BAG, Urteil vom 15.10.2021, 6 AZR 254/20

Leitsatz (amtlich)

Die Anerkennung von Zeiten förderlicher Tätigkeit nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L setzt nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Bewerber bei seiner Einstellung eine Berücksichtigung solcher Zeiten verlangt.

Sachverhalt

Die Klägerin wurde bei dem beklagten Land als Musiklehrerin eingestellt. Hierbei wurde gem. § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L eine einschlägige Vorbeschäftigung als förderliche Zeit anerkannt, so dass die Klägerin in die EG 9 Stufe 4 TV-L zugeordnet wurde. Zuletzt erhielt sie eine Vergütung nach der EG 10 Stufe 5 TV-L. Nachdem der Rechnungshof eine ausreichende Dokumentation der Förderlichkeit moniert und darauf hingewiesen hatte, dass die Klägerin keine höhere Vergütung verlangt hatte, korrigierte das Land seine Einstufung.

Unstreitig war, dass die Vordienstzeiten förderlich waren und dass die Klägerin aktiv keine höhere Vergütung verlangt hatte. Allerdings war unklar, ob ihre Einstellung tatsächlich zur Deckung eines Personalbedarfs gem. § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L erfolgte. Insbesondere konnte die Bewerbungssituation bei der Einstellung der Klägerin nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden. Das beklagte Land verneinte dies allerdings; denn die Anerkennung förderlicher Zeiten sei denkbar z. B. in Mangelberufen oder wenn der bestqualifizierte oder unter Umständen einzige Bewerber nicht bereit sei, ohne Anerkennung förderlicher Zeiten einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Allerdings räumte der Vertreter des Fachreferats räumte ein, dass es in Musik, noch dazu bei einer so geringen Stundenzahl sehr schwierig sei, Bewerber zu finden.

Die Klägerin, die der Ansicht war, dass auf Grundlage dieses Sachverhalts eine korrigierende Rückstufung nicht möglich sei, erhob Klage.

Die Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg.

Das BAG führte aus, dass dem Land zwar zuzuerkennen sei, dass eine korrigierende Rückstufung grundsätzlich möglich sei, wenn der Arbeitgeber sich bei der Anwendung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Tarifnorm – hier des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L – geirrt habe, nicht jedoch, wenn er im Nachhinein zu der Auffassung gelangt, sein Ermessen nicht richtig ausgeübt zu haben. Seiner diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast sei das beklagte Land vorliegend aber nicht nachgekommen, da es nicht ausreichend dargelegt hatte, dass arbeitsmarktbedingte oder örtliche Personalgewinnungsschwierigkeiten zum Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin nicht vorlagen. Weiter führte das BAG aus, dass ein Arbeitnehmer/Bewerber die Anerkennung förderlicher Zeiten weder selbst verlangen müsse noch überhaupt wissen müsse, dass er einer höheren Stufe zugeordnet wurde; denn § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L verlange nicht, dass Bewerber zunächst die übliche tarifliche Vergütung ablehnen und eine höhere Einstufung verlangen, so dass die höhere Vergütung gemäß der tariflichen Norm auch ohne Kenntnis der Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont konkludent vereinbart worden sei und deshalb einer korrigierenden Rückgruppierung nicht offen stehe.

Anmerkung:

Die Entscheidung ist entsprechend auch auf die wortlautgleichen Regelungen in § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-Bund / VKA übertragbar.

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