Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeheimfinanzierung. Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen. Rechtsweg für Klagen auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung
Leitsatz (amtlich)
Für die Klage auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen eines Pflegeheims gegenüber den Heimbewohnern ist der Sozialrechtsweg gegeben (wie BSG, Beschluss vom 31. Januar 2000 – B 3 SF 1/99 R – NZS 2000, 523).
Normenkette
SGG § 51 Abs. 2 S. 2; SGB XI § 82 Abs. 3 S. 3, Abs. 4; VwGO § 40
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 03.07.2001; Aktenzeichen 12 LB 995/01) |
VG Stade (Urteil vom 23.11.2000; Aktenzeichen 1 A 330/99) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Zustimmung des Beklagten zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen für das von ihm betriebene private Pflegeheim gegenüber den Heimbewohnern.
Der Kläger betrieb seit 1983 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten ein Alten- und Pflegeheim. Zurzeit ist das Heim aufgrund einer – vom Kläger angefochtenen – Schließungsanordnung des Beklagten außer Betrieb.
Mit Bescheid vom 9. September 1996 anerkannte der Beklagte mit Wirkung vom 1. Juli 1996 das Heim des Klägers als förderfähige Einrichtung der vollstationären Dauerpflege; zugleich erklärte er, der Kläger sei berechtigt, für die pflegebedürftigen Heimbewohner Investitionsaufwendungen in Höhe von 12,49 DM pro Tag zu berechnen. Den Antrag des Klägers auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsfolgekosten in Höhe von 22,80 DM pro Tag gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Oktober 1997 ab. Den Widerspruch hiergegen wies die Bezirksregierung L. mit Bescheid vom 3. Februar 1999 zurück.
Daraufhin hat der Kläger entsprechend der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung vor dem Verwaltungsgericht Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Zustimmung erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. November 2000 als unbegründet abgewiesen, ohne eine Vorabentscheidung über die vom Kläger erhobene Rüge der Unzulässigkeit des Rechtsweges zu treffen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil durch Urteil vom 3. Juli 2001 aufgehoben, den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht S. verwiesen. Dazu hat es ausgeführt, § 17 a Abs. 5 GVG stehe einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht entgegen, weil das Verwaltungsgericht das Verfahren des § 17 a Abs. 2 GVG nicht eingehalten habe. Die Zuständigkeit der Sozialgerichte ergebe sich aus § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG. Die vom Kläger begehrte Zustimmung zur gesonderten Berechnung von nicht vollständig durch öffentliche Förderung gedeckten Investitionsaufwendungen sei eine Angelegenheit nach dem Elften Buch SGB, denn die Zustimmung habe ihre Rechtsgrundlage in § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI.
Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz. Er ist der Auffassung, der Verwaltungsrechtsweg sei gegeben. Die streitige Zustimmung sei keine Angelegenheit nach dem Elften Buch SGB im Sinne des § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG, weil die Finanzierungsverantwortung für Investitionsaufwendungen nach dem dualen Finanzierungssystem des SGB XI insgesamt bei den Ländern liege und der Bund ihnen in § 82 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SGB XI das Recht eingeräumt habe, im Hinblick auf die Zustimmung zur gesonderten Berechnung das Nähere zu bestimmen. Im Übrigen stehe diese Zustimmung in einem unlösbaren Sachzusammenhang mit der unzweifelhaft allein den Ländern vorbehaltenen Investitionsförderung.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht erkannt, dass für den Rechtsstreit nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet ist.
