Leitsatz (amtlich)
Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber, ein wirksames Konzept der Resozialisierung zu entwickeln und den Strafvollzug darauf aufzubauen. Dabei ist ihm ein weiter Gestaltungsraum eröffnet.
- Arbeit im Strafvollzug, die dem Gefangenen als Pflichtarbeit zugewiesen wird, ist nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Diese Anerkennung muß nicht notwendig finanzieller Art sein. Sie muß aber geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen.
Ein gesetzliches Konzept der Resozialisierung durch Pflichtarbeit, die nur oder hauptsächlich finanziell entgolten wird, kann zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung nur beitragen, wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewußt gemacht werden kann, daß Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist.
Art. 12 Abs. 3 GG beschränkt die zulässige Zwangsarbeit auf Einrichtungen oder Verrichtungen, bei denen die Vollzugsbehörden die öffentlich-rechtliche Verantwortung für die ihnen anvertrauten Gefangenen behalten.
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 10.08.1994; Aktenzeichen 5 Vollz 15/94) |
OLG Nürnberg (Beschluss vom 29.12.1992; Aktenzeichen Ws 1425/92) |
LG Regensburg (Beschluss vom 26.10.1992; Aktenzeichen 3 StVK 77/91 (20)) |
OLG Nürnberg (Beschluss vom 25.03.1992; Aktenzeichen Ws 282/92) |
LG Regensburg (Beschluss vom 11.02.1992; Aktenzeichen 2 StVK 40/89 (10)) |
LG Regensburg (Beschluss vom 31.01.1992; Aktenzeichen 3 StVK 77/91 (20) a)) |
OLG München (Beschluss vom 17.12.1991; Aktenzeichen 1 Ws 150/91) |
LG Augsburg (Beschluss vom 14.12.1990; Aktenzeichen StVK 348/89) |
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 22.02.1990; Aktenzeichen 3 Ws 299/89) |
LG Mannheim (Beschluss vom 09.10.1989; Aktenzeichen StVK 18 -B- 132/89) |
Tenor
Tatbestand
A.
Die zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden und das Normenkontrollverfahren betreffen den Umfang der Arbeitspflicht im Strafvollzug, die Bemessung des Arbeitsentgelts für die Ausübung zugewiesener Arbeit und die sozialversicherungsrechtliche Stellung der Gefangenen und der Sicherungsverwahrten.
Das Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung – Strafvollzugsgesetz (StVollzG) – vom 16. März 1976 (BGBl I S. 581) setzt dem Strafvollzug das Ziel, den Strafgefangenen zu resozialisieren. Er soll fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Satz 1 StVollzG). Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden (§ 3 Abs. 1 StVollzG), schädlichen Folgen der Haft ist entgegenzuwirken (§ 3 Abs. 2 StVollzG), der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern (§ 3 Abs. 3 StVollzG). Diese Anweisungen gelten grundsätzlich auch für die Sicherungsverwahrung (§ 130 StVollzG).
1. Ein wichtiges Mittel auf dem Weg zur Resozialisierung ist nach dem Konzept des Gesetzes die Zuweisung von Arbeit, die zu verrichten der Gefangene verpflichtet ist (§ 41 Abs. 1 StVollzG). Für die Ausübung zugewiesener Arbeit, sonstiger Beschäftigung oder einer Hilfstätigkeit in der Anstalt erhält der Gefangene ein Arbeitsentgelt nach Stunden- oder Tagessätzen. Das Entgelt wird nach einem Vomhundertsatz aus einer sozialrechtlichen Bezugsgröße und unter Berücksichtigung der vom Gefangenen erbrachten Leistung bemessen (§ 43 Abs. 1 und 2 StVollzG). Nach dem Konzept des Gesetzgebers sollte damit auch eine vollständige und wirkungsvolle Einbeziehung in die Systeme sozialer Sicherung einhergehen. In Kraft gesetzt wurde jedoch nach dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens nur die Einbeziehung der Gefangenen in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung (§ 194 Nr. 5 i.V.m. § 198 Abs. 1 und 3 StVollzG).
a) Zur Zuweisung von Arbeit und zur Arbeitspflicht bestimmt das Strafvollzugsgesetz folgendes:
§ 37
Zuweisung
(1) Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.
(2) Die Vollzugsbehörde soll dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen.
(3) Geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.
(4) Kann einem arbeitsfähigen Gefangenen keine wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder die Teilnahme an Maßnahmen nach Absatz 3 zugewiesen werden, wird ihm eine angemessene Beschäftigung zugeteilt.
(5) Ist ein Gefangener zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, soll er arbeitstherapeutisch beschäftigt werden.
§ 41
Arbeitspflicht
(1) Der Gefangene ist verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist. Er kann jährlich bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit seiner Zustimmung auch darüber hinaus. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Gefangene, die über 65 Jahre alt sind, und nicht für werdende und stillende Mütter, soweit gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutze erwerbstätiger Mütter bestehen.
(2) Die Teilnahme an einer Maßnahme nach § 37 Abs. 3 bedarf der Zustimmung des Gefangenen. Die Zustimmung darf nicht zur Unzeit widerrufen werden.
(3) Die Beschäftigung in einem von privaten Unternehmen unterhaltenen Betriebe (§ 149 Abs. 4) bedarf der Zustimmung des Gefangenen. Der Widerruf der Zustimmung wird erst wirksam, wenn der Arbeitsplatz von einem anderen Gefangenen eingenommen werden kann, spätestens nach sechs Wochen.
(§ 41 Abs. 3 ist bislang noch nicht in Kraft gesetzt worden; vgl. § 198 Abs. 3 StVollzG).
§ 148
Arbeitsbeschaffung, Gelegenheit zur beruflichen Bildung.
(1) Die Vollzugsbehörde soll im Zusammenwirken mit den Vereinigungen und Stellen des Arbeits- und Wirtschaftslebens dafür sorgen, daß jeder arbeitsfähige Gefangene wirtschaftlich ergiebige Arbeit ausüben kann, und dazu beitragen, daß er beruflich gefördert, beraten und vermittelt wird.
§ 149
Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur beruflichen Bildung.
(1) In den Anstalten sind die notwendigen Betriebe für die nach § 37 Abs. 2 zuzuweisenden Arbeiten sowie die erforderlichen Einrichtungen zur beruflichen Bildung (§ 37 Abs. 3) und arbeitstherapeutischen Beschäftigung (§ 37 Abs. 5) vorzusehen.
(2) Die in Absatz 1 genannten Betriebe und sonstigen Einrichtungen sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalten anzugleichen. Die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten.
(3) Die berufliche Bildung und die arbeitstherapeutische Beschäftigung können auch in geeigneten Einrichtungen privater Unternehmen erfolgen.
(4) In den von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieben und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung Angehörigen dieser Unternehmen übertragen werden.
b) Über die Gewährung eines Arbeitsentgelts ist bestimmt:
§ 43
Arbeitsentgelt
(1) Übt der Gefangene eine zugewiesene Arbeit, sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 2 aus, so erhält er ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts ist der in § 200 bestimmte Satz der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.
(2) Das Arbeitsentgelt kann je nach der Leistung des Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 vom Hundert der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen des Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen.
(3) Übt ein Gefangener zugewiesene arbeitstherapeutische Beschäftigung aus, erhält er ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art seiner Beschäftigung und seiner Arbeitsleistung entspricht.
(4) Das Arbeitsentgelt ist dem Gefangenen schriftlich bekanntzugeben.
§ 200
Höhe des Arbeitsentgelts
(1) Der Bemessung des Arbeitsentgelts nach § 43 sind fünf vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen.
(2) Über eine Erhöhung des Anteils von dem in Absatz 1 bezeichneten Arbeitsentgelt wird zum 31. Dezember 1980 befunden.
Die Vorschrift des § 200 Abs. 1 StVollzG nimmt, indem sie auf § 18 Abs. 1 SGB IV verweist, auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ohne Auszubildende des vorvergangenen Kalenderjahres Bezug. Die Eckvergütung in Höhe von 5 v.H. dieser Bezugsgröße sollte nach den Reformvorstellungen allerdings im Zeitraum von 1977 bis 1986 stufenweise auf 40 v.H. angehoben werden (vgl. § 182 des Entwurfs des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform – BTDrucks 7/3998, S. 130 f.). Schon der Regierungsentwurf sah in der Gewährung des Arbeitsentgelts ein wesentliches Mittel der Resozialisierung. Das Arbeitsentgelt führe dem Gefangenen die Früchte seiner Arbeit vor Augen und diene zugleich seiner Eingliederung, indem es ihm ermögliche, zum Lebensunterhalt seiner Angehörigen beizutragen, einen Tatschaden wiedergutzumachen und Ersparnisse für den Übergang in das Leben nach der Entlassung zurückzulegen (vgl. BTDrucks 7/918, S. 67).
Diese Vorstellungen sind indes nicht verwirklicht worden. Die Bemessungsgrundlage des Arbeitsentgelts ergibt sich nach wie vor aus 5 v.H. der Bezugsgröße. Diese lag für das Jahr 1997 in den alten Bundesländern bei 51.240,-- DM und in den neuen Bundesländern bei 43.680,-- DM. Die Eckvergütung für Gefangenenarbeit betrug mithin im Jahre 1997 monatlich 213,50 DM in den alten Bundesländern und 182 DM in den neuen. Entgegen der gesetzlichen Festlegung in § 200 Abs. 2 StVollzG ist auch nicht bis zum 31. Dezember 1980 über eine Erhöhung befunden worden.
Von der in § 43 Abs. 2 StVollzG vorgesehenen Möglichkeit einer Differenzierung des Arbeitsentgelts ist in der aufgrund § 48 StVollzG erlassenen Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (StVollzVergO; BGBl I S. 57) Gebrauch gemacht worden. Sie erlaubt – je nach Arbeitsart und individueller Arbeitsleistung – eine gestufte Entlohnung (fünf Vergütungsstufen zwischen 75 und 125 v.H. der Eckvergütung, deren mittlere der Eckvergütung entspricht); ferner sieht sie Lohnzulagen vor, etwa wegen erschwerter Arbeitsumstände oder aufgrund besonderer individueller Leistungen.
c) Das vom Gesetzgeber vorgesehene Resozialisierungskonzept ist, auch was die Einbeziehung der Gefangenen mit zugewiesener Arbeit in die Sozialversicherung betrifft, nur teilweise verwirklicht worden. Einem besonderen Bundesgesetz blieb vorbehalten, die Gefangenen in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung einzubeziehen (§ 198 Abs. 3 StVollzG). Dieses Gesetz ist nicht ergangen.
Hingegen sind seit 1963 arbeitende Gefangene und Gefangene in Ausbildung gesetzlich unfallversichert (vgl. nunmehr § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII); Unfallversicherungsträger sind insoweit die Länder (§ 128 Abs. 1 Nrn. 1 und 8 SGB VII); diese sind zugleich beitragspflichtig (§ 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gefangene sind auch gegen Arbeitslosigkeit versichert (vgl. § 194 Nr. 5 StVollzG i.V.m. § 168 Abs. 3a AFG, nunmehr § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Die Beitragsleistung obliegt den Ländern als den Trägern der Justizvollzugsanstalten (§ 194 Nr. 7 StVollzG i.V.m. § 347 Nr. 3 SGB III); angesichts des niedrigen Arbeitsentgelts schreibt § 345 Nr. 3 SGB III als Beitragsbemessungsgrundlage 90 v.H. der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV vor. Die Möglichkeit einer prozentualen Beitragsbeteiligung des Gefangenen ergibt sich aus § 195 StVollzG.
2. Geeigneten Gefangenen soll gestattet werden, ein freies Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt einzugehen. Hierzu bestimmt das Gesetz:
§ 39
Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung.
(1) Dem Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen des Vollzugsplanes dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern und nicht überwiegende Gründe des Vollzuges entgegenstehen. § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 14 bleiben unberührt.
(2) Dem Gefangenen kann gestattet werden, sich selbst zu beschäftigen.
(3) Die Vollzugsbehörde kann verlangen, daß ihr das Entgelt zur Gutschrift für den Gefangenen überwiesen wird.
Wird dem Gefangenen gestattet, ein freies Beschäftigungsverhältnis einzugehen, so schließt er mit dem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag und gewinnt dadurch einen Anspruch auf den vereinbarten Lohn. In diesem Fall erlaubt § 50 Abs. 2 Satz 1 in der Fassung des § 199 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG die Erhebung eines Haftkostenbeitrags.
Den Verfassungsbeschwerden liegen folgende Sachverhalte zugrunde.
1. Verfassungsbeschwerde 2 BvR 441/90
a) Der Beschwerdeführer hatte sich bereits bei Antritt seiner zeitigen Freiheitsstrafe (1985) damit einverstanden erklärt, zu einem späteren Zeitpunkt außerhalb des Vollzugs im Freigang tätig zu werden. Als er schließlich im Jahre 1989 Freigang erhalten hatte, wies ihm die Justizvollzugsanstalt Arbeit als Elektriker in einem privaten Betrieb außerhalb der Anstalt zu. Dieser Arbeit ging der Beschwerdeführer bis zur Entlassung aus der Haft – acht Monate lang – nach. Das Unternehmen zahlte dafür an das Land einen Stundenlohn von 13,-- DM. Von der Justizvollzugsanstalt erhielt der Beschwerdeführer die damals übliche Eckvergütung (1,-- DM pro Stunde). Nach seiner Haftentlassung verlangte er die Zahlung von 7.809,-- DM (Bruttoarbeitslohn abzüglich des gezahlten Arbeitsentgelts und des Haftkostenbeitrags) und die nachträgliche Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung. Das lehnte die Justizvollzugsanstalt ab.
Das Landgericht verwarf mit Beschluß vom 14. Dezember 1990 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG) als unbegründet. Der Beschwerdeführer habe das ihm nach §§ 43, 200 Abs. 1 StVollzG zustehende Arbeitsentgelt erhalten. Weitere Rechtsgrundlagen seien nicht vorgesehen. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen seien nicht begründet. Das Oberlandesgericht verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil die Rechtslage eindeutig sei und weder gegen das Grundgesetz noch gegen internationale Rechtsvorschriften verstoße.
b) Vor Erlaß dieser Beschlüsse hatte der Beschwerdeführer im März 1990 Verfassungsbeschwerde gegen ein gesetzgeberisches Unterlassen erhoben. Mit Schriftsatz vom 5. Februar 1992 wandte er sich sodann ausdrücklich gegen die zuvor genannten Beschlüsse der Strafvollstreckungsgerichte, mittelbar aber auch gegen die Vorschriften des § 43 Abs. 1 Sätze 2 und 3 und – unter Beschränkung auf die Rentenversicherung – gegen die Bestimmung des § 198 Abs. 3 StVollzG. Er rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip sowie aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip.
Er sei als Freigänger faktisch in den privaten Betrieb eingegliedert gewesen und habe die gleiche Arbeit unter den gleichen Bedingungen wie seine dort tätigen – nicht inhaftierten – Arbeitskollegen verrichtet. Die weitere Ungleichbehandlung, die ihm als Freigänger mit zugewiesener Arbeit gegenüber Freigängern im freien Beschäftigungsverhältnis widerfahren sei, könne hinsichtlich der Einbeziehung in die Rentenversicherung sachlich nicht gerechtfertigt werden. Beide Gruppen seien nicht nur hinsichtlich der Produktivität und Qualität der Arbeitsleistung und damit des Beitrags zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung als gleichwertig anzusehen, sondern auch hinsichtlich ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit.
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip sei verletzt, weil das daraus abzuleitende Recht auf Resozialisierung für die Zeit nach der Entlassung ein Mindestmaß an sozialer und finanzieller Absicherung verlange. Auch dürfe Arbeit von gleichem wirtschaftlichen Wert nicht unterschiedlich entlohnt werden. Aus Art. 3 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip folge ein Anspruch auf den leistungsgerechten Lohn. Der Gesetzgeber habe einen verfassungsrechtlich zwingenden Regelungsauftrag in § 200 Abs. 2 StVollzG zwar anerkannt, sei ihm aber in rechtsstaatswidriger Weise nicht nachgekommen.
Schließlich handle es sich um eine “Vermietung” von Arbeitskraft, aus der sich der Staat bereichere; dies verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip. Das Übereinkommen Nr. 29 des International Labour Office (ILO) vom 28. Juni 1930 über Zwangs- und Pflichtarbeit verbiete eine derartige Praxis.
2. Verfassungsbeschwerde 2 BvR 493/90
a) Der Beschwerdeführer, ein Diplom-Volkswirt, verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Er ist seinem eigenen Wunsch entsprechend in der anstaltseigenen Bücherei eingesetzt. Im Dezember 1988 verlangte er von der Justizvollzugsanstalt einen seiner Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz, die Möglichkeit, seine berufliche Qualifikation zu erhalten oder wieder herzustellen und auszubauen, eine angemessene Vergütung seiner derzeitigen Beschäftigung und die Eingliederung in das System der Sozialversicherung. Die Vollzugsbehörden (Anstalt und Justizministerium) lehnten dies ab. Es fehle teils an einem konkreten Begehren, teils an der Rechtsgrundlage.
Auch das Landgericht Mannheim wies im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG mit Beschluß vom 9. Oktober 1989 das Begehren als unbegründet zurück. Die Anstalt habe erst dann Anlaß, sich inhaltlich mit Anträgen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, wenn dieser konkrete Vorschläge unterbreite. Es sei nicht zu beanstanden, wenn keine spezifisch auf akademische Bedürfnisse zugeschnittenen Fortbildungsmaßnahmen angeboten würden. Auch sei nicht ersichtlich, daß das Entgelt nicht den Vorschriften des § 43 StVollzG entspreche. Für eine Eingliederung in das System der Sozialversicherung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Das Oberlandesgericht verwarf die Rechtsbeschwerde mit Beschluß vom 22. Februar 1990 als unzulässig.
b) In seiner Verfassungsbeschwerdeschrift vom 26. März 1990 hob der Beschwerdeführer zunächst darauf ab, daß das Bundesverfassungsgericht einen sinnvollen Behandlungsvollzug als Voraussetzung der Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe bezeichnet habe. Die Vollzugsanstalt könne qualifizierte Arbeiten für einen Gefangenen wie ihn nicht anbieten. Doch enthebe dies den Staat nicht der Verpflichtung, auch ihn zu resozialisieren. Das ganze Spektrum möglicher Behandlungsmaßnahmen, auch eine Verlegung, ein freies Beschäftigungsverhältnis und eine Selbstbeschäftigung, seien in Betracht zu ziehen. Es gehe nicht an, einen Menschen wie ihn einfach wegzuschließen. In der Literatur sei die Pflicht der Vollzugsbehörde anerkannt, eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben anzustreben und dabei auch Gefangene mit seltenen Berufen angemessen zu beschäftigen.
Er erhalte derzeit für die in der Gefangenenbücherei geleistete Arbeit einen effektiven Stundenlohn von 1,41 DM, wobei die Lohnhöhe sich nach Vergütungsstufe 3 unter Hinzurechnung einer 30 %igen Leistungszulage errechne. Sein Begehren auf leistungsgerechte Entlohnung und Eingliederung in das Sozialversicherungssystem könne nicht an dem Mangel einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage scheitern. Es lasse sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ableiten. Seine Arbeitskraft sei das ihm von Natur aus gegebene Vermögen, sein Fortkommen und das seiner Angehörigen zu sichern und seinen Verpflichtungen in der Gesellschaft nachzukommen. Sie sei die Grundlage seiner Existenz und seiner Entfaltung, die Art. 2 Abs. 1 GG garantiere. Damit verbinde sich die in Art. 1 Abs. 1 GG als unantastbar garantierte Würde des Menschen. Die Existenzgrundlage und die Entwicklung eines Menschen würden durch die “Ausbeutung seiner Arbeitskraft” verringert. Zwar erkläre Art. 12 Abs. 3 GG Zwangsarbeit in Fällen gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung für zulässig. Soweit diese Ermächtigung aber tatsächlich in Anspruch genommen werde, bedürfe es einer vorherigen Konkretisierung der zu leistenden Entschädigung durch das Gesetz.
Sein Anspruch auf angemessene, leistungsgerechte Entlohnung ergebe sich auch aus Art. 3 Abs. 1 GG. Danach verbiete es sich, einen Gefangenen insoweit schlechter zu stellen als einen freien Arbeitnehmer. Aus den Verfassungsgeboten der Rechts- und Sozialstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG) folge die Verpflichtung des Staates, die Interessen des Gefangenen zu wahren und die hierfür notwendigen gesetzlichen Regelungen zu erlassen. Auch für die Alterssicherung müsse gesorgt werden.
Auch das Übereinkommen Nr. 29 des ILO, das zur Auslegung des innerstaatlichen Rechts heranzuziehen sei, werde verletzt. Danach sei Zwangs- oder Pflichtarbeit in Geld zu vergüten.
3. Verfassungsbeschwerde 2 BvR 618/92
a) Im Oktober 1991 beantragte der damals sicherungsverwahrte, inzwischen in ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesene Beschwerdeführer die tarifliche Entlohnung seiner Arbeitsleistung sowie die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung. Die Justizvollzugsanstalt lehnte dies ab; auch der Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer wies darauf hin, daß Art. 12 Abs. 3 GG auch für Sicherungsverwahrte gelte, weshalb gemäß § 130 StVollzG die Bestimmungen über das Arbeitsentgelt gemäß §§ 43, 200 StVollzG anwendbar seien. Die Arbeitspflicht sei keine Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne des ILO-Übereinkommens Nr. 29. Die Europäische Menschenrechtskonvention nehme in Art. 4 Abs. 3a die Arbeitspflicht der Strafgefangenen ausdrücklich vom Verbot der Zwangsarbeit aus. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Rechtsauffassung: Die geringe Entlohnung der Strafgefangenen möge zwar rechtspolitisch überholt sein, doch habe der Gefangene keinen Anspruch auf ein höheres Entgelt oder die Einbeziehung in die gesetzliche Kranken- und die Rentenversicherung.
b) Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und Abs. 3, 12 Abs. 3 und 19 Abs. 2 GG sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention und des ILO-Übereinkommens Nr. 29. Die geringe Entlohnung sei bei den nur zum Schutz der Allgemeinheit Untergebrachten als Strafe anzusehen. Angesichts der absolut geringen Zahl der Sicherungsverwahrten könnten auch haushaltsrechtliche Erwägungen nicht durchgreifen.
4. Verfassungsbeschwerde 2 BvR 212/93
a) Dem inzwischen aus der Haft entlassenen Beschwerdeführer war am 9. Januar 1992 Arbeit in einem in der Anstalt eingerichteten Unternehmerbetrieb zugewiesen worden. Da er, wie schon mehrfach zuvor, die Arbeit verweigerte, verhängte die Anstaltsleitung gegen ihn verschiedene Disziplinarmaßnahmen (14 Tage Arrest, sieben Tage Ausschluß vom Hofgang sowie – für die Dauer eines Monats – Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und getrennte Unterbringung während der Freizeit). Einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung verwarf das Landgericht mit Beschluß vom 31. Januar 1992 als unzulässig, da Arrest und Hofgangentzug vollstreckt seien. Auch ein in der Hauptsache gestellter Feststellungsantrag blieb ohne Erfolg (Beschluß des Landgerichts vom 26. Oktober 1992), weil der Beschwerdeführer arbeitstauglich und zur Übernahme der Arbeit verpflichtet gewesen sei. Die Disziplinarmaßnahmen, insbesondere der Arrest, seien u.a. deshalb nicht zu beanstanden, weil der Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits mehrfach gegen seine Arbeitspflicht verstoßen habe und dafür mit Disziplinarmaßnahmen belegt worden sei. Das Oberlandesgericht verwarf mit Beschluß vom 29. Dezember 1992 die Rechtsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig.
b) Mit seiner am 9. Februar 1993 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Anordnung der Disziplinarmaßnahmen und die gerichtlichen Beschlüsse im Eil- und Hauptsacheverfahren. Er rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 104 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 12 GG.
Art. 12 Abs. 3 GG erlaube es nicht, Gefangene wie in einem “Arbeitslager” mit Arrestierung zur Arbeit zu zwingen, die nicht Ziel und Zweck der Freiheitsentziehung sei. Ein Gefangener dürfe nicht ohne seine Zustimmung in einem Unternehmerbetrieb beschäftigt werden. Das Zustimmungserfordernis in § 41 Abs. 3 StVollzG sei vorgesehen worden, um den Bedenken des Sachverständigenausschusses des ILO Rechnung zu tragen. Die Nichtbeachtung des Zustimmungserfordernisses mache die Arbeitszuweisung willkürlich. In seinem Fall handele es sich um eine verbotene Mehrfachbestrafung, weil wegen der vorausgegangenen Verstöße zu immer härteren Maßnahmen gegriffen worden sei. Solche Maßnahmen dürften auch nur verhängt werden, wenn Aussicht bestünde, damit auf ihn einzuwirken. Andernfalls werde nur ein Exempel statuiert, um die allgemeine Disziplin aufrechtzuerhalten, was gegen die Menschenwürde und das Willkürverbot verstoße. Ferner verletze die Koppelung von Arrest und Hofgangentzug das Übermaßverbot.
Bei der Verhängung von Arrest durch die Anstalt sei der Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG verletzt. Der Beschwerdeführer sei körperlicher und seelischer Mißhandlung im Sinne von Art. 104 Abs. 1 Satz 2 GG ausgesetzt gewesen, da er sieben Tage keine frische Luft bekommen habe, im sogenannten “Bärenkäfig” (abgetrennter Raum mit Spezialvergitterung und Vorraum) eingesperrt gewesen sei und keinen Zugang zu Literatur, Radio oder Fernsehen gehabt habe, was außerdem gegen Art. 5 GG verstoße.
Das Gericht habe verspätet über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung entschieden, was Art. 19 Abs. 4 GG verletze.
c) Nach einer vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz im Rahmen des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens übermittelten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt hat der Beschwerdeführer bereits beim Zugangsgespräch am 23. Januar 1991 angegeben, er wolle im Vollzug nicht arbeiten. Er sei dann auch nicht bereit gewesen, bei der Erstellung des Vollzugsplans mitzuwirken. Im übrigen legt die Justizvollzugsanstalt dar, daß der Arrestraum nach Ausstattung und Größe ausreichend gewesen sei. Sie teilt weiter mit, daß die im Arrest befindlichen Gefangenen briefliche Kontakte herstellen und Besuche empfangen könnten. Literatur, Radio- und Fernsehgerät würden aber nur in begründeten Ausnahmefällen ausgegeben.
d) Demgegenüber betont der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme vom 16. März 1998, er sei grundsätzlich arbeitswillig gewesen, allerdings nicht zu den angebotenen Bedingungen.
Normenkontrollverfahren 2 BvL 17/94
1. Der Antragsteller im Ausgangsverfahren gemäß §§ 109 ff. StVollzG hat geltend gemacht, er sei für Wiedergutmachung, Schuldentilgung, Unterstützung Angehöriger und Zahlung der Gerichts- und Anwaltskosten auf eine angemessene Entlohnung angewiesen, die ihm die Vollzugsbehörden unter Hinweis auf die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes versagten. Der monatliche Bruttotariflohn für seine in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg ausgeübte Tätigkeit als Schneider (Lohnstufe V) betrage 5.072,-- DM. Abzüglich der bisher gezahlten 300,-- DM stehe ihm mithin ein Anspruch auf Leistung von 4.772,-- DM zusätzlich zu.
2. Das Landgericht Potsdam – Strafvollstreckungskammer – hat das Verfahren mit Beschluß vom 10. August 1994 gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 200 Abs. 1 StVollzG mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
a) Nach Ansicht der Strafvollstreckungskammer ist die Bestimmung des § 200 Abs. 1 StVollzG in vorliegender Sache entscheidungserheblich. Auf der Grundlage des § 200 Abs. 1 StVollzG sei der Antrag auf tarifmäßige Entlohnung zurückzuweisen. Sei § 200 Abs. 1 StVollzG hingegen verfassungswidrig, so bestünde hinsichtlich der Höhe des Entgelts eine Lücke, die dergestalt geschlossen werden müsse, daß dem Antragsteller ein durch Auslegung zu ermittelnder Mindestentgeltanspruch von mehr als 5 v.H. zugesprochen werde. Auf welche Höhe sich dieser Anspruch belaufe, sei konkret erst zu ermitteln, sobald über die Verfassungsmäßigkeit des § 200 StVollzG befunden worden sei.
b) Die Strafvollstreckungskammer hält § 200 Abs. 1 StVollzG für verfassungswidrig.
Die Verpflichtung des Staates, den Vollzug am Ziel der Resozialisierung auszurichten, wie es das Strafvollzugsgesetz vorsehe, folge aus dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Eine wirksame Resozialisierung gewährleiste dem Gefangenen, sich auf ein Leben in Freiheit einzurichten und künftig in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu leben. Der aus dem genannten Grundrecht folgende Resozialisierungsauftrag werde durch den Angleichungsgrundsatz des § 3 StVollzG weiter konkretisiert, aus dem wiederum die Pflicht zu einer weitgehenden Gleichstellung der Arbeit innerhalb des Vollzugs mit der Arbeit außerhalb der Justizvollzugsanstalt folge. Entsprechend solle die Einführung eines echten Anspruchs auf Arbeitsentgelt die lebensfremde Situation des Gefangenen in der Anstalt beheben. Das Arbeitsentgelt solle dem Gefangenen dazu dienen, Angehörige zu unterstützen, Schaden wiedergutzumachen, Schulden zu tilgen und Geld für einen Übergang zum Leben in Freiheit anzusparen.
Diesem Resozialisierungsauftrag werde § 200 Abs. 1 StVollzG nicht gerecht. Unter Berücksichtigung der Vergütungsstufen der Strafvollzugsvergütungsordnung verdiene ein Gefangener allenfalls 9,72 DM täglich (Stand: 1990). Unter Einschluß von Zulagen könnten Bezüge von maximal 13,62 DM pro Tag erzielt werden; diese Zahl werde allerdings praktisch kaum je erreicht. Der Antragsteller habe nach der Verdienstbescheinigung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg vom 1. Dezember 1992 bis 31. August 1993 monatlich zwischen 65,04 DM und 259,29 DM verdient. Durchschnittlich habe er im Monat an 20 Arbeitstagen 148 Arbeitsstunden geleistet. Ein solch niedriges Entgelt könne die am Resozialisierungsziel definierten Funktionen nicht erfüllen, die der Gefangene nach dem Grundgedanken des Strafvollzugsgesetzes sogar in eigener Etatplanung verwirklichen solle, um Realitätssinn und Wirtschaftlichkeit im Rahmen des Vollzugs zu erlernen.
Damit verstoße § 200 Abs. 1 StVollzG gegen den Anspruch des Gefangenen auf Resozialisierung. Zwar sei der Gesetzgeber bei der gewährenden Staatstätigkeit nur im Rahmen des Möglichen und der Gesellschaft Zumutbaren verpflichtet, die Grundrechte zu konkretisieren. Doch bestehe in Bereichen, die der Staat völlig an sich gezogen habe und in denen es allein von ihm abhänge, ob die Grundrechte des Einzelnen verwirklicht würden, eine erhöhte Verpflichtung zum Tätigwerden. So liege es hier: Der Staat habe allein die Gestaltung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe übernommen. Deshalb sei auch nur er in der Lage, wirksame Voraussetzungen für die Resozialisierung zu schaffen. Zwar stehe ihm insofern ein Spielraum zu. Habe er aber bestimmte Instrumente der Resozialisierung geschaffen, so müsse er auch deren Funktionsfähigkeit im wesentlichen sicherstellen. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergebe sich, daß mit der Schaffung eines Anspruchs auf Entgelt wesentliche Resozialisierungsaufgaben erfüllt werden sollten. Im Rahmen des Möglichen bestehe deshalb die Verpflichtung des Gesetzgebers, das Arbeitsentgelt so auszugestalten, daß es diesen Zielen gerecht werden könne. Es fehle bisher auch an einer Gewinn- und Verlustrechnung, die nicht nur die durch Gefangenenarbeit geschaffenen Werte, sondern auch die öffentlichen Aufwendungen einbeziehe, die durch Versorgung der Angehörigen, Wiedergutmachung der Schäden der Opfer und Rückfallvermeidung eingespart werden könnten. Nur nach einer solchen Berechnung könne angegeben werden, was dem Staat an Kostenbelastung zur angemessenen Entlohnung zumutbar sei.
3. Das Land Brandenburg hat mitgeteilt, daß der Antragsteller als Näher im Eigenbetrieb “Schneiderei” der Justizvollzugsanstalt Brandenburg beschäftigt worden sei. Nach Mitteilung der IG Textil und Bekleidung entspreche seine Tätigkeit der Lohngruppe IV des Tarifvertrags Neue Bundesländer. Dieser sehe seit 1. April 1995 einen Stundenlohn von 9,62 DM und damit ein monatliches Bruttoentgelt von 1.667,47 DM vor. Der Betroffene arbeite täglich 7,75 Stunden. Er sei gegenüber einem Kind unterhaltspflichtig. Die Unterhaltsleistungen würden für die Dauer der Inhaftierung vom Sozialhilfeträger unter Verzicht auf die künftige Geltendmachung der übergeleiteten Unterhaltsansprüche erbracht. Von Schulden des Betroffenen oder gegen ihn laufenden Pfändungen sei nichts bekannt.
1. Zu den Verfassungsbeschwerden und zur Richtervorlage hatten gemäß § 77 i.V.m. § 82 Abs. 2 und § 94 Abs. 4 BVerfGG der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die Landesregierungen Gelegenheit zur Stellungnahme.
a) Namens der Bundesregierung vertritt das Bundesministerium der Justiz die Auffassung, die Arbeitspflicht (§ 41 Abs. 1 StVollzG) werde durch Art. 12 Abs. 3 GG ausdrücklich zugelassen. Sie sei ein wesentliches Element zur Erfüllung des Resozialisierungsauftrags. Zur Erreichung dieses Vollzugsziels habe es der Gesetzgeber als entscheidend angesehen, daß sich der Strafgefangene darin übe, einer geregelten Arbeit nachzugehen, Defizite im Bereich der Arbeitsorientierung auszugleichen und dadurch eine Existenzgrundlage zu schaffen und zu erhalten.
Bei der Entgeltregelung des § 43 Abs. 1 StVollzG sei der Gesetzgeber unter keinem Grundrechtsgesichtspunkt verpflichtet, die zugewiesene Arbeit wie freie Erwerbsarbeit zu behandeln. Um die Resozialisierung zu fördern und den nachteiligen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken, könne und müsse der Staat bei der Höhe der Arbeitsentgelte differenzieren. Art. 3 Abs. 1 GG verlange nicht, die Strafgefangenen, die zugewiesene Arbeit verrichteten, hinsichtlich des Entgelts mit den in freien Beschäftigungsverhältnissen arbeitenden Gefangenen gleichzustellen oder bei zugewiesener Arbeit einzelne Untergruppen besser zu behandeln. Das System der Eckvergütung nach § 43 StVollzG habe der Gesetzgeber flexibel genug ausgestaltet. Eine stärkere Differenzierung sei verfassungsrechtlich nicht geboten.
Die Bemessung des Arbeitsentgelts auf der Grundlage von 5 v.H. der Bezugsgröße des § 200 Abs. 1 StVollzG sei mit dem Grundgesetz vereinbar, obgleich aus vollzugspolitischer Sicht die Bundesregierung eine Erhöhung für geboten halte. Eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Erhöhung des Arbeitsentgelts, etwa nach Art. 8 Abs. 3 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte bestehe nicht. Ein Verfahren vor der UN-Menschenrechtskommission sei eingestellt worden.
Aus dem Resozialisierungsgebot folge nur ein Rechtsanspruch auf ein Entgelt für geleistete Arbeit; es ließen sich daraus aber keine bestimmten Folgerungen für die Höhe ableiten. Die Beurteilung der Höhe obliege dem Gesetzgeber. Ein so krasser Widerspruch zum Resozialisierungsgebot mit der Folge, daß gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen werden müßten, lasse sich nicht feststellen. Der Gesetzgeber dürfe sich davon leiten lassen, daß in dem Gesamtrahmen, in dem der Strafvollzug zur Resozialisierung beitragen solle, das Entgelt nur eines von zahlreichen Elementen darstelle, die dem zu erreichenden Ziel förderlich oder abträglich sein könnten. Angesichts der zahlreichen Faktoren, die im Strafvollzug und – noch mehr – im Anschluß an die Verbüßung der Freiheitsstrafe den Resozialisierungserfolg bedingten, könne nicht allein von einer Erhöhung des Arbeitsentgelts ein maßgeblicher Effekt erwartet werden.
Die Erhöhung würde den Ländern erhebliche Haushaltsbelastungen bringen. Die durch die Arbeit der Gefangenen erzielten Einnahmen deckten die von den Ländern zu tragenden Gesamtausgaben nur zum geringen Teil. Das System der zugewiesenen Arbeit weise gegenüber den Produktionsergebnissen in der gewerblichen Wirtschaft derart starke Produktivitätsbarrieren auf, daß im Bundesdurchschnitt nur etwa 1/10 der Gesamtausgaben für den Strafvollzug durch Einnahmen aus der Arbeitsleistung der Strafgefangenen gedeckt werden könne. Die hohe durchschnittliche Arbeitslosigkeit und die sonstigen Folgeprobleme der Umwälzung der Wirtschaftsordnung in den neuen Ländern hätten ebenfalls erhebliche Belastungen für die Haushalte mit sich gebracht. Letztlich könne dem Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich vorgegeben werden, welche sozialen Gestaltungsaufgaben vorrangig wahrzunehmen und durch den Einsatz von Haushaltsmitteln zu finanzieren seien.
Die Einbeziehung aller Strafgefangenen in die sozialen Sicherungssysteme sei zwar langfristig zu befürworten, doch sei der Gesetzgeber verfassungsrechtlich weder durch den Gleichheitssatz noch durch den gesetzlichen Auftrag des § 198 Abs. 3 StVollzG zur Umsetzung verpflichtet. Die Ausgestaltung der Sozialordnung sei in erster Linie seine Aufgabe. Ihm stehe es grundsätzlich frei zu bestimmen, ob, ab wann, in welcher Höhe und gegenüber welchem Personenkreis er mit beabsichtigten Verbesserungen beginnen wolle. Der Gesetzgeber dürfe berücksichtigen, daß die Einbeziehung aller arbeitenden Strafgefangenen in die Sozialversicherung erhebliche Belastungen für die öffentlichen Haushalte der Länder bewirken würde. Gerade in Zeiten starker Haushaltsbelastungen sei es ein überragend wichtiges Gemeinschaftsanliegen, eine Überforderung der Länderhaushalte zu vermeiden. Es sei dem Gesetzgeber nicht vorzuwerfen, daß der in § 198 Abs. 3 StVollzG verankerte Auftrag, einen wirkungsvollen sozialen Versicherungsschutz herbeizuführen, nur deshalb bisher nicht habe umgesetzt werden können, weil nur begrenzte öffentliche Mittel vorhanden gewesen seien und andere Prioritäten in der Politik im allgemeinen und im sozialen Bereich im besonderen hätten gesetzt werden müssen. Die Differenzierung zwischen den in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehenden Gefangenen und Gefangenen mit zugewiesener Arbeit sei auch vor dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot gerechtfertigt. Der Gesetzgeber dürfe die tatsächlichen Unterschiede in den Beschäftigungen berücksichtigen.
b) Die Bayerische Staatsregierung steht nach der Äußerung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz aus ähnlichen Erwägungen wie das Bundesministerium der Justiz auf dem Standpunkt, daß die beanstandeten gesetzlichen Regelungen sowohl für sich genommen als auch in ihrer Zusammenschau der Verfassung genügten. Zu den Verfassungsbeschwerde-Verfahren 2 BvR 441/90, 2 BvR 618/92 und 2 BvR 212/93 äußert sich das Bayerische Staatsministerium der Justiz wie folgt:
aa) Zur Verfassungsbeschwerde 2 BvR 441/90
Der Verfassunggeber habe bei Erlaß des Grundgesetzes das überkommene Bild des Strafvollzugs vor Augen gehabt. Insbesondere sei er bei der Fassung des Art. 12 Abs. 3 GG von der herkömmlichen Form der Gefangenenarbeit ausgegangen. Die Pflichtarbeit des Gefangenen berühre Art. 1 Abs. 1 GG nicht schon dadurch, daß der Strafgefangene keinen vollen Arbeitslohn erhalte. Es sei keine Frage der Menschenwürde, ob und wie die Arbeit entlohnt werde. Die Arbeit des Gefangenen stelle eine der wichtigsten Behandlungsmaßnahmen im Rahmen der Resozialisierungsbemühungen dar. Die planmäßige Beschäftigung sei ein Mittel, um nachteiligen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken. Der Gesetzgeber habe das Arbeitsentgelt zwar bisher nicht erhöht, aber nicht schon dadurch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. Er habe sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers in § 200 Abs. 2 StVollzG gerade nicht selbst eine Frist zur Erhöhung des Entgelts gesetzt. Vielmehr sehe die Regelung nur vor, daß über eine Erhöhung befunden werden solle. Wirkungen im rechtlichen Sinn, insbesondere eine Selbstverpflichtung des Gesetzgebers, enthalte die Vorschrift nicht.
Die in lohn- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht unterschiedliche Stellung von Gefangenen, die als Freigänger einer Arbeit auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachgingen, und solchen Gefangenen, die als Freigänger zugewiesene Arbeit verrichteten, sei mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dem Gesetzgeber komme bei der Bewertung mehrerer Sachverhalte als gleich oder ungleich ein erheblicher Gestaltungsraum zu. Dem Strafvollzugsgesetz liege ein Konzept differenzierender Vollzugsgestaltung zugrunde, das eine am Behandlungsauftrag orientierte Abstufung auch innerhalb bestimmter Gruppen von Gefangenen ermögliche. Aus der systematischen Stellung des § 39 Abs. 1 StVollzG und den darin bezeichneten Voraussetzungen ergebe sich, daß die Gestattung eines freien Beschäftigungsverhältnisses auf besonders gelagerte und streng am Behandlungsgedanken orientierte Ausnahmefälle beschränkt sein solle. Dem entsprächen die Bayerischen Verwaltungsvorschriften zu § 39 StVollzG. Nach ihnen sei auch im Fall des Beschwerdeführers verfahren worden.
bb) Zur Verfassungsbeschwerde 2 BvR 618/92
Auch in der Sicherungsverwahrung diene die Arbeitspflicht dem Zweck, nachteiligen Folgen der Freiheitsentziehung entgegenzuwirken und den Sicherungsverwahrten auf seine Eingliederung in das Leben in Freiheit vorzubereiten (§ 129 Satz 2 StVollzG). Sie mache daher den Sicherungsverwahrten nicht zum Objekt eines unbegrenzten Herrschaftszugriffs und sei auch nicht Ausdruck der Herabwürdigung oder Diskriminierung des Einzelnen. Daß Sicherungsverwahrte hinsichtlich der Arbeitsentlohnung Strafgefangenen gleichgestellt seien, verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar sei dem Beschwerdeführer zuzugeben, daß mit der Sicherungsverwahrung ein anderer Zweck verfolgt werde als mit einer Freiheitsstrafe. Gleichwohl seien stichhaltige Gründe vorhanden, die es rechtfertigten, den Vollzug der Sicherungsverwahrung dem Vollzug einer Strafe in bestimmten Belangen anzugleichen. Dies gelte unabhängig von der Frage, inwieweit die von der Verweisung in § 130 StVollzG nicht ausdrücklich umfaßte Resozialisierungsaufgabe des § 2 Satz 1 StVollzG gleichwohl materiell auch den Vollzug von Sicherungsverwahrung prägen dürfe. Jedenfalls sei der Vollzug von Strafhaft und Sicherungsverwahrung gleichermaßen darauf auszurichten, daß eine Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse angestrebt, nachteiligen Folgen des Freiheitsentzugs entgegengewirkt und die Wiedereingliederung nach der Entlassung vorbereitet werde. Der Bedeutung dieser Gestaltungsgrundsätze entspreche es, wenn eine planmäßige und sinnvolle Beschäftigung der Untergebrachten angestrebt werde, um diese in die Lage zu versetzen, sich und gegebenenfalls ihrer Familie durch eine geregelte Arbeit nach der Entlassung eine Existenzgrundlage zu schaffen und diese zu erhalten. Von diesem sozialpädagogischen Aspekt werde die Arbeit in der Sicherungsverwahrung bestimmt. Auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht sei kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine unterschiedliche Behandlung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten gebieten könnte.
cc) Zur Verfassungsbeschwerde 2 BvR 212/93
Bei den inhaltlichen Begrenzungen der Arbeitspflicht, die den §§ 37 und 41 StVollzG zu entnehmen seien, sei auszuschließen, daß die Gefangenen in menschenunwürdiger Weise zum Objekt eines unbegrenzten Herrschaftswillens gemacht würden. In der Zuweisung von Arbeit komme deshalb auch keine Herabwürdigung oder Diskriminierung des Einzelnen zum Ausdruck. Der Beschwerdeführer verkenne bei seinem Hinweis auf § 41 Abs. 3 StVollzG, daß diese Vorschrift noch nicht in Kraft getreten sei. Die Zuweisung der Tätigkeit in einem Unternehmerbetrieb sei keine Zwangsarbeit im Sinne des ILO-Übereinkommens Nr. 29, da dessen Schutzgedanke auf diese Form von Arbeit nicht zutreffe.
c) Namens der Regierung des Landes Brandenburg hat das Ministerium der Justiz in dem Vorlageverfahren darauf hingewiesen, daß es in den brandenburgischen Justizvollzugsanstalten zahlreiche Gefangene gebe, die bereits in den Zeiten der DDR inhaftiert gewesen seien. Sie hätten damals 18 v.H. eines Durchschnittsverdienstes erhalten, der für die von ihnen geleistete Tätigkeit außerhalb der Anstalt gezahlt worden sei. Vor allem von diesen Gefangenen werde die Regelung des § 200 Abs. 1 StVollzG als ein dem Resozialisierungsziel abträglicher Rückschritt empfunden.
d) Für die Freie und Hansestadt Hamburg betont deren Justizbehörde, daß die Zuweisung von Arbeit ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis begründe, bei dem nur das in § 200 Abs. 1 StVollzG bestimmte Entgelt gezahlt werden dürfe. Eine solche gesetzliche Ausgestaltung der durch Art. 12 Abs. 3 GG zugelassenen Arbeitspflicht mache den Gefangenen nicht zum Objekt eines unbegrenzten staatlichen Herrschaftszugriffs. Zur Arbeit bei einem geringen Entgelt zu verpflichten, verstoße auch nicht gegen das Verbot des Arbeitszwangs gemäß Art. 12 Abs. 2 GG und gegen Grundrechte, in die unter Beachtung von Art. 12 Abs. 3 GG auf gesetzlicher Grundlage eingegriffen werde. Auch § 200 Abs. 2 StVollzG begründe keinen Anspruch des Gefangenen auf ein höheres Arbeitsentgelt. Die Vorschrift enthalte lediglich eine Selbstverpflichtung des Gesetzgebers zur Prüfung einer Erhöhung des Arbeitsentgelts, nicht aber zu dessen tatsächlicher Erhöhung.
Ob § 200 Abs. 1 StVollzG dann gegen Art. 2 Abs. 1 GG und das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip verstieße, wenn alle Gefangenen ausschließlich auf das Arbeitsentgelt nach § 43 StVollzG angewiesen und ihnen alle weiteren Verdienstmöglichkeiten verwehrt wären, brauche nicht abschließend geklärt zu werden. Nicht alle Gefangenen seien – anders als im Vorlagebeschluß dargestellt – ausschließlich auf Arbeitsentgelt nach § 43 StVollzG angewiesen. Jedem Gefangenen sei es bei adäquater Führung und der von § 4 StVollzG geforderten Mitarbeit am Vollzugsziel rechtlich und – zumindest in der Freien und Hansestadt Hamburg – auch tatsächlich möglich, in einem freien Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten. In dieser Beschäftigungsform arbeite der Gefangene – zumeist während des letzten Halbjahres seiner Haft – außerhalb der Justizvollzugsanstalt und erhalte dafür regelmäßig den örtlich geltenden Tariflohn. Darüber hinaus gebe es in der Freien und Hansestadt Hamburg seit 1990 für die Gefangenen die Möglichkeit, innerhalb von Justizvollzugsanstalten in zwei Privatfirmen einem Arbeitsverhältnis zum Tariflohn nachzugehen. Insgesamt liege in Hamburg der Anteil der in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigten Gefangenen im Berichtszeitraum (1995) bei 20 v.H. Sie erhielten Tariflohn und seien renten- sowie krankenversichert. Bei ihnen sei also dem Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG in vollem Umfang Genüge getan.
2. Das International Labour Office hat mit Schreiben vom 15. Juni 1996 darauf hingewiesen, daß der Sachverständigenausschuß seit vielen Jahren die Auffassung vertrete, in Deutschland sei die Beschäftigung von Gefangenen in Unternehmerbetrieben mit Art. 2 Abs. 2 lit. c) des Übereinkommens Nr. 29 nicht vereinbar.
Die genannte Norm lasse Zwangsarbeit von Gefangenen nur dann zu, wenn “diese Arbeit oder Dienstleistung unter Überwachung und Aufsicht der öffentlichen Behörden ausgeführt wird und (…) der Verurteilte nicht an Einzelpersonen oder private Gesellschaften und Vereinigungen verdingt oder ihnen sonst zur Verfügung gestellt wird”. Das bedeute nach der authentischen Interpretation des Sachverständigenausschusses, daß nur Arbeit, die unter den Bedingungen eines freien Arbeitsverhältnisses geleistet werde, als mit Art. 2 Abs. 2 lit. c) des Übereinkommens vereinbar angesehen werden könne. Unerläßlich seien danach vor allem die förmliche Zustimmung der betroffenen Person sowie Garantien und Schutzbestimmungen hinsichtlich Entlohnung und sozialer Sicherheit, die es erlaubten, das Arbeitsverhältnis als ein freies zu betrachten.
Der Sachverständigenausschuß nehme mit Bedauern zur Kenntnis, daß die derzeitigen deutschen Vorschriften über die geringe Entlohnung der Gefangenen, ihre teilweise fehlende soziale Absicherung und der Verzicht darauf, daß der Gefangene seiner Beschäftigung in einem Unternehmerbetrieb förmlich zustimmen müsse, dem von Art. 2 Abs. 2 lit. c) des Übereinkommens geforderten Standard nicht entsprächen.
3. Auf der Grundlage eines Ersuchens gemäß § 82 Abs. 4 BVerfGG haben die Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts Äußerungen ihrer Senate übersandt.
a) Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts teilt mit, daß das Gericht bisher nur mit der Frage befaßt gewesen sei, ob Straf- und Untersuchungsgefangene, die Arbeit leisteten, bei den Arbeitsgerichten eine angemessene Vergütung einklagen könnten. Das Bundesarbeitsgericht sei von der herkömmlichen Auffassung ausgegangen, daß Strafgefangene im Rahmen des besonderen Gewaltverhältnisses einer öffentlich-rechtlichen Arbeitspflicht unterlägen, mithin weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen seien. An dieser Einschätzung werde festgehalten.
b) Der 13. Senat des Bundessozialgerichts stellt fest, daß die für die Beschäftigungsverhältnisse geltenden Regelungen der Reichsversicherungsordnung und des Sozialgesetzbuchs auf Gefangene nicht anwendbar seien, weil diese, wenn sie zugewiesene Arbeit verrichteten, aufgrund eines “öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses” tätig seien. Daß dies nicht gegen das Grundgesetz verstoße, habe das Bundessozialgericht mehrfach entschieden (BSGE 27, 197; zuletzt BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 157 = NJW 1989, S. 190). Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden allerdings hinsichtlich des gemäß §§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI möglichen Wegfalls von Anwartschaften auf Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten infolge einer Inhaftierung. Hier wirke sich die Aussparung der Strafhaft aus der Rentenversicherung besonders einschneidend aus; dieser Effekt sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG problematisch.
c) Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hält die fehlende Versicherungspflicht der Strafgefangenen, die zu Lücken im Versicherungsverlauf führe und damit den Erwerb oder die Erhöhung einer Rentenanwartschaft verhindere, für sozialadäquat; sie sei mit keinem Eingriff in bestehende Rechte verbunden und deshalb auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es stehe im Ermessen des Gesetzgebers, ob und ab wann er im Sinne der Einheitlichkeit der Sozialrechtsordnung die Versicherungspflicht der Arbeit eines Strafgefangenen innerhalb der Strafhaft einführe. Er könne insbesondere im Blick auf die Sozialhilfe auch einen “Kosten-Nutzen-Vergleich” anstellen.
Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente führten aber dazu, daß ein bestehender Versicherungsschutz spätestens nach einer Strafhaft von zwei Jahren verloren gehe und im ungünstigsten Fall erst nach dreijähriger versicherungspflichtiger Beschäftigung nach der Entlassung wieder erworben werden könne. Hier liege ein Eingriff in eigentumsrechtliche Positionen vor, der dem Resozialisierungsgebot der Verfassung zuwiderlaufe, unverhältnismäßig sei und den allgemeinen Gleichheitssatz verletze.
4. Der Senat hat auch den Verbänden, die von den aufgeworfenen Fragen berührt werden, die Möglichkeit einer Äußerung eröffnet. Davon haben Gebrauch gemacht die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (wiedergegeben in SozVers 1993, S. 44 ff.), der AOK-Bundesverband, der Bundesverband der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter im Strafvollzug (wiedergegeben in ZfStrVo 1993, S. 180) sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe.
In der mündlichen Verhandlung haben die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer und des Beteiligten im Ausgangsverfahren der Richtervorlage, die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung ihr Vorbringen vertieft. Es sind Kostenberechnungen für die Erhöhung des Arbeitsentgelts und die Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Krankenversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung erörtert worden. Sie waren von der Bundesregierung, der Bayerischen Staatsregierung und – zur Rentenversicherung – von dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger vorgelegt worden. Dabei standen Daten zur Verfügung, die der Senat durch eine Umfrage bei den Landesjustizverwaltungen und Dr. Neu, Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, in einer von den Landesjustizverwaltungen in Auftrag gegebenen Untersuchung (Betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Aspekte einer tariforientierten Gefangenenentlohnung, 1995) erhoben hatten.
Über die in der Republik Österreich 1993 eingeführte Regelung des Arbeitsentgelts der Strafgefangenen hat Leitender Staatsanwalt Dr. Haider, Bundesministerium für Justiz, Wien, berichtet. Diese sieht ein tariflohnbezogenes Entgelt (60 bis 90 v.H. des tariflichen Mindestlohns für Metallhilfsarbeit) bei Abzug eines – allerdings hohen – prozentual bemessenen Haftkostenbeitrags (75 v.H.) vor.
Im übrigen sind zu den aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen, auch zu den Regelungen in auswärtigen Staaten und zu völkerrechtlichen Vereinbarungen, mehrere Sachverständige gehört worden. Aus der Praxis der Unternehmerbetriebe wurde über die Veränderungen der Rahmenbedingungen wirtschaftlich ergiebiger Gefangenenarbeit berichtet; diese Veränderungen folgen aus der hohen Arbeitslosigkeit, der Billiglohnkonkurrenz ausländischer Arbeitskräfte und der Automatisierung einfacher Tätigkeiten.
Entscheidungsgründe
B.
I.
1. Die Verfassungsbeschwerden 2 BvR 441/90, 2 BvR 493/90 und 2 BvR 618/92 sind zulässig, soweit die Beschwerdeführer geltend machen, durch die Verweigerung einer tarifgemäßen oder angemessenen Entlohnung ihrer Arbeit, die sie außerhalb oder innerhalb der Anstalt verrichtet haben, und durch die Ablehnung ihrer Anträge auf (Nach-)Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in ihren Grundrechten verletzt zu sein.
a) Die Beschwerdeführer rügen u.a. die Verletzung des Resozialisierungsgebots und des Rechtsstaatsprinzips (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG) sowie des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), im Verfahren 2 BvR 493/90 und 2 BvR 618/92 auch des Art. 12 Abs. 3 GG, weil die Ermächtigung zur Anordnung von Zwangsarbeit eine vorherige gesetzliche Konkretisierung der zu leistenden “gerechten” Entschädigung verlange (Verfassungsbeschwerde 2 BvR 493/90) und sich nicht auf die Sicherungsverwahrung beziehe (Verfassungsbeschwerde 2 BvR 618/92).
Insoweit haben die Beschwerdeführer dargetan, daß sie durch die beanstandeten gerichtlichen Entscheidungen und deren mit den Verfassungsbeschwerden mittelbar angegriffene Rechtsgrundlagen (§ 43 Abs. 1 Sätze 2 und 3, § 200 Abs. 1 und § 198 Abs. 3 StVollzG) selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten beeinträchtigt sein können. Das gilt auch für die Nichtzahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung, weil dadurch gegenwärtig und unmittelbar die Begründung oder Entwicklung einer etwaigen rentenrechtlichen Anwartschaft beeinflußt werden kann.
b) Eine persönliche Betroffenheit durch Nichtzahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung ist hingegen nicht dargelegt. Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung ist nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer und den ihren Verfassungsbeschwerden zugrundeliegenden Sachverhalten auch nicht die Frage, ob ein strafhaftbedingter Verlust von Anwartschaften auf eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente mit der Verfassung zu vereinbaren wäre.
c) Soweit der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 493/90 geltend macht, er sei in seinen Grundrechten dadurch verletzt, daß die Gerichte seinem Verlangen auf Zuweisung eines qualifikationsgemäßen Arbeitsplatzes und nach Eröffnung von Möglichkeiten der Erhaltung, Wiederherstellung und Weiterentwicklung seiner beruflichen Qualifikation mangels hinreichender Konkretisierung nicht stattgegeben haben, ist die Verfassungsbeschwerde gemäß §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG unzulässig. Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht schlüssig dargetan.
2. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 493/90 und die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen der Strafvollstreckungsgerichte sind beim Bundesverfassungsgericht zwar erst einen Tag nach dem Ablauf der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG eingegangen, so daß dem Erfordernis fristgerechter Begründung nicht genügt ist. Dem Beschwerdeführer ist jedoch insoweit gemäß § 93 Abs. 2 BVerfGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Diese Vorschrift ist durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) eingefügt worden; sie findet auf alle zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes anhängigen Verfahren Anwendung (Art. 8 des Gesetzes).
Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, daß er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Bereits mit Schreiben vom 29. März 1990 hatte er erläutert, er habe die ausführliche Begründung der Verfassungsbeschwerde mitsamt Anlagen so rechtzeitig zur Poststelle der Justizvollzugsanstalt gegeben, daß sie am 29. März 1990 hätte abgehen können. Damit hätte sein Schreiben – als eingeschriebener Brief – bei normaler Postlaufzeit bis zum 1. April 1990 das Bundesverfassungsgericht erreichen können. Daß der Schriftsatz nicht als Brief, sondern als Päckchen versandt worden sei (und deshalb eine längere Postlaufzeit benötigte), habe er nicht veranlaßt; vielmehr habe er ausdrücklich seinen Umschlag mit “Einschreiben” beschriftet und auch entsprechend frankiert. Diese Angaben sind schlüssig und stehen im Einklang mit den von ihm vorgelegten Versanddokumenten; Anhaltspunkte für einen abweichenden Geschehensablauf liegen nicht vor. Damit ist glaubhaft gemacht, daß seine Säumnis unverschuldet ist.
II.
Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 212/93 ist nur teilweise zulässig. Sie richtet sich gegen Disziplinarmaßnahmen wegen Arbeitsverweigerung und gegen gerichtliche Entscheidungen der Strafvollstreckungsgerichte im Verfahren des Eilrechtsschutzes und im Hauptsacheverfahren.
Soweit der Beschwerdeführer auch den Beschluß des Landgerichts vom 31. Januar 1992 angreift, mit dem sein Antrag auf Aussetzung der Disziplinarmaßnahmen als unzulässig verworfen worden war, hat er mit seiner am 9. Februar 1993 eingegangenen Verfassungsbeschwerde die Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG nicht eingehalten; der angegriffene Beschluß war ihm bereits am 5. Februar 1992 zugegangen. Für die im übrigen zulässig erhobene Verfassungsbeschwerde steht mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft das Rechtsschutzbedürfnis in Frage. Der Beschwerdeführer wird von der erledigten Maßnahme gegenwärtig nicht mehr beeinträchtigt. Auch unter dem Gesichtspunkt einer drohenden Wiederholung ist ein Rechtsschutzbedürfnis nicht begründet, weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit, daß der Beschwerdeführer erneut unter vergleichbaren Voraussetzungen in Strafhaft kommen könnte, hierfür nicht genügt.
Jedoch besteht für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Hoheitsakte ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der vom Beschwerdeführer gerügte Grundrechtseingriff besonders belastend erscheint und andernfalls die Klärung einer grundsätzlich bedeutsamen verfassungsrechtlichen Frage unterbliebe (vgl. BVerfGE 81, 138 ≪140 f.≫). Grundsätzliche Bedeutung beansprucht hier freilich nur die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Zuweisung von Arbeit in einem Unternehmerbetrieb, wenn der Gefangene nicht zuvor seiner Verwendung zugestimmt hat. Geklärt ist insbesondere, daß die Verhängung von Arrest im Rahmen des Vollzugs einer Freiheitsstrafe nicht dem Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG unterliegt (vgl. BVerfGE 2, 118 ≪119≫; 64, 261 ≪280≫ und dazu 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluß vom 8. Juli 1993 – 2 BvR 213/93 –, NJW 1994, S. 1339), ferner daß für die Bemessung der Disziplinarmaßnahmen die Grundsätze des verhältnismäßigen Strafens und der Schuldgrundsatz gelten (vgl. BVerfGE 20, 323 ≪331≫).
III.
Der Vorlagebeschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam im Verfahren 2 BvL 17/94 ist zulässig. Er genügt den Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.
Die Kammer hält § 200 StVollzG für verfassungswidrig, soweit die Bestimmung ein Entgelt von nur 5 v.H. der in § 43 StVollzG bestimmten Größe vorsieht. Sie hat den angewandten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab dargestellt und sich in diesem Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur zur Frage des Anspruchs auf Resozialisierung und des Ermessensspielraums des Gesetzgebers in diesem Bereich auseinandergesetzt. Die Frage der Gültigkeit des § 200 StVollzG ist nach ihrer jedenfalls nicht unvertretbaren und deshalb für das Bundesverfassungsgericht maßgeblichen Auffassung auch entscheidungserheblich: Da der Antragsteller des Ausgangsverfahrens den in § 200 StVollzG vorgesehenen Lohn erhalte, müsse jede Klage auf eine höhere Entlohnung bei Gültigkeit dieser Norm abgewiesen werden. Sei sie dagegen ungültig, so sei die entstehende Lücke dadurch zu füllen, daß ein angemessener Lohn gerichtlich festgesetzt werde.
Für die Zulässigkeit der Vorlage ist es unschädlich, daß die Kammer die dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens gegebenfalls zuzusprechende Lohnhöhe nicht konkret bezeichnet hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muß ein Vorlagebeschluß nur hinreichend deutlich erkennen lassen, daß das vorlegende Gericht bei Gültigkeit der Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Fall ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 68, 311 ≪316≫; vgl. auch BVerfGE 58, 300 ≪317 f.≫; 63, 1 ≪24≫; 72, 51 ≪60≫; 80, 59 ≪65≫). Die Kammer hat insoweit dargelegt, daß sie bei Ungültigkeit des § 200 StVollzG jedenfalls zu einer höheren als der dort vorgesehenen Entlohnung gelangen würde; das genügt.
C.
I.
Die in den Mittelpunkt verfassungsgerichtlicher Prüfung gestellte Frage nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Höhe des für Gefangenenarbeit im Strafvollzug gewährten Entgelts kann nur aus dem Zusammenhang mit dem vom Gesetzgeber entwickelten Resozialisierungskonzept beantwortet werden. Die Mindesthöhe des Arbeitsentgelts ist ein Faktor, von dem die Eignung der nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 3 GG zulässigen Pflichtarbeit und der Arbeitszuweisung als Mittel verfassungsrechtlich gebotener Resozialisierung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG) abhängt. § 41 Abs. 1 Satz 1 StVollzG ist mit der Verfassung vereinbar, soweit die Bestimmung dazu verpflichtet, zugewiesene Arbeit unter der öffentlich-rechtlichen Verantwortung der Vollzugsbehörden zu verrichten, und § 43 Abs. 1 Satz 1 StVollzG dafür ein Entgelt vorsieht. Das gilt auch für die Erweiterung des Anwendungsbereichs gemäß § 130 StVollzG. Dabei genügt es verfassungsrechtlichen Anforderungen, daß § 43 Abs. 1 Satz 1 StVollzG ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage eines nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bestimmten Eckwerts (§ 43 Abs. 1 Satz 2 StVollzG) nach Stunden- oder Tagessätzen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 StVollzG) mit der Möglichkeit vorsieht, auch die Art der Arbeit und die erbrachte Leistung des Gefangenen zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 StVollzG). Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch § 198 Abs. 3 StVollzG, soweit danach die Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung von einem besonderen Bundesgesetz abhängt. Hingegen widerspricht die Begrenzung der für das Arbeitsentgelt maßgebenden Eckvergütung durch § 200 Abs. 1 StVollzG auf 5 v.H. der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot.
1. Die Verfassung gebietet, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung der Gefangenen hin auszurichten. Der einzelne Gefangene hat aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einen grundrechtlichen Anspruch darauf, daß dieser Zielsetzung bei ihn belastenden Maßnahmen genügt wird.
Für die Freiheitsstrafe, bei der die staatliche Gewalt die Bedingungen der individuellen Lebensführung weitgehend bestimmt, erlangt das Gebot der Resozialisierung besonderes Gewicht. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Gebot aus dem Selbstverständnis einer Rechtsgemeinschaft entwickelt, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist. Dem Gefangenen sollen die Fähigkeit und der Wille zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden. Er soll sich in Zukunft unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch behaupten, ihre Chancen wahrnehmen und ihre Risiken bestehen können. Die Resozialisierung dient auch dem Schutz der Gemeinschaft selbst: Diese hat ein unmittelbares eigenes Interesse daran, daß der Täter nicht wieder rückfällig wird und erneut seine Mitbürger und die Gemeinschaft schädigt (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪235 f.≫ – Lebach).
Dieses verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot bestimmt den gesamten Strafvollzug; es gilt auch bei der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Auch diesen Gefangenen sind Bedingungen zu bieten, unter denen sie ihre Lebenstüchtigkeit entfalten und festigen können. Persönlichkeitsschädigenden Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsveränderungen ist entgegenzuwirken (vgl. BVerfGE 45, 187 ≪238 f.≫). Entsprechendes muß für die Sicherungsverwahrung gelten. Auch der dort Untergebrachte kann der Freiheit wieder teilhaftig werden, wenn er nicht mehr gefährlich ist (§ 67d Abs. 2 und Abs. 3 StGB).
2. Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich. Es richtet sich zunächst an die Gesetzgebung, der es aufgegeben ist, den Strafvollzug normativ zu gestalten (vgl. BVerfGE 33, 1 ≪10 f.≫). Es verpflichtet den Gesetzgeber, ein wirksames Resozialisierungskonzept zu entwickeln und den Strafvollzug darauf aufzubauen. Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot entfaltet seine Bedeutung freilich auch für Verwaltung und Rechtsprechung, wenn es gilt, unbestimmte Rechtsbegriffe oder Generalklauseln auszulegen, oder wenn der Gesetzgeber den Vollzugsbehörden ein Rechtsfolgeermessen eingeräumt hat.
3. Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot legt den Gesetzgeber nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept fest; vielmehr ist ihm für die Entwicklung eines wirksamen Konzepts ein weiter Gestaltungsraum eröffnet. Er kann unter Verwertung aller ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisse, namentlich auf den Gebieten der Anthropologie, Kriminologie, Sozialtherapie und Ökonomie, zu einer Regelung gelangen, die – auch unter Berücksichtigung von Kostenfolgen – mit dem Rang und der Dringlichkeit anderer Staatsaufgaben in Einklang steht (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪80≫; 90, 107 ≪116≫; 96, 288 ≪305 f.≫).
4. Arbeit im Strafvollzug, die dem Gefangenen als Pflichtarbeit zugewiesen wird, ist nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Diese Anerkennung muß nicht notwendig finanzieller Art sein. Sie muß freilich geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen. Nur wenn der Gefangene eine solchermaßen als sinnvoll erlebbare Arbeitsleistung erbringen kann, darf der Gesetzgeber davon ausgehen, daß durch die Verpflichtung zur Arbeit einer weiteren Desozialisation des Gefangenen entgegengewirkt wird und dieser sich bei der Entwicklung beruflicher Fähigkeiten sowie bei der Entfaltung seiner Persönlichkeit auf ein positives Verhältnis zur Arbeit zu stützen vermag.
a) Die Forderung aus dem Resozialisierungsgebot, Arbeit angemessen anzuerkennen, stellt sich hier nur für solche Gefangene, denen eine Arbeit oder eine sonstige Beschäftigung zugewiesen oder zugeteilt worden ist oder die zu einer Hilfstätigkeit verpflichtet worden sind (Pflichtarbeit). Besondere Maßstäbe gelten für Gefangene, denen keine Arbeit zugewiesen wird, weil sie zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder zur Teilnahme an anderen Maßnahmen der Aus- oder Weiterbildung (vgl. § 37 Abs. 3 StVollzG) oder zum Abschluß der Hauptschule (vgl. § 38 StVollzG) Gelegenheit erhalten oder arbeitstherapeutisch beschäftigt werden (vgl. § 37 Abs. 5 StVollzG).
b) Die Arbeit im Strafvollzug bereitet vor allem dann auf das Erwerbsleben in Freiheit vor, wenn sie durch ein Entgelt anerkannt wird. Allerdings kann der Vorteil für die erbrachte Leistung in verschiedener Weise zum Ausdruck kommen. Anerkennung ist nicht nur ein monetäres Konzept. Die moderne Gesellschaft ist geradezu darauf angewiesen, daß freiwillig geleistete oder auch zugewiesene Arbeit andere als finanzielle Formen der Anerkennung erfährt. Insgesamt aber muß die Anerkennung angemessen sein. Im Strafvollzug kommen neben oder anstelle eines Lohnes in Geld etwa auch der Aufbau einer sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaft oder Hilfen zur Schuldentilgung in Betracht. Der Gesetzgeber kann bei der Gestaltung des Vollzugs und der Entlassungsvorbereitung neuartige Formen der Anerkennung von Pflichtarbeit – auch unter Einbeziehung privater Initiativen – entwickeln. Er wäre des weiteren nicht gehindert, eine angemessene Anerkennung von Arbeit dadurch vorzusehen, daß der Gefangene – sofern general- oder spezialpräventive Gründe nicht entgegenstehen – durch Arbeit seine Haftzeit verkürzen (“good time”) oder sonst erleichtern kann.
5. Ein gesetzliches Konzept der Resozialisierung durch Pflichtarbeit, die nur oder hauptsächlich finanziell entgolten wird (vgl. § 43 StVollzG), kann zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung nur beitragen, wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewußt gemacht werden kann, daß Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist. Allerdings kann der Gesetzgeber bei der Regelung dessen, was angemessen ist, die typischen Bedingungen des Strafvollzugs, insbesondere auch dessen Marktferne in Rechnung stellen. Auch spielen die Kosten der Gefangenenarbeit für die Unternehmer und die Konkurrenz durch andere Produktionsmöglichkeiten auf dem Hintergrund des jeweiligen Arbeitsmarkts eine Rolle. Deshalb hat der Gesetzgeber hier einen weiten Einschätzungsraum.
a) Der Gesetzgeber kann bei der Bezahlung von Vollzugsarbeit ein System individuell abgestufter Vergütungen vorsehen, das den unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen Rechnung trägt (z.B. Abrechnung in verschiedenen Lohngruppen auf Zeitlohnbasis oder Leistungslohnsystem). Damit müßten freilich Regelungen einhergehen, die eine sachgerechte Auswahl der Gefangenen für höher und weniger hoch qualifizierte Arbeiten sicherstellen und jene Gefangenen, die zu einer weiteren Aus- und Fortbildung fähig sind, entsprechenden Maßnahmen zuführen. Zulässig erscheint auch eine Regelung, die für Pflichtarbeit eine Einheitsvergütung (Eckvergütung) und die Möglichkeit einer Differenzierung nach der Arbeitsleistung vorsieht. Dazu berechtigt ihn, daß durch Pflichtarbeit weitgehend wertgleiche Ergebnisse erzielt werden und die Betriebe nur bedingt nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden können.
Der Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang zu bedenken haben, daß nur ein transparentes und nachvollziehbares Berechnungssystem dem Gefangenen die Angemessenheit der Vergütung vor Augen führt.
b) Entschließt sich der Gesetzgeber für ein System finanzieller Vergütung, so ist es ihm nicht grundsätzlich verwehrt, auch einen Haftkostenbeitrag vorzusehen. Der Erhebung eines Haftkostenbeitrags (durch Abzüge für Unterbringung und Verpflegung) steht das Gebot, Arbeit angemessen zu entgelten, nicht grundsätzlich entgegen. Das Resozialisierungsgebot fordert aber in der für Strafgefangene typischen Situation einen Ausgleich im Widerstreit des staatlichen Interesses an der Kostendeckung mit den wirtschaftlichen Interessen des Gefangenen. Dies legt eine gesetzliche Regelung nahe, nach der ein Haftkostenbeitrag so bemessen wird, daß dem Gefangenen von der Vergütung jedenfalls ein gewisser Betrag verbleibt.
6. Aus Resozialisierungsgründen kann der Gesetzgeber die Verrichtung von Pflichtarbeit auch in der Weise anerkennen, daß er die Gefangenen in den Schutz der sozialen Sicherungssysteme einbezieht. Eine solche Entscheidung kann für bestimmte Gefangene sinnvoll sein. Das Grundgesetz zwingt allerdings nicht zu einer Ausdehnung dieses Schutzes auf Pflichtarbeit im Strafvollzug.
a) Die Verfassung weist die Ausgestaltung der Sozialordnung (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG) und die Entscheidung über die Gewährung bestimmter Vergünstigungen dem Gesetzgeber als sozialstaatliche Aufgabe zu. Es steht grundsätzlich in seiner Gestaltungsmacht, Art und Umfang sozialer Sicherungssysteme und den Kreis der hierdurch berechtigten Personen nach sachgerechten Kriterien zu bestimmen. Unter dem Blickwinkel des Sozialstaatsgebots kann es hinzunehmen sein, daß der Gesetzgeber sich nach Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte im Einzelfall gegen eine soziale Maßnahme entscheidet, einen bereits begonnenen Ansatz nicht weiterverfolgt oder von in Aussicht genommenen zukünftigen Verbesserungen endgültig Abstand nimmt. All dies liegt grundsätzlich im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsmacht. Der Gesetzgeber ist danach nicht gehalten, jede in Betracht kommende Beschäftigung am Schutz der Sozialversicherung teilnehmen zu lassen.
b) Ähnliche Erwägungen hindern, aus Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot einer sozialversicherungsrechtlichen Gleichstellung der Pflichtarbeit mit freier Erwerbsarbeit abzuleiten. Dem Gesetzgeber kommt beim Vergleich von Sachverhalten ein erheblicher Bewertungsraum zu. Das gestattet die Erwägung, daß die Gefangenen sich auch bei angemessener Vergütung eine ins Gewicht fallende rentenrechtliche Anwartschaft zumeist nur dann erarbeiten könnten, wenn sie auf der Basis eines fiktiven Arbeitsentgelts versichert würden. Ein solcher Anspruch läßt sich aus dem Gleichheitssatz nicht ableiten.
II.
Bezieht der Gesetzgeber die Arbeit in sein Resozialisierungskonzept ein und sieht er dazu vor, daß der Gefangene zugewiesene Arbeit verrichten muß, so muß er bei der Zuweisung von Pflichtarbeit Art. 12 Abs. 3 GG beachten. Die in dieser Norm enthaltene Ermächtigung beschränkt zulässige Zwangsarbeit auf Einrichtungen oder Verrichtungen, bei denen die Vollzugsbehörden die öffentlich-rechtliche Verantwortung für die ihnen anvertrauten Gefangenen behalten.
Zwangsarbeit ist bei gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung zulässig (Art. 12 Abs. 3 GG). Das Grundrecht der Berufs- und Erwerbsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG erleidet insoweit eine Ausnahme. Dies gilt nicht nur für den Strafvollzug, sondern auch für die Sicherungsverwahrung.
Der Verfassunggeber ist bei der Ermächtigung des Art. 12 Abs. 3 GG von den herkömmlichen Formen der Arbeit im Strafvollzug ausgegangen. Es sollte weiterhin möglich sein, den Strafvollzug durch Arbeitsbeschäftigung sinnvoll zu gestalten und damit zur Resozialisierung des Strafgefangenen beizutragen. Den in diesem Bereich praktizierten Maßnahmen, die sich in der Vergangenheit bewährt hatten, sollte nicht die rechtliche Grundlage entzogen werden (vgl. BVerfGE 74, 102 ≪115 ff.≫ mit weiteren Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 GG; vgl. auch BVerfGE 83, 119 ≪126 f.≫).
1. Der Inhalt der durch Art. 12 Abs. 3 GG zugelassenen Ausnahme vom Verbot der Zwangsarbeit ist mithin schon aus den überlieferten Formen der Arbeit im Vollzug erschließbar. Deren rechtsstaatliche Tradition ist von dem Grundsatz geprägt, daß die Arbeit der Strafgefangenen unter der öffentlich-rechtlichen Verantwortung der Vollzugsbehörden erbracht wird und deren Aufsicht unterliegt. Eine “Verdingung” von Gefangenen, bei der diese zum Zwecke der Arbeitsleistung der Verantwortlichkeit Dritter überlassen werden, entspricht nicht dem herkömmlichen Erscheinungsbild der Pflichtarbeit. Einer Verwertung der Arbeitskraft von Strafgefangenen stand freilich zunächst schon die Absicht entgegen, die Privatunternehmen und ihre Arbeitnehmer vor unliebsamem Wettbewerb zu schützen. Bereits § 22 der “Grundsätze, welche bei dem Vollzug gerichtlich erkannter Freiheitsstrafen bis zu weiterer gemeinsamer Regelung zur Anwendung kommen” vom 28. Oktober 1897 (Central-Blatt für das Deutsche Reich, XXV. Jg. ≪1897≫, S. 310) sah dies vor. Ähnliches bestimmte § 66 der reichseinheitlich von den Landesregierungen vereinbarten “Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen” vom 7. Juni 1923 (RGBl II S. 263 ff.). § 76 der letztgenannten Vorschriften verlangte zudem im Falle einer “Arbeitsverdingung” des Gefangenen, daß dieser ständig durch einen Anstaltsmitarbeiter beaufsichtigt werde.
2. Seit langem beanstanden Normen des internationalen Rechts eine voraussetzungslose Verdingung von Strafgefangenen. Art. 2 Abs. 2 lit. c) des ILO-Übereinkommens Nr. 29 vom 28. Juni 1930 (vgl. BGBl 1956 II S. 640; in der Bundesrepublik in Kraft seit 13. Juni 1957 ≪BGBl 1957 II S. 1694≫) nimmt Zwangs- oder Pflichtarbeit von einem grundsätzlichen Verbot nur unter der Bedingung aus, daß diese “unter Überwachung und Aufsicht der öffentlichen Behörden ausgeführt wird…”. Dieser schon bei der Beratung des Grundgesetzes vorzufindende internationale Standard liegt dem Willen des Verfassunggebers zugrunde und ist eine Auslegungshilfe auch für das Grundgesetz.
III.
Nach diesen Maßstäben genügt das im Strafvollzugsgesetz entwickelte Resozialisierungskonzept, soweit es in Kraft gesetzt ist und die Verpflichtung zur Arbeit sowie ein Entgelt hierfür vorsieht, grundsätzlich verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es ist jedoch in der praktischen Handhabung des sogenannten unechten Freigangs und in der Bemessung des Arbeitsentgelts (§ 200 Abs. 1 StVollzG) mit dem Grundgesetz unvereinbar.
1. Die Auferlegung von Pflichtarbeit, für die ein Arbeitsentgelt gezahlt werden soll (§ 43 Abs. 1 StVollzG), ist Teil des vom Gesetzgeber entwickelten Resozialisierungskonzepts. Die Pflichtarbeit rechtfertigt sich durch ihren Zweck vor dem Grundgesetz (a). §§ 37, 41 Abs. 1 StVollzG sind der durch Art. 12 Abs. 3 GG geforderten Auslegung zugänglich, daß sie nur zur Auferlegung von Arbeit ermächtigen, bei der die Vollzugsbehörden die öffentlich-rechtliche Verantwortung für die ihnen anvertrauten Gefangenen behalten (b).
a) §§ 37, 41 Abs. 1 und 43 Abs. 1 StVollzG sind Teil eines Resozialisierungskonzepts, mit dem der Gesetzgeber auf die angemessene Anerkennung von Pflichtarbeit setzte (aa). Die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Arbeit sind nicht dadurch aus ihrem Bezug auf das Resozialisierungsziel gelöst worden und haben nicht dadurch ihre Rechtfertigung verloren, daß die volle Inkraftsetzung des Gesetzes nachträglich unterblieben ist (bb).
aa) Ausgehend von dem allgemeinen Vollzugsziel der Resozialisierung (vgl. § 2 Satz 1 StVollzG), sieht das Gesetz – verfassungsgemäß – gerade in der Arbeit einen Weg, um Fähigkeiten zur Schaffung einer Grundlage für ein straffreies Leben in Freiheit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten und zu fördern (§ 37 Abs. 1 StVollzG). Das Gesetz strebt durchwegs an, die Arbeit des Gefangenen soweit wie möglich an allgemeine Lebensverhältnisse anzunähern. Es soll sich möglichst um wirtschaftlich ergiebige Arbeit handeln. Bei der Zuweisung sollen die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen des Gefangenen berücksichtigt werden (§ 37 Abs. 2 StVollzG). Die Vollzugsbehörden sollen dafür sorgen, daß jeder arbeitsfähige Gefangene wirtschaftlich ergiebige Arbeit ausüben kann, und dazu beitragen, daß er beruflich gefördert, beraten und vermittelt wird (§ 148 Abs. 1 StVollzG); sie stellen eine Berufs- und Arbeitsberatung sicher (§ 148 Abs. 2 StVollzG). Auch verlangt das Gesetz, daß in den Anstalten die notwendigen Betriebe und die nach § 37 Abs. 2 StVollzG zuzuweisenden Arbeiten vorgesehen werden (§ 149 Abs. 1 StVollzG). In Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebots wird der Grundsatz der Pflichtarbeit ergänzt durch das Angebot von Schul- und Berufsausbildung. Ferner soll geeigneten Gefangenen im Rahmen von Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG) gestattet werden, ein freies Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt einzugehen (§ 39 Abs. 1 StVollzG).
Wäre dieses im Strafvollzugsgesetz entwickelte Konzept – einschließlich der vorgesehenen Erhöhung der Bemessungsgrundlage für das Entgelt (vgl. § 200 Abs. 2 StVollzG) und der beabsichtigten umfassenden Einbeziehung in die Sozialversicherung (vgl. § 190 Nrn. 1 bis 10 und Nrn. 13 bis 18, §§ 191 bis 193 StVollzG) – voll in Kraft gesetzt worden, hätte der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Forderungen eines auf Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzugs nicht nur in dem gebotenen Mindestmaße, sondern in großzügiger Weise umgesetzt. Mit der Verrichtung auferlegter Arbeit hätte auch der Gefangene im geschlossenen Vollzug die Möglichkeit, zugunsten seiner Familie und seiner eigenen Person für Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter vorzusorgen, weil er voll in die Sozialversicherung eingegliedert wäre. Bei weiterer Erhöhung des Arbeitsentgelts könnte er auch in gewissem Umfang seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber Dritten nachkommen.
Es bedarf hier keiner ins Einzelne gehenden Prüfung, ob und inwieweit jede der damals vorgesehenen Rechtspositionen (etwa Lohnersatzleistungen nach § 45 StVollzG) für sich genommen durch den Resozialisierungsgedanken verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre. Es ist aber deutlich, daß der Gesetzgeber – in Abkehr von der früheren Rechtslage eines Verwahrungsvollzugs – Arbeit im Vollzug nicht mehr nur als belohnungsfähiges Einwirkungs- und Ordnungsmittel betrachtete, sondern gerade das Arbeiten durch die angemessene Anerkennung der erbrachten Leistung der Erwerbsarbeit in Freiheit annähern und zum zentralen Resozialisierungsmittel aufstufen wollte (vgl. auch BVerfGE 66, 199 ≪208≫).
bb) Das Strafvollzugsgesetz in seiner in Kraft gesetzten Fassung verwirklicht sein Resozialisierungskonzept nur als Torso. Es ist aber als solches weiterhin in Kraft. Der Gefangene ist nur in die Unfall- und Arbeitslosenversicherung (§ 50 Abs. 2 RVO i.V.m. § 190 Nrn. 11 und 12, § 194 StVollzG), nicht aber in die Kranken- und Rentenversicherung einbezogen (§ 190 Nrn. 1 bis 10 und Nrn. 13 bis 18, §§ 191 bis 193 i.V.m. § 198 Abs. 3 StVollzG). Dabei blieb das Arbeitsentgelt gleichwohl durch § 200 Abs. 1 StVollzG auf eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 5 v.H. der Bezugsgröße festgeschrieben. Die Verpflichtung zur Arbeit hat aber damit nicht ihren funktionellen Zusammenhang mit der Resozialisierung verloren. Nach wie vor soll die Verrichtung von Pflichtarbeit mit einem Anspruch auf Arbeitsentgelt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 StVollzG) verknüpft sein. Dabei sollen die Anstalten wirtschaftlich ergiebige Arbeit organisieren und den Gefangenen nach ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen zuweisen (§ 149 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 2 StVollzG).
b) Die Arbeitspflicht hält sich auch im Rahmen des Art. 12 Abs. 3 GG. § 41 StVollzG läßt nur die Verpflichtung zu solcher Arbeit zu, die unter der öffentlich-rechtlichen Verantwortung der Vollzugsbehörden steht. Dieser Verantwortungsvorbehalt läßt sich schon bei der systematischen Auslegung dieser Vorschrift erkennen, wenn der – freilich bisher nicht in Kraft gesetzte (§ 198 Abs. 3 StVollzG) – § 41 Abs. 3 StVollzG einbezogen wird. Der hier verankerte Zustimmungsvorbehalt bezieht sich, wie die Bezugnahme auf § 149 Abs. 4 StVollzG ausweist, auf den Tatbestand, daß in Betrieben und sonstigen Einrichtungen, die von privaten Unternehmen unterhalten werden, die technische und fachliche Leitung Angehörigen dieser Unternehmen übertragen wird. Durch § 149 Abs. 4 StVollzG kommt jedoch eigenständig zum Ausdruck, daß für die Gefangenenarbeit neben den Eigenbetrieben der Anstalt nur Unternehmerbetriebe zugelassen sind, in denen unter der öffentlich-rechtlichen Verantwortung der Anstalt gearbeitet wird. Angehörigen des Unternehmens kann nämlich nur die technische und fachliche Leitung der einzelnen Arbeitsvorgänge übertragen werden. Eine weitergehende Übertragung der Gesamtverantwortung, insbesondere die Unterstellung des Gefangenen unter die ausschließliche Leitungsgewalt eines Privaten, läßt das Gesetz nicht zu. Pflichtarbeit außerhalb der Anstalt darf die Vollzugsbehörde mithin nur in der Weise organisieren, daß sie mit privaten Unternehmern Verträge abschließt, die sicherstellen, daß der Gefangene nicht unter zeitweiser Entlassung aus der öffentlich-rechtlichen Verantwortung der Anstalt völlig in den privat geleiteten Betriebsablauf eingeordnet wird.
c) Den soeben genannten Anforderungen kann auch bei einer Beschäftigung von Gefangenen als sogenannten unechten Freigängern (Pflichtarbeit in Betrieben außerhalb der Anstalt) genügt werden. Jedoch unterliegt diese Ausgestaltung von Pflichtarbeit Grenzen aus dem Resozialisierungsgebot.
aa) Nach § 39 Abs. 1 StVollzG soll die Vollzugsbehörde dem Gefangenen unter bestimmten Voraussetzungen ein freies Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt gestatten, um das Ziel seiner Resozialisierung zu fördern. Eine solche Gestattung setzt voraus, daß der Gefangene einen eigenen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag abschließt und mit dem Status des Freigängers (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVollzG) einverstanden ist. Die Entscheidung der Vollzugsbehörde über die Gestattung eines freien Beschäftigungsverhältnisses weist unmittelbare Bezüge zum verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot auf, das – wie dargetan – auch die Vollzugsverwaltung in die Pflicht nimmt. Die Vollzugsbehörde ist daher auch von Verfassungs wegen gehalten, die Möglichkeit eines freien Beschäftigungsverhältnisses gerade angesichts der besonderen Resozialisierungschancen zu prüfen, die diese Beschäftigungsform bietet (Realitätsnähe, Anbahnung von Kontakten zu zukünftigen Arbeitgebern). Steht eine solche Tätigkeit im Einzelfall in Einklang mit dem Vollzugsplan und liegen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 StVollzG vor, so werden nur gewichtige Vollzugsbelange die Versagung einer Erlaubnis nach § 39 Abs. 1 StVollzG rechtfertigen können.
Mit dieser Rechtslage ist eine Vollzugspraxis, die das freie Beschäftigungsverhältnis auf seltene Ausnahmefälle zu beschränken sucht, nicht in Einklang zu bringen. Das gilt auch für Versuche, den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 StVollzG durch zusätzliche Anforderungen einzuengen, die sich dem Gesetz nicht entnehmen lassen. So bestimmen etwa die Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (BayVVStVollzG vom 8. Februar 1979 ≪JMBl S. 29 ff.≫ i.d.F. vom 20. Januar 1982 ≪JMBl S. 17 ff.≫) zu § 39 StVollzG:
“Das Eingehen eines freien Beschäftigungsverhältnisses und Selbstbeschäftigung dürfen nur gestattet werden, wenn dadurch die Eingliederung in das Erwerbsleben nach der Entlassung wesentlich erleichtert wird, dieses Ziel auf andere Weise nicht erreicht werden kann und ein Mißbrauch oder sonstige Unzuträglichkeiten nicht zu befürchten sind.”
Die Vollzugspraxis des unechten Freigangs, die auch anderen Ländern geläufig ist, mag auch in der Erfahrung wurzeln, daß private Arbeitgeber mit Vorliebe solche Gefangene beschäftigen, die ihnen von den Anstalten zugewiesen werden und jederzeit austauschbar sind. Demgemäß haben die Vollzugsbehörden einiger Länder ihre Bemühungen darauf konzentriert, bei privaten Unternehmern Arbeitsplätze für zuzuweisende Gefangene zu organisieren. Diese Praxis widerspricht der Verfassung.
bb) Bietet sich einem zum Freigang geeigneten Gefangenen – auch nach Bemühungen der Anstalt – keine Arbeit in einem freien Beschäftigungsverhältnis, so kann es im Blick auf das Resozialisierungsgebot nicht ausgeschlossen sein, daß die Vollzugsbehörde dem Gefangenen mit dessen Zustimmung eine bestimmte Arbeit in einem privaten Unternehmen außerhalb der Anstalt zuweist. Ein Mindestmaß organisierter öffentlich-rechtlicher Verantwortlichkeit der Anstalt für den Gefangenen muß dann jedoch gewährleistet bleiben.
d) Weist die Justizvollzugsanstalt dem Gefangenen Arbeit in einem Unternehmerbetrieb innerhalb der Anstalt zu, dessen Organisation sich im Rahmen der durch § 149 Abs. 4 StVollzG zugelassenen Übertragung der technischen und fachlichen Leitung auf Unternehmensangehörige hält, bedarf es von Verfassungs wegen nicht der Zustimmung des Gefangenen. Mithin verletzt es auch nicht die Verfassung, daß der in § 41 Abs. 3 StVollzG vorgesehene Zustimmungsvorbehalt bisher nicht in Kraft gesetzt worden ist. Eine Pflichtarbeit in einem Unternehmerbetrieb, der den Anforderungen des § 149 Abs. 4 StVollzG genügt, hält sich in den Grenzen der Ermächtigung, die Art. 12 Abs. 3 GG dem Gesetzgeber erteilt, im Strafvollzug Arbeitspflicht anzuordnen. Der Gefangene bleibt, auch wenn er zugewiesene Arbeit in einem solchen Betrieb verrichtet, unbeschadet einer möglichen technischen und fachlichen Betriebsleitung durch Unternehmensangehörige unter der öffentlich-rechtlichen Verantwortung der Vollzugsbehörden, nicht anders als bei einem Einsatz in Eigenbetrieben der Anstalt oder bei einer Befassung mit sonstigen Beschäftigungen oder Hilfsdiensten innerhalb der Anstalt.
2. Auch die Regelungen des § 43 Abs. 1 und 2 StVollzG halten als Teile eines auf Pflichtarbeit aufgebauten Resozialisierungskonzepts einer Überprüfung anhand verfassungsrechtlicher Maßstäbe stand.
Mit § 43 Abs. 1 Satz 1 StVollzG genügt das Gesetz dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot, wonach Gefangenen, die Pflichtarbeit verrichten, ein greifbarer Vorteil als angemessene Anerkennung ihrer Arbeit gewährt werden muß. Der Gesetzgeber hat hierfür ein Entgelt vorgesehen und dieses in § 43 Abs. 1 Satz 2 StVollzG auf der Grundlage einer “Eckvergütung” bemessen. Diese knüpft an eine jährlich neu zu bestimmende Bezugsgröße an und läßt eine Abstufung nach Arbeitsart und gezeigter Leistung zu (vgl. § 43 Abs. 2 StVollzG).
Der Gesetzgeber konnte, ohne den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu verletzen, mit der Bestimmung einer Eckvergütung das Ziel verfolgen, zu große Einkommensunterschiede unter den Gefangenen und deren negative Auswirkungen im Anstaltsleben zu vermeiden. Indem § 43 Abs. 2 StVollzG eine Entgeltstufung zuläßt, ermöglicht das Gesetz auch die Berücksichtigung individueller Verhältnisse und eine sachgerechte Differenzierung des Entgelts (vgl. oben I. 5. a). Entsprechende Erwägungen rechtfertigen es, daß die Regelung des Entgelts deutlich von den Verhältnissen in der Freiheit abweicht.
3. Verfassungsrechtlich läßt sich auch die Vorschrift des § 198 Abs. 3 StVollzG nicht beanstanden, die die Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Altersrentenversicherung (§ 190 Nrn. 13 bis 18 sowie § 191 StVollzG) einem besonderen Bundesgesetz vorbehält. Durch diese Regelungen sollten alle Gefangenen, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176 und 177 StVollzG) erhalten, in die sozialen Sicherungssysteme auf einer Bemessungsgrundlage von 90 v.H. der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße einbezogen werden. Eine derart weittragende Regelung stellt sich als Element eines vom Gesetzgeber frei gestalteten Resozialisierungskonzepts dar. Sie ist weder vom verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot gefordert (siehe oben I. 4. b) und I. 6.) noch vom Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten. Sie müßte sich nach Aussage der in der mündlichen Verhandlung gehörten Sachverständigen des Sozialversicherungsrechts im Gegenteil gerade unter Gleichheitsgesichtspunkten rechtfertigen.
4. Die Bemessung des Arbeitsentgelts durch § 200 Abs. 1 StVollzG ist hingegen mit dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot unvereinbar. In seiner gegenwärtigen Höhe kann es innerhalb des vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Konzepts der Resozialisierung durch finanziell entgoltene Pflichtarbeit (§ 43 StVollzG) zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung nicht beitragen, weil der Gefangene durch das ihm tatsächlich zukommende Entgelt nicht im gebotenen Mindestmaß davon überzeugt werden kann, daß Erwerbsarbeit zur Herstellung einer Lebensgrundlage sinnvoll ist.
a) aa) Der Gesetzgeber selbst hat, wie § 200 Abs. 2 StVollzG ausweist, den in § 200 Abs. 1 StVollzG festgelegten Vomhundertsatz nur als Basiswert für die Zeit der Einführung des Gesetzes angesehen. Dabei ist zu beachten, daß die in § 200 Abs. 1 StVollzG vorgesehene Bemessungsgrundlage von 5 v.H. der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße zu einem Arbeitsentgelt führt, dessen Höhe sich von der zuvor als Arbeitsbelohnung gewährten Vergünstigung nicht nennenswert unterscheidet. Demgemäß sollte die Bemessungsgrundlage nach den Vorstellungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform stufenweise bis auf 40 v.H. der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße angehoben werden (vgl. § 182 des Entwurfs des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform – BTDrucks 7/3998 S. 130 f.).
bb) Das Gesetz sieht außer dem geringen Arbeitsentgelt nur einen erhöhten Anteil der Arbeitgeber an den Beiträgen zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung vor (vgl. § 194 Nr. 7 StVollzG i.V.m. §§ 345 Nr. 3, 347 Nr. 3 SGB III). Andere Rechtsvorteile werden für die geleistete Arbeit nicht gewährt.
Ärztliche Leistungen und Krankenversorgung gewährt der Staat dem Gefangenen – ebenso wie Unterbringung und Verpflegung in der Anstalt – arbeitsunabhängig; diese Leistungen können mithin nicht als Entgelt für Arbeit gewertet werden.
Ebensowenig lassen sich sonstige Vorteile feststellen, die dem Gefangenen gerade aufgrund seines Arbeitseinsatzes gewährt würden. Es mag zwar sein, daß ein positives Arbeitsverhalten generell die Vollzugsgestaltung und sogar die Entlassungsprognose nach § 57 StGB günstig beeinflussen kann. Auch hierbei handelt es sich aber nicht um Vergünstigungen, die in irgendeinem formalisierten Bezug zu der konkreten Arbeitsleistung stünden und als deren Anerkennung bewertet werden könnten. Das gleiche gilt für die Bereitstellung von Einrichtungen und Leistungen der Freizeitgestaltung in der Anstalt, die – vorzugsweise – arbeitenden Gefangenen zugute kommen mögen. Hierdurch erfährt nicht der einzelne Gefangene die Anerkennung der gerade von ihm erbrachten Arbeit. Es handelt sich vielmehr um psychische und soziale Betreuung, die zwar im Sinne des verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebots positiv zu bewerten sein mag, die aber in der einen oder anderen Form allen Gefangenen zuteil wird. Es mag zulässig sein, Gefangene, die unberechtigt die Arbeit verweigern, von solchen Einrichtungen und Leistungen auszuschließen; für Gefangene, die nicht arbeiten können oder nicht arbeiten müssen, kann dies nicht gelten.
cc) Auch unter Berücksichtigung der vom Staat zu zahlenden erhöhten Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung genügt das Arbeitsentgelt auf der Bemessungsgrundlage des § 200 Abs. 1 StVollzG nicht dem vom Resozialisierungsgebot geforderten Mindestmaß. Die sozialrechtliche Bezugsgröße des Jahres 1997 führt zu einem Arbeitsentgelt von etwa 1,70 DM pro Stunde. Das bringt dem Gefangenen, legt man eine durchschnittliche Tagesarbeitszeit von sechs Stunden zugrunde, etwa 10,-- DM Tageslohn und nicht viel mehr als 200,-- DM im Monat.
Das Ungenügen dieses Arbeitsentgelts haben auch die schriftlichen Äußerungen und – in der mündlichen Verhandlung – die Sachverständigen bestätigt, soweit sie zur Entgelthöhe Stellung genommen haben. Sie haben übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, daß sie das Arbeitsentgelt in der durch § 200 Abs. 1 StVollzG bestimmten Höhe nicht für angemessen halten, und ein höheres Entgelt oder zusätzliche Formen der Anerkennung gefordert. In diesem Zusammenhang ist auch auf die schriftliche Äußerung der Bundesvereinigung der Anstaltsleiter im Strafvollzug hinzuweisen, die u.a. in das Ergebnis mündet, daß die Resozialisierung als Reformanliegen des Strafvollzugsgesetzes ohne eine deutlich bessere Bezahlung mit dem Ziel der tariflichen Entlohnung nicht erreicht werden könne. “Aus vollzugspolitischer Sicht” hält auch die Bundesregierung in ihrer schriftlichen Äußerung eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage des Arbeitsentgelts für erforderlich.
b) Diese Erwägungen führen den Senat zur Feststellung, daß § 200 Abs. 1 StVollzG mit dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot unvereinbar ist.
Es mochte zwar verfassungsrechtlich vertretbar gewesen sein, daß der Gesetzgeber den Gefangenen in den Jahren der Einführung des Strafvollzugsgesetzes nur ein Arbeitsentgelt in Höhe von 5 v.H. der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße zugestand, weil die für die Finanzierung zuständigen Länder ihre Einrichtungen organisatorisch anzupassen und im übrigen finanzplanerische Vorkehrungen zu treffen hatten. Die dem Gesetzgeber zuzugestehende Übergangszeit ist aber inzwischen verstrichen.
IV.
1. Das Bundesverfassungsgericht hält es für geboten, auf der Grundlage des § 35 BVerfGG sicherzustellen, daß für die Gewährung eines Entgelts für Pflichtarbeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung eine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht. Es ordnet deshalb an, daß § 200 Abs. 1 StVollzG zunächst, längstens bis zum 31. Dezember 2000, anwendbar bleibt. Unbeschadet der Pflicht des Gesetzgebers, umgehend tätig zu werden, geht das Gericht davon aus, daß für die Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen eine gewisse Zeit benötigt wird. Der Gesetzgeber wird insbesondere zu prüfen und zu entscheiden haben, ob und in welcher Weise das bestehende Resozialisierungskonzept mit den Forderungen der Verfassung in Einklang gebracht werden kann oder ob zu einem anderen Resozialisierungskonzept übergegangen werden soll.
2. Die oben (III. 1. c) aa) als verfassungswidrig beanstandete Praxis der Beschäftigung von Gefangenen als unechten Freigängern muß bis spätestens zum 31. Dezember 1998 eingestellt werden. Der Senat hält es für geboten, den Vollzugsbehörden bis dahin Zeit zu lassen, um vermehrt Unternehmer dafür gewinnen zu können, mit zum Freigang geeigneten Gefangenen ein freies Beschäftigungsverhältnis einzugehen.
V.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
1. Bleibt § 200 Abs. 1 StVollzG weiterhin anwendbar, so folgt daraus, daß die Verfassungsbeschwerden in den Verfahren 2 BvR 441/90 und 2 BvR 493/90 nicht zur Aufhebung der angegriffenen gerichtlichen Sachentscheidungen führen, die das Arbeitsentgelt für die Verrichtung zugewiesener Arbeit im Strafvollzug betreffen. Auch der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 441/90 wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde nicht dagegen, daß ihm zu Unrecht als sogenanntem “unechtem Freigänger” Pflichtarbeit in einem Betrieb außerhalb der Anstalt zugewiesen worden ist, sondern begehrt allein das höhere Entgelt, das er in einem freien Beschäftigungsverhältnis verdient hätte. Auch insoweit fehlt es angesichts der Fortgeltung des § 200 Abs. 1 StVollzG an einer Rechtsgrundlage.
Nach dem dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstab haben die angegriffenen Entscheidungen auch insoweit Bestand, als die Gerichte einen Anspruch gegen das Land auf Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung verneint haben (vgl. oben I. 6. und III. 3.).
Nichts anderes gilt für die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 618/92. Zwar befand sich der Beschwerdeführer bei Verrichtung der zugewiesenen Arbeit bereits in Sicherungsverwahrung. Jedoch wird auch diese als gerichtlich angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 66 StGB) im Blick auf das Ende notwendiger Unterbringung vom Resozialisierungsgebot beherrscht (vgl. auch § 129 Satz 2 StVollzG). Auch verbleibt sie in dem Rahmen des Art. 12 Abs. 3 GG.
2. Nach den dargelegten Maßstäben kann auch die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 212/93 keinen Erfolg haben. Dem Beschwerdeführer ist Arbeit zugewiesen worden, die er in einem Unternehmerbetrieb innerhalb der Anstalt unter der öffentlich-rechtlichen Verantwortung der Vollzugsbehörden zu verrichten hatte. Seine Zustimmung war nicht von Verfassungs wegen gefordert (vgl. oben II. und III. 1. d). Mithin durfte die Arbeitsverweigerung von dem Anstaltsleiter als Verletzung der durch § 41 Abs. 1 Satz 1 StVollzG angeordneten Arbeitspflicht gewertet werden. Dies erlaubte nach § 102 Abs. 1 StVollzG die Anordnung von Disziplinarmaßnahmen wegen eines – vom Bundesverfassungsgericht nicht mehr nachzuprüfenden – schuldhaften Pflichtverstoßes.
D.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
Limbach, Graßhof, Kruis, Kirchhof, Winter, Sommer, Jentsch, Hassemer
Abweichende Meinung des Richters Kruis zum Urteil des Zweiten Senats vom 1. Juli 1998
Dem Urteil stimme ich zu. Allerdings bin ich der Ansicht, daß der Senat im Blick auf Art. 1 Abs. 1 GG die anthropologische Bedeutung der Arbeit nicht überspringen durfte. Dies aber unternimmt er, indem er nur das Resozialisierungsgebot der Verfassung als Maßstab heranzieht und hieran prüft, unter welchen Voraussetzungen Pflichtarbeit als Resozialisierungsmittel geeignet sein kann.
Der Mensch wird in seiner existentiellen Befindlichkeit in Frage gestellt, wenn er – aus welchen Gründen auch immer – einer Ordnung ausgesetzt ist, in der für ihn der Zusammenhang zwischen abverlangter Arbeit und angemessenem (gerechtem) Lohn prinzipiell aufgehoben ist. Die dann in Betracht kommende Feststellung von Ausbeutung eines zum Objekt degradierten Menschen ist unserer Gesellschaft seit dem 19. Jahrhundert geläufig. Sie ist auch in die Sozialethik der Kirchen aufgenommen.
Für die existentielle Befindlichkeit des Menschen macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob der Zusammenhang zwischen Arbeit und gerechtem Lohn durch gesellschaftliche Kräfte oder durch den Staat aufgehoben wird. Die anthropologische Situation ist dieselbe. Sie muß auch berücksichtigt werden, wenn der Gesetzgeber auf die nach Art. 12 Abs. 3 GG im Strafvollzug zulässige Arbeitspflicht zurückgreift, sei es aus Gründen eines Resozialisierungsprogramms, sei es zur Strukturierung des Vollzugsalltags. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 13. Januar 1987 (BVerfGE 74, 102 ≪120 f.≫) die enge Beziehung zwischen Arbeitspflicht und Menschenwürde anerkannt und ungerechte Arbeit ausgeschlossen. Von daher beantwortet sich die Frage nach dem angemessenen (gerechten) Entgelt der Gefangenenarbeit. Anhaltspunkte für das gerechte Entgelt mögen zunächst etwa die Tariflöhne bieten. Unterscheidende Kriterien sind nicht ausgeschlossen, etwa das der (geringen) Produktivität der Gefangenenarbeit, des Verzichts auf Rationalisierung der Arbeit in der Anstalt und deren Marktferne, der Konkurrenz ausländischer Billigarbeiter. Das Arbeitsentgelt muß einen echten Gegenwert darstellen. In seiner Höhe muß der Wert der geleisteten Arbeit – wenn es sich denn um eine solche handelt – noch deutlich werden. Ich kann mir schwer vorstellen, daß Arbeit in anderer Weise als durch finanzielle Leistungen angemessen anerkannt werden kann (vgl. C. I. 4.). Wenn es aber möglich sein sollte, muß auch eine solche Anerkennung Gegenwertcharakter haben. Wenn sich der Senat u.a. in Abschnitt C. I. 5. damit begnügt, daß “durch die Höhe” des dem Gefangenen “zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewußt gemacht werden kann, daß Erwerbsarbeit zur Bestreitung der Lebensgrundlage sinnvoll ist”, so ist damit meines Erachtens zu wenig gesagt. Möge man dies nicht so verstehen, daß das Bundesverfassungsgericht damit von früheren Wertmaßstäben abrückt.
Kruis
Fundstellen