes Arzneimittel außerhalb des Rahmens der erteilten Zulassung verordnen bzw anwenden will, als arzneimittelrechlich frei angesehen (s OLG Köln vom 30. Mai 1990 - 27 U 169/89 -, VersR 1991, 186, 188 f – Aciclovir – mit Anm Deutsch aaO 189 sowie Giesen, JR 1991, 464; ferner BGH vom 5. Dezember 1995, NJW 1996, 1593, 1597 ≪insoweit nicht in BGHZ 131, 247≫: kein Anspruch gegen einen Patent-Inhaber ≪Pharma-Unternehmen≫ auf Erteilung einer Zwangslizenz zur Herstellung eines Arzneimittels für eine vom Patent-Inhaber nicht in Anspruch genommene Indikation ua deshalb, weil dem behandelnden Arzt die Verwendung für die nicht zugelassene Indikation „nicht verschlossen” ist; ferner Deutsch, Medizinrecht, 4. Aufl 1999, RdNr 728; aA anscheinend Hennies, ArztR 1996, 95, 96: Durch Verabreichen eines Arzneimittels für eine nicht zugelassene Indikation verstoße der Arzt gegen § 21 Abs 1 AMG); hierbei habe er allerdings uU gesteigerte Sorgfaltspflichten zu beachten (zB bei der Aufklärung des Patienten und der Dokumentation; s hierzu insgesamt Wartensleben, ArztuR 2/1997, 3).
Dagegen sprechen – soweit gegenwärtig ersichtlich – nach Auffassung des Senats die überwiegenden Gründe dafür, daß sich die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht auf den nicht zulassungsentsprechenden Einsatz eines Arzneimittels erstreckt.
Der erkennende Senat sieht sich insoweit in Widerspruch zur Rechtsmeinung des 1. Senats des BSG. Dieser hat mit Urteilen vom 8. Juni 1993 (BSGE 72, 252 - Goldnerz-Aufbaucreme), vom 8. März 1995 (SozR 3-2500 § 31 Nr 3 - Edelfosin) sowie vom 23. Juli 1998 (BSGE 82, 233 - Jomol) zwar entschieden, daß zulassungspflichtige Arzneimittel ohne Zulassung nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen: Die Krankenkasse ist zwar nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V zur Versorgung ihrer Versicherten mit den für die Krankenbehandlung notwendigen Arzneimitteln verpflichtet. Diese Verpflichtung unterliegt aber den Einschränkungen aus § 2 Abs 4 und § 12 Abs 1 SGB V; sie umfaßt nur solche Leistungen, die für die Behandlung zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. An der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Arzneitherapie fehlt es, wenn das verwendete Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf und die Zulassung nicht erteilt worden ist (BSG vom 23. Juli 1998, BSGE 82, 233, 235 f - Jomol). Im vorliegenden Fall ist das Arzneimittel „P. ” jedoch zugelassen; zweifelhaft ist lediglich, ob es auch außerhalb seines „zugelassenen” Indikationsbereichs auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden darf.
