Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Personalrats bei allgemeinem Alkoholverbot in der Dienststelle
Leitsatz (amtlich)
Der Personalrat hat beim Erlaß eines allgemeinen Alkoholverbots durch den Leiter der Dienststelle gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG (Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten) jedenfalls dann mitzubestimmen, wenn im Vordergrund die Regelung des allgemeinen Verhaltens der Beschäftigten und der Ordnung in der Dienststelle steht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Anordnung ersichtlich über die Sicherstellung der Erfüllung konkreter dienstlicher Aufgaben hinaus generell eine Maßnahme gegen jegliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen treffen will und wenn die Beschäftigten der Dienststelle eine allgemeine Verwaltungstätigkeit ohne Besonderheiten ausüben.
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 09.03.1988; Aktenzeichen CB 4/87) |
VG Arnsberg (Entscheidung vom 14.01.1987; Aktenzeichen PVB 3/86) |
Gründe
I.
Der Beteiligte, Leiter einer Standortverwaltung, erließ am 9. Juli 1986 eine Hausverfügung, mit der er aus „gegebenem Anlaß” darauf hinwies, daß der Genuß von alkoholischen Getränken in den Diensträumen während und außerhalb der Arbeitszeit untersagt sei. Das Verbot gelte auch außerhalb der Diensträume während der Arbeitszeit. Ebenso sei es nicht zulässig, die Arbeit unter Alkoholeinwirkung anzutreten. Das Verbot gelte auch für besondere Anlässe. Für den Einzelfall behalte er sich die Genehmigung von Ausnahmen vor. Jeder Vorgesetzte habe Zuwiderhandlungen gegen das Verbot konsequent zu verfolgen und zu melden. Beamte müßten bei Zuwiderhandlungen mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Angestellte und Arbeiter würden arbeitsrechtlich belangt, wobei mit fristloser Kündigung zu rechnen sei. Die Belehrung solle aktenkundig festgehalten und durch Unterschrift von den Beschäftigten der Dienststelle bestätigt werden.
Der Antragsteller, der Personalrat bei der Standortverwaltung, war vor Erlaß der Hausverfügung nicht beteiligt worden. Er hat das Beschlußverfahren eingeleitet, nachdem seine Beanstandung, die Hausverfügung sei mitbestimmungsbedürftig, erfolglos geblieben war. Er hat beantragt, festzustellen, daß die Hausverfügung des Beteiligten ganz oder zumindest teilweise der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG unterlegen hat.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Beteiligten hat das Beschwerdegericht unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Eine Mitbestimmungspflicht des Antragstellers an der beanstandeten Hausverfügung bestehe nicht gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG, weil mit dem Alkoholverbot nicht die „Ordnung” in der Dienststelle oder das „Verhalten” der Beschäftigten geregelt werde. Das Verbot betreffe unmittelbar die Dienstausübung bzw. die Dienstleistung der Beschäftigten. Diese unterliege ausschließlich dem Weisungsrecht des Dienstherrn und sei einer Mitbestimmung nicht zugänglich. Die Art und Weise, wie die Dienststelle ihre gesetzlich festgelegten Aufgaben erfülle, stehe nicht zur Disposition des Personalrats. Bereits der Genuß geringer Alkoholmengen sei generell geeignet, die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu beeinträchtigen. Eine Unterscheidung im Hinblick auf die Alkoholverträglichkeit einzelner Beschäftigter oder nach bestimmten Tätigkeiten sei undurchführbar. Auch die Anweisung des Dienststellenleiters an die Vorgesetzten, streng auf die Einhaltung eines Alkoholverbots zu achten und Verstöße zu melden sowie die Anordnung, daß der Empfang der Hausverfügung von jedem Beschäftigten zu bestätigen sei, seien nicht mitbestimmungspflichtig. Diese Anweisungen seien gleichfalls auf die Dienstausübung bezogen. Eine Mitbestimmung gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG scheide schon deshalb aus, weil es dort nur um die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen gehe. Auch der Hinweis, daß Verstöße gegen die Hausverfügung möglicherweise dienst- oder arbeitsrechtliche Konsequenzen hätten, sei nicht mitbestimmungspflichtig. Damit würden keine Betriebsbußen verhängt, abgesehen davon, daß die Verhängung von Betriebsbußen ohnehin nicht mitbestimmungspflichtig sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts entgegentritt. Der Antragsteller beantragt sinngemäß, unter Abänderung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 9. März 1988 die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Arnsberg – Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen – vom 14. Januar 1987 zurückzuweisen.
