Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 11.06.1991) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Ab 1. März 1989 hat er ein Jahr lang die damals 30jährige Assessorin Z. beschäftigt, die nach dem 2. Juristische Staatsexamen 15 Monate bei der Bundesanstalt für Arbeit (BA) als Verwaltungsangestellte gearbeitet und anschließend an einer von der Beklagten geförderten Fortbildungsmaßnahme teilgenommen hatte. Der Kläger begehrt für die ersten sechs Monate einen Einarbeitungszuschuß nach § 49 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), weil Z. als Berufsanfängerin die volle Leistung am Arbeitsplatz noch nicht erbracht habe und er ihr die notwendigen Kenntnisse (Einführung in die Tätigkeit des Anwaltsbüros, praktische Einführung in das nationale und internationale Wettbewerbsrecht bis hin zum selbständigen Bearbeiten von Mandaten) vermittelt habe, die den Einarbeitungszuschuß rechtfertigten. Die Klage gegen die ablehnenden Bescheide (vom 23. März und 7. Juni 1989) hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 9. November 1989). Die Berufung wurde zurückgewiesen, weil nach dem ermächtigungskonformen Satzungsrecht der Beklagten der Einarbeitungszuschuß nur gewährt werden könne, wenn der Arbeitgeber durch eine über die übliche – in der Regel kurzfristige – Einweisung hinausgehende Anstrengung dem Arbeitnehmer im Rahmen eines Einarbeitungsplanes qualifizierende berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittele, die zu einer Verbesserung der beruflichen Mobilität des einzuarbeitenden Arbeitnehmers führen; dies sei hier nicht geschehen, weil Z. mit dem 2. Staatsexamen die Qualifikation für den Anwaltsberuf erreicht habe. Die Einführung in die Besonderheiten der vom Kläger betriebenen wettbewerbsrechtlich ausgerichteten Praxis habe seinen eigenen Belangen gedient (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 11. Juni 1991).
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und Verletzungen formellen und materiellen Rechts gerügt. Die Entscheidung verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil das Satzungsrecht nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt werde. Jede Einarbeitung verbessere die berufliche Mobilität bei Berufsanfängern, die hierdurch Berufserfahrung erwürben. Das LSG habe gegen § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen, weil es nicht aufgeklärt habe, in welchem Umfang für eine wettbewerbsrechtlich ausgerichtete Anwaltskanzlei Zusatzkenntnisse erforderlich seien, die mit der Befähigung zum Anwaltsberuf durch das 2. Juristische Staatsexamen noch nicht erreicht seien.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Änderung der entgegenstehenden Urteile und unter Aufhebung der Bescheide vom 23. März und 7. Juli 1989 zu verurteilen, ihm den Einarbeitungszuschuß zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Urteile schon deshalb für zutreffend, weil sonst in akademischen Berufen für jeden Berufsanfänger, der nicht alsbald zu vermitteln sei, der Einarbeitungszuschuß gewährt werden müsse.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die angefochtene Verwaltungsentscheidung bestätigt. Die individuelle Minderleistung, die in § 49 AFG (hier idF des 7. Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 ≪BGBl I 2484≫) für den Einarbeitungszuschuß vorausgesetzt wird, hat das LSG zu Recht verneint. Zwar hat der Kläger die Assessorin Z. als Rechtsanwältin in seinem Büro eingearbeitet; dies war aber nicht deshalb erforderlich, weil Z. „eine volle Leistung am Arbeitsplatz” noch nicht erbringen konnte.
Das Gesetz sieht in § 49 AFG eine Lohnsubvention (vgl Hennig/ Kühl/Heuer, AFG, Stand: Juli 1991, RdNr 13) an die Arbeitgeber vor, um hierdurch sonstige Leistungen der beruflichen Bildung an Arbeitnehmer entbehrlich zu machen. Der Zweck der Leistung ist – anders als bei der Eingliederungsbeihilfe nach § 54 AFG iVm § 31 der FDA-Anordnung – nicht die Förderung der Arbeitsaufnahme, obwohl sie nur für Arbeitnehmer erbracht wird, die arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht sind; die Leistung ist vielmehr der beruflichen Bildung (Umschulung) zugeordnet, deren Zielen sie entspricht (BT-Drucks V/2291, 68 zu § 49; vgl auch zu V/4110, 11). Die Leistung setzt voraus,daß die Arbeitsaufnahme deshalb erschwert ist, weil die Kenntnisse und Fertigkeiten des Arbeitnehmers Lücken aufweisen und nicht dem üblichen beruflichen Stand entsprechen (vgl Hoppe/ Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, Stand: Oktober 1988, § 49 Anm 1a); es darf sich also nicht um eine beruflich notwendige Einarbeitung handeln, die im gesamten Berufszweig für alle potentiellen Bewerber ohne Berufserfahrung erforderlich ist (in diesem Sinne auch Hennig/Kühl/Heuer, aa0 RdNr 26). Denn die fehlende Berufspraxis charakterisiert jeden Berufsanfänger und stellt keine Minderleistung iS des Gesetzes dar, der mit einer individuellen Maßnahme beruflicher Förderung – hier in der Form des Einarbeitungszuschusses – zu begegnen wäre. Fördermaßnahmen sollen ein individuelles Defizit ausgleichen und nicht strukturellen Unzulänglichkeiten einer Berufsausbildung abhelfen.
