Der Arbeitsvertrag unterliegt als schuldrechtlicher Vertrag den Rechtsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Anfechtung eines Arbeitsvertrages wird in den §§ 119, 123 BGB geregelt und setzt voraus, dass er entweder durch Irrtum, Drohung oder durch arglistige Täuschung zustande kam.

Die arglistige Täuschung spielt vor allem beim Fragerecht (vgl. dort) bei der Einstellung eine Rolle.

Die Anfechtung wegen Irrtums ist bedeutsam für den Fall eines Eigenschaftsirrtums. Ein Eigenschaftsirrtum liegt vor, wenn der Arbeitnehmer bestimmte Eigenschaften aufweist, die nach allgemeiner Anschauung den Arbeitnehmer als ungeeignet erscheinen lassen.

 
Praxis-Beispiel

Ein notorischer Betrüger oder Dieb soll als Gerichtsvollzieher oder Kassierer eingestellt werden. Ein Alkohol- oder Drogensüchtiger als Kraftfahrer oder in der Drogen- und Suchtberatung. Bewerbung einer transsexuellen Person, deren Geschlechtsumwandlung nach den §§ 9, 10 PSG noch nicht erfolgt ist, als Arzthelferin bei einem Frauenarzt.[1]

Der Grad der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ist keine Eigenschaft, die eine Anfechtung begründen kann. Der Eigenüberschätzung des Arbeitnehmers steht nämlich die Fehleinschätzung durch den Arbeitgeber gleichrangig gegenüber.

Eine Anfechtung wegen Drohung ist praxisrelevant beim Aufhebungsvertrag (vgl. dort).

Anfechtungsfrist

Die Anfechtung wegen Irrtums muss unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntnis des Grundes, dem Vertragspartner gegenüber ausgesprochen werden. Bei der arglistigen Täuschung muss die Anfechtung binnen eines Jahres nach Bekanntwerden der Täuschung erfolgen. Sie sollten aber auch hier eine unverzügliche Anfechtung aussprechen, um den Einwand des Rechtsmissbrauchs auszuschließen, weil durch ein längeres Zuwarten der Eindruck entstehen könnte, die Verfehlung sei kein Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein Zeitraum von knapp drei Wochen rechtfertigt allerdings diesen Einwand noch nicht.[2]

Eine Einschränkung des Anfechtungsrechts kann sich des weiteren aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben, wenn der Anfechtungsgrund im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses keine Bedeutung mehr hat.[3]

Die Anfechtung führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft. Soweit das Arbeitsverhältnis noch nicht in Vollzug gesetzt wurde, also noch keine Leistungen erbracht wurden oder aber der Arbeitnehmer arbeitsunfähig war[4], wirkt die Anfechtung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

 
Praxis-Beispiel

Die Vertragspartner vereinbaren am 12.3. den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit Beginn der Arbeitsaufnahme zum 1.4. als Chefredakteur beim Presseamt der Stadt X. Vor Arbeitsantritt wurde bekannt, dass der Arbeitnehmer bei seiner persönlichen Vorstellung wahrheitswidrige Angaben machte und er als Volontär eben erst seine Ausbildung beendet hat. Die Anfechtung wegen einer arglistigen Täuschung vor Arbeitsantritt führt zur rückwirkenden Beseitigung des Arbeitsvertrages.

Wären die Unwahrheiten erst zwei Monate nach Arbeitsantritt bekannt geworden, würde die Anfechtung nur noch für die Zukunft wirken. Durch die vorausgegangene Arbeitsaufnahme ist ein faktisches Arbeitsverhältnis entstanden, das rückwirkend nicht mehr beseitigt werden kann. Eine Rückabwicklung von Leistungen wie z.B. Gehaltszahlung oder Urlaubsgewährung findet nicht statt.

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