Auf diese Frage ist der 1. Senat zunächst nicht eingegangen (s BSG vom 8. März 1995, SozR 3-2500 § 31 Nr 3, S 11 – Edelfosin – zum Hinweis des damaligen Klägers auf das „Aciclovir”-Urteil des OLG Köln), später hat er sie jedoch zumindest konkludent bejaht: Im „Remedacen”-Urteil vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194, 196) geht der 1. Senat davon aus, daß die beklagte Krankenkasse nicht zur Kostenerstattung verpflichtet wäre, wenn das Präparat zu den nicht verkehrsfähigen oder nicht verschreibungsfähigen Arzneimitteln gehörte (Hinweis auf die Urteile „Goldnerz-Aufbaucreme” und „Edelfosin”). Dies sei jedoch nicht der Fall: „Dabei spielt es rechtlich keine Rolle, daß Remedacen für die Anwendung bei akutem oder chronischem Reizhusten zugelassen worden ist und nicht als Substitutionsmittel bei Drogenabhängigkeit.” Der Rechtsstreit wurde zur Aufklärung der Eignung von Remedacen als Substitutionsmittel zurückverwiesen (aaO, S 202 f). Wäre der 1. Senat von der Rechtsauffassung ausgegangen, ein Arzneimittel sei für eine nicht zugelassene Indikation nicht verschreibungsfähig, wäre diese Frage irrelevant und der 1. Senat hätte den Rechtsstreit zuungunsten der damaligen Klägerin entscheiden müssen. Gegen die aus den zitierten Ausführungen zu schließende Auffassung des 1. Senats hegt der erkennende Senat Bedenken. Er geht dabei von folgenden Überlegungen aus:
Der 1. Senat des BSG hatte zunächst die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für Fälle verneint, in denen dem in Rede stehenden Präparat die nach dem AMG erforderliche Zulassung zum Verkehr von der zuständigen Bundesoberbehörde (früher: Bundesgesundheitsamt; jetzt: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) ausdrücklich versagt worden war (Urteile vom 8. Juni 1993, BSGE 72, 252 - Goldnerz-Aufbaucreme: Zulassungsantrag bestandskräftig abgelehnt – und vom 8. März 1995, SozR 3-2500 § 31 Nr 3 – Edelfosin: Ablehnung der Zulassung vor dem Verwaltungsgericht angefochten – die Verfassungsbeschwerde gegen das letztgenannte Urteil hat das Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ nicht zur Entscheidung angenommen: Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 5. März 1997 - 1 BvR 1071/95 = Breith 1997, 764). Diese Sperrwirkung der negativen Zulassungsentscheidung hatte er damit begründet, daß die Voraussetzungen für die arzneimittelrechtliche Zulassung den Mindestanforderungen entsprechen, die im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an eine wirtschaftliche und zweckmäßige Verordnungsweise zu stellen sind. Der 1. Senat hatte darauf verwiesen, daß das Zulassungsverfahren nach dem AMG, wie sich aus dem Zweck des Gesetzes (§ 1 AMG) und der Aufzählung der Versagungsgründe in § 25 Abs 2 Satz 1 AMG ergibt, nicht nur der Abwehr von gesundheitsgefährdenden Arzneimitteln dient, sondern zugleich eine ausreichende Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel gewährleisten soll. Wird deshalb einem Arzneimittel aus einem der zwingenden Gründe des § 25 Abs 2 AMG die amtliche Zulassung versagt, darf das Mittel grundsätzlich auch nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat in vollem Umfang an.
Ob dem Fehlen der arzneimittelrechtlichen Zulassung dieselbe Wirkung auch dann zukommt, wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde aussteht, sei es, weil der Hersteller des Medikaments die Zulassung nicht beantragt hat oder weil das Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde, war zunächst offengeblieben. Im Urteil vom 23. Juli 1998 (BSGE 82, 233, 236 – Jomol –; vgl BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschluß vom 5. März 1997 - 1 BvR 1068/96 = MedR 1997, 318) hat der 1. Senat jedoch entschieden, daß auch für diese Konstellation nichts anderes gelten kann. Das Arzneimittelrecht geht davon aus, daß Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments regelmäßig vor der Freigabe zur Anwendung am Patienten in einem Zulassungsverfahren nachzuweisen sind. Dazu hat der Hersteller die für eine Überprüfung notwendige vollständige Dokumentation (§§ 22 ff AMG) vorzulegen; ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der vom Gesetz geforderten Kriterien (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Komm, Stand: 1998, § 25 AMG Anm 37). Bereits die nicht behebbare Unvollständigkeit der Unterlagen führt dazu, daß die Zulassung versagt werden muß, weil dann die ua in § 25 Abs 2 Satz 1 Nrn 3, 4 und 5 AMG normierten Anforderungen an die Qualität, die therapeutische Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit des Präparats nicht geprüft werden und damit nicht als gesichert gelten können (BSG vom 8. Juni 1993, BSGE 72, 252, 259 - Goldnerz-Aufbaucreme). Daraus folgt umgekehrt, daß die Ablehnung der Zulassung nicht zwangsläufig die Unwirksamkeit oder Schädlichkeit des Medikaments belegt, sondern nur besagt, daß seine Wirksamkeit bzw seine Unbedenklichkeit nicht nachgewiesen wurden. Diese Situation besteht in gleicher Weise, wenn ein Zulassungsverfahren (noch) nicht durchgeführt wurde. Auch dann ist es sachgerecht, die Verordnungsfähigkeit des Medikaments zu Lasten der Krankenkassen zu verneinen, weil ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis in einem dafür vorgesehenen und geeigneten Verfahren nicht erbracht worden ist. Dem schließt sich der erkennende Senat ebenfalls an.
Auf dieser Grundlage sollte jedoch die Verwendung eines Arzneimittels in einem nicht zugelassenen Anwendungsbereich grundsätzlich nicht anders beurteilt werden. Denn jedenfalls für diesen ist die Wirksamkeit des Präparats nicht nachgewiesen (vgl § 24 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 25 Abs 2 Satz 1 Nr 4 AMG); gleichermaßen ist nicht ausgeschlossen, daß das Arzneimittel bei seinem Gebrauch außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (§ 25 Abs 2 Satz 1 Nr 5 AMG). Hierbei ist beachtlich, daß je nach Indikation das Patientengut (hinsichtlich Alter, Geschlecht, Konstitution, Begleiterkrankungen) völlig verschieden sein kann, so daß eine Nebenwirkung, die bei einer Indikation hingenommen wird, weil sie nur relativ wenige Patienten betreffen kann, zur Ablehnung einer anderen Indikation führt, da bei dieser sehr viele betroffen sind. Ebensowenig wie in den Fallkonstellationen der oben zitierten Urteile („Goldnerz-Aufbaucreme”, „Edelfosin”, „Jomol”) kann eine Rolle spielen, ob für das – im Hinblick auf einen anderen Anwendungsbereich zugelassene – Arzneimittel ein Antrag auf Erweiterung der Anwendungsgebiete (§ 29 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AMG) gestellt oder etwa bereits – bindend – abschlägig beschieden worden ist; bei keiner jener Alternativen liegt die positive Zulassung mit ihren oben näher beschriebenen Prüfungsergebnissen vor.
Eine andere Entscheidung zur indikationsfremden Versorgung mit Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung würde es ermöglichen, das Recht der Arzneimittelzulassung in weiten Teilen zu umgehen: Der Hersteller brauchte lediglich – für ihn kostengünstig – die Zulassung eines Arzneimittels für eine „problemlose”, bereits hinreichend erforschte und dokumentierte Indikation zu erwirken; danach könnte bei den Ärzten die Verwendung jenes Arzneimittels zu jedwedem Zweck propagiert werden (s auch „Medical Tribune” vom 6. November 1998, S 10, zu einer Pressekonferenz der S. – Herstellerin von P. – zur SKAT).
Es wäre auch vom Aufgabengebiet her weder sachgerecht noch praktikabel, den Krankenkassen und den Sozialgerichten bei der Fülle der denkbaren Fälle im jeweiligen Einzelfall die Entscheidung darüber zuzuweisen, ob durch die indikationsfremde Verordnung eines Arzneimittels den Belangen der Wirksamkeit und Arzneimittelsicherheit ausreichend Rechnung getragen wurde. Für den hierfür zu führenden Nachweis ist speziell die förmliche Zulassung vorgesehen. Die Beurteilung der insoweit erheblichen Fragen obliegt nach dem Regelungssystem dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als der nach dem AMG zuständigen Behörde. Diese Behörde ist institutionell mit dem notwendigen Sachverstand ausgestattet und handelt in dem gesetzlich näher geregelten Verfahren, dessen Ergebnis vom Antragsteller (Pharma-Hersteller) mit Rechtsbehelfen angefochten werden kann. Dem ganz entsprechend hat auch der 1. Senat des BSG die noch im „Remedacen”-Urteil (BSG vom 5. Juli 1995, BSGE 76, 194, 197 ff) vertretene Ansicht aufgegeben, (noch) nicht vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen empfohlene neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürften dann zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen (Nachweis der Wirksamkeit anhand von Statistiken; keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich von Nebenwirkungen) erfüllt seien. Vielmehr gilt seit den Urteilen des 1. Senats vom 16. September 1997 (BSGE 81, 54, ≪dort S 66 zu den Aussagen des „Remedacen”-Urteils≫ = SozR 3-2500 § 135 Nr 4) insoweit – mit der engen Ausnahme eines Systemmangels (dort S 65 f) – der Vorrang der Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Dies hat der 1. Senat ua mit der Fragwürdigkeit der eigenen medizinischen Beurteilung durch die Sozialgerichte begründet (BSGE 81, 54, 69 f).