Zutreffend und – entgegen der Meinung des Klägers – auch frei von Widersprüchen, hat daher das LSG bei Z. eine Minderleistung in diesem Sinne verneint. Weitere Ermittlungen waren nicht erforderlich, weil allen Richtern und auch dem Kläger bekannt ist, daß nach der 2. Juristischen Staatsprüfung angehende Rechtsanwälte ebensowenig wie angehende Richter oder Verwaltungsbeamte bereits über Erfahrungen in der Praxis verfügen, die über diejenigen der Referendarzeit hinausgehen, und daß sie weder vertiefte Kenntnisse in einzelnen Rechtsgebieten aufweisen noch hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit an dem Stand gemessen werden können, der nach langjähriger Berufserfahrung erreicht wird.
Zwar ist richtig, daß die Einarbeitung in die Praxis letztlich stets auch dem Arbeitnehmer zugute kommt; dessen berufliche Einsatzfähigkeit wird verbessert und so die Gefahr von Arbeitslosigkeit vermindert (vgl BSG SozR 4100 § 49 Nr 3). § 49 AFG dient jedoch nicht dazu den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, sondern soll individuelle Leistungsdefizite, die einen bestimmten Arbeitnehmer im Verhältnis zur vergleichbaren Berufsgruppe benachteiligen, ausgleichen. Der Kläger hat im gesamten Verfahren eine solche individuelle Minderleistung der Assessorin Z. nicht geltend gemacht; hierauf war auch sein der Beklagten vorgelegter Einarbeitungsplan nicht zugeschnitten, so daß sich insoweit weitere Ermittlungen der Tatsacheninstanzen erübrigt haben.
Da es bereits an einer feststellbaren Minderleistung der Assessorin Z. fehlt, war nicht darauf einzugehen, ob auch die vom Kläger vorgenommene Entgeltabsenkung unter das übliche Anfangsgehalt nach BAT-IIa (entsprechend der Beamtenbesoldung A 13) dem Anspruch entgegensteht (vgl insoweit BSG SozR 3-4100 § 49 Nr 1). Es bedurfte desweiteren keiner Klärung, ob den Einarbeitungszuschüssen für Berufsanfänger jeder Art nicht schon § 49 Abs 1 Satz 4 Buchst b AFG entgegensteht; denn es ist offenkundig, daß die Hochschulabsolventen und auch die Juristen nach dem 2. Staatsexamen stets von den Arbeitgebern einzuarbeiten sind, bei denen sie ihren Berufsweg beginnen. Der Einarbeitungszuschuß soll aber nicht an die Stelle von entsprechenden Leistungen der Arbeitgeber treten (vgl BSG SozR 4100 § 49 Nr 2).
Soweit der Kläger eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch die Ausgestaltung des autonomen Satzungsrechts, hier des § 19 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AfuU) vom 23. März 1976 idF der 13. Änderungsanordnung vom 28. Januar 1986 (ANBA 1986, S 557) rügt, wird die Entscheidung hiervon nicht berührt, denn der geltend gemachte Anspruch scheitert bereits am Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen. Im übrigen ist verfassungsrechtlich geklärt, daß sich das autonome Satzungsrecht sinnvoll in das System der grundgesetzlichen Ordnung einfügt (Bundesverfassungsgericht SozR 4495 Allg Nr 1). Das gilt auch für § 19 AFuU, der den in der gesetzlichen Ordnung gesteckten Rahmen sinnvoll ausfüllt, indem der Einarbeitungszuschuß in den Kreis der Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung einbezogen wird als die Leistung, die mit dem geringsten organisatorischen und finanziellen Aufwand eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsprozeß unter Vermittlung zusätzlicher Kenntnisse gewährleistet. Allerdings muß diese Einarbeitung das übliche Maß überschreiten. Diese in § 19 Abs 1 Satz 1 AFuU geforderte zusätzliche Voraussetzung deckt sich mit dem Zweck der in § 49 AFG umschriebenen Leistung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen