Beteiligte
Allgemeine Ortskrankenkasse Schwäbisch Gmünd, vertreten durch den Geschäftsführer, Schwäbisch Gmünd, Pfeifergäßle 21, Klägerin und Revisionsbeklagte |
Innungskrankenkasse Schwäbisch Gmünd, vertreten durch den Geschäftsführer, Schwäbisch Gmünd, Leutzestraße 53, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I.
Streitig ist, ob die beschäftigten Arbeitnehmer der Beigeladenen Mitglieder der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) oder der beklagten Innungskrankenkasse (IKK) sind.
Die Beigeladene führt Tiefbau-, Straßenbau- und Planierarbeiten aus; außerdem betreibt sie eine Frischbetonanlage und handelt mit Baustoffen aller Art. Sie ist seit 1962 in der Handwerksrolle der Handwerkskammer Ulm mit dem Straßenbauerhandwerk eingetragen. Seit dem 1. Februar 1984 gehört die Beigeladene zur Bau-Innung Schwäbisch Gmünd. Das Fachgebiet der Bau-Innung umfaßt nach § 2 ihrer Satzung die Handwerke:
1. Maurer (Hoch- und Tiefbau)2. Beton- und Stahlbetonbauer3. Feuerungs- und Schornsteinbauer4. Backofenbauer5. Wärme-, Kälte- und Schallschutz-Isolierung6. Brunnenbauer.
Die Bau-Innung ist nach § 1 Abs 4 Nr 19 der Satzung der Beklagten eine von deren Trägerinnungen. Seit dem 6. Februar 1984 ist die Beigeladene außerdem mit dem Maurerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen.
Da sich die beteiligten Krankenkassen nicht über die Mitgliedschaft der bei der Beigeladenen beschäftigten Arbeitnehmer einigen konnten, erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Klage. Das SG hat die Feststellungsklage abgewiesen und ausgeführt, daß die Arbeitnehmer der Beigeladenen zum beitrittsberechtigten Mitgliederkreis der Beklagten gehörten, da die Beigeladene als Vollmitglied in die Handwerksrolle eingetragen sei und damit die Voraussetzungen des § 250 Reichsversicherungsordnung (RVO) erfüllten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und festgestellt, daß die Klägerin für die Krankenversicherung der Versicherungspflichtigen, nicht einer Ersatzkasse angehörenden Arbeitnehmer der Beigeladenen auch seit dem 1. Februar 1984 zuständig ist. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Betrieb der Beigeladenen, wie ihn § 250 RVO verstehe, gehöre nicht der Bau-Innung an. Bei der Beurteilung dieser Frage seien die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht an eine Tatbestandswirkung. der Eintragung in die Handwerksrolle oder der Aufnahme in die Innung gebunden (Hinweis auf BSGE 37, 135, 136). Wenn das Unternehmen als einheitlicher Mischbetrieb noch andere handwerkliche Gewerbe ausübe, sei für die Zuständigkeit der IKK erforderlich, daß das die Innungsmitgliedschaft begründende Handwerk den Betrieb präge. Im vorliegenden Falle gebe dem Betrieb aber nicht das die Innungsmitgliedschaft begründende Maurerhandwerk, sondern allenfalls das nicht zum Fachbereich der Bauinnung gehörende Straßenbauerhandwerk oder der möglicherweise von diesem zu unterscheidende und nicht handwerklich ausgeführte Tiefbau das Gepräge. Maurerarbeiten, wie das Herstellen von Bauwerken oder Bauwerksteilen aus Steinen, Fertigteilen oder Beton und von Mauerwerk, was sowohl für den Hochbau als für den Tiefbau gelte, und die Ausführung von Sperrungen gegen nicht drückendes Wasser, würden im Betrieb der Beigeladenen nur nebenbei ausgeführt. Nach deren eigenem Vorbringen fielen dort seit ihrem Eintritt in die Bau-Innung neben der möglicherweise inzwischen aufgegebenen Herstellung von Fertigbeton zu 20 % Straßenbauarbeiten und zu 70 bis 80 % (sonstige) Tiefbauarbeiten an, die nahezu ausnahmslos in der Verlegung von Erdkabeln für die Deutsche Bundespost bestünden.
Die Beklagte hat die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt.
Sie rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts und beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. November 1988 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Mai 1985 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragtdie Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat zutreffend festgestellt, daß die Klägerin für die Krankenversicherung der versicherungspflichtigen, nicht einer Ersatzkasse angehörenden Arbeitnehmer der Beigeladenen auch seit dem 1. Februar 1984 zuständig ist.
Nach der bis zum 31. Dezember 1988 in Geltung gewesenen Regelung des § 234 Abs 1 RVO sind Versicherungspflichtige, die weder in die Bundesknappschaft oder die See-Krankenkasse noch in eine besondere Orts- oder eine Betriebs- oder eine IKK gehören, Mitglieder der AOK ihres Beschäftigungsorts. Nach der ebenfalls bis zum 31. Dezember 1988 in Geltung gewesenen Bestimmung des § 250 RVO gehören die in einem Betrieb beschäftigten Versicherungspflichtigen einer IKK an, wenn der Inhaber des Betriebs Mitglied einer Trägerinnung der IKK ist. Die Zuständigkeiten der Ortskrankenkassen (OKK) und der IKKen ergibt sich mit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) zum 1. Januar 1989 nunmehr aus den §§ 173, 175 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB 5). Nach § 173 sind Versicherungspflichtige Mitglieder der OKK, wenn in den folgenden Vorschriften, im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) oder im 2. Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte nichts Abweichendes bestimmt ist. Für versicherungspflichtig Beschäftigte ist die OKK des Beschäftigungsorts, für andere Versicherungspflichtige die OKK des Wohnorts zuständig. § 175 Abs 1 Satz 1 SGB 5 bestimmt dagegen, daß Versicherungspflichtige, die in einem Handwerksbetrieb eines Mitglieds einer Handwerksinnung beschäftigt sind, für die eine IKK besteht, Mitglieder dieser IKK sind.
Sowohl nach § 250 RVO aF als auch nach § 175 Abs 1 Satz 1 SGB 5 ist die Mitgliedschaft des Betriebes in einer Trägerinnung Voraussetzung dafür, daß versicherungspflichtige Arbeitnehmer Mitglieder der IKK werden können. Haben die Innungsorgane den Inhaber des Betriebs als Innungsmitglied aufgenommen, so kann von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - abgesehen von dem Fall der Nichtigkeit des Aufnahmeakts - nicht festgestellt werden, daß die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Handwerksinnung gefehlt haben (vgl BSG in SozR 2200 § 250 Nr 11 mwN).
Die Tatbestandswirkung der Mitgliedschaft in einer Trägerinnung hat aber Grenzen. Fehlt es an einer organisatorischen Verselbständigung der einzelnen gewerblichen Betätigungen, so liegt ein einheitlicher Gesamtbetrieb vor. In diesem Falle muß geprüft werden, ob das handwerkliche Gewerbe oder die nichthandwerklichen Betätigungen dem Gesamtbetrieb das Gepräge geben (vgl BSG aaO, mwN). Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, gilt der vorgenannte Grundsatz genauso, wenn das Unternehmen anstatt nichthandwerkliche noch andere handwerkliche Gewerbe ausübt (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, 2. Aufl, Stand Mai 1988, Anm 2.2 zu § 250 RVO). Die IKK ist für den Gesamtbetrieb zuständig, wenn dieser durch den handwerklichen Betriebsteil, mit dem der Inhaber in die Handwerksrolle eingetragen und Mitglied einer Trägerinnung ist, geprägt wird (op.cit., aaO).
Nach den vom LSG bindend getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) handelt es sich nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten im vorliegenden Fall um einen einheitlichen Mischbetrieb. Nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen war hier somit lediglich zu entscheiden, ob das die Innungsmitgliedschaft begründende Maurerhandwerk dem Betrieb der Beigeladenen das Gepräge gibt oder nicht. Wird das verneint, so kommt es nicht darauf an, ob die dem Maurerhandwerk nicht zugehörigen Teile einheitlich einem anderen Handwerk zuzuordnen sind oder nicht. Maßgeblich ist somit nur die Frage, welche Teile hier dem Maurerhandwerk zuzuordnen sind und ob diesem Betriebsteil gegenüber dem übrigen ein prägendes Gewicht zukommt. Nur bei Bejahung der letztgenannten Frage muß die Klage erfolglos bleiben.
Das LSG hat die Frage verneint.
Es hat zunächst festgestellt, daß die Straßenbauarbeiten und die Erdkabelverlegungsarbeiten nicht dem Maurerhandwerk zuzuordnen sind. Hierbei handelt es sich um die Feststellung genereller Tatsachen. Diese Tatsachenfeststellung wurde von der Beklagten/Revisionsklägerin nicht durch Verfahrensrügen angegriffen. Das Revisionsgericht ist daher an diese Feststellung gebunden (§ 163 SGG).
Die Beklagte hat zwar gerügt, daß das LSG den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt (§ 103 SGG) und nicht berücksichtigt habe, daß der Anteil der Maurerarbeiten (gegenüber Kabellegearbeiten, Straßenbauarbeiten und Betonwerk) 60 % betrage (und damit das Gepräge gebe). Soweit darin eine Rüge der Beweiswürdigung liegt, vermag sie aber nicht durchzugreifen. Das Gericht entscheidet insoweit nach freier Überzeugung (§ 128 Abs 1 SGG); Verstöße gegen Denkgesetze sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Beklagte/Revisionsklägerin damit aber vortragen will, das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, weitere Sachaufklärung zu betreiben, wurde, was zur ordnungsgemäßen Begründung einer Verfahrensrüge nach § 103 SGG erforderlich gewesen wäre, nicht dargelegt, welche weiteren Ermittlungen sich für das Gericht - bei Vermeidung eines Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht - hätte aufdrängen müssen (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 3. Aufl. 1987, RdNr 19 zu § 150). Hierzu wird im wesentlichen nichts vorgetragen, was vom LSG nicht schon im Urteil aufgeführt und gewürdigt worden wäre.
Einer weiteren Begründung dafür, daß die Verfahrensrüge nicht durchgreift, bedarf es nicht (§ 170 Abs 3 Satz 1 SGG).
Die Mitgliedschaft der Beigeladenen bei der Bau-Innung steht somit der Zuständigkeit der Klägerin nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen