LAG München, Urteil v. 10.10.2022, 4 Sa 290/22
Es gibt keinen Generalverdacht der Diskriminierung. Die bloße Behauptung "ins Blaue hinein" ohne tatsächliche Anhaltspunkte begründet kein Indiz für eine Diskriminierung.
Sachverhalt
Der Kläger, Diplomtheologe der katholischen Theologie, war zunächst Pastoralreferent der katholischen Kirche und anschließend Priester der altkatholischen Kirche. Er hatte sich im Juni 2021 bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Position der Leitung der Telefonseelsorge beworben und in seinem Bewerbungsschreiben auf seine Schwerbehinderung hingewiesen. Er wurde daraufhin zu einem Online-Vorstellungsgespräch eingeladen, welchen der Kläger auch bestätigte, jedoch dann nicht daran teilnahm. Auf Nachfrage der Beklagten hin berief er sich auf technische Probleme, eine Entschuldigung erfolgte jedoch nicht. Am Folgetag fand daraufhin ein Ersatzgespräch unter Beisein der Schwerbehindertenvertretung bei der Beklagten statt. Nachdem der Kläger schließlich eine Absage erhielt, forderte er gerichtlich eine Entschädigung i. H. v. 8.000 EUR. Er brachte hierzu vor, dass er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, dessen Verlauf auf eine Einstellung habe schließen lassen. Und solange die Beklagte nicht ihrerseits dargelegt und nachgewiesen habe, dass sie die Vorgaben des AGG eingehalten habe und die am Bewerbungsverfahren beteiligten Personen nach dem AGG geschult sowie ein ordnungsgemäßes Beschwerdeverfahren durchgeführt habe, sei von einer Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung auszugehen. Diese Beweislastumkehr entspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Gericht entschied, dass es vorliegend an einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG fehle. Zwar sehe § 22 AGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Handlung und einem der in § 1 AGG genannten Merkmale eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor: wenn im Streitfall die benachteiligte Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines nach § 1 AGG sanktionierten Merkmals vermuten lassen, dann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hiernach genügt somit eine Person, die sich durch eine Benachteiligung wegen ihrer Behinderung für beschwert hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie als eine solche Person wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden war.
Nicht ausreichend sei jedoch, so das Gericht weiter, die bloße Behauptung "ins Blaue hinein" ohne tatsächliche Anhaltspunkte. Insbesondere begründe allein die Aussage, ein Merkmal gem. § 1 AGG zu erfüllen und deshalb eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren zu haben, kein Indiz für eine Diskriminierung. Und im vorliegenden Fall seien Indizien, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten lassen, nicht ersichtlich. Es fehle jeglicher Vortrag des Klägers, aus dem sich ergab, dass die Ablehnung seiner Bewerbung in Zusammenhang mit seiner Behinderung stehen könnte.