Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Pfalz |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darum, ob den Klägern ein Anspruch auf die Genehmigung zur Abrechnung einer neurologischen Leistung zusteht.
Die Kläger zu 1. und 2. nehmen im Bereich der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis als praktischer Arzt (Kläger zu 1., der auch Facharzt für Kinderheilkunde ist) bzw als Arzt für Innere Medizin (Kläger zu 2.) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Nachdem im Dezember 1995 in einer „Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des EBM-Ä” (im folgenden: Ergänzende Vereinbarung) die Abrechenbarkeit der mit 400 Punkten bewerteten Leistung Nr 800 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä; „Erhebung des vollständigen neurologischen Status …”) mit Wirkung vom 1. Januar 1996 auf Nervenärzte, Neurologen und Neurochirurgen beschränkt worden war, beantragten die Kläger im Januar 1996 bei der Beklagten, zugunsten des Klägers zu 1. eine in Abschnitt 4a Nr 7 Abs 5 der Vereinbarung enthaltene Ausnahmeregelung anzuwenden. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 1996 und Widerspruchsbescheid vom 26. April 1996 ab, da sich die dafür notwendige Schwerpunkttätigkeit aus den Abrechnungszahlen der Gemeinschaftspraxis nicht ergebe; im Quartal II/1995 seien nur 0,65% der abgerechneten Punkte auf diese Gebühren-Nr entfallen, im Quartal III/1995 0,68%; die Leistungen würden zudem im Landkreis und in der Stadt K. von insgesamt sechs Neurologen bzw Nervenärzten angeboten bzw abgerechnet, so daß auch ein nach der Ergänzenden Vereinbarung dafür erforderlicher Sicherstellungsbedarf fehle.
Das Sozialgericht Mainz hat die Regelung des EBM-Ä für rechtmäßig gehalten und die Klage ebenfalls mangels entsprechenden Praxisschwerpunktes (Quartal II/1995: 36 Fälle mit Ansatz der Nr 800 EBM-Ä von insgesamt 2.742 abgerechneten Fällen; III/1995: 37 Fälle von 2.813 abgerechneten Fällen) und mangels Sicherstellungsnotwendigkeit abgewiesen (Urteil vom 28. Mai 1997).
Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die streitigen Regelungen als mit höherrangigem Recht vereinbar angesehen. Neurologische Basisuntersuchungen (Nr 801 EBM-Ä) und psychiatrische Leistungen könne der Kläger zu 1. als Hausarzt auch weiterhin abrechnen (nach Nrn 10, 11 und 19 EBM-Ä). Eine möglicherweise damit verbundene niedrigere Vergütung führe nicht zur Rechtswidrigkeit. Die Voraussetzungen der Nr 7 der Ergänzenden Vereinbarung erfülle der Kläger zu 1. nicht, da die Versorgung entsprechender Patienten kein Schwerpunkt seiner Praxistätigkeit sei. Er habe die Nr 800 EBM-Ä in den Quartalen II und III/1995 nur in äußerst geringem Umfang abgerechnet. Der Nachweis eines Praxisschwerpunktes sei von objektiven Kriterien wie der Menge der abgerechneten Fälle bzw Punkte abhängig und unterliege nicht der persönlichen Einschätzung des einzelnen Arztes. Die fehlende Abrechnungsmöglichkeit der streitigen EBM-Ä-Nr verstoße nicht gegen Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG), da nur Modalitäten der Ausübung des Arztberufes und das Vergütungsrecht betroffen seien. Die mit der Neuregelung beabsichtigte Steigerung der Effizienz der vertragsärztlichen Versorgung und die Schaffung eines Anreizes zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven und Rationalisierungspotentialen seien zudem gewichtige Gemeinwohlbelange (Urteil vom 26. November 1998).