Bedenken gegen dieses Ergebnis dürften sich aus dem Grundsatz der Therapiefreiheit nicht herleiten lassen. Auch diese (als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit des Patienten oder der Berufsfreiheit des Arztes) steht unter dem Vorbehalt des Leistungsrechts, wobei, wie bereits der 1. Senat des BSG ausgeführt hat, das Interesse des Beitragszahlers am sinnvollen – im Rahmen des AMG abgesicherten – Einsatz der Mittel höher zu bewerten ist als das Interesse des Erkrankten an medizinischen Versuchen, dh an der Verwendung letztlich – nach unserem Rechtssystem – ungesicherter Präparate (vgl BSG vom 16. September 1997, BSGE 81, 54, 73).
Mit einer Ablehnung der indikationsfremden Verordnung eines Arzneimittels zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung wäre schließlich keine eigenständige Entscheidung zu Lasten des medizinischen Fortschritts getroffen; in welchen Bahnen sich dieser durchsetzen kann, regelt gerade das AMG. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist jedenfalls nicht, Erprobungen von medizinischen Produkten oder Dienstleistungen zu finanzieren. Die Grundsätze des § 12 Abs 1 und § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V verbieten es, die Erprobung neuer Methoden oder die medizinische Forschung zu den Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu rechnen (BSG vom 16. September 1997, BSGE 81, 54, 67 f mwN). Dieser Gesichtspunkt mag es auch rechtfertigen, die indikationsfremde Verwendung von Arzneimitteln außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen, nicht aber zu Lasten der Krankenkassen.
Zu diskutieren bliebe allerdings, ob nicht Ausnahmen von dem prinzipiellen Verbot der indikationsfremden Verordnung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen sind: In gravierenden Fällen, etwa zur Behandlung ernsthafter, lebensbedrohender Erkrankungen (zB Krebserkrankungen im Kindesalter, hierzu Schuh, „Onkel Doktors Dilemma” in: Die Zeit 22/1999 S 41 f) muß auch bei ambulanter Behandlung (im stationären Bereich stellt sich das Problem nicht in dieser Form) der indikationsfremde Einsatz von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet sein, wenn eine Alternative nicht zur Verfügung steht (Gesichtspunkt des Notstands: Deutsch, Medizinrecht, 4. Aufl 1999, S 509). Im vorliegenden Fall kann dies der Senat jedoch offenlassen – ebenso wie den Lösungsansatz der Nr 41 AMRL nF (s oben unter 6), die indikationsfremde Verordnung (nur) im Rahmen eines individuellen Heilversuchs mit Zustimmung der Krankenkasse zuzulassen.
Der Senat kann für den hier zu entscheidenden Fall ebenfalls dahingestellt sein lassen, ob die Behandlung mit einem Arzneimittel außerhalb seines zugelassenen Anwendungsbereichs nicht (auch) zumindest eine „neue Behandlungsmethode” iS des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5, § 135 Abs 1 SGB V darstellt (so in der Tendenz bereits BSG, 1. Senat, vom 5. Juli 1995, BSGE 76, 194, 197), deren Anwendung nach der neueren Rechtsprechung des BSG grundsätzlich eine vorherige Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in den entsprechenden Richtlinien voraussetzt (s BSG, 1. Senat, vom 16. September 1997, BSGE 81, 54, 57 ff). Dies würde bedeuten, daß jedenfalls vor einer entsprechenden Empfehlung das Arzneimittel in der nicht zugelassenen Indikation nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfte (zu Ausnahmen s Urteil vom 16. September 1997, BSGE 81, 54, Leitsatz 2, 65 f).
(b) Die sich aus dem Vorstehenden ergebende rechtliche Problematik bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung; demgemäß kann auch dahingestellt bleiben, ob die Erkenntnisse des Senats nach dem gegenwärtigen Streitstand zu einer abschließenden Entscheidung darüber ausreichen, ob die indikationsfremde Verwendung von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen ist oder nicht.
Denn jedenfalls der im vorliegenden Fall streitige Erstattungsanspruch des Klägers nach § 13 Abs 3, Alternative 2 SGB V für die Selbstbeschaffung des Arzneimittels P. (Arztverordnung vom 14. Mai 1996, Apothekenquittung vom 13. September 1996) ist – noch – begründet. Der Senat trägt damit dem durch das Urteil des 1. Senats vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194, 196) begründeten Vertrauen darauf Rechnung, daß auch indikationsfremde Verordnungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig sind. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzes bei seiner Entscheidung hält der Senat auch deshalb für geboten, weil zwischen den Beteiligten gerade nicht über die hier maßgebliche Rechtsfrage gestritten wurde; im Gegenteil hat sich die Beklagte vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht auf die indikationsfremde Verwendung von P. gestützt. Auf den Vertrauenstatbestand des zitierten Urteils des 1. Senats können sich Versicherte jedoch jedenfalls nach Veröffentlichung des vorliegenden Urteils nicht mehr berufen (zu einer entsprechenden Vorgehensweise s bereits BSG vom 8. April 1992, BSGE 70, 265, 267 f = SozR 3-4100 § 141k Nr 1; vgl ferner BSG vom 26. Juni 1985 - 12 RK 23/84, USK 8562 sowie BSG vom 18. November 1980, BSGE 51, 31, 36 ff = SozR 2200 § 1399 Nr 13).
(8) Das Ergebnis, daß dem Kläger ein Erstattungsanspruch für die Selbstbeschaffung des Arzneimittels P. zur Durchführung der SKAT zusteht, könnte jedoch von vornherein nur für den Zeitraum gelten, in dem noch kein Alternativ-Präparat mit derselben Zusammensetzung wie das Präparat P. (Wirkstoff: Alprostadil) zur Verwendung bei der SKAT arzneimittelrechtlich zugelassen war. Jedenfalls ab Zulassung eines entsprechenden Präparats mit der einschlägigen Indikation bestünde in keiner Hinsicht mehr die oben geschilderte Konstellation; es fehlte an einer wie auch immer gearteten Notwendigkeit, auf ein indikationsfremd eingesetztes Medikament zurückzugreifen. Der Senat läßt offen, wie bei einem Preisvorteil des indikationsfremd zugelassenen Medikaments zu entscheiden wäre.
Feststellungen des LSG dazu, ob ein Arzneimittel mit dem in P. verwendeten Wirkstoff, jedoch für die Verwendung zur SKAT bei erektiler Dysfunktion, zugelassen ist, fehlen. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 15. Juli 1999 ist das wirkstoffgleiche „C. ” am 30. Juli 1997 für die SKAT bei erektiler Dysfunktion zugelassen worden. Von dem Zeitpunkt der Zulassung jenes Präparats an bestünde jedenfalls von vornherein kein Erstattungsanspruch mehr bei Selbstbeschaffung des Arzneimittels P. zur Durchführung der SKAT.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543041 |
BSGE, 36 |
DStR 2001, 1222 |
NJW 2000, 2764 |
NZS 2000, 245 |
SozSi 2000, 170 |