Rechtsfehlerfrei hat es zunächst erkannt, dass dieser Entscheidung § 17 a Abs. 5 GVG nicht entgegenstand, da das Verwaltungsgericht trotz entsprechender Rüge des Klägers keine Vorabentscheidung über die Rechtswegfrage getroffen hatte (vgl. Beschlüsse vom 28. Januar 1994 – BVerwG 7 B 198.93 – Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268 = NJW 1994 S. 956 und vom 22. November 1997 – BVerwG 2 B 104.97 – BayVBl 1998 S. 603). Zwar hätte das Berufungsgericht gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG auf die vom Kläger aufrechterhaltene Rüge über die (Un-) Zulässigkeit des Rechtswegs vorab durch Beschluss entscheiden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994, a.a.O.; BGH, Urteil vom 18. November 1998 – VIII ZR 269/97 – BGHR GVG § 17 a Vorabverfahren 1 sowie Beschluss vom 4. März 1998 – VIII ZB 25/97 – BGHR GVG § 17 a Abs. 4 Satz 1 Beschlussform 1, jeweils m.w.N.), doch erscheint dem erkennenden Senat eine Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache allein aus diesem Grunde namentlich unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie nicht vertretbar.
Zutreffend hat das Berufungsgericht seine Entscheidung über die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Bundessozialgerichts vom 31. Januar 2000 – B 3 SF 1/99 R – (NZS 2000 S. 523) und den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 29. Juni 2000 – 4 D 35 und 36/98.NE – auf § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG gestützt. Danach entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Elften Buch SGB entstehen. Die hier streitige Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen einer Pflegeeinrichtung gegenüber den Pflegebedürftigen ist eine solche Angelegenheit.
Das Erfordernis der behördlichen Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen ist in § 82 Abs. 3 und 4 SGB XI geregelt. Während § 82 Abs. 3 Satz 3 anordnet, dass bei teilweiser öffentlicher Förderung der Investitionsaufwendungen die Umlegung der restlichen Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen behördlicher Zustimmung bedarf, bestimmt Abs. 4, dass nicht öffentlich geförderte Einrichtungen eine entsprechende gesonderte Berechnung ohne eine solche Zustimmung vornehmen dürfen, dies aber der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen haben. Damit sind die Grundlinien des Zustimmungserfordernisses vom Bundesgesetzgeber im Elften Buch SGB festgelegt worden. Zwar hat er im 2. Halbsatz des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI dem Landesgesetzgeber das Recht vorbehalten, das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie zur Verteilung auf die Pflegebedürftigen, zu bestimmen. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine nähere Ausformung der im Grundsatz im SGB XI getroffenen Regelung. Dem Wortlaut nach gehört die streitige Zustimmung mithin eindeutig zu den Angelegenheiten nach dem Elften Buch SGB im Sinne des § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG.
Gründe, gleichwohl von einer Anwendung dieser Bestimmung abzusehen und die Streitigkeit nach § 40 VwGO den Verwaltungsgerichten zuzuordnen, sind nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere für den vom Beklagten hervorgehobenen Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs. Zwar ist es richtig, dass das Zustimmungserfordernis in Beziehung steht zu dem Komplex der öffentlichen Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen, über die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Streitfall die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (vgl. Beschluss vom 23. Dezember 1998 – BVerwG 3 B 22.98 – Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 283). Diese Beziehung besteht aber nur insoweit, als das Vorliegen einer teilweisen öffentlichen Investitionsförderung Tatbestandsvoraussetzung für das Zustimmungserfordernis ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat die Zustimmungsbehörde in eigener Zuständigkeit festzustellen. Ein Einfluss auf die Entscheidung über die Investitionsförderung, die in der Tat reine Länderangelegenheit und nicht Regelungsgegenstand des SGB XI ist, ergibt sich daraus nicht. Vielmehr soll die hier in Rede stehende Regelung den Pflegebedürftigen – und damit im Ergebnis auch die Pflegekassen und sonstigen Kostenträger – vor ungerechtfertigten Kostenbelastungen schützen. Das zeigt die Einordnung der Regelung in das Kapitel „Pflegevergütung” des SGB XI. Dieser Sachzusammenhang rechtfertigt auch inhaltlich die Feststellung, dass es sich um eine Angelegenheit nach dem Elften Buch SGB handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen
Haufe-Index 742784 |
BuW 2002, 654 |
ZAP 2002, 1043 |
DVBl. 2002, 1052 |
GV/RP 2002, 528 |
FuBW 2003, 250 |
FuNds 2003, 475 |