Mit ihrer Revision rügen die Kläger einen Verstoß gegen Art 12 GG iVm § 87 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der Kläger zu 1. verfüge nicht nur über die Qualifikation, Leistungen nach Nr 800 EBM-Ä zu erbringen; insoweit bestehe auch ein Versorgungsbedarf. Zwar treffe zu, daß ihre Praxis die fragliche Leistung in den genannten Quartalen nur 36 bzw 37 mal abgerechnet habe. Die daran anknüpfende Bildung einer Relation zu den insgesamt abgerechneten Punktzahlen oder Leistungen der Praxis fülle das Tatbestandsmerkmal „Schwerpunkt” indessen nicht sachgerecht aus. Dieser Begriff wolle nur deutlich machen, daß es um eine Leistung gehe, die in der Praxis nicht nur „nebenbei” erbracht werde, sondern daß die fachliche Qualifikation des Leistungserbringers mit einer fortlaufenden Leistungserbringung korrespondiere. Schon die vollständig betrachtete Leistungslegende der Nr 800 EBM-Ä zeige, daß es sich hierbei um ein Untersuchungsprogramm handele, welches selten nötig sei – zumal bei Kindern mit besonderer Verdachtsdiagnose – und stets eine besondere Indikation erfordere. Die Leistung werde von niedergelassenen Neurologen kaum erbracht, da ihr Umfang mit den notwendigen Nebenleistungen den regelmäßigen Ablauf einer neurologischen Praxis über Gebühr störe. Neurologen verwiesen Kinder für diese Untersuchungen häufig an eine Fachklinik, an der der Kläger zu 1. ausgebildet worden sei. Entscheidend für einen „Schwerpunkt” müsse mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung der Versorgung mittels fachlich qualifizierter Ärzte sein, ob die einzelne Leistung – ggf im Zusammenhang mit anderen Leistungen – so oft erbracht werde, daß der Leistungserbringer seine fachliche Qualifikation in der Praxis laufend auf den Prüfstand stelle und entsprechend weitere Erfahrungen sammele. Kein Neurologe habe die Nr 800 EBM-Ä bei Kindern in wesentlich größerem Umfang abgerechnet als der Kläger zu 1. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals erfordere im Lichte der Berufsfreiheit, daß nur durch ein besonderes öffentliches Interesse gerechtfertigte Einschränkungen zulässig seien. Das LSG begünstige dagegen zu Unrecht „Vielabrechner” und verkenne, daß es nicht allein um eine Abrechnungsfrage gehe, sondern um das Ob einer Leistungserbringung. Die Problematik des Rechtsstreits entspreche derjenigen bei orthopädischen Rheumatologen, denen unzulässig die Erbringung der Nr 16 EBM-Ä untersagt worden sei (BSGE 83, 218 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21).
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 1998 sowie des Sozialgerichts Mainz vom 28. Mai 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. März 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1996 zu verurteilen, dem Kläger zu 1. die Genehmigung zur Abrechnung der Nr 800 EBM-Ä zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, daß das Bundessozialgericht (BSG) schon im Januar 1999 in bezug auf Kinderärzte den Arztgruppenvorbehalt bei der Nr 800 EBM-Ä für rechtmäßig erachtet habe. Nichts anderes könne für Praktische Ärzte gelten. Auch die Voraussetzungen für eine Ausnahme davon lägen nicht vor, da kein Bedarf für die Erbringung der Leistungen bestehe und der Kläger zu 1. auch ohne diese Leistung einschlägig tätig sein könne (zB nach der mit 170 Punkten bewerteten Nr 801 EBM-Ä). Ein „Schwerpunkt” liege in seinem Falle offensichtlich nicht vor. Das LSG Baden-Württemberg habe in einem Urteil vom 8. Juli 1998 (MedR 1998, 581) dazu das Kriterium von 20% der Behandlungsfälle herangezogen. Die der Regelung zugrundeliegende Intention, die Leistung nur von Spezialisten erbringen zu lassen, erfordere deren Abrechnung in erheblichem Maße und nicht nur gelegentlich; die von Klägerseite befürworteten, die übrige Tätigkeit der Praxis gänzlich außer Acht lassenden Kriterien seien dagegen unergiebig. Ob Neurologen die Leistungen bei Kindern nicht häufiger erbrächten und ob Leistungen einen besonderen Aufwand erforderten bzw im Zusammenhang mit anderen Leistungen gewürdigt werden müßten, sei ebenfalls ohne Belang. Die Ausnahmen vom Arztgruppenvorbehalt dürften nicht dazu führen, daß letztlich jede Praxis, die die Leistung bisher erbracht habe, darunter falle.
II
Die zulässige Revision der Kläger ist unbegründet.
Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der bei der beklagten KÄV gestellte Antrag, dem Kläger zu 1. die vom 1. Januar 1996 an erforderliche Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen nach Nr 800 EBM-Ä zu erteilen, keinen Erfolg haben kann. Dem steht die von den Partnern der Bundesmantelverträge getroffene Regelung in Nr 7 der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des EBM-Ä vom 14. September 1995, welcher am 11. Dezember 1995 weitere Regelungen hinzugefügt worden sind (DÄ 1995, C-2323 = A-3643), entgegen. Der Kläger zu 1. erfüllt nicht die in Abs 5 dieser Regelung aufgestellten Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Beschränkung der Abrechenbarkeit der Nr 800 EBM-Ä auf die Gruppe der Nervenärzte, Neurologen und Neurochirurgen.
Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 20. Januar 1999 – B 6 KA 23/98 R – (SozR 3-2500 § 72 Nr 8 S 17 ff) mit ausführlicher Begründung für den Fall eines als Kinderarzt zugelassenen Vertragsarztes entschieden, daß die Partner der Bundesmantelverträge durch die Ergänzende Vereinbarung die Erbringung und Abrechnung der Leistungen nach Nr 800 EBM-Ä zur Sicherung der Qualität mit Wirkung vom 1. Januar 1996 den Ärzten für Nervenheilkunde, Neurologie und Neurochirurgie vorbehalten durften. Diese Regelung ist auf der Grundlage der §§ 72 Abs 2, 82 Abs 1 Satz 1 SGB V zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung unter Berücksichtigung medizinischer Erkenntnisse gerechtfertigt und steht in Einklang mit höherrangigem Recht.
Die getroffene bundesmantelvertragliche Vereinbarung stellt einen Vertrag dar, der mit seinem normativen Teil auch am Vertragsschluß nicht beteiligte Dritte bindet. Sie ändert nicht den EBM-Ä auf der Grundlage des § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V, sondern schafft zur Umsetzung und Anwendung des EBM-Ä eine Abrechnungsbeschränkung und gibt den regionalen KÄVen ein Instrument an die Hand, mit dem sie eigenverantwortlich Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen des EBM-Ä zulassen können, ohne daß darin eine unzulässige Delegation der Rechtsetzungskompetenz an den Rechtsanwender liegt (zum ganzen bereits BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8 S 17 ff und SozR 3-2500 § 72 Nr 11 S 29). Zwar darf der dabei erfolgende Gebrauch eines unbestimmten Rechtsbegriffs nicht dazu führen, daß der Rechtsanwender einen Entscheidungsspielraum erhält, wie er nur dem Normsetzer selbst zusteht (vgl BSGE 84, 247, 251 = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 52). Eine derartige Konstruktion ist aber rechtlich unbedenklich, wenn der Normgeber – wie in Nr 7 der Ergänzenden Vereinbarung – die wesentlichen Voraussetzungen in der Norm selbst regelt und lediglich die Konkretisierung von Einzelheiten anderen Stellen überläßt. Die Neufassung der streitigen Abrechnungsbestimmung stand im Kontext mit der schon vorab im Abschnitt G II EBM-Ä (Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie) geschaffenen Regelung, daß Leistungen dieses Abschnitts nur (noch) für Ärzte mit den Gebietsbezeichnungen Nervenarzt, Psychiater sowie Kinder- und Jugendpsychiater berechnungsfähig waren. Die Partner der Bundesmantelverträge haben mit dieser Regelung sowohl die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung eingehalten als auch die Berufsausübung der betroffenen Ärzte iS des Art 12 Abs 1 GG in zulässiger Weise geregelt und insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen, auch weil die Ergänzungsvereinbarung eine angemessene Übergangs- bzw Ausnahmebestimmung enthält.
Die Ausführungen im Urteil des Senats vom 20. Januar 1999 (SozR 3-2500 § 72 Nr 8) gelten auch für den vorliegenden Fall eines an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsarztes. Daß der Kläger zu 1. neben seiner Zulassung als praktischer Arzt über die berufsrechtliche Qualifikation eines Kinderarztes verfügt, ist dabei ohne Belang. Hat sich ein Vertragsarzt für den hausärztlichen und nicht den fachärztlichen Versorgungsbereich entschieden (vgl § 73 Abs 1 und Abs 1a Satz 2 SGB V), unterliegt er unabhängig von den ihm berufsrechtlich erlaubten Leistungserbringungsmöglichkeiten auf seinem Fachgebiet den vertragsarztrechtlichen Beschränkungen eines Hausarztes (zur Verfassungsmäßigkeit der Aufteilung in die haus- und fachärztliche Versorgung vgl BSGE 80, 256 = SozR 3-2500 § 73 Nr 1; BVerfG – Kammer – SozR 3-2500 § 73 Nr 3 = NJW 1999, 2730; zu den daraus folgenden Vergütungsbeschränkungen BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 17). Ein Vertragsarzt darf nur von der Honorierung solcher Leistungen nicht gänzlich ausgenommen werden, die in den Kernbereich seines Fachgebietes fallen bzw für dieses wesentlich und prägend sind (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 6. September 2000 – B 6 KA 36/99 R –, zur Veröffentlichung in SozR 3-2500 § 135 Nr 15 vorgesehen; s auch zB BSGE 84, 290, 292 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 86 mwN; BSGE 83, 218 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21). Um einen solchen – mit der Revision sinngemäß geltend gemachten – Sachverhalt geht es hier schon deshalb nicht, weil der Kläger zu 1. nur als praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Der Senat hat ferner bereits im Urteil vom 20. Januar 1999 entschieden, daß die streitigen Leistungen selbst für das Fachgebiet der Kinderärzte nicht wesentlich oder prägend sind (BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8 S 20). Im übrigen schließen die Regelungen der Ergänzenden Vereinbarung die Abrechnung neurologischer und psychiatrischer Basisdiagnostik für Kinderärzte und praktische Ärzte nicht vollständig aus, da eine Abrechnung nach Nr 851 (und der Nr 60) EBM-Ä möglich bleibt (s bereits BSG ebenda S 23).
Der Kläger zu 1. hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme nach Abschnitt 4a Nr 7 Abs 5 der Ergänzenden Vereinbarung. Darin ist auch in bezug auf die Leistungen nach Nr 800 EBM-Ä ua folgendes bestimmt: „Die KÄVen können im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen im Einzelfall Ärzten eine Genehmigung zur Abrechnung der in diesem Abschnitt genannten Leistungen erteilen, wenn diese eine gleichwertige fachliche Befähigung nachweisen, die Versorgung dieser Patienten im Rahmen ihres Fachgebietes einen Schwerpunkt ihrer Praxistätigkeit darstellt und die Erbringung dieser Leistungen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist”.
Mit dem LSG kann dahinstehen, ob der Kläger zu 1. über eine (in den Bescheiden bejahte) gleichwertige fachliche Befähigung wie ein Nervenarzt verfügt und ob für die Erbringung der Leistungen nach Nr 800 EBM-Ä ein besonderer Sicherstellungsbedarf bestand. Denn die Versorgung von versicherten Kindern mit derartigen Leistungen stellt jedenfalls offensichtlich keinen Schwerpunkt seiner bzw der Praxistätigkeit der Gemeinschaftspraxis im Rechtssinne dar. Die Frage, ob bei einem Vertragsarzt ein „Schwerpunkt seiner Praxistätigkeit” vorliegt, ist nach ähnlichen Grundsätzen zu beurteilen, wie sie der Senat in seinen Urteilen vom 6. September 2000 (B 6 KA 37/99 R, 40/99 R ≪zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen≫ und 41/99 R) entwickelt hat. In diesen Verfahren ging es um die Befreiung von Vertragsärzten von den ab 1. Juli 1996 geltenden Teilbudgets des EBM-Ä auf der Grundlage der Nr 4 der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) zur „Weiterentwicklung der Reform des EBM” (Weiterentwicklungsvereinbarung) vom 7. August 1996 (DÄ A-2815 f). Auch nach der Weiterentwicklungsvereinbarung konnten „im Einzelfall Ausnahmen” von der Teilbudgetierung zugelassen werden, „soweit der Arzt einen entsprechenden Versorgungsschwerpunkt für seine Praxis nachweist”.
Ähnlich wie in den vom Senat am 6. September 2000 entschiedenen Fällen kommt den nach der Ergänzenden Vereinbarung möglichen Ausnahmen trotz ihres Bezuges zur Aufgabe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur ein objektiv-rechtlicher Charakter zu. Die Ausnahmen begründen vielmehr auch ein subjektives Recht des betroffenen Arztes auf Freistellung vom Vergütungsausschluß bei Vorliegen der in der Norm geregelten Voraussetzungen. Denn die Entscheidung darüber kann immer nur antragsabhängig bezogen auf eine einzelne Arztpraxis getroffen werden. Da mit dem Merkmal „Schwerpunkt der Praxistätigkeit” an die individuelle Situation des einzelnen Arztes angeknüpft wird, gehen die Wirkungen der Regelung auf ihn über einen bloßen Rechtsreflex hinaus. Dieses ergibt sich auch aus der generellen Zielrichtung des Abschnitts 4a der Ergänzenden Vereinbarung. Mit den zum 1. Januar 1996 in Kraft getretenen weitreichenden Änderungen des EBM-Ä durch Schaffung neuer Bewertungsrelationen (vor allem: Begünstigung von Beratungs- und Betreuungsleistungen gegenüber technischen Leistungen, vgl BSGE 81, 86, 95, 97 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 91, 92) sollte eine grundlegend andere Ausrichtung des vertragsärztlichen Honorierungssystems vorgenommen werden. Hierzu waren Begleitregelungen seitens der Partner der Bundesmantelverträge nötig, die zB mit der Ergänzenden Vereinbarung vom 14. September 1995 geschaffen wurden. Am 11. Dezember 1995 wurde diese Vereinbarung noch ua um den Abschnitt „4a (Abrechnungsregelungen)” ergänzt, um aus Gründen der Rechtssicherheit die Abrechnungsvoraussetzungen für einzelne – durch die Neuregelungen aufgewertete – EBM-Ä-Positionen gemeinsam gesamtvertraglich festzulegen (so Mitteilung der Herausgeber des Deutschen Ärzteblattes zum Inkrafttreten begleitender Änderungen und Ergänzungen des EBM-Ä in DÄ 1995, A-3643 = C-2323 unter Nr 2; Köhler/Hess in Kölner Kommentar zum EBM, 2. Aufl 1996, Grundlagen und Ziele des EBM, Stand Juli 1997, S 48, unter 12.). Die Partner der Bundesmantelverträge waren sich bei der Nr 800 EBM-Ä erkennbar darüber im klaren, daß das Aufstellen von Fachkundeanforderungen in Form einer bestimmten Fachgebietsbezeichnung dazu führte, daß etliche Ärzte, die solche Leistungen bis Ende 1995 erbracht hatten, diese in Zukunft nicht mehr würden abrechnen dürfen. Dies trat ein, obwohl solche Vertragsärzte – insbesondere vor Einführung entsprechender Weiterbildungsregelungen – sich oftmals außerhalb bestehender Weiterbildungsregelungen zur Erbringung dieser umfassenden und hoch bewerteten Leistungen qualifiziert und ihre Praxis schwerpunktmäßig darauf ausgerichtet haben konnten; die Rücksichtnahme auf diese Ärzte erforderte eine „flexible vertragliche Übergangsregelung in Form von Ausnahmegenehmigungen” (so Köhler/Hess, aaO, S 50 f unter 17.). Vor diesem Hintergrund stellt Abschnitt 4a Nr 7 Abs 5 der Ergänzenden Vereinbarung eine Übergangs- und Härteregelung dar, die dazu dient, die beschriebenen negativen Auswirkungen auf die Berufsausübungsfreiheit von Vertragsärzten in Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzumildern. Die ab 1. Januar 1996 geltende Bestimmung ist damit – nicht zuletzt wegen der von den Normgebern verwendeten gleichen Tatbestandsmerkmale – keine singuläre, isoliert zu betrachtende Regelung. Unbeschadet ihres spezifischen sachlichen Anknüpfungspunktes muß sie vielmehr in ihrer Zielrichtung und von ihren Auswirkungen her im Zusammenhang mit der später ab 1. Juli 1996 geltenden Weiterentwicklungsvereinbarung zum EBM-Ä sowie mit der dieser wiederum zeitlich nachgefolgten, ab 1. Juli 1997 geltenden Regelung in Nr 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä gewürdigt werden. Auch nach der letztgenannten Regelung können die KÄVen auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur „Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs” eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren (vgl zum Zusammenhang beider letztgenannter Regelungen bereits die zitierten Urteile des Senats vom 6. September 2000). Bei der Prüfung, ob eine Praxis einen „Schwerpunkt der Praxistätigkeit” bzw einen „Versorgungsschwerpunkt” aufweist, steht der KÄV daher mangels eines Erkenntnis- oder Einschätzungsvorrangs ein Beurteilungsspielraum nicht zu; vielmehr unterliegt deren Entscheidung in vollem Umfang der sozialgerichtlichen Nachprüfung. Wie die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend entschieden haben, ist die ablehnende Entscheidung der Beklagten bei Anlegung dieses Maßstabes nicht zu beanstanden.
Wendet man sinngemäß die vom Senat in seinen Urteilen vom 6. September 2000 zum Vorliegen des „Versorgungsschwerpunktes einer Praxis” aufgestellten Grundsätze an, ist für die Feststellung eines „Schwerpunkts der Praxistätigkeit” des Klägers zu 1. zunächst der Umfang der spezifischen Leistungserbringung durch seine Praxis in Relation zu der Arztgruppe zu ermitteln, welcher er angehört und die gleichermaßen vom Ausschluß der Abrechnungsfähigkeit betroffen ist. Das ist hier in erster Linie die Gruppe der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Anlaß für die Zubilligung einer Ausnahme von der ausgeschlossenen Abrechnungsfähigkeit der Nr 800 EBM-Ä auf der Grundlage des Abschnitts 4a Nr 7 der Ergänzenden Vereinbarung besteht nur, wenn sich eine einzelne Praxis insoweit deutlich von der Typik derart vergleichbarer Praxen abhebt. Das ist vor allem der Fall, wenn in dieser Praxis vermehrt Leistungen nach der genannten Gebühren-Nr erbracht und abgerechnet worden sind und dies den Schluß auf eine Schwerpunktsetzung bzw Spezialisierung in einem Leistungsbereich zuläßt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerseite im Revisionsverfahren kann dagegen nicht schon die mehr oder weniger regelmäßige Erbringung des Leistungsinhalts nach Nr 800 EBM-Ä in der Zeit bis Ende 1995 überhaupt, dh ohne Heranziehung auch einer quantitativen Mindestgröße, einen „Schwerpunkt der Praxistätigkeit” begründen. Da die arztgruppenbezogene Beschränkung der Abrechnungsfähigkeit der Leistung und der Ausschluß anderer Vertragsärzte bewußt typisierend und generalisierend erfolgt ist, würden die damit verfolgten Regelungszwecke verfehlt, wenn schon jeglicher, auch nur geringfügiger Abweichung des Behandlungsverhaltens von der Vergleichsgruppe durch Ausnahmeregelungen Rechnung getragen werden müßte. Dem von den Klägern hervorgehobenen Gesichtspunkt, daß die streitigen Leistungen bei Kindern ohnehin nur selten erbracht werden, kommt wegen der nach der einschlägigen Rechtsgrundlage allein maßgeblichen Ausrichtung der Praxistätigkeit des Klägers zu 1. nach objektivierbaren Kriterien ebensowenig Bedeutung zu wie dem Umstand, daß die zur Leistungserbringung zugelassenen Fachärzte diese bei Kindern möglicherweise ebenfalls selten erbringen (wozu Feststellungen des LSG nicht vorliegen). Insoweit fällt ins Gewicht, daß schon die relativ hohe Bewertung der Nr 800 EBM-Ä mit 400 Punkten die von den Partnern der Bundesmantelverträge auf Bundesebene beschlossenen Restriktionen bei der Leistungserbringung sachlich rechtfertigen konnte, indem die Ausführung ab 1. Januar 1996 auf fachlich besonders ausgewiesene Vertragsärzte konzentriert wurde. In ähnlicher Weise können durch die ausnahmsweise eingreifende Übergangsregelung auch nur diejenigen (fachfremden) Vertragsärzte begünstigt werden, die schon bis Ende 1995 nachweisbar eine merkliche Konzentration von Versicherten mit entsprechenden Krankheitsbildern bei der Leistungserbringung vorzuweisen hatten. Den insoweit nicht besonders betroffenen anderen Ärzten standen dagegen – wie ausgeführt – nun niedriger bewertete Abrechnungsmöglichkeiten, zB nach Nrn 801 und 60 EBM-Ä, zu.
Es kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob auch für einen „Schwerpunkt der Praxistätigkeit” iS der Ergänzenden Vereinbarung zu fordern ist, daß ein Anteil von zumindest 20 % der von der Praxis des betroffenen Arztes insgesamt abgerechneten Gesamtpunktzahl auf die Nr 800 EBM-Ä entfällt, wie es der Senat in seinen Urteilen vom 6. September 2000 grundsätzlich für die Ausnahmen von der Teilbudgetierung verlangt hat. Denn im Falle des Klägers zu 1. entspricht der vom LSG festgestellte Anteil der Nr 800 EBM-Ä von nur 0,65% gemessen an der von der Gemeinschaftspraxis im Quartal II/1995 abgerechneten Gesamtpunktmenge und von 0,68% im Quartal III/1995 selbst dann nicht annähernd den Voraussetzungen für die Bejahung eines Praxisschwerpunktes, wenn die Gesamtpunktmenge der Praxis – bezogen auf den Kläger zu 1. – halbiert wird. Erforderlich dafür ist nämlich immer eine sich auch quantitativ im Abrechnungsverhalten niederschlagende, von der Typik der jeweiligen Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung, ein besonderer Behandlungsschwerpunkt bzw eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem bestimmten medizinischen Teilgebiet. So hat der Senat in seinem Urteil vom 6. September 2000 – B 6 KA 40/99 R – im Falle eines ambulant operierenden Orthopäden einen Versorgungsschwerpunkt verneint, weil sich der von der vollen Vergütung ausgeschlossene Anteil der Verbands- und Injektionsleistungen nur auf Werte zwischen 4,09% und 4,74% der Gesamtpunktmenge belief. Mit der vom Kläger zu 1. bei der streitigen Leistungsposition abgerechnete Punktmenge hebt er sich erst recht weder von seiner Vergleichsgruppe spürbar ab noch wird damit ein Anteil erreicht, der im Rahmen seiner Honorarabrechnung betragsmäßig ins Gewicht fallen kann. Es spricht in seinem Falle auch nichts für das Vorliegen einer Sonderkonstellation. Dafür, daß er einen Schwerpunkt seiner Praxistätigkeit im Sinne einer atypischen Praxisausrichtung bzw Spezialisierung aufweist, bei der zwar die Erbringung bestimmter anderer ärztlicher Leistungen nicht unmittelbar von der Abrechnungsfähigkeit ausgeschlossen ist, diese Leistungen aber in engem medizinischen Zusammenhang mit einer Begleitleistung nach Nr 800 EBM-Ä erbracht werden (müßten), ist nichts erkennbar. Ebenso ist nicht ersichtlich, daß die Erbringung bestimmter anderer Leistungen ohne die Abrechnung der Nr 800 EBM-Ä für die Gesamtpraxis aus wirtschaftlichen Gründen unattraktiv oder unmöglich würde und dadurch die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung berührt sein könnte.
Der Senat hält es im übrigen nicht für sachgerecht, zur Ermittlung des Schwerpunkts der Praxistätigkeit auf die Fallzahlen des betroffenen Arztes abzustellen (so aber LSG Baden-Württemberg MedR 1998, 581, 584). Denn nur der Anteil der streitigen Leistungen an der Gesamtpunktzahl bringt am ehesten deren Bedeutung für die jeweilige Praxis zum Ausdruck, indem apparative Ausstattung sowie Personal- und Zeitaufwand des Arztes für die Behandlung entscheidend berücksichtigt werden. So kann bei einer stark spezialisierten Praxis die Zahl der im Bereich des besonderen Leistungsangebots abgerechneten Fälle nur gering sein, während sie gleichwohl wegen der – wie hier – relativ hohen punktzahlmäßigen Bewertung theoretisch einen erheblichen Anteil am gesamten, von dem Arzt abgerechneten Punktzahlvolumen ausmachen kann. Gleichwohl könnte im vorliegenden Fall selbst eine Orientierung an den Fallzahlen zu keinem für den Kläger zu 1. günstigen Ergebnis führen. Die 36 bzw 37 mal abgerechnete Nr 800 EBM-Ä in 2.742 bzw 2.813 insgesamt abgerechneten Fällen der Gemeinschaftspraxis in den Quartalen II bzw III/1995 machten nämlich selbst dann, wenn dem Kläger zu 1. nur die halbe Fallzahl zugerechnet wird, lediglich einen prozentual unbedeutenden Anteil aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
ArztR 2001, 246 |
AuS 2001, 61 |