Der Antragsteller führt aus, die beanstandete Hausverfügung sei gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG mitbestimmungspflichtig. Durch das allgemeine Alkoholverbot werde nicht das Ob und Wie der geschuldeten Arbeitsleistung geregelt, sondern die Ordnung und das Verhalten der Beschäftigten. Diese könnten die Arbeitsleistung auch unter geringem Alkoholeinfluß ordnungsgemäß und fehlerfrei erbringen, da es sich im wesentlichen um eine allgemeine Verwaltungstätigkeit ohne nennenswerte Besonderheiten handele. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdegerichts stütze sich auf medizinische Erkenntnisse, die für die Teilnahme im Straßenverkehr Geltung hätten, die aber nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könnten. Die Androhung von Disziplinarmaßnahmen und arbeitsrechtlichen Maßnahmen im Falle der Zuwiderhandlung gegen das Alkoholverbot und die von den Beschäftigten zu unterschreibende Belehrung sei eine mitbestimmungspflichtige Betriebsbuße. Schließlich unterliege die Aufforderung an die Vorgesetzten, Zuwiderhandlungen konsequent zu verfolgen, gleichfalls der Mitbestimmung, weil diese Aufforderung an das Verhalten der Mitarbeiter anknüpfe.
Der Beteiligte beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 1987. Die Hausverfügung des Beteiligten, mit der das generelle Alkoholverbot in der Dienststelle angeordnet wurde, war mitbestimmungspflichtig. Sie beinhaltet eine Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten, die gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG der Mitbestimmung des Personalrats bedarf.
Wie der Senat in den Beschlüssen vom 11. März 1983 - BVerwG 6 P 25.80 - (BVerwGE 67, 61 = Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 24) und vom 30. Dezember 1987 - BVerwG 6 P 20.82 - (Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 17) ausgeführt hat, handelt es sich bei dieser Mitbestimmungsvorschrift um einen einheitlichen Tatbestand, der die Gesamtheit der Regelungen umfaßt, die einen störungsfreien, reibungslosen Ablauf des Lebens in der Dienststelle gewährleisten sollen. Das Zusammenwirken und -leben in einer Dienststelle erfordert Verhaltensregeln, die das Miteinander der Beschäftigten und den Gebrauch der zur Verfügung stehenden Gegenstände ordnen. Deshalb schafft jede Regelung des Verhaltens der Beschäftigten auch eine bestimmte Ordnung in der Dienststelle, wie umgekehrt jede Regelung der Ordnung ein bestimmtes Verhalten der Beschäftigten verlangt. Die Mitbestimmungsvorschrift bezieht sich insbesondere auf solche Maßnahmen, die das Verhalten der Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit oder ihr allgemeines Verhalten innerhalb der Dienststelle betreffen. Anordnungen, die die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der Beschäftigten regeln, also mit ihrer Arbeitsleistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, oder diensttechnische Regelungen, die den Ablauf des Dienstes gestalten, unterliegen dagegen nach Sinn und Zweck der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung. Dieser Unterscheidung liegt die Erwägung zugrunde, daß die Beschäftigten über die von ihnen gewählte Vertretung an den sie berührenden personellen und sozialen Fragen im Wege der Mitbestimmung beteiligt werden sollen. Diese Beteiligung kann aber nicht so weit gehen, daß die Erfüllung der Aufgaben der Dienststelle – insbesondere die Dienstausübung im eigentlichen Sinne – auch hinsichtlich ihrer Art und Weise von der Mitbestimmung des Personalrats abhängt. Diese Aufgaben der Dienststelle sind durch den Gesetzgeber und den von diesem ermächtigten Verordnungsgeber festgelegt und stehen, auch hinsichtlich der Art und Weise ihrer Erledigung, nicht zur Disposition von Stellen, die nicht der Volksvertretung für ihr Handeln verantwortlich sind (vgl. Beschluß vom 11. März 1983 - BVerwG 6 P 25.80 - (a.a.O.)).
Ergeht eine Hausordnung, die den gesamten Dienstbetrieb erfassen soll, so kann diese Verfügung sowohl das allgemeine Verhalten der Beschäftigten betreffen wie auch die Erfüllung von dienstlichen Aufgaben regeln. Die Zuordnung, ob die allgemeine Anordnung mitbestimmungspflichtig ist oder sie nicht der Mitbestimmung unterliegt, ist in diesen Fällen danach auszurichten, welcher Zweck unter Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten eindeutig im Vordergrund steht. Mitbestimmungsfrei sind danach solche Regelungen, bei denen die Diensterfüllung eindeutig im Vordergrund steht und bei denen Verhaltens- und Ordnungsmaßnahmen sich nur als zwangsläufige Folge dieser Zielsetzung darstellen (vgl. auch Fischer/Goeres in Fürst, GKöD V, K § 75 Rz 107 a).
Im Vordergrund der Hausverfügung des Beteiligten stand nach dem Wortlaut eindeutig die (mitbestimmungspflichtige) Regelung des allgemeinen Verhaltens der Beschäftigten in der Standortverwaltung und ihr Verhalten bei der Tätigkeit. Das Alkoholverbot sollte absolut für alle Beschäftigten, unter allen Umständen, an jedem Ort und während der gesamten Dienstzeit gelten. Es wurde weder mit der Besonderheit bestimmter Dienstgeschäfte noch mit speziellen dienstlichen Belangen begründet. Auch der Vorbehalt der Ausnahmegenehmigung im Einzelfall läßt Konkretisierungen nicht erkennen. Anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall des Alkoholverbots für waffentragende Zollbeamte (Beschluß vom 11. März 1983 - BVerwG 6 P 25.80 - (a.a.O.)) gebot die Art und Weise der in der Standortverwaltung zu verrichtenden Tätigkeiten keine im Vergleich zu anderen Verwaltungen besonderen Vorkehrungen in der Form eines speziellen Alkoholverbots.
Aus dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde zu legen ist, ergibt sich, daß die von den Beschäftigten zu erbringende Dienstleistung durch allgemeine Verwaltungstätigkeit bestimmt ist und keine Besonderheiten aufweist. Der Beteiligte verfolgte mit dem Alkoholverbot ersichtlich den Zweck, über die Sicherstellung der Erfüllung konkreter dienstlicher Aufgaben hinaus eine Maßnahme gegen jegliche alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu treffen, die sich auf jede beliebige andere Dienststelle – je nach Auffassung des Dienststellenleiters – übertragen ließe. Zwar kann mit dem Beschwerdegericht davon ausgegangen werden, daß Alkoholgenuß auch in geringen Mengen die Dienstausübung beeinträchtigen kann und daß im Hinblick auf die zahlreichen Faktoren, die je nach den äußeren Umständen, der persönlichen Konstitution und der Art der hier zu verrichtenden Dienst- und Arbeitsleistung variieren können, eine generelle Festlegung, in welchen Mengen Alkohol getrunken werden kann, ohne daß die Dienst- und Arbeitsleistung beeinträchtigt wird, praktisch nicht möglich ist. Diese Fragen bedürfen in dem zu entscheidenden Fall jedoch keiner abschließenden Klärung. Angesichts der von dem Leiter der Standortverwaltung gewollten Generalisierung und Loslösung von der zugrundeliegenden Tätigkeit ist davon auszugehen, daß die Hausverfügung eine gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG mitbestimmungspflichtige Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten ist, bei der der Bezug zu der jeweiligen Tätigkeit und ihrer Ausübung eindeutig in den Hintergrund treten soll.
Anders läge der Sachverhalt, wenn wie in dem vom Senat entschiedenen Fall des Alkoholverbots für waffentragende Zollbeamte (Beschluß vom 11. März 1983 - BVerwG 6 P 25.80 - (a.a.O.)) die Hausverfügung die Art und Weise der Dienstausübung unmittelbar regeln würde. Ein solcher Bezug wäre insbesondere dann gegeben, wenn sich das Verbot an Beschäftigte richten würde, die im Publikumsverkehr eingesetzt sind oder sicherheitsrelevante Tätigkeiten ausüben (Umgang mit Waffen oder gefährlichen Gütern usw.). Dasselbe gilt, wenn das Ob und Wie bestimmter Einzeltätigkeiten geregelt, d.h. wenn das Alkoholverbot mit einer Weisung verknüpft würde, wie eine konkrete Arbeitsleistung auszuführen ist. Die Art und Weise der Erledigung derartiger Tätigkeiten ist der Disposition des Personalrats entzogen. Sie unterliegt der alleinigen Verantwortlichkeit des Dienststellenleiters (vgl. Beschluß vom 11. März 1983 - BVerwG 6 P 25.80 - (a.a.O.)). Diese Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Fall angesichts des allgemein gehaltenen Charakters der Hausanordnung und der darin getroffenen Regelungen mit bewußt „generalpräventiver” Zielrichtung nicht erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 60570 |
NJW 1990, 726-727 (LT) |
Buchholz 250 § 75 BPersVG, Nr 71 (LT) |
NVwZ 1990, 374 (L) |
BWVPr 1990, 284 (L) |
ZBR 1990, 213-214 (LT) |
ZTR 1990, 121-122 (LT) |
DVBl 1990, 294-295 (LT) |
DokBer B 1990, 17-19 (LT) |
EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung, Nr 15 (LT) |
PersR 1989, 364-366 (S,LT) |
PersV 1990, 172-173 (LT) |
VR 1990, 143 (L) |
ZfPR 1990, 13-15 (LT) |
ZfSH/SGB 1990, 430 